Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IA 473



99 Ia 473

58. Urteil vom 7. März 1973 i.S. Allmend-Korporation Horgen gegen Gemeinde
Horgen und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 22ter BV; Enteignung, Verhältnismässigkeit des Eingriffs.

    Zulässig ist derjenige Eingriff ins Eigentum, der zur zweckmässigen
Realisierung des öffentlichen Werkes erforderlich ist.

    Für die Erstellung eines Schulhauses muss sich das Gemeinwesen nicht
mit einer Baurechtsdienstbarkeit begnügen. Es ist das volle Eigentum
abzutreten.

Sachverhalt

    A.- Die politische Gemeinde Horgen will im Gebiet der Allmend eine
Schulhausanlage mit 40 Klassenzimmern und Nebeneinrichtungen erstellen. Sie
beansprucht dafür einen Teil des Grundstücks Kat. Nr. 7349, welches
der Allmend-Korporation Horgen, einer dem kantonalen öffentlichen
Recht unterstehenden privatrechtlichen Körperschaft, gehört. Die
Allmend-Korporation ist bereit, der Gemeinde ein Baurecht einzuräumen,
weigert sich jedoch, das volle Eigentum am Land abzutreten.

    Am 30. Dezember 1971 wies der Regierungsrat des Kantons Zürich
in zweiter Instanz die von der Allmend-Korporation Horgen gegen das
Enteignungsgesuch erhobene Einsprache ab und erteilte der Gemeinde
Horgen das Enteignungsrecht für den Erwerb von ca. 34'000 m2 Land im
südlichen Teil des genannten Grundstückes. Die Allmend-Korporation
Horgen gelangte hiergegen an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
das die Beschwerde am 23. Juni 1972 abwies. Das Verwaltungsgericht fand,
dass die Erstellung einer Schulhausanlage im Baurecht mit Nachteilen
verbunden sei, die dem öffentlichen Interesse zuwiderliefen und von
keinem besonders gewichtigen Privatinteresse an einer solchen rechtlichen
Lösung überwogen würden. Die Erteilung des vollen Enteignungsrechts stelle
deshalb keinen unverhältnismässigen Eingriff in die Eigentumsrechte der
Allmend-Korporation Horgen dar.

    B.- Die Allmend-Korporation Horgen (im folgenden kurz
"Allmend-Korporation" genannt) führt gegen diesen Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Juni 1972 staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 22ter BV) und
Art. 4 BV. Es wird beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und
das Enteignungsrecht auf die Einräumung eines Baurechts zu beschränken. Die
Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit nötig, aus den nachstehenden
Erwägungen.

    C.- Die politische Gemeinde Horgen, vertreten durch die Schulpflege,
und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragen die Abweisung
der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde).

    2. a) Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung der
Eigentumsgarantie geltend und beruft sich dabei auf Art. 22ter BV und
Art. 4 der Zürcher KV. Die kantonale Verfassungsbestimmung hat jedoch
neben der in Art. 22ter BV enthaltenen Gewährleistung des Eigentums
keine selbständige Bedeutung, da sie keinen darüber hinausgehenden
Schutz verleiht (BGE 96 I 355 Erw. 2). Zu prüfen ist daher bloss, ob der
angefochtene Entscheid gegen Art. 22ter BV verstösst.

