Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IA 164



99 Ia 164

20. Urteil vom 27. Juni 1973 i.S. Geissmatthöhe AG gegen Stadtrat von
Luzern und Regierungsrat des Kantons Luzern. Regeste

    Art. 4 BV; Willkür.

    Besteuerung landwirtschaftlich genutzten Baulandes. Willkürliche
Abweichung vom Gesetzeswortlaut.

Sachverhalt

                      Aus dem Sachverhalt:

    A.- Die Firma Geissmatthöhe AG ist seit 1892 Eigentümerin des 9733
m2 haltenden Grundstücks Nr. 1091, das in der Gegend der Geissmatthöhe in
Luzern liegt und abgesehen von einer alten, baufälligen Scheune unüberbaut
ist. Bei der Handänderung im Jahre 1892 wurde der Erwerbspreis durch die
landwirtschaftliche Bewirtschaftung bestimmt.

    Nach dem luzernischen Gesetz über die direkten Staats- und
Gemeindesteuern (StG) wird das unbewegliche Vermögen zum Katasterwert
besteuert (§ 35). Der Katasterwert bestimmt sich nach dem Gesetz über
die amtliche Schätzung des unbeweglichen Vermögens vom 27. Juni 1961
(Schatzungsgesetz, SchG).>

    Das genannte Grundstück, das bereits im Jahre 1955 als Bauland
eingestuft und mit Fr. 16 000.-- bewertet worden war, wurde nach
Inkrafttreten des SchG wiederum als Bauland behandelt und sein
Katasterwert mit Verfügung vom 18. Januar 1963 auf Fr. 149 000.--
festgesetzt. Aufgrund eines Dekretes des Grossen Rates vom 21. Dezember
1964, das eine allgemeine Anpassung der Katasterwerte anordnete, wurde
die Schätzung auf den 1. Januar 1965 auf Fr. 163 900.-- erhöht.

    1966 wurde wiederum eine allgemeine Neuschätzung der Liegenschaften
beschlossen. Die §§ 14, 15 und 17 des Schatzungsgesetzes hatten damals
folgenden Wortlaut:

    § 14: "1 Grundstücke, die vorwiegend der landwirtschaftlichen Nutzung
dienen und zu einem Landwirtschaftsbetrieb ihres Eigentümers gehören,
gelten als landwirtschaftlich, wenn ihr Erwerbspreis oder Anrechnungswert
bei der letzten Handänderung durch die landwirtschaftliche Nutzung
bestimmt wurde.

    2 Grundstücke, die vorwiegend der landwirtschaftlichen Nutzung
dienen, aber nicht zu einem Landwirtschaftsbetrieb ihres Eigentümers
gehören, gelten als landwirtschaftlich, wenn ihr Verkehrswert durch die
landwirtschaftliche Nutzung bestimmt wird.

    § 15: 1 Der Katasterwert landwirtschaftlicher Grundstücke ist nach
dem Ertragswert unter billiger Berücksichtigung des durch Lage und andere
Verhältnisse bedingten Verkehrswertes festzusetzen.

    2 Der Ertragswert ist so zu ermitteln, dass er als Grundlage für die
bundesrechtlichen Schatzungen dienen kann.

    § 17: Der Katasterwert nicht-überbauter Grundstücke, die nach §
14 nicht als landwirtschaftlich gelten, beträgt in der Regel 40-60%,
in Ausnahmefällen bis 75 % ihres Verkehrswertes."

    Die Schätzungsbehörden gingen bei der Bewertung des Grundstücks
Nr. 1091 davon aus, es diene der landwirtschaftlichen Nutzung, gehöre aber
nicht zu einem Landwirtschaftsbetrieb des Eigentümers, und der Verkehrswert
werde nicht durch die landwirtschaftliche Nutzung bestimmt. In Anwendung
des § 17 SchG bestimmten sie den Wert des Grundstücks am 14. Februar 1968
wie folgt:

    9733 m2 à Fr. 60.- = Fr. 583 980.--

    Katasterschatzung: 60% von Fr. 583 980.-- = Fr. 350 000.--

    Die Firma Geissmatthöhe AG focht diese Schätzung nicht an.

