Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IA 524



99 Ia 524

64. Auszug aus dem Urteil vom 21. November 1973 i.S. Röösli gegen Ruggle
und Kons. sowie Einwohnerrat Reinach und Verwaltungsgericht des Kantons
Basel-Landschaft. Regeste

    Art. 85 lit. a OG; kommunales Finanzreferendum.

    Gegen negative Beschlüsse der kantonalen oder kommunalen Parlamente
kann das fakultative Referendum nur ergriffen werden, wenn das kantonale
Recht diese Möglichkeit eindeutig vorsieht.

Sachverhalt

    A.- Am 10. Mai 1972 beantragte der Gemeinderat von Reinach dem
Einwohnerrat, dem sofortigen Bau einer Fussgängerunterführung an
der Austrasse zuzustimmen und den erforderlichen Kredit in der Höhe
von Fr. 305 000.-- zu bewilligen. Der Einwohnerrat wies die Vorlage am
25. Mai an den Gemeinderat zurück, damit er prüfe, ob sich die direkten
"Verkehrsverursacher" zur Hälfte an den Kosten beteiligen würden. Es
fanden sich indes nur zwei private Unternehmen bereit, Beiträge von
zusammen Fr. 40 000.-- zu leisten. Am 2. Oktober 1972 beantragte der
Gemeinderat dem Einwohnerrat erneut, dem sofortigen Bau der Unterführung
zuzustimmen; es wurde nunmehr ein Kredit von Fr. 265 000.-- verlangt. Der
Einwohnerrat lehnte am 23. November 1972 den Antrag des Gemeinderats mit
32 zu 1 Stimmen ab.

    B.- Gegen diesen Beschluss ergriffen 340 Stimmberechtigte rechtzeitig
das Referendum. Der Gemeinderat setzte die Abstimmung auf den 4. März
1973 an.

    Gegen den Beschluss des Gemeinderats, die Vorlage über den Bau der
Unterführung der Volksabstimmung zu unterbreiten, erhoben Ruggle und
drei weitere Stimmbürger beim Regierungsrat Beschwerde, wobei sie das
Begehren um aufschiebende Wirkung stellten. Gestützt auf ein Schreiben
der Direktion des Innern widerrief der Gemeinderat die auf den 4. März
1973 angesetzte Volksabstimmung.

    Der Regierungsrat wies die Beschwerde am 20. März 1973 ab. Zur
Begründung führte er im wesentlichen aus: Während nach den Gesetzen
anderer Kantone das Referendum gegen "Beschlüsse" des Gemeindeparlaments
ergriffen werden könne, sei in § 121 Abs. 1 des Gemeindegesetzes des
Kantons Basel-Landschaft (GG) nicht von "Beschlüssen", sondern von
"Geschäften" die Rede. Damit wolle zum Ausdruck gebracht werden,
dass die Stimmbürger auf ein durch Referendum gestelltes Verlangen
hin nicht nur über annehmende Beschlüsse des Einwohnerrats, sondern
über das Geschäft als solches befinden könnten. Auch im Kanton
Zürich unterstünden sowohl Beschlüsse eines Gemeindeparlaments über
die Annahme einer Vorlage, als auch solche über die Ablehnung und die
Rückweisung dem fakultativen Referendum. Der kantonale Gesetzgeber könne
die Volksrechte in Gemeindeangelegenheiten im Rahmen des Bundesrechts
und der Kantonsverfassung beliebig ausgestalten. Den Stimmberechtigten
stehe zwar auch der Weg der Initiative offen. Dieses Verfahren sei aber
schwerfälliger und nehme erheblich mehr Zeit in Anspruch. Das Institut des
Referendums gegen negative Parlamentsbeschlüsse sei deshalb im Hinblick
auf den Zeitgewinn und die Verfahrensökonomie durchaus sinnvoll und den
kleinen Verhältnissen der Gemeinde angepasst.

