Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IA 52



99 Ia 52

8. Urteil vom 24. Januar 1973 i.S. Badertscher gegen Gemeinde Wünnewil
und Staatsrat des Kantons Freiburg. Regeste

    Art. 85 lit. a OG.

    Verletzung des politischen Stimmrechtes durch unrichtige Ermittlung
des Abstimmungsergebnisses. Auslegung von Art. 79 des freiburgischen
Gesetzes über die Gemeinden und Pfarreien vom 19. Mai 1894, wonach ein
Gemeindeversammlungsbeschluss die "absolute Stimmenmehrheit der anwesenden
Mitglieder" auf sich zu vereinen hat.

Sachverhalt

    A.- Das freiburgische Gesetz vom 19. Mai 1894 über die Gemeinden und
Pfarreien (GGP) enthält im I. Titel des ersten Teils Vorschriften über die
Gemeindeversammlungen. Es unterscheidet dabei zwischen "Wahlversammlungen"
(Art. 19-66) und den "übrigen Gemeindeversammlungen" (Art. 67-83). Über
diese "übrigen Gemeindeversammlungen" bestimmt Art. 79:

    "1 Eine Entscheidung ist nur dann gültig, wenn sie die absolute
Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder erlangt hat.

    2 Das Protokoll muss jedesmal, bei Strafe der Nichtigkeit, erwähnen:

    a) die Zahl der anwesenden Mitglieder;

    b) die Zahl des Stimmenmehrs für jede Entscheidung."

    Die französische Fassung des Art. 79 lautet:

    "1 Une décision n'est valide que pour autant qu'elle réunit la majorité
absolue des suffrages des membres présents.

    2 Le protocole doit mentionner chaque fois, sous peine de nullité:
a) Le nombre des membres présents.

    b) Le chiffre de la majorité qu'a obtenue une décision."

    Gemäss Art. 21 der freiburgischen Kantonsverfassung gilt der
französische Gesetzestext als Urtext. Eine mit der heutigen französischen
Fassung des Art. 79 GGP wörtlich übereinstimmende Vorschrift fand
sich schon im Gesetz über die Gemeinden und Pfarreien vom 5. Juli 1848
(Art. 43). Sie wurde in die späteren Gemeindegesetze vom 7. Mai 1864
(Art. 46) und vom 26. Mai 1879 (Art. 52) und auch in das heute geltende
Gesetz vom 19. Mai 1894 offenbar diskussionslos übernommen. Demgegenüber
hatte das Gesetz von 1848 in seiner deutschen Übersetzung ursprünglich
einen etwas anderen Wortlaut, indem in Absatz 1 nur von der "absoluten
Stimmenmehrheit" die Rede war; Absatz 2 unterschied sich von der jetzigen
Fassung nur redaktionell. Im Gesetz von 1864 erhielt Absatz 1 die heutige
Fassung. Der deutsche Text von 1879 entspricht wörtlich demjenigen
von 1894.