    B.- Als bei der allgemeinen Neuschätzung 1967/68 zahlreiche
Grundstücke, welche vorher noch als landwirtschaftliche bewertet waren,
als Bauland geschätzt wurden, reichte Grossrat Grob im Herbst 1968 im
Grossen Rat eine Motion ein, mit welcher eine Reduktion dieser Schätzungen
angestrebt wurde. In der Folge wurden im Zusammenhang mit der Revision
des Steuergesetzes die §§ 14, 15 und 17 des Schatzungsgesetzes wie folgt
gefasst:

    § 14: "Als landwirtschaftlich im Sinne dieses Gesetzes gilt ein
Grundstück, wenn sein Erwerbspreis oder Anrechnungswert bei der letzten
Handänderung durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung bestimmt wurde
und wenn es landwirtschaftlich genutzt wird oder bei anderer Nutzungsart
einen Ertrag abwirft, der denjenigen bei landwirtschaftlicher Nutzung
nicht wesentlich übersteigt.

    § 15: Der Katasterwert landwirtschaftlicher Grundstücke ist nach dem
Ertragswert festzusetzen.

    § 17: 1 Der Katasterwert nicht überbauter Grundstücke, die nach §
14 nicht als landwirtschaftlich gelten, beträgt in der Regel 75% ihres
Verkehrswertes.

    2 In offensichtlichen Härtefällen kann dieser Ansatz angemessen
herabgesetzt werden. Der Regierungsrat ist ermächtigt, darüber Richtlinien
aufzustellen."

    In das StG wurde ferner folgende Übergangsbestimmung zum abgeänderten
Schatzungsgesetz aufgenommen:

    "1 Soweit für Grundstücke ohne Bauten in den Jahren 1967 und 1968
das Neuschatzungsverfahren eröffnet wurde, werden das Verfahren und die
neuen Katasterwerte aufgehoben.

    2 Grundstücke ohne Bauten, die nicht als landwirtschaftlich in der
Fassung des § 17 dieses Gesetzes gelten und seit dem 1. Januar 1950
zu Baulandpreisen erworben wurden, sind neu zu schätzen. Die neuen
Katasterwerte treten auf den 1. Januar 1969 in Kraft.

    3 Im übrigen bleiben die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes
geltenden Katasterwerte in Kraft, bis sie nach den Vorschriften des
Schatzungsgesetzes neu festgesetzt oder angepasst werden."

    Gestützt auf Abs. 1 dieser Übergangsbestimmung wurde die am 14. Februar
1968 vorgenommene Schätzung des Grundstücks Nr. 1091 in der Höhe von
Fr. 350 000.-- aufgehoben. Das Schätzungsamt teilte der Geissmatthöhe
AG am 14. Dezember 1970 mit, das Grundstück Nr. 1091 werde nun als
landwirtschaftliche Liegenschaft bewertet. Der Katasterwert wurde auf
Fr. 3000.-- festgesetzt, was der Grundeigentümerin und dem Stadtrat von
Luzern am 15. Dezember 1971 eröffnet wurde.

    Gegen diese Schätzung erhob der Stadtrat von Luzern beim Schätzungsamt
Einsprache mit dem Begehren, das Grundstück sei als Bauland zu bewerten. Er
machte u.a. geltend, es sei nicht einzusehen, weshalb das Grundstück,
das zwischen 1963 und 1966 einen unangefochtenen Katasterwert von 149
000 bzw. 163 900 Franken gehabt habe, nunmehr mit 3000 Franken bewertet
werden solle. Von einer landwirtschaftlichen Nutzung könne nicht gesprochen
werden. Die Geissmatthöhe AG habe kürzlich im Geissmattquartier Bauland
zum Preis von Fr. 250.-- je m2 veräussert. - Das Schätzungsamt wies die
Einsprache am 21. April 1972 ab. Es stützte sich dabei auf den neuen §
14 des SchG und führte aus, das Grundstück sei 1892 zweifellos zu einem
"landwirtschaftlichen Preis" erworben worden und es werde nach wie vor
landwirtschaftlich genutzt, so dass der Katasterwert dem Ertragswert
entspreche. Dass das Areal heute als hochwertiges Bauland veräussert
werden könnte, vermöge aufgrund der geltenden gesetzlichen Ordnung daran
nichts zu ändern.