    b) Dem Verwaltungsgericht wird auch eine Verletzung von Art. 4 BV
vorgeworfen. Soweit dabei eine willkürliche Anwendung der für öffentliche
Eigentumsbeschränkungen geltenden Grundsätze behauptet wird, deckt sich
die Rüge mit derjenigen der Verletzung der Eigentumsgarantie und hat
neben dieser keine selbständige Bedeutung. Auf den weiteren Vorwurf,
das Verwaltungsgericht habe der Beschwerdeführerin das rechtliche
Gehör verweigert, ist nicht einzutreten, sofern damit eine formelle
Rechtsverweigerung gemeint ist. Denn nach § 67 des zürcherischen
Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG) kann man
sich dagegen auf dem Wege der Revision wenden. Von diesem kantonalen
Rechtsbehelf hat die Beschwerdeführerin keine Gebrauch gemacht, weshalb
es für die staatsrechtliche Beschwerde am Erfordernis der Erschöpfung
des kantonalen Instanzenzugs fehlt (Art. 87 OG). In der Beanstandung,
das Verwaltungsgericht habe einen von der Beschwerdeführerin beantragten
Bericht über die im Baurecht erstellten Verwaltungsgebäude nicht eingeholt,
ist nach der Beschwerdebegründung jedoch eher der Vorwurf einer materiellen
Rechtsverweigerung wegen unzureichender Abklärung der tatsächlichen
Verhältnisse zu sehen. In diesem Sinne bezieht sich die Rüge auf die
unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie zu beurteilende Frage,
ob eine Beschränkung der Enteignung auf eine Baurechtsdienstbarkeit im
öffentlichen Interesse steht.

Erwägung 3

    3.- Die Allmend-Korporation anerkennt das Bedürfnis der Gemeinde
nach einem neuen Schulhaus und wendet sich auch nicht gegen die Wahl des
Standortes und das Ausmass der beanspruchten Fläche. Sie macht einzig
geltend, das Schulhaus lasse sich ohne weiteres im Baurecht erstellen,
weshalb die volle Enteignung ihres Bodens einen unverhältnismässigen und
daher verfassungswidrigen Eingriff darstelle. Damit wird das öffentliche
Interesse an der Beanspruchung des vollen Eigentums am Boden bestritten,
und zwar in dem Sinne, dass dies weder notwendig noch verhältnismässig
sei. Wie es sich damit verhält, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei
(BGE 97 I 796 Erw. 4, 648, je mit Verweisungen).

Erwägung 4

    4.- Eine Enteignung darf nur so weit gehen, als dies zur Erreichung
des im öffentlichen Interesse liegenden Zweckes notwendig ist. Dieses
Prinzip der Verhältnismässigkeit des staatlichen Eingriffes ergibt sich
unmittelbar aus Art. 22ter BV und ist in § 7 Abs. 1 des zürcherischen
Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten vom 30. November
1879 (AbtrG) ausdrücklich festgehalten, wonach grundsätzlich niemand
verpflichtet ist, von seinem Eigentum mehr abzutreten, als zur Ausführung
und zweckmässigen Benutzung des zu erstellenden Werkes erforderlich
ist. Das bedeutet, dass nicht das volle Eigentum entzogen werden darf, wenn
sich der öffentliche Zweck auch mit einer privatrechtlichen Dienstbarkeit
oder einer öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung erreichen lässt
(Urteil des Bundesgerichts vom 12. Juli 1971 i.S. G., Erw. 3, in ZBl
73/1972 S. 19; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung,
4. unver. Aufl., Basel 1971, Nr. 342 III c, 433 II c; GRISEL, Droit
administratif suisse, Neuchâtel 1970, S. 369; OSKAR BOSSHARDT, Der
Grundsatz der Verhältnismässigkeit im Enteignungsrecht, ZBl 65/1964 S. 399;
HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, Art. 1 N 5).