    B.- Art. 79 GGP wurde während langer Zeit in konstanter
Praxis dahin ausgelegt, dass für das gültige Zustandekommen eines
Gemeindeversammlungsbeschlusses die Zustimmung der absoluten Mehrheit der
im Zeitpunkt der Abstimmung anwesenden Gemeindemitglieder erforderlich
sei, gleichgültig, ob sich ein Teil der Anwesenden der Stimme enthalten
habe oder nicht. Noch in einem Schreiben der kantonalen Direktion der
Gemeinden und Pfarreien aus dem Jahre 1936 wurde ausgeführt: "Laut Art. 79
des Gemeindegesetzes ... ist eine Entscheidung nur dann gültig, wenn sie
die absolute Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder erlangt hat. Die
Anwesenden sollen demnach, auch wenn sie sich der Stimme enthalten haben,
mitgezählt werden, um die absolute Stimmenmehrheit festzustellen. Die Zahl
der Anwesenden muss im Augenblick der Abstimmung festgestellt werden. Bei
geheimen Abstimmungen wird die Zahl der anwesenden Mitglieder durch
die ausgeteilten Zettel festgesetzt." In einem Entscheid vom 17. August
1951 vertrat der Staatsrat des Kantons Freiburg, offenbar in Anlehnung
an eine inzwischen geänderte Praxis, erstmals die Auffassung, dass die
sich der Stimme enthaltenden Gemeindemitglieder bei der Ermittlung
des absoluten Mehrs nicht mitzuzählen seien; zur Begründung verwies
er auf die (inzwischen aufgehobenen) Art. 43 und 44 GGP, welche die
Wahlversammlungen betreffen und vorschreiben, dass nicht oder nicht
ordnungsgemäss ausgefüllte Zettel ungültig und bei der Ermittlung des
Wahlergebnisses nicht zu berücksichtigen seien. Spätere Anfragen kommunaler
Behörden wurden unter Hinweis auf den Staatsratsentscheid vom 17. August
1951 von der kantonalen Verwaltung nunmehr dahin beantwortet, dass die
sich der Stimme enthaltenden Gemeindemitglieder bei der Ermittlung des
absoluten Mehrs nicht mitzuzählen seien.

    C.- Am 3. Dezember 1971 fand in der Gemeinde Wünnewil eine
Gemeindeversammlung statt, welche unter Traktandum 3 die Detailpläne, das
Ausführungsbegehren und das Kreditbegehren über Fr. 4'300,000.-- für die
bauliche Erweiterung des Schulzentrums Wünnewil zu behandeln hatte. Von
den erschienenen 259 Stimmberechtigten stimmten 106 für und 68 (bzw. 72
laut Angabe des Beschwerdeführers) gegen das Projekt; der Rest enthielt
sich der Stimme. Gestützt auf die vom Staatsrat vertretene neue Auslegung
des Art. 79 GGP behandelte der Gemeinderat das Projekt als genehmigt.

    D.- Hiegegen erhob Fritz Badertscher, der als stimmberechtigter
Bürger an der Versammlung teilgenommen hatte, am 5. Dezember 1971 beim
Staatsrat des Kantons Freiburg fristgerecht Rekurs. Er machte geltend, bei
richtiger Auslegung von Art. 79 GGP sei die zur Gültigkeit des Beschlusses
erforderliche Mehrheit nicht zustandegekommen. Bei 259 anwesenden Personen
betrage das absolute Mehr 130 Stimmen. Mit bloss 106 befürwortenden Stimmen
sei die in Art. 79 GGP verlangte absolute Mehrheit nicht erreicht worden.

    Am 24. Juli 1972 führte Fritz Badertscher staatsrechtliche Beschwerde,
mit der er rügte, dass sich der Staatsrat des Kantons Freiburg durch die
Nichtbehandlung seines am 5. Dezember 1971 eingereichten Rekurses einer
Rechtsverzögerung bzw. Rechtsverweigerung schuldig mache. In seiner
Vernehmlassung erklärte der Staatsrat, dass der ausstehende Entscheid
demnächst ergehen werde, und wies in der Folge am 3. Oktober 1972 den
Rekurs ab. Die staatsrechtliche Beschwerde wurde daraufhin am 28. November
1972 vom Bundesgericht als gegenstandslos geworden abgeschrieben.

    Zur Begründung seines Rekursentscheides vom 3. Oktober 1972 verwies
der Staatsrat auf die seit 1951 geänderte Praxis. Da nur 174 (106+68)
Mitglieder sich an der Abstimmung beteiligt und die übrigen sich der
Stimme enthalten hätten, betrage das absolute Mehr 88 (174: 2 = 87 + 1 =
88). Mit 106 Ja-Stimmen sei das unter Traktandum 3 vorgelegte Projekt
demnach genehmigt worden. Anstelle der nunmehr aufgehobenen Art. 43 und
44 GGP sehe das neue Gesetz über die Ausübung der bürgerlichen Rechte
vom 15. Juli 1966 in Art. 49-51 vor, dass in kantonalen und kommunalen
Abstimmungen leere und ungültige Stimmzettel bei der Auszählung des
Abstimmungsergebnisses ausser Betracht fielen. Diese Vorschrift müsse
analog auch auf Art. 79 GGP Anwendung finden; denn leere Stimmzettel bei
der geheimen Abstimmung seien gleichbedeutend mit Stimmenthaltung bei
der offenen Abstimmung.