    C.- Der Stadtrat von Luzern erhob gegen den Entscheid des
Schatzungsamts vom 21. April 1972 Rekurs beim Regierungsrat mit dem Antrag,
das Grundstück sei gemäss § 17 SchG als Bauland zu bewerten. Der Stadtrat
stellte sich auf den Standpunkt, angesichts der Hanglage des Grundstücks
lasse sich eine Reduktion der in der aufgehobenen Baulandschätzung
von 1968 vorgenommenen Bewertung von Fr. 60.- je m2 auf Fr. 55.- je m2
rechtfertigen, so dass folgende Katasterschätzung angemessen sei:

    Verkehrswert: 9733 m2 à Fr. 55.- = Fr. 535 000.--

    Katasterschätzung: 75% des Verkehrswert: Fr. 400 000.--

    Der Regierungsrat hiess den Rekurs des Stadtrats am 22. Dezember
1972 gut und setzte die Katasterschätzung des Grundstücks Nr. 1091
auf Fr. 400 000.-- fest. Zur Begründung führte er im wesentlichen
aus: Nach dem Wortlaut des neuen § 14 SchG wäre das Grundstück zwar
zum landwirtschaftlichen Ertragswert zu schätzen; es werde immer noch
landwirtschaftlich genutzt, und bei der letzten Handänderung im Jahre 1892
sei der Erwerbspreis zweifellos durch die landwirtschaftliche Nutzung
bestimmt worden. Die wörtliche Auslegung der revidierten §§ 14 und 17
SchG führe jedoch zu einem Ergebnis, das weder der Motionär noch der
Gesetzgeber gewollt habe, indem seit Jahrzehnten als Bauland geschätzte
Grundstücke, deren Wert in den letzten Jahren ausserordentlich gestiegen
sei, steuerlich krass privilegiert würden. Mit der Änderung des SchG sei-
wie der Regierungsrat näher ausführt - ein anderer Zweck verfolgt worden,
und entsprechend der wirklichen Absicht des Gesetzgebers erscheine es
als geboten, den revidierten § 14 SchG nur auf solche Einzelgrundstücke
anzuwenden, die bei der Neuschätzung 1953/54 noch landwirtschaftlich
geschätzt worden seien und diese Schätzung bis zur letzten allgemeinen
Neuschätzung beibehalten hätten. Alle anderen Einzelgrundstücke,
die entweder 1953/54 bereits als Bauland geschätzt worden seien oder
bis zur letzten allgemeinen Neuschätzung als Folge einer Revision eine
Baulandschätzung erfahren hätten, seien nach § 17 Abs. 1 des revidierten
SchG zu bewerten. Da das Grundstück der Geissmatthöhe AG bereits 1954
als Bauland geschätzt worden sei, sei es auch weiterhin als solches
zu schätzen.

    D.- Gegen den Entscheid des Regierungsrats vom 22.  Dezember 1972 hat
die Geissmatthöhe AG gestützt auf Art. 4 BV staatsrechtliche Bechwerde
erhoben mit dem Antrag, der Entscheid sei aufzuheben und der Katasterwert
des Grundstücks auf Fr. 3000.--festzusetzen. Die Begründung der Beschwerde
ergibt sich, soweit nötig, aus den folgenden Erwägungen.

    E.- Der Regierungsrat des Kantons Luzern und der Stadtrat von Luzern
beantragen Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) (kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde).

    b) Der Bürger ist nicht legitimiert, eine Verfügung anzufechten,
die entsprechend seinem eigenen Antrag getroffen wurde (BIRCHMEIER,
Bundesrechtspflege S. 371/2). In den Erwägungen seines Entscheids führte
der Regierungsrat beiläufig aus, die Geissmatthöhe AG habe sich im
Verfahren vor dem Schatzungsamt selber auf den Standpunkt gestellt, ihr
Grundstück sei schätzungsrechtlich Bauland. In ihrem an das Schatzungsamt
gerichteten Brief vom 6. Februar 1971 drückte die Beschwerdeführerin den
Wunsch aus, es sei keine Neuschätzung ihres Grundstücks vorzunehmen,
wobei sie mehr nebenbei ihr Land als "Bauland" bezeichnete. Aus
dieser Formulierung kann nicht abgeleitet werden, der Entscheid des
Regierungsrates entspreche dem Antrag der Beschwerdeführerin. Diese
hat zwar wohl eingeräumt, dass das Grundstück Baulandqualität habe,
aber keineswegs anerkannt, dass es auch nach dem abgeänderten SchG als
Bauland zu bewerten und zu besteuern sei. Der Regierungsrat hat denn
auch in den Erwägungen seines Beschlusses auf den erwähnten Brief der
Geissmatthöhe AG nur Bezug genommen, um seine eigene Begründung zu stützen.
Dass auf die staatsrechtliche Beschwerde mangels einer gegen den Willen
des Betroffenen ergangenen Verfügung nicht einzutreten sei, wird zu Recht
weder vom Stadtrat noch vom Regierungsrat behauptet.

    c) ....