    a) Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind bei der Anwendung
des Verhältnismässigkeitsprinzips im konkreten Fall die Interessen des
Grundeigentümers an der Erhaltung des Resteigentums dem Interesse des
Enteigners am vollen Eigentumserwerb gegenüberzustellen. Das öffentliche
Interesse verlange klare Verhältnisse. Wenn der Wert des Hauses offenbar
den des Bodens übersteige, so solle keine Spaltung des Eigentums an Bau
und Boden eintreten; entsprechend dem in Art. 673 ZGB niedergelegten
allgemeinen Rechtsgedanken solle vielmehr der Boden als der weniger
wertvolle Teil ins Eigentum des Bauherrn überführt werden. Das Baurecht
nach Art. 675 und 779 - 779 1 ZGB habe trotz der weitgehenden Befugnisse
des Bauberechtigten gegenüber dem vollen Eigentum den Nachteil, dass es
zeitlich befristet sei. Das Gemeinwesen müsste sich demzufolge nach Ablauf
der Baurechtsdauer ein neues Baurecht einräumen lassen (Art. 779 1 Abs. 2
ZGB) und hiefür nötigenfalls wiederum den Enteignungsweg beschreiten. Auf
der andern Seite verbleibe dem Grundeigentümer, auf dessen Boden
ein Schulhaus im Baurecht erstellt werde, nur die "nuda proprietas",
wobei er nicht damit rechnen könne, dass die Dienstbarkeit je wieder
wegfalle. Sein Interesse an der Erhaltung des Grundeigentums beschränke
sich somit im wesentlichen auf die Sicherung der Grundrente. Gegenüber
diesem Privatinteresse überwiege das öffentliche Interesse, ein dem
öffentlichen Wohle dienendes Werk ohne die mit dem Baurecht verbundenen
Hemmnisse und administrativen Mehraufwendungen erstellen zu können. Die
Beschwerdeführerin bestreitet die vom Verwaltungsgericht angeführten
Nachteile für das Gemeinwesen und ist der Ansicht, dass sich der Zweck
zumindest ebensogut erreichen lasse, wenn das Schulhaus im Baurecht
erstellt werde. Die von der Gemeinde verlangte volle Enteignung des für das
Werk benötigten Bodens gehe daher über das unbedingt Notwendige hinaus
und stelle angesichts der von der Verfassung gebotenen restriktiven
Handhabung öffentlicher staatlicher Eigentumsbeschränkungen einen
unverhältnismässigen Eingriff dar. Ob die volle Enteignung oder nur die
Einräumung eines Baurechts zulässig sei, entscheide sich einzig darnach,
was zur Erreichung des öffentlichen Zweckes notwendig sei und dürfe nicht
aufgrund einer Interessenabwägung zwischen Grundeigentümer und Gemeinwesen
beurteilt werden.

    b) Seit jeher hat in Praxis und Lehre die Beanspruchung von privatem
Boden für den Bau einer Schulhausanlage zu den typischen Fällen gehört,
in denen die volle Enteignung zulässig ist. Die Beschwerdeführerin
glaubt jedoch, dass sich angesichts der zunehmenden Bodenverknappung und
insbesondere auch mit Rücksicht auf die Bedeutung, die das Rechtsinstitut