    E.- Gegen den Rekursentscheid des Staatsrates richtet sich die
vorliegende staatsrechtliche Beschwerde, mit der Fritz Badertscher eine
Verletzung von Art. 4 BV sowie seiner politischen Stimmberechtigung
geltend macht.

    Im Namen des Staatsrates beantragt die Staatsanwaltschaft des
Kantons Freiburg Abweisung der Beschwerde. Die Gemeinde Wünnewil hat auf
Gegenbemerkungen verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer macht geltend, der
Gemeindeversammlungsbeschluss vom 3. Dezember 1971 über die Erweiterung
des Schulzentrums Wünnewil sei, entgegen der Auffassung des Gemeinderates
und des Staatsrates, nicht gültig zustandegekommen. Er rügt damit eine
Verletzung der politischen Rechte der Bürger (Art. 85 lit. a OG). Hiezu
ist er als stimmberechtigter Einwohner der Gemeinde Wünnewil legitimiert.

    Bei Beschwerden gemäss Art. 85 lit. a OG prüft das Bundesgericht die
Auslegung kantonaler Vorschriften, die den Umfang und Inhalt des Stimm-
und Wahlrechtes normieren oder mit diesem in einem engen Zusammenhang
stehen, grundsätzlich frei (BGE 97 I 663 E. 3, 32 E. 4 a; 96 I 61 E. 3
mit Hinweisen). Der vom Beschwerdeführer zusätzlich erhobenen Willkürrüge
kommt daher keine selbständige Bedeutung zu; dasselbe gilt für die Rüge
der Verletzung von Art. 9 KV, welcher lediglich den bereits in Art. 4 BV
verankerten Gleichheitssatz wiederholt.