Erwägung 2

    2.- Stellt man auf den Wortlaut des Gesetzes ab, so ist es klar, dass
der Katasterwert des Grundstücks nach dem landwirtschaftlichen Ertragswert
(Fr. 3000.--) festzusetzen ist und das Land nicht als Bauland mit 75%
des Verkehrswerts (Fr. 400 000.--) eingeschätzt werden darf, wie es der
Regierungsrat getan hat. Bei der letzten, 1892 erfolgten Handänderung
wurde der Erwerbspreis des Grundstücks durch die landwirtschaftliche
Nutzung bestimmt, und das Areal wird jetzt noch landwirtschaftlich
genutzt. Es handelt sich deshalb nach dem klaren Wortlaut des § 14 SchG
um ein landwirtschaftliches Grundstück, dessen Katasterwert nach dem
Ertragswert festzusetzen ist (§ 15). § 17 SchG gilt nur für Grundstücke,
die nach § 14 nicht als landwirtschaftliche gelten, somit nicht für das
Grundstück der Beschwerdeführerin.

    Der Regierungsrat anerkennt denn wohl auch, dass die von ihm
vorgenommene Bewertung mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu vereinbaren
ist. Er ist aber der Meinung, im zu beurteilenden Fall dürfe vom Wortlaut
des Gesetzes abgewichen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
darf die rechtsanwendende Behörde vom klaren Gesetzeswortlaut ohne
Verletzung des Art. 4 BV nur dann abweichen, wenn triftige Gründe dafür
bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche
Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Grund und Zweck der
Vorschrift und aus dem Zusammenhang mit andern Gesetzesbestimmungen ergeben
(BGE 95 I 326 E 3 mit Hinweis auf frühere Urteile; nicht veröffentlichtes
Urteil vom 2. Mai 1973 i.S. Resinelli). Es ist zu prüfen, ob es im Sinn
dieser Rechtsprechung vor Art. 4 BV haltbar ist, dass der Regierungsrat
vom klaren Wortlaut des Gesetzes abwich.

Erwägung 3

    3.- a) Das Steuergesetz und das Schatzungsgesetz wurden im Dezember
1968 abgeändert. Es ist zu untersuchen, welches die gesetzliche Ordnung
vor der Revision von 1968 war, welche Gründe zur Revision führten und
welches die heute geltende gesetzliche Regelung ist.

    Der § 14 des SchG in seiner ursprünglichen Fassung machte einen
Unterschied zwischen landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften,
die zu einem Landwirtschaftsbetrieb des Eigentümers gehören, und
solchen, bei denen das nicht zutrifft. Grundstücke, die vorwiegend der
landwirtschaftlichen Nutzung dienten und zu einem Landwirtschaftsbetrieb
ihres Eigentümers gehörten, galten als landwirtschaftlich, wenn ihr
Erwerbspreis oder Anrechnungswert bei der letzten Handänderung durch die
landwirtschaftliche Nutzung bestimmt worden war (Abs. 1). Grundstücke,
die vorwiegend der landwirtschaftlichen Nutzung dienten, aber nicht
zu einem Landwirtschaftsbetrieb ihres Eigentümers gehörten, galten als
landwirtschaftlich, wenn ihr Verkehrswert durch die landwirtschaftliche
Nutzung bestimmt wurde (Abs. 2). Der Katasterwert landwirtschaftlicher
Grundstücke war nach dem Ertragswert unter billiger Berücksichtigung
des durch Lage und andere Verhältnisse bedingten Verkehrswerts
festzusetzen (§ 15 Abs. 1). Ein unüberbautes Grundstück, das nicht zu
einem Landwirtschaftsbetrieb des Eigentümers gehörte, das zwar noch
landwirtschaftlich genutzt war, dessen Wert aber nicht mehr durch die
landwirtschaftliche Nutzung bestimmt wurde, also vor allem Bauland, galt
demnach nicht als landwirtschaftliches Grundstück. Der Katasterwert betrug
nach § 17 in der Regel 40-60%, in Ausnahmefällen 75% des Verkehrswerts. Der
Eigentümer eines solchen Grundstücks hatte eine auf dem Baulandwert (40-60%
bzw. 75%) basierende Vermögenssteuer zu entrichten, obschon ihm nur ein
aus der landwirtschaftlichen Nutzung resultierender und somit bescheidener
Ertrag zufloss. Dass der Eigentümer eine im Verhältnis zum Ertrag recht
hohe Vermögenssteuer zu bezahlen hatte, wurde in den ersten Jahren der
Geltungsdauer des Schatzungsgesetzes von 1961 nicht als stossend empfunden,
weil nach den Ausführungen des Regierungsrates in der Praxis eine auf
dem Baulandwert basierende Schätzung immer nur dann vorgenommen wurde,
wenn der Baulandwert realisiert wurde (Veräusserung) oder doch kurzfristig
realisierbar war (Erschliessung). Die volle "Härte des alten § 14 Abs. 2"
wurde erst spürbar, als ab 1966 die Katasterwerte sämtlicher
   unüberbauter Einzelgrundstücke nach § 14 Abs. 2 neu festgesetzt
wurden.