des Baurechts seit seiner Neugestaltung im Jahre 1965 gewonnen hat
(Art. 779 - 779 1 ZGB), eine andere Betrachtungsweise aufdränge. Auch wenn
eine solche Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bei
der Abwägung der in Frage stehenden öffentlichen und privaten Interessen
zu berücksichtigen ist, so führt dies jedoch nicht zu einer solchen
Gewichtsverlagerung, dass nunmehr in der vollen Enteignung grundsätzlich
ein unverhältnismässiger Eingriff ins Privateigentum zu erblicken wäre. Wie
im folgenden dargetan wird, ist die Erstellung einer Schulhausanlage im
Baurecht mit Nachteilen verbunden, die dem Gemeinwesen nur dann zuzumuten
wären, wenn ein besonders schützenswertes Interesse des Grundeigentümers
an der ihm verbleibenden Verfügungsmöglichkeit vorangestellt werden müsste.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts fordert das öffentliche
Interesse an einem Werk unter anderem auch, dass dieses auf möglichst
zweckmässige Weise erstellt wird. Das gilt nicht nur in technischer
Hinsicht, sondern es müssen auch die rechtlichen Belange so ausgestaltet
sein, dass das Gemeinwesen nicht mit unverhältnismässigen Lasten und
Kosten beschwert wird (BGE 90 I 331; Urteil des Bundesgerichts vom
12. Juli 1971 i.S. G., Erw. 3 c, in ZBl 73/1972 S. 20). Der Grundsatz
der Notwendigkeit des Eingriffs bedeutet somit entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführerin nicht, dass nur gerade der Eingriff ins Eigentum
zulässig sei, der zur Verwirklichung des öffentlichen Werkes unbedingt
notwendig ist, sondern es ist der zur zweckmässigen Realisierung des
Werkes erforderliche Eingriff zulässig. Eine Missachtung der gebotenen
restriktiven Handhabung staatlicher Eigentumsbeschränkungen liegt
darin nicht. Das Prinzip der Verhältnismässigkeit erschöpft sich jedoch
nicht in dem Erfordernis, dass der Eingriff in die Eigentumsrechte zur
Erreichung des verfolgten Zwecks notwendig sein muss, sondern verlangt
auch eine Abwägung der im konkreten Fall einander entgegenstehenden
öffentlichen und privaten Interessen. Je gewichtiger das öffentliche
Interesse an einer Eigentumsbeschränkung ist, desto mehr tritt das private
Interesse an der Erhaltung des Grundeigentums in den Hintergrund. Eine
solche Interessenabwägung hat das Bundesgericht stets vorgenommen (das
genannte Urteil vom 12. Juli 1971 in ZBl 73/1972 S. 20; BGE 97 I 647
Erw. 5, 799, 93 I 250 Erw. 3; BOSSHARDT aaO S. 399). Die Behauptung der
Beschwerdeführerin, es sei einzig auf den Gesichtspunkt der Notwendigkeit
des Eingriffs abzustellen und eine Interessenabwägung zwischen Gemeinwesen
und Privatem dürfe nicht erfolgen, geht fehl und kann denn auch nicht
näher dargetan werden.