Erwägung 2

    2.- Dass sich die Frage, ob der Gemeindeversammlungsbeschluss vom 3.
Dezember 1971 gültig zustandegekommen sei, in erster Linie nach Art. 79
GGP beantwortet, ist unbestritten. Das am 15. Juli 1966 erlassene Gesetz
über die Ausübung der bürgerlichen Rechte (GABR) hat zwar die Durchführung
der eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Wahlen und Abstimmungen
neu geregelt. Doch enthält dieses Gesetz nur Vorschriften über solche
Abstimmungen, die ausserhalb einer Gemeindeversammlung durch Urnengang
erfolgen. Für die Ausübung der politischen Rechte in Gemeindeversammlungen
wird in Art. 223 GABR ausdrücklich auf die Spezialgesetzgebung, mithin
auf das GGP, verwiesen, allerdings unter dem Vorbehalt, dass das GABR
selber keine anderweitige Regelung getroffen hat. Eine gleichartige
Bestimmung findet sich in Art. 32 Abs. 3 GABR, welcher die Vorschriften
des GGP "betreffend die Gemeinde-Abstimmungen" vorbehält. Es liegt nahe,
anzunehmen, dass der Gesetzgeber damit u.a. die Vorschrift des Art. 79 GGP
über die Ausmittlung des Abstimmungsergebnisses in Gemeindeversammlungen
weiterhin in Kraft lassen wollte. Dafür spricht insbesondere auch, dass
in Art. 229 lit. c GABR, der eine Reihe von widersprechenden Bestimmungen
des GGP als aufgehoben erklärt, von Art. 79 GGP nicht die Rede ist. Wenn
auch die Aufzählung der aufgehobenen Bestimmungen nicht abschliessend ist,
so darf doch angenommen werden, dass der Gesetzgeber diese wichtige, in
jüngerer Zeit häufig diskutierte Vorschrift des GGP wohl ausdrücklich
als aufgehoben erklärt hatte, wenn für sie neben der Regelung des
GABR kein Raum mehr bestünde. Es lag offenbar sogar in der Absicht des
Gesetzgebers von 1966, die Sondervorschrift des Art. 79 GGP weiterbestehen
zu lassen. Dass diese nach wie vor Gesetzeskraft besitzt, wird denn
auch vom Staatsrat nicht in Frage gestellt. Er geht selber davon aus,
dass lediglich die Auslegung und Handhabung des Art. 79 GGP streitig ist,
wobei er allerdings die Vorschriften des neuen GABR "analog" angewendet
haben will. Er verweist u.a. auf die Bestimmung des Art. 50 Abs. 6 GABR,
welcher vorsieht, dass leere und ungültige Zettel bei der Ermittlung des
Abstimmungsergebnisses nicht mitzuzählen sind. Der Staatsrat übersieht
jedoch, dass eine analoge Anwendung dieser Regel auf den vorliegenden
Fall nur dann und nur soweit in Betracht kommt, als der in erster Linie
massgebende Art. 79 GGP keine anderweitige Ordnung enthält. Es könnte
sich einzig fragen, ob der Gesetzgeber mit Art. 50 Abs. 6 GABR ein für
sämtliche Abstimmungen gültiges Prinzip statuieren wollte, wonach bei
der Feststellung der Mehrheit Stimmenthaltungen unberücksichtigt bleiben
sollen, so dass die allfällig abweichenden Vorschriften des GGP als in
diesem Sinne korrigiert anzusehen wären. Hiefür bestehen jedoch keine
genügenden Anhaltspunkte. Art. 50 Abs. 6 GABR wie auch die übrigen
Bestimmungen der vom Staatsrat herangezogenen Art. 49 und 50 betreffen
nach Wortlaut und Systematik nur das Verfahren bei Urnenabstimmungen,
und der in diesem Zusammenhang ebenfalls angerufene Art. 51 gilt
einzig für das Wahlverfahren. Aufgrund der erwähnten Vorbehalte in
Art. 32 Abs. 3 und Art. 223 GABR ist vielmehr anzunehmen, dass der
Gesetzgeber die Sondervorschrift des Art. 79 GGP über die Abstimmungen
in Gemeindeversammlungen unberührt in Kraft lassen wollte.

Erwägung 3

    3.- a) Geht man davon aus, so kann kaum ein Zweifel darüber bestehen,
dass nicht die vom Staatsrat heute vertretene, sondern die frühere
Auslegung des Art. 79 GGP, auf die sich der Beschwerdeführer beruft,
die richtige ist. Wenn im massgebenden französischen Text bestimmt wird,
ein Gemeindeversammlungsbeschluss sei nur gültig, wenn er "la majorité
absolue des suffrages des membres présents" (deutscher Text: "die absolute
Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder") auf sich vereint, so kann
dies nicht anders verstanden werden als dahin, dass die absolute Mehrheit
sämtlicher an der Versammung anwesenden - d.h. einschliesslich der sich
der Stimme enthaltenden - Bürger gegeben sein muss. Zwar spricht Art. 79
nicht schlechthin von der "majorité absolue des membres présents", sondern
er verlangt die "majorité absolue des suffrages des membres présents",
woraus zur Unterstützung der gegenteiligen These abgeleitet werden könnte,
die absolute Mehrheit sei nur inbezug auf die Zahl der abgegebenen -
positiven oder negativen - Stimmen zu berechnen, wer keine Stimme
abgegeben habe, falle bei der Ermittlung der "majorité des suffrages"
ausser Betracht. Bei dieser Betrachtungsweise wäre jedoch der Zusatz
"des membres présents" überflüssig und unverständlich. Gegen die vom
Staatsrat vertretene Auslegung spricht auch die Vorschrift in Art. 79
Abs. 2, wonach das Protokoll für jede einzelne Abstimmung einerseits die
Zahl der anwesenden Bürger und andererseits die Zahl des anfallenden
Stimmenmehrs enthalten muss. Dies ist offensichtlich nichts anderes
als die Wiedergabe der beiden Grössen, die sich für die Ermittlung des
Mehrheitsverhältnisses gegenübergestellt werden müssen.