    Das veranlasste Grossrat Grob, im Herbst 1968 eine Motion einzureichen,
in der er im wesentlichen folgendes ausführte:

    "In die neue Schatzung unüberbauten Bodens gemäss § 17 des
Schatzungsgesetzes sind auch Grundstücke einbezogen worden, die zwar
nach wie vor landwirtschaftlich genutzt werden, aber wegen fehlender
Bewirtschaftung durch den Eigentümer oder dessen Pächter nicht mehr als
Betriebseinheiten gemäss § 14 des Schatzungsgesetzes gelten. Diese
Grundstücke haben im Zuge der in diesem Jahre durchgeführten
Neuschatzungen durch die Bewertung zu Baulandansätzen sehr massive
Erhöhungen der Katasterschatzungen erfahren. Dem hohen zu versteuernden
Schatzungswert steht aber nach wie vor nur ein geringer, durch die
rein landwirtschaftliche Nutzung bedingter Ertragswert gegenüber, so
dass die Steuerlast auf solchen Objekten als unverhältnismässig drückend
empfunden wird und den Eigentümer in vielen Fällen zur Veräusserung zwingen
kann. Dabei befinden sich die Eigentümer solcher Grundstücke wirtschaftlich
in der gleichen oder ähnlichen Lage, wie die Eigentümer, die in Bauzonen
gelegene landwirtschaftliche Betriebe entweder selber bewirtschaften
oder durch Pächter bewirtschaften lassen und deren Grundstücke daher
gemäss § 15 des Schatzungsgesetzes nur zum Ertragswert einschliesslich
eines max. Ertragswertzuschlages bis zu 25% bewertet werden, obwohl eine
evtl. Veräusserung nur zu Baulandpreisen in Frage käme. Diese ungleiche
Behandlung bei gleichen oder ähnlichen wirtschaftlichen Verhältnissen wirkt
stossend und sollte durch entsprechende Änderung des Schatzungsgesetzes
rückwirkend korrigiert werden, dass auch unüberbaute Grundstücke, deren
Erwerbspreis oder Anrechnungswert bei der letzten Handänderung durch die
landwirtschaftliche Nutzung bestimmt wurde, auch dann nur zum Ertragswert
(§ 15 des Schatzungsgesetzes) bewertet werden, wenn sie nicht mehr vom
Grundeigentümer selbst oder dessen Pächter bewirtschaftet werden.

    Ich beantrage, den erhöhten steuerrechtlichen Zugriff auf den
Zeitpunkt zu verschieben, in dem der Grundeigentümer den in seinem Land
steckenden Mehrwert auch tatsächlich realisiert und daher die anfallende
Vermögenssteuer auch ohne Schwierigkeiten bezahlen kann."

    Der Motionär legte einen ausgearbeiteten Vorschlag für die Änderung
des Schatzungsgesetzes wie auch des Steuergesetzes vor. In das Steuergesetz
sollte als neue Steuer - neben der Grundstückgewinnsteuer - eine ergänzende
Vermögenssteuer aufgenommen werden. Diese Steuer wird bei Veräusserung
einer Liegenschaft erhoben, die bisher zum Ertragswert besteuert wurde. Das
steuerbare Vermögen berechnet sich, grob ausgedrückt, von der Hälfte
der Differenz zwischen dem Ertragswert und 75% des Verkehrswerts (=
Baulandwert), und die ergänzende Vermögenssteuer wird entsprechend der
Besitzesdauer, jedoch höchstens für 15 zurückliegende Jahre, erhoben.>

    Die Konzeption des Motionärs scheint klar: Nach seiner Auffassung
sollen auch die nicht zu einem Landwirtschaftsbetrieb des Eigentümers
gehörenden Grundstücke, die noch landwirtschaftlich genutzt werden,
zum landwirtschaftlichen Ertragswert geschätzt werden, selbst wenn ihr
Wert nicht mehr durch die landwirtschaftliche Nutzung, sondern durch die
Baulandqualität bestimmt wird. Der sich aus der Baulandqualität ergebende
Mehrwert soll erst später steuerlich erfasst werden, nämlich im Zeitpunkt
der Veräusserung, und zwar auf dem Weg einer ergänzenden Vermögenssteuer.