    C.- Gegen den Beschluss des Regierungsrats erhoben Ruggle und Konsorten
Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Dieses hiess die Beschwerde am 30. Mai
1973 gut und hob den Beschluss des Regierungsrats auf. Zur Begründung
führte es u.a. aus: In der schweizerischen Rechtsliteratur herrsche
allgemein die Ansicht vor, das Referendum sei nur gegen annehmende
Beschlüsse des Parlaments möglich. Es müsse geprüft werden, ob das
Referendumsrecht im Kanton Basel-Landschaft weiterreiche als im Bund
und in den übrigen Kantonen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sei die
Auslegung nicht ausgeschlossen, dass auch ablehnende Beschlüsse des
Einwohnerrats dem fakultativen Referendum unterstünden. Während in § 120
Abs. 2 GG bestimmt werde, die Gemeindeordnung könne weitere Beschlüsse des
Einwohnerrats dem obligatorischen Referendum unterstellen, sei in § 121,
der vom fakultativen Referendum handle, nicht von Beschlüssen, sondern
von Geschäften die Rede. In den Erläuterungen zur Volksabstimmung über das
Gemeindegesetz habe man ausgeführt, das fakultative Referendum könne bei
zahlreichen anderen Beschlüssen des Einwohnerrats ergriffen werden. Daraus
lasse sich ableiten, dass man die Ausdrücke "Beschlüsse" und "Geschäfte"
habe gleichstellen wollen und die Wahl des zweiten Ausdrucks auf eine
redaktionelle Unaufmerksamkeit zurückzuführen sei. Diese Annahme werde
durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Dem obligatorischen Referendum
seien nur positive Beschlüsse unterstellt, und es verhalte sich trotz
des unklaren Wortlautes von § 121 Abs. 1 GG beim fakultativen Referendum
nicht anders. Wenn man annähme, das fakultative Referendum könne auch
gegen negative Beschlüsse des Einwohnerrats ergriffen werden, so wäre
damit nichts erreicht. Der positive Ausgang der Abstimmung über das
Referendumsbegehren würde nur bedeuten, dass etwas unternommen werden
müsse, doch wäre dem Abstimmungsergebnis nicht zu entnehmen, was genau
zu geschehen habe. Im übrigen gälten für das fakultative Referendum
einerseits, die Gesetzes- oder Verwaltungsinitiative anderseits nach den
§§ 121 Abs. 1 und 122 GG die gleichen Erfordernisse. Wenn die Stimmbürger
etwas erreichen wollten, das der Einwohnerrat abgelehnt habe, stehe ihnen
stets der Weg der Initiative offen, die ihrer Natur nach dazu bestimmt sei,
eine positive Neuerung vorzuschlagen, während das Referendum dazu diene,
eine vom Einwohnerrat beschlossene positive Neuerung zu verhindern.

    D.- Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts führen Rosmarie und
Fridolin Röösli-Strahm gemäss Art. 85 lit. a OG staatsrechtliche Beschwerde
mit dem Antrag, der Entscheid sei aufzuheben und es sei anzuordnen,
dass das gegen den Beschluss des Einwohnerrats von Reinach eingereichte
Referendum den Stimmbürgern zur Abstimmung vorgelegt werde. Die Begründung
der Beschwerde ergibt sich, soweit nötig, aus den folgenden Erwägungen.

    E.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft und der
Einwohnerrat von Reinach haben auf Gegenbemerkungen verzichtet. Ruggle
und Konsorten stellen den Antrag, auf die Beschwerde nicht einzutreten,
eventuell sie abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Vor dem Erlass des neuen Gemeindegesetzes waren die Gemeinden
des Kantons Basel-Landschaft durchwegs nach dem Prinzip der direkten
Demokratie organisiert. In diesem System ist der Gemeinderat
die Exekutive. Oberstes Organ ist die Gemeindeversammlung, d.h. die
Versammlung der stimmberechtigten Bürger, die alle wesentlichen Beschlüsse
zu fassen hat. In grössern Gemeinden lässt sich dieses System kaum mehr
durchführen. Nach dem Vorbild anderer Kantone sieht deshalb das neue
Gemeindegesetz des Kantons Basel-Landschaft als wichtigste Neuerung vor,
dass Einwohnergemeinden mit mehr als zweitausend Stimmberechtigten die
sogenannte ausserordentliche Gemeindeorganisation einführen können. An
die Stelle der Gemeindeversammlung tritt hier ein Gemeindeparlament,
der sogenannte Einwohnerrat. Ihm stehen im wesentlichen die gleichen
Befugnisse zu wie bei der ordentlichen Gemeindeorganisation
der Gemeindeversammlung. Die Einwohnergemeinde Reinach hat die
ausserordentliche Gemeindeorganisation eingeführt.