    b) Eine Art. 79 GGP entsprechende und in der französischen Fassung
wörtlich übereinstimmende Vorschrift fand sich bereits im Gesetz über die
Gemeinden und Pfarreien von 1848; sie wurde offenbar diskussionslos in die
späteren Gesetze von 1864 und 1879 und auch in das heutige GGP von 1894
übernommen. Das Protokoll der grossrätlichen Beratungen von 1848 gibt über
die hier strittige Frage keinen Aufschluss. Es ist lediglich ersichtlich,
dass ursprünglich vorgesehen war, dass das Gemeindeversammlungsprotokoll
auch die Zahl der in der Gemeinde stimmberechtigten Bürger angeben
sollte, wovon dann aber aus praktischen Gründen abgesehen wurde. Die
Gesetzesmaterialien geben jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass
die obige, anhand des Wortlautes sich aufdrängende Auslegung nicht dem
wirklichen Sinn der Bestimmung entspricht. Wesentlich ins Gewicht fällt
schliesslich auch die Tatsache, dass die Vorschrift zunächst während
langer Zeit in jener naheliegenden Weise ausgelegt und gehandhabt worden
ist. Es könnte immerhin eingewendet werden, der Gesetzgeber habe beim
Erlass des GABR im Jahre 1966 von einer Abänderung oder Aufhebung des
Art. 79 GGP deshalb abgesehen, weil er mit der seit 1951 geänderten Praxis
des Staatsrates einverstanden gewesen sei und daher keinen Anlass für
eine Korrektur gesehen habe. Dies wäre für die Auslegung des Art. 79 GGP
jedoch höchstens dann von Bedeutung, wenn der Gesetzgeber von 1966 eine
dahingehende Auffassung irgendwie verbindlich zum Ausdruck gebracht hätte,
was nicht zutrifft. Da er die Vorschrift unberührt weiterbestehen liess,
ist sie unabhängig von seiner allenfalls abweichenden Meinung nach ihrem
objektiven Gehalt und nach dem Willen des historischen Gesetzgebers,
auf dem ihre Rechtskraft beruht, auszulegen.