    c) Wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid zutreffend
ausführt, enthält die Baurechtsdienstbarkeit alle zivilrechtlichen
Befugnisse, deren das Gemeinwesen bedarf, um eine Verwaltungsbaute,
wie z.B. ein Schulhaus, zu erstellen und zu betreiben; Inhalt und
Umfang des Baurechts können so umschrieben werden, dass der Bau im
Laufe der Jahre wenn nötig erneuert und erweitert werden kann. Das
Baurecht gewährleistet auch den Fortbestand dieser Befugnisse, sofern
ihm keine Grundpfandrechte im Range vorgehen und damit die Gefahr einer
vorzeitigen Löschung des Baurechts ausgeschaltet ist (vgl. die Botschaft
des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Änderung
der Vorschriften betreffend das Baurecht und den Grundstückverkehr
vom 9. April 1963, BBl 1963 I 993; Komm. HAAB zum ZGB Art. 675 N 3;
MEIER-HAYOZ, Komm. zum ZGB, Art. 675 N 14). Das Baurecht kann jedoch
als selbständiges Recht auf höchstens hundert Jahre begründet werden
(Art. 779 1 Abs. 1 ZGB), und mit seinem Ablauf fallen die Bauwerke dem
Grundeigentümer heim (Art. 779 c ZGB). Die öffentlichen Bedürfnisse, denen
das Gemeinwesen auf dem Gebiet der Schule zu genügen hat, sind dagegen
zeitlich nicht begrenzt. Gerade eine Schulhausanlage wie die hier in
Frage stehende wird auf Dauer angelegt, und der dafür beanspruchte Boden
wird durch das Werk voll ausgenützt. Der Wert des Baues übersteigt denn
auch, wie in der Beschwerde gleichfalls nicht bestritten wird, den Wert
des Bodens. Die Gemeinde müsste somit das Baurecht nach seinem Ablauf
verlängern und dafür allenfalls wiederum den Enteignungsweg beschreiten
(Art. 779 1 Abs. 2 ZGB). Unter diesen Umständen aber ist die Abtretung
einer blossen Baurechtsdienstbarkeit statt des vollen Eigentums am Boden
mit Umtrieben und Mehraufwendungen verbunden, die mit dem Gebot einer
rationellen Verwaltung nicht zu vereinbaren sind und damit dem öffentlichen
Interesse zuwiderlaufen. Zudem widerspricht insbesondere das mit dem
Baurecht verbundene Abrechnungsverhältnis zwischen der Gemeinde und dem
Grundeigentümer den geltenden Prinzipien über die Finanzrechnung, wonach
gerade die Ausgaben für Schulhäuser typische ausserordentliche Ausgaben
sind, die nicht jährlich wiederkehren (§ 13 der zürcherischen Verordnung
über das Rechnungswesen der Gemeinden vom 11. November 1926). Das Baurecht
auf lange Dauer kommt zudem wesentlich teurer zu stehen. Erfahrungsgemäss
erreicht die Summe der jährlich zu leistenden Baurechtszinse bereits
nach etwa zwanzig Jahren den vollen Verkehrswert des Landes; nach
dem von der Beschwerdeführerin verlangten Baurechtszins aufgrund des
halben Bodenpreises würde der heute für die volle Entschädigung zu
leistende Betrag in etwa vierzig Jahren erreicht. Auch ist es üblich,
den Baurechtszins an die veränderten Bodenwertverhältnisse anzupassen,
und jedenfalls wäre er spätestens bei der Verlängerung des Baurechts
aufgrund der dannzumal geltenden Bodenpreise neu festzusetzen (vgl.
VICTOR MÜLLER, Der Baurechtszins und seine grundpfandrechtliche Sicherung,
Diss. Zürich 1968 S. 21 ff.; GÜNTHER WITT, Das Baurecht, Basel 1970,
S. 151; H. P. FRIEDRICH, Das Baurecht des Zivilgesetzbuches im Dienste
öffentlicher Aufgaben, ZBl 68/1967 S. 290 f.). Die Pflicht des Staates,
bei Enteignung volle Entschädigung zu leisten (Art. 22ter Abs. 3 BV),
bedeutet jedoch nur, dass der Verkehrswert des Bodens im Zeitpunkt des
Enteignungsverfahrens zu entschädigen ist (vgl. BGE 93 I 142 ff. Erw. 7
a u. b). Von solchen Überlegungen hat sich auch der Bundesrat in einem
Entscheid leiten lassen, in welchem er das Enteignungsbegehren für einen
Panzerstellungsraum in vollem Umfang geschützt hat; er fand, dass dem
Bund nicht zuzumuten sei, bedeutende öffentliche Mittel in ein Werk zu
investieren auf das Risiko hin, mit dem Enteigneten nach Jahr und Tag
über die weitere Benützungsberechtigung erneut verhandeln zu müssen
(Verwaltungspraxis der Bundesbehörden Heft 32/1964-1965 Nr. 100). Nach
der Praxis zum deutschen Bundesbaugesetz, welches in § 92 ausdrücklich
bestimmt, dass die Enteignung auf die Belastung des Grundstücks mit
einem Recht zu beschränken ist, sofern dies zur Verwirklichung des
Enteignungszweckes ausreicht, ist ein Baurecht bzw. Erbbaurecht auf
dem beanspruchten Grundstück überhaupt nicht möglich, wenn es sich um
sogenannte Gemeinbedarfsflächen handelt (Kommentar HEITZER-ÖSTERREICHER
zum Bundesbaugesetz, 2. Aufl. Berlin 1965, § 92 Anm. 2).