    In Gemeinden mit ausserordentlicher Organisation unterliegen
Änderungen der Gemeindeordnung nach dem Beschluss des Einwohnerrats
der Urnenabstimmung. Die Gemeindeordnung kann weitere Beschlüsse des
Einwohnerrats dem obligatorischen Referendum unterstellen (§ 120 GG). Unter
dem Marginale "Fakultatives Referendum" bestimmt § 121 GG:

    "1 Die übrigen dem Einwohnerrat zustehenden Geschäfte sind
unter Vorbehalt von Absatz 2 der Gesamtheit der Stimmberechtigten zu
unterbreiten, wenn ein Drittel der anwesenden Mitglieder des Einwohnerrates
oder innert dreissig Tagen fünf Prozent der Stimmberechtigten ein
entsprechendes Begehren stellen. In jedem Falle genügen die Unterschriften
von dreihundert Stimmberechtigten.

    2 Vom fakultativen Referendum sind die Wahlen, die Genehmigung
der Voranschläge und der Jahresrechnungen, die Festsetzung des
Steuerfusses sowie die sich aus der Oberaufsicht über die Verwaltung
ergebenden Geschäfte ausgenommen. Ebenso ist das fakultative Referendum
ausgeschlossen, wenn es sich um dringliche Geschäfte handelt und
mindestens zwei Drittel der anwesenden, jedenfalls aber die Hälfte
sämtlicher Mitglieder des Einwohnerrates dem Ausschluss zustimmen."

Erwägung 4

    4.- Zu entscheiden ist, ob der Beschluss des Reinacher Einwohnerrates,
mit dem dieser den Antrag des Gemeinderates auf Erstellung einer
Personenunterführung ablehnte, nach § 9 der Gemeindeordnung (GO) bzw. §
121 GG dem fakultativen Referendum untersteht.

    Die Beschwerdeführer sind mit dem Regierungsrat der Ansicht, das
sei der Fall. Für diese Auslegung des Gesetzes lassen sich beachtliche
Gründe ins Feld führen. Aus den Erläuterungen des Regierungsrats
zur Abstimmung über das Gemeindegesetz ergibt sich die Sorge des
Gesetzgebers, dass die Einbusse an politischen Rechten, die bei der
ausserordentlichen Gemeindeorganisation mit dem Übergang zur indirekten
Demokratie verbunden ist, nicht allzu gross wird. Von daher gesehen
liesse es sich rechtfertigen, das Referendumsrecht nicht zu beschränken,
sondern auch gegen negative Beschlüsse des Einwohnerrats zuzulassen. Nach
Auffassung des Regierungsrates können zwar dem obligatorischen Referendum
(§ 120 GG) nur positive Beschlüsse unterstehen. In § 120 Abs. 2 GG
ist indessen von Beschlüssen die Rede, während nach § 121 Abs. 1 die
"übrigen dem Einwohnerrat zustehenden Geschäfte" dem fakultativen
Referendum unterstellt sind. Das kann als Hinweis dafür gewertet werden,
dass die Anfechtungsmöglichkeit beim fakultativen Referendum anders als
beim obligatorischen über die (positiven) Beschlüsse hinausreichen und
auch negative Entscheide des Einwohnerrats erfassen soll. An sich ist es
dem kantonalen Gesetzgeber unbenommen, das fakultative Referendum in den
Gemeinden auch gegen negative Entscheide des Einwohnerrats zuzulassen,
wobei zunächst dahingestellt sein mag, ob ein solches Volksrecht noch
als Referendum zu qualifizieren wäre. Der Regierungsrat hat sich darauf
berufen, nach der Rechtslehre könne im Kanton Zürich auch gegen ablehnende
Beschlüsse des dem Baselbieter Einwohnerrat entsprechenden Grossen
Gemeinderats das fakultative Referendum ergriffen werden. Diese Auffassung
trifft nur in sehr beschränktem Masse zu. Wie das Verwaltungsgericht
richtig ausführt, wird in der schweizerischen Rechtslehre kaum die Ansicht
vertreten, das Referendum könne sich auch gegen negative Beschlüsse
richten. Einzig METTLER (Das Zürcher Gemeindegesetz, S. 301) ist der
Meinung, nach zürcherischem Recht sei das fakultative Referendum gegen
ablehende Beschlüsse des Grossen Gemeinderats zulässig. Dass das der
Zürcher Praxis entspräche, ist nicht dargetan, und in der Literatur
wird die Auffassung METTLERS abgelehnt (GEILINGER, Die Institutionen
der direkten Demokratie im Kanton Zürich, Diss. 1947 S. 159; HEINIGER,
Der Gemeinderat, Diss. 1957 S. 236 N. 15). Die für die gegenteilige
Ansicht angeführten Autoren (STREIFF, Die Gemeindeorganisation mit
Urnenabstimmung im Kanton Zürich, Diss. 1959 S. 208 ff. und ETTER, Die
Gewaltendifferenzierung in der zürcherischen Gemeinde, Diss. 1967 S. 128)
befassen sich nur mit der sog. nachträglichen Urnenabstimmung. Für
die Institution des Referendums wird die Frage auch von diesen Autoren
indirekt verneint. Abgesehen davon ist es von geringer Bedeutung, welche
Ordnung im Kanton Zürich gilt und wie die entsprechenden Vorschriften
dort ausgelegt werden, denn diese Ordnung weicht in wesentlichen Punkten
von derjenigen des Kantons Basel-Land ab.