    c) Die Berechnung der Stimmenmehrheit anhand der Gesamtzahl
der Stimmbürger bzw. der an einer Versammlung Anwesenden (sog.
Personenprinzip) war in älteren Gesetzen häufig vorgesehen (KERN, Über
die Äusserung des Volkswillens in der Demokratie, S. 46). Auch in der
Freiburger Staatsverfassung vom 7. Mai 1857 fand sich eine derartige -
inzwischen revidierte - Vorschrift, indem in Art. 79 KV die Revision
der Verfassung von der Zustimmung der Mehrheit der eingeschriebenen
Aktivbürger abhängig gemacht wurde (vgl. CASTELLA, L'organisation des
pouvoirs politiques dans les constitutions du canton de Fribourg, S. 267,
273). Schliesslich kennt das GGP selber noch zwei weitere Bestimmungen,
welche für die Gültigkeit eines Beschlusses die Zustimmung der Mehrheit der
Anwesenden verlangen, nämlich in Art. 95 für Abstimmungen im Generalrat
(Gemeindeparlament) und in Art. 106 für Abstimmungen im Gemeinderat
(Exekutive). Dass dieses Verfahren mit Nachteilen behaftet ist, lässt
sich nicht bestreiten (vgl. KERN, aaO, S. 47 f.). In neueren Gesetzen
finden sich denn auch derartige Regelungen kaum mehr; massgebend für das
Abstimmungsergebnis ist im allgemeinen die Mehrheit der Stimmenden bzw.
der gültigen Stimmzettel (GIACOMETTI, Das Staatsrecht der schweizerischen
Kantone, S. 258 ff.). Es besteht hier jedoch kein Anlass, sich mit den
Vor- und Nachteilen der beiden Systeme näher auseinanderzusetzen. Den
diesbezüglichen Überlegungen im Entscheid des Staatsrates käme nur
dann eine gewisse Bedeutung zu, wenn über die Auslegung des Art. 79 GGP
überhaupt noch Zweifel bestünden, was nicht zutrifft. Es kann auch keine
Rede davon sein, dass die vom historischen Gesetzgeber in Art. 79 GGP
getroffene Regelung mit den Grundsätzen der Demokratie oder mit Art. 4 BV
unvereinbar und deshalb nicht anwendbar wäre. Für die unterschiedliche
Behandlung von Abstimmungen in Gemeindeversammlungen und solchen durch
Urnengänge lassen sich immerhin sachliche Gründe anführen. Vom Bürger, der
an einer Gemeindeversammlung teilnimmt und sich dort bei der Abstimmung
der Stimme enthält, kann mit einer gewissen Berechtigung angenommen
werden, dass er dadurch seinen Unwillen über die Vorlage zum Ausdruck
bringt, ihr jedenfalls die Zustimmung bewusst verweigert; demgegenüber
ist das Verhalten des einer Urnenabstimmung Fernbleibenden eher dahin
zu verstehen, dass er den Entscheid den an der Abstimmung teilnehmenden
Bürgern überlassen und sich selber einer Stellungnahme enthalten will. Es
ginge im übrigen auch nicht an, die Bestimmungen der Art. 49-51 GABR
"analog" auf die Abstimmungen in den Gemeindeversammlungen anzuwenden,
wie dies der Staatsrat im angefochtenen Entscheid getan hat, da dies mit
der in Art. 79 GGP getroffenen Regelung in klarem Widerspruch stünde. Die
vom Staatsrat angestrebte Verbesserung der jetzigen Ordnung lässt sich
weder durch eine Neuinterpretation noch durch eine analoge Anwendung
anderweitiger Vorschriften, sondern nur durch eine Gesetzesänderung
erreichen.

Erwägung 4

    4.- Der angefochtene Rekursentscheid des Staatsrates beruht demnach
auf einer unrichtigen Auslegung des Art. 79 GGP. Legt man die Vorschrift
richtig aus, so ergibt sich, dass die an der Gemeindeversammlung vom
3. Dezember 1971 unter Traktandum 3 zur Abstimmung gebrachte Vorlage
nicht die erforderliche Stimmenmehrheit erreicht hat. Bei insgesamt
259 anwesenden Bürgern betrug die absolute Mehrheit 130 Stimmen;
zugestimmt haben jedoch nur 106 Bürger. Welche rechtlichen und
finanziellen Auswirkungen dies für die inzwischen bereits im Rohbau
erstellte Schulhausbaute haben wird, ist nicht zu prüfen. Gegenstand
des vorliegenden Verfahrens bildet nur die Frage, ob der streitige
Gemeindeversammlungsbeschluss die erforderliche Stimmenmehrheit auf sich
vereint hat, und mit der Gutheissung der Beschwerde in diesem Punkte sind
die politischen Rechte des Beschwerdeführers gewahrt.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Rekursentscheid des
Staatsrates des Kantons Freiburg vom 3. Oktober 1972 aufgehoben; es
wird festgestellt, dass an der Gemeindeversammlung von Wünnewil vom
3. Dezember 1971 über Traktandum 3 ein zustimmender Beschluss nicht
zustandegekommen ist.