    Diese Gründe des öffentlichen Interesses, die der Erstellung einer
Schulhausanlage im Baurecht entgegenstehen, sind allerdings zu einem
wesentlichen Teil finanzieller Natur. Dem Gebot einer zweckmässigen und
rationellen Verwaltung kommt aber doch eine solche Bedeutung zu, dass
nur ein ganz besonderes privates Interesse an der Beibehaltung eines
Restes der Verfügungsgewalt am Eigentum es überwiegen und den Eingriff
der vollen Enteignung als unverhältnismässig und damit verfassungswidrig
erscheinen lassen könnte. Der Enteignete müsste dartun können, dass die
ihm neben der Baurechtsdienstbarkeit verbleibende Verfügungsbefugnis
noch eine erhebliche Restnutzung des Grundstücks ermögliche, an der ein
schützenswertes Interesse anzuerkennen wäre. So wäre z.B. denkbar, dass
sich der Enteignete eine unter- oder oberirdische Nutzungsmöglichkeit
vorbehalten möchte, die sich neben dem öffentlichen Werk ohne weiteres
vertragen würde und angesichts deren Bedeutung dem Gemeinwesen die
Beschränkung auf die Enteignung bloss einer Baurechtsdienstbarkeit
zuzumuten wäre (vgl. das Urteil des Bundesgerichts i.S. Gauger vom 12. Juli
1971 Erw. 3 c in ZBl 73/1972 S. 20). Auch in solchen Fällen, wie z.B. dann,
wenn der Enteignete eine unterirdische Parkgarage erstellen will,
wird diesem privaten Interesse in der Regel aber wohl damit hinreichend
Rechnung getragen werden, dass der Staat als Enteigner ihm die Einräumung
eines Baurechts zusichert. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen
bleiben, da im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für einen Verzicht
der Gemeinde auf das volle Eigentum offensichtlich nicht erfüllt sind. Die
Beschwerdeführerin macht überhaupt nicht geltend, einen neben der geplanten
Schulhausanlage verbleibenden Rest des Grundstückes noch nutzen zu wollen.
Sie beruft sich einzig auf ihr Interesse an der Erhaltung des Eigentums
als solchen. Die Erhaltung der "nuda proprietas" ist jedoch ein Interesse,
das angesichts desjenigen des Gemeinwesens am vollen Verfügungsrecht
unerheblich ist. Der damit verbundene Vorteil ist der, dass die Enteignete
statt zu einer Enteignungsentschädigung in der Höhe des Verkehrswertes
des Bodens zur Zeit des Enteignungsverfahrens in den Genuss eines den
steigenden Bodenwerten sich anpassenden Baurechtszinses käme und somit an
einer künftigen Wertsteigerung ihres Bodens noch teilhaben könnte. Auf eine
solche Leistung seitens des Staates besteht aufgrund der Eigentumsgarantie
aber kein Anspruch, weshalb darin auch kein schützenswertes privates
Interesse gesehen werden kann. Es lässt sich sogar sagen, dass die
Beanspruchung des vollen Eigentums wirtschaftlich gar keinen schwereren
Eingriff darstellt als die Enteignung einer Baurechtsdienstbarkeit (so
auch das deutsche Bundesverfassungsgericht in einem in DöV 1964 S. 611
publizierten Urteil). Die Beschwerdeführerin stellt zwar in Abrede, mit
ihrem Begehren einen solchen wirtschaftlichen Vorteil zu verfolgen. Wie
ihren Ausführungen zu entnehmen ist, soll ihr schützenswertes besonderes
Interesse an der Erhaltung der "nuda proprietas" in der Tatsache liegen,
dass sie als eine seit alters her bestehende Korporation statutarisch
verpflichtet sei, ihr Eigentum zu erhalten. Abgesehen davon, dass eine
Erhaltung des nackten Eigentums einzig aus diesem Grunde sich in einer rein
abstrakten Bedeutung erschöpfen würde, kann die Beschwerdeführerin keine
andere Behandlung für sich beanspruchen als andere private Grundeigentümer,
die nicht weniger bestrebt sein können, ihr Eigentum zu erhalten. Als
eine dem kantonalen öffentlichen Recht unterstehende privatrechtliche
Körperschaft unterliegt die Beschwerdeführerin dem Enteignungsrecht wie
alle andern privaten und öffentlichen Eigentümer. Freilich kann der
Enteigner aus irgendwelchen politischen Überlegungen gegenüber einer
solchen Korporation auf die volle Enteignung verzichten und sich mit
einer komplizierteren und aufwendigeren rechtlichen Lösung abfinden.
Das Bundesgericht hat unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie nur
zu prüfen, ob die volle Enteignung einen unverhältnismässigen Eingriff
darstellt, was nach dem Gesagten nicht der Fall ist.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.