Erwägung 5

    5.- a) Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, wird zwar in
der schweizerischen Rechtslehre kaum ausdrücklich gesagt, das Referendum
könne sich nur auf positive Beschlüsse beziehen, doch wird allgemein von
dieser Annahme ausgegangen (vgl. AUBERT, Le referendum populaire, ZSR
1972 S. 484/5; BURCKHARDT, Komm. zur Bundesverfassung, 3. A. S. 707 und
die im angefochtenen Urteil zitierten Autoren). Dass sich z.B. im Bund
das fakultative Referendum nur gegen positive Beschlüsse richten kann,
ergibt sich daraus, dass ihm nur Bundesgesetze und allgemeinverbindliche
Bundesbeschlüsse unterstehen. GIACOMETTI führt in allgemeiner Weise aus,
wenn das fakultative Referendum nicht ergriffen werde, so sei die bedingte
Rechtsverbindlichkeit der vom Parlament angenommenen Vorlage zu einer
unbedingten geworden, das Referendum habe somit einen negativen Charakter
(Das Staatsrecht der Kantone, S. 438). Würde man das fakultative Referendum
auch gegen negative Beschlüsse zulassen, so hätte es insoweit einen
positiven Charakter. Das ist aber seinem Wesen fremd. Als wesentliche
Volksrechte, mit denen der Stimmbürger dem Parlament gegenüber seinen
Willen durchsetzen kann, kennt das schweizerische Recht Initiative und
Referendum. Während die Initiative regelmässig dazu dient, etwas Neues zu
schaffen, soll mit dem Referendum dem Volk die Möglichkeit gegeben werden,
eine vom Parlament beschlossene Neuerung abzulehnen. Historisch ist das
fakultative Referendum aus dem Volks-Veto herausgewachsen (DIETSCHI, Das
Volks-Veto in der Schweiz, Diss. 1926 S. 147 und 152 ff.). Wie dieses hat
es negativen Charakter, was bedeutet, dass ihm nur positive Beschlüsse
des Parlaments unterstehen können. Dass nach sozusagen einhelliger
schweizerischer Rechtsauffassung das fakultative Referendum negativen
Charakter hat und deshalb nur gegen positive Beschlüsse ergriffen werden
kann, ist im zu beurteilenden Fall nicht ohne Bedeutung, denn § 121
GG bezeichnet das hier in Frage stehende Volksrecht als fakultatives
Referendum. Darunter ist an sich das zu verstehen, was in der Schweiz
allgemeiner Rechtsanschauung entspricht. Eine andere Auslegung würde sich
nur dann rechtfertigen, wenn sich klar ergäbe, dass man im Gemeindegesetz
des Kantons Basel-Landschaft den Begriff des Referendums weitergefasst
und damit ein Institut geschaffen hätte, das nach allgemeiner Ansicht
insoweit nicht mehr Referendum wäre, als sich das Begehren auch gegen
einen negativen Parlamentsbeschluss richten könnte.