    Die Motion wurde vom Grossen Rat mit grossem Mehr erheblich
erklärt. Der Regierungsrat stimmte ihr in seiner Ergänzungsbotschaft vom
28. Oktober 1968 zu. Er verwies dabei auf seine eigenen Ausführungen,
die in einer frühern Botschaft enthalten waren:

    "Von landwirtschaftlichen Kreisen wurde eingewendet, dass die daraus
sich ergebenden Steuerlasten nicht tragbar wären, solange der Landwirt das
Bauland nicht verkaufe, sondern den Betrieb bewirtschafte. Dieser Einwand
ist insbesondere vertretbar für Betriebe, die nach ihrem Verkehrswert
zum grössern Teil als Bauland zu schätzen waren, und für Gebiete mit
ausgesprochener Dorfsiedlung, wo die dorfnah gelegene Hofstatt (Grasland
und Baumgarten) wohl vielfach zu Baulandpreisen verkäuflich wäre, ein
Verkauf aus betriebswirtschaftlichen Gründen aber nicht in Frage kommt.

    Wollte man anderseits den Verkehrswert des Baulandes bei
landwirtschaftlichen Betrieben überhaupt nicht erfassen, so würde der
Eigentümer nicht bloss gegenüber den Eigentümern anderer Vermögenswerte,
sondern auch gegenüber Landwirten, die kein Bauland besitzen, in einem
Masse bevorteilt, das mit dem Grundsatz rechtsgleicher Behandlung
unvereinbar ist.

    Aus diesen Überlegungen schlagen wir eine Lösung vor, welche
landwirtschaftliche Betriebe, solange der Verkehrswert ihres Baulandes
nicht realisiert wird, nach dem Ertragswert schätzen lässt, den dadurch
bedingten Steuerausfall aber teilweise ausgleicht, sobald eine Parzelle
zu Baulandpreisen veräussert wird."

    Im Zusammenhang mit der Revision des Schatzungsgesetzes beschloss der
Grosse Rat in der Folge auch eine entsprechende Änderung des Steuergesetzes
(§§ 36 ff).

    b) Nach dem neuen § 14 SchGgilt ein Grundstück als landwirtschaftlich
im Sinne dieses Gesetzes, wenn sein Erwerbspreis oder Anrechnungswert bei
der letzten Handänderung durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung
bestimmt wurde und wenn es landwirtschaftlich genutzt wird (...). Das
entspricht, wie auf Grund der Botschaft des Regierungsrates und der
Protokolle über die Beratungen der Kommission und des Grossen Rates zu
schliessen ist, den Absichten des Motionärs und des Gesetzgebers. Ziel
der Revision war es insbesondere, die nach dem frühern Schatzungsgesetz
bestehende ungleiche Behandlung von landwirstchaftlich genutzten
Grundstücken, die zu einem Landwirtschaftsbetrieb ihres Eigentümers
gehören, und andern landwirtschaftlich genutzten Grundstücken zu
beseitigen, und zwar in dem Sinn, dass in Zukunft auch die nicht zu einem
Betrieb des Eigentümers gehörenden, sogenannten Einzelgrundstücke zum
landwirtschaftlichen Ertragswert geschätzt würden. Die Gesetzesrevision
zielte also durchaus darauf ab, bei diesen landwirtschaftlich genutzten
Einzelgrundstücken, die Baulandcharakter haben, von einer auf dem
Verkehrswert basierenden Katasterschätzung (§ 14 Abs. 2 in Verbindung mit §
17 des SchG in der frühern Fassung) zu einer auf dem landwirtschaftlichen
Ertragswert basierenden Katasterschätzung überzugehen, sofern wenigstens
bei der letzten Handänderung der Erwerbspreis oder Anrechnungswert
durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung bestimmt wurde (§ 14
SchG in der neuen Fassung). Es kann deshalb nicht zweifelhaft sein,
dass der Gesetzgeber bestimmte Grundstücke, die nach dem frühern
Gesetz auf Grund des Verkehrswerts zu schätzen waren, in Zukunft
nach dem landwirtschaftlichen Ertragswert bewerten lassen wollte. Man
kann sich allenfalls fragen, ob es nicht folgerichtig gewesen wäre,
die Katasterschätzung nach dem landwirtschaftlichen Ertragswert für
alle landwirtschaftlich genutzten Grundstücke vorzuschreiben, statt die
Grundstücke auszunehmen, deren Erwerbspreis oder Anrechnungswert bei der
letzten Handänderung nicht durch die landwirtschaftliche Nutzung bestimmt
wurde. Allein, diese Regelung hat einen vernünftigen Sinn, denn wenn der
Eigentümer sein Grundstück, das vorläufig noch landwirtschaftlich genutzt
wird, zu einem Baulandpreis erworben hat, kann angenommen werden, dass sich
der aus der Baulandqualität ergebende Mehrwert binnen kurzem realisieren
wird, so dass sich eine Schätzung auf Grund des Verkehrswerts (75%; §
17 Abs. 1 des revidierten SchG) durchaus rechtfertigt. Der Wortlaut
des Gesetzes scheint deshalb völlig den Absichten des Gesetzgebers zu
entsprechen.