    b) Dem obligatorischen Referendum unterstehen, wie der Regierungsrat
mit Recht anerkennt, nur positive Beschlüsse des Einwohnerrates. Während
in § 120 Abs. 2 GG von weitern "Beschlüssen" die Rede ist, welche die
Gemeindeordnung dem obligatorischen Referendum unterstellen kann, sieht
§ 121 Abs. 1 für die übrigen dem Einwohnerrat zustehenden "Geschäfte"
das fakultative Referendum vor. Daraus könnte geschlossen werden, das
fakultative Referendum reiche weiter als das obligatorische und könne sich
auch gegen negative Beschlüsse richten. Der unterschiedlichen Terminologie
kann aber wohl keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. § 121
Abs. 2 nimmt bestimmte Beschlüsse vom fakultativen Referendum aus und
schliesst daran folgende Regel an: "Ebenso ist das fakultative Referendum
ausgeschlossen, wenn es sich um dringliche Geschäfte handelt und mindestens
zwei Drittel der anwesenden, mindestens aber die Hälfte aller Mitglieder
des Einwohnerrats dem Ausschluss zustimmen." Hier wird der Ausdruck
"Geschäfte" im gleichen Sinn gebraucht, den der Ausdruck "Beschlüsse" in
§ 120 Abs. 2 hat, denn es ist klar, dass nur bei positiven Beschlüssen
das Referendum wegen Dringlichkeit ausgeschlossen sein kann. Das lässt
vermuten, mit dem in § 121 Abs. 1 verwendeten Ausdruck "Geschäfte"
habe man das fakultative Referendum nicht auf negative Beschlüsse
ausdehnen wollen. Zumindest ergibt sich aus der unterschiedlichen
Ausdrucksweise nicht mit genügender Klarheit, dass entgegen der allgemeinen
schweizerischen Rechtsanschauung das fakultative Referendum auch gegen
negative Beschlüsse gerichtet werden kann. Das fakultative Referendum ist
nach § 49 GG bei der ordentlichen Gemeindeorganisation gegen "Beschlüsse"
der Gemeindeversammlung vorgesehen. Es ist kaum einzusehen, weshalb das
gleiche Recht bei der ausserordentlichen Gemeindeorganisation weitere
Entscheide erfassen sollte. In den Gesetzesberatungen wurde denn auch,
soweit zu ersehen, nie der Gedanke ausgesprochen, das Referendum sei
gegenüber Entscheiden des Einwohnerrats in weitergehendem Mass zulässig
als gegenüber solchen der Gemeindeversammlung. Die Materialien des
Gesetzes sind zwar an sich für die Auslegung nicht massgebend, doch
können sie immerhin zur Interpretation herangezogen werden (BGE 97 I 148,
95 I 510/11 mit Verweisungen). In den Erläuterungen des Regierungsrats
zur Volksabstimmung über das Gemeindegesetz wurde dargelegt, welche
Parlamentsbeschlüsse dem obligatorischen Referendum unterstehen. Im
Anschluss daran führte die Regierung aus, das fakultative Referendum könne
bei zahlreichen anderen Beschlüssen des Einwohnerrats ergriffen werden. Der
Regierungsrat hat demnach der unterschiedlichen Ausdrucksweise der §§
120 und 121 GG offenbar keine materielle Bedeutung beigemessen. Wenn sich
auch aus den Protokollen der landrätlichen Vorberatungskommission keine
eindeutigen Schlüsse ziehen lassen, so ist immerhin darauf hinzuweisen,
dass ein Mitglied die Ansicht vertrat, wenn der Einwohnerrat negativ
beschliesse, gebe es keine Volksabstimmung, was, soweit ersichtlich,
unwidersprochen blieb (Votum Waldner, Protokoll S. 267). Wie das
Verwaltungsgericht unter weiterem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte
darlegte, ist zu vermuten, dass die unterschiedliche Terminologie nur
redaktionelle, nicht aber materielle Bedeutung hat. Zumindest ergibt
sich nicht mit Klarheit, dass mit der Wahl des Wortes "Geschäfte" zum
Ausdruck gebracht werden wollte, das fakultative Referendum könne auch
gegen negative Beschlüsse des Einwohnerrats ergriffen werden.

    c) Auch eine teleologische Auslegung des § 121 Abs. 1 GG führt zum
gleichen Ergebnis. Wenn das Referendum gegen einen negativen Beschluss
erhoben werden könnte, wäre unklar, worüber der Bürger eigentlich abstimmen
müsste. Das Verwaltungsgericht nimmt an, der Bürger hätte darüber
zu befinden, ob er mit dem Beschluss des Einwohnerrats einverstanden
sei oder nicht. Diese Ansicht mag als folgerichtig erscheinen, denn
es sind die Parlamentsbeschlüsse, die dem fakultativen Referendum
unterstehen. Wie das Verwaltungsgericht ausführt, wäre aber eine solche
Lösung nicht sinnvoll. Würde die Bürgerschaft den negativen Beschluss
des Einwohnerrats ablehnen, so wäre damit der Weg für die Erstellung der
Personenunterführung noch nicht frei. Das Volk hätte vielmehr nur zum
Ausdruck gebracht, dass es entgegen dem Beschluss des Einwohnerrats den
Bau der Unterführung wünscht, doch müsste nach der Abstimmung zunächst
eine Vorlage ausgearbeitet werden, aus der sich Art der Ausführung und
Kostenfolge ergäben. Dabei wäre wiederum fraglich, ob der Einwohnerrat
gehalten ist, eine solche Vorlage gegen seine eigene Überzeugung zu
beschliessen. Auf jeden Fall wäre das Verfahren sehr umständlich, und das
Ziel einfacher auf dem Weg der Initiative zu erreichen. Der Überlegung
des Regierungsrats, das fakultative Referendum gegen negative Beschlüsse
sei zuzulassen, weil das Verfahren einfacher sei als jenes der Initiative,
ist demnach der Boden entzogen, wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon
ausgeht, der Bürger habe sich in der Referendumsabstimmung nur darüber
auszusprechen, ob er mit dem negativen Beschluss des Einwohnerrats
einverstanden ist oder nicht. Demgegenüber war der Gemeinderat gemäss
seiner Fragestellung an die Stimmberechtigten der Ansicht, wenn sich das
fakultative Referendum gegen einen negativen Beschluss des Einwohnerrats
richte, habe der Stimmbürger über den vom Einwohnerrat abgelehnten Antrag
des Gemeinderats zu befinden. Diese Lösung mag naheliegen, doch kann
dagegen eingewendet werden, es sei systemwidrig, dass der Bürger über eine
Vorlage der Exekutive, nicht des Gemeindeparlaments zu befinden hat. Der
Einwohnerrat würde dabei insoweit übergangen, als er zu den Modalitäten der
Ausführung und dem Kreditbedarf für die Unterführung im ganzen Verfahren
nicht hätte Stellung nehmen können. Die Beschwerdeführer scheinen diesen
Mangel erkannt zu haben. Sie führen aus, dem Stimmberechtigten sei der
Antrag des Gemeinderats mit allfälligen Korrekturen des Einwohnerrats zum
Entscheid vorzulegen. Sie schweigen sich aber darüber aus, wie sie sich
eine solche Lösung praktisch vorstellen. Wollte man sie verwirklichen, so
müsste der Einwohnerrat auch dann, wenn er einen Antrag des Gemeinderats
überhaupt ablehnt, im Sinn eines Eventualbeschlusses stets bestimmen,
welche Korrekturen er an der Vorlage des Gemeinderats vornehmen würde,
falls es nicht bei seinem ablehnenden Beschluss bleibt, sondern dagegen das
Referendum ergriffen wird. Das wäre aber eine ungewöhnliche, ja durchaus
absonderliche Ordnung. Wenn der Gesetzgeber ein solches Verfahren hätte
vorsehen wollen, so hätte er es ausdrücklich vorschreiben müssen. Wie
man auch die Abstimmungsfrage formulieren würde, jede Lösung hätte
ihre schwerwiegenden Nachteile. Vor allem wäre die wichtige Frage
völlig offen, worüber eigentlich der Bürger abstimmen soll, wenn das
fakultative Referendum gegen einen negativen Beschluss des Einwohnerrats
zustandekam. Daraus wird ersichtlich, dass es nicht dem Sinn des Gesetzes
entspricht, ein solches Referendum zuzulassen.