    Der Regierungsrat will den § 14 SchG nicht gelten lassen in Fällen, in
welchen ein Einzelgrundstück schon unter dem alten Schatzungsgesetz auf der
Grundlage des Verkehrswerts eingeschätzt wurde (§ 14 Abs. 2 in Verbindung
mit § 17 des SchG in der ursprünglichen Fassung). Nichts weist aber darauf
hin, dass der Gesetzgeber eine solche Einschränkung hätte machen wollen,
auch nicht die vom Regierungsrat aus der Motion Grob zitierte Stelle. Hätte
der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 14 SchG in so bedeutender Art
einschränken wollen, so hätte das im Gesetzestext, zumindest aber in den
Beratungen der Kommission oder des Grossen Rats klar zum Ausdruck kommen
müssen. Davon wurde aber, soweit zu ersehen, bei der Gesetzesberatung
nichts gesagt. Eine solche Einschränkung wäre im übrigen wohl auch
wenig sinnvoll, weshalb kein triftiger Grund für die Annahme besteht, der
Wortlaut des § 14 SchGgebe nicht den wahren Sinn der Vorschrift wieder. Je
nachdem, ob ein Grundstück nach dem Schatzungsgesetz in der ursprünglichen
Fassung oder nach einem frühern Gesetz einmal neu geschätzt wurde oder
nicht, wäre eine Schätzung auf Grund des Verkehrswerts oder eine solche auf
Grund des landwirtschaftlichen Ertragswerts massgebend, so dass, wenn die
Ansicht des Regierungsrats richtig wäre, bei ganz gleichen Verhältnissen
Grundstücke völlig anders bewertet und besteuert würden. Gegen die Annahme,
§ 14 SchG gelte nicht für Grundstücke, die früher zu Baulandwerten
geschätzt wurden, spricht auch die Übergangsbestimmung zum abgeänderten
SchG. Soweit für Grundstücke ohne Bauten in den Jahren 1967 und 1968
das Neuschätzungsverfahren eröffnet wurde, werden das Verfahren und
die neuen Katasterwerte aufgehoben (Abs. 1). Grundstücke ohne Bauten,
die nicht als landwirtschaftlich gemäss § 17 revidiertes SchG gelten und
seit dem 1. Januar 1950 zu Baulandpreisen erworben wurden, sind neu zu
schätzen, wobei die neuen Katasterwerte auf den 1. Januar 1969 in Kraft
treten (Abs. 2). Im übrigen gelten die früheren Katasterwerte solange,
bis sie nach den Vorschriften des revidierten SchG neu festgesetzt oder
angepasst werden (Abs. 3). Das kann nur heissen, dass jede Neuschätzung
seit Inkrafttreten des revidierten SchG nach diesem Gesetz vorzunehmen ist,
unbekümmert darum, ob eine frühere Schätzung höher war als diejenige, die
sich aus der jetzigen Regelung ergibt. Dies gilt auch für das Grundstück
der Beschwerdeführerin, das Ende 1971 nach den Vorschriften des geltenden
SchG als landwirtschaftliches Grundstück mit Fr. 3000.-- neu bewertet
wurde, nachdem die letzte, nach dem früheren SchG erfolgte Schätzung vom
14. Februar 1968, welche einen Katasterwert von Fr. 350 000.-- ergab,
durch Absatz 1 der erwähnten Übergangsbestimmung zum revidierten SchG
aufgehoben worden war.