    d) Nach § 120 Abs. 1 GG unterliegen Änderungen der Gemeindeordnung nach
dem Beschluss des Einwohnerrats der Urnenabstimmung, und nach Abs. 2 kann
die Gemeindeordnung weiter Beschlüsse des Einwohnerrats dem obligatorischen
Referendum unterstellen. Unter diesen Beschlüssen sind solche von grosser
Tragweite zu verstehen. Die Reinacher Gemeindeordnung sieht denn auch
in diesem Sinn u.a. vor, dass Beschlüsse über eine Ausgabe von mehr
als 2 Millionen Franken dem obligatorischen Referendum unterstehen (§ 8
GO). Das gilt aber nur für positive Beschlüsse, denn dem obligatorischen
Referendum sind, wie der Regierungsrat mit Recht anerkennt, lediglich
solche Beschlüsse unterstellt. Nach Ansicht der Beschwerdeführer könnte
man wohl auch gegen negative Beschlüsse über Ausgaben von mehr als
zwei Millionen Franken das fakultative Referendum ergreifen. Es wäre
dann allerdings durchaus ungewöhnlich, dass dieselbe Vorlage je nach
der positiven oder negativen Natur des Einwohnerrats-Beschlusses dem
obligatorischen oder dem fakultativen Referendum unterstünde. Auch das
spricht für die Ansicht des Verwaltungsgerichts.

Erwägung 6

    6.- Die gleiche Zahl von Stimmberechtigten, die das Referendum
ergreifen können, haben auch die Möglichkeit, eine Initiative zu lancieren
(§§ 121 Abs. 1 und 122 GG). Die Beschwerdeführer hätten demnach den
Bau der Personenunterführung mit einer Initiative verlangen können, und
da sie offenbar den Antrag des Gemeinderates auch in den Einzelheiten
und hinsichtlich der Kostenfolge für richtig hielten, wäre ihnen
freigestanden, unter Übernahme dieses Antrages eine sogenannte formulierte
oder ausgearbeitete Initiative einzureichen. Der Regierungsrat scheint
letztlich das Referendum gegen negative Beschlüsse des Einwohnerrats
deshalb zugelassen zu haben, weil der Weg der Initiative viel länger
sei als jener des Referendums, da sich der Einwohnerrat nach § 123 GG
ein Jahr Zeit lassen könne, bis er zu dem Begehren Stellung nehme und
es für die Volksabstimmung freigebe. Abgesehen davon, dass zwischen
dem Beschluss des Einwohnerrats und der Referendumsabstimmung auch
eine gewisse Zeit verstreicht, ist die in § 123 gesetzte Frist eine
Maximalfrist. Liegt bereits ein Vorschlag des Gemeinderats und eine diesem
entsprechende ausgearbeitete Initiative von Stimmbürgern vor, so wird es
dem Einwohnerrat regelmässig möglich sein, die Sache rasch zu behandeln, so
dass die Volksabstimmung bereits nach kurzer Zeit stattfinden kann. Da der
Einwohnerrat im hier zu beurteilenden Fall den Antrag des Gemeinderats mit
32 zu 1 Stimmen abgelehnt hatte, ist zu vermuten, dass er nach Einreichung
einer entsprechenden Initiative einfach den Antrag auf Ablehnung gestellt
hätte, so dass die Volksabstimmung schon sehr bald hätte angesetzt werden
können. In den Fällen, in denen ein fakultatives Referendum gegen einen
negativen Beschluss des Einwohnerrats in Frage käme, verhält es sich
immer so, dass bereits eine ausgearbeitete Vorlage des Gemeinderats
vorliegt, mit der sich der Einwohnerrat schon beschäftigt hat. In diesen
Fällen wird in aller Regel die Behandlung einer dem Gemeinderats-Antrag
entsprechenden Initiative wenig Zeit in Anspruch nehmen. Das Zeitmoment,
das für den Regierungsrat eine massgebende, wenn nicht ausschlaggebende
Rolle gespielt zu haben scheint, legt es deshalb keineswegs nahe, das
Referendum gegen negative Beschlüsse zuzulassen. Vielmehr drängt es sich
auf, das der Stimmbürger in solchen Fällen von dem Recht Gebrauch macht,
das nach allgemeiner Rechtsanschauung für solche Begehren zur Verfügung
steht, nämlich vom Initiativrecht. Auf diesem Weg kann er ohne grössere
Umtriebe und praktisch ohne Zeitverlust zu dem angestrebten Ziel gelangen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.