    Der Einwand des Regierungsrates, es könne nicht den Absichten
des Gesetzgebers entsprechen, hochwertiges Bauland "unter Berufung
auf eine mehrere Jahrzehnte zurückliegende Handänderung" nunmehr
wieder zum landwirtschaftlichen Ertragswert zu schätzen, schlägt nicht
durch. Die Schätzung wird nicht etwa nach einem Masstab vorgenommen,
wie er vor Jahrzehnten Geltung hatte, sondern nach heute massgebenden
Schätzungsregeln. Die gesetzliche Regel besagt klarerweise bloss:
wenn irgendeinmal eine Handänderung zu Baulandpreisen erfolgte, gilt das
Grundstück nicht mehr als landwirtschaftlich und ist der Katasterwert nicht
mehr nach dem Ertragswert festzusetzen, sondern auf Grund des Verkehrswerts
(75%; § 17 Abs. 1 SchG). Dass diese Ordnung ihren guten Sinn hat, wurde
bereits ausgeführt.

    c) Der Regierungsrat erklärt, wenn das SchG seinem Wortlaut
entsprechend angewendet werde, ergebe sich für eine Grundeigentümergruppe
eine steuerliche Privilegierung, die der Gesetzgeber, wenn er sich dessen
bewusst gewesen wäre, ohne jeden Zweifel ausgeschlossen hätte. Es ist
klar, dass der Eigentümer eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks,
falls der Erwerbspreis oder Anrechnungswert bei der letzten Handänderung
durch die landwirtschaftliche Nutzung bestimmt wurde, privilegiert
ist, wenn es sich um Bauland handelt. Das Grundstück wird bloss zum
landwirtschaftlichen Ertragswert bewertet und besteuert. Dieser Ertragswert
kann bei Bauland sehr weit unter dem Verkehrswert liegen, während das
Vermögen im allgemeinen der Besteuerung zum Verkehrswert unterliegt (§
34 StG). Diese Privilegierung ist aber vom Gesetzgeber klar gewollt,
und was der Regierungsrat in diesem Zusammenhang vorbringt, ist im
Grunde Kritik an der gesetzlichen Ordnung als solcher. Dabei erwähnt der
Regierungsrat, was nicht wohl verständlich ist, in den Erwägungen seines
Entscheids mit keinem Wort die mit der Revision des Schatzungsgesetzes
neu eingeführten Vorschriften der §§ 36 ff. StG, die eine Korrektur des
genannten Privilegs nach sich ziehen. Wird nämlich eine Liegenschaft,
die gemäss § 15 SchG zum Ertragswert bewertet wurde, veräussert, so wird
- neben der Grundstückgewinnsteuer - eine ergänzende Vermögenssteuer
erhoben. Was der Eigentümer von landwirtschaftlich genutztem Bauland
daher wegen der Schätzung zum landwirtschaftlichen Ertragswert an Steuer
"eingespart" hat, wird in bestimmtem Mass bei der spätern Veräusserung
nachbezogen, indem der Eigentümer für höchstens 15 zurückliegende Jahre
eine Ergänzungssteuer von 6é pro Jahr zu entrichten hat (§ 36ter StG).
Ob die neue, in etwa der zürcherischen nachgebildete Ordnung glücklich
ist, ob die Lösung im Vergleich zur frühern für den Fiskus günstig
oder ungünstig ist und ob sich die Behörden bei der Vorbereitung der
Gesetzesrevision über alle Folgen der Neuordnung Rechenschaft gaben, ist
hier nicht zu entscheiden. Auf jeden Fall steht fest, dass ein Privileg
mit einer spätern Korrektur auf dem Weg der ergänzenden Vermögenssteuer
gewollt ist, so dass der Hinweis auf eine ungerechtfertigte Privilegierung
einer Grundeigentümergruppe dem Regierungsrat nicht helfen kann.

    Es ergibt sich aus allem, dass nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes
der § 17 Abs. 1 SchG auf das Grundstück der Geissmatthöhe AG nicht
angewendet werden kann. Es bestehen auch keine triftigen Gründe für die
Annahme, der eindeutige Gesetzeswortlaut gebe nicht den wahren Sinn der
Vorschrift wieder. Der angefochtene Beschluss ist demnach vor Art. 4 BV
nicht haltbar und aufzuheben.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird, soweit auf sie einzutreten ist, gutgeheissen
und der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Luzern vom 22. Dezember
1972 aufgehoben.