Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IA 10



99 Ia 10

2. Auszug aus dem Urteil vom 4. April 1973 i.S. Garwoba AG gegen
Konkursamt Arbon und Obergericht des Kantons Thurgau Regeste

    Konkurswiderruf (Art. 195 SchKG)

    1.  Es verstösst nicht gegcn Bundesrecht, gegen den Entscheid über
den Konkurswiderruf ein kantonales Rechtsmittel vorzusehen (E. 2a).

    2.  Die Konkursverwaltung ist zur Anfechtung des Entscheides über
den Konkurswiderruf nicht legitimiert (E. 2c und 3c).

    3.  Der Widerruf des über eine Aktiengesellschaft eröffneten
Konkurses ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 195 SchKG
auch dann auszusprechen, wenn die Gesellschaft im Sinne von Art. 725 OR
überschuldet ist. Legitimation zur Überschuldungsanzeige nach Art. 725
Abs. 3 OR (E. 3a-d).

Sachverhalt

    A.- Am 23. März 1972 eröffnete das Gerichtspräsidium Arbon gestützt
auf Art. 189 SchKG über die Firma Garwoba AG, Egnach, den Konkurs. Am
6. September 1972 stellte der einzige Aktionär und Verwaltungsrat
der Garwoba AG, Franz Moser, das Gesuch, es sei der Konkurs gemäss
Art. 195 SchKG zu widerrufen, da sämtliche Gläubiger ihre "Forderungen"
zurückgezogen hätten und mit dem Widerruf einverstanden seien. Das
Konkursamt Arbon leitete das Gesuch an das Bezirksgericht Arbon weiter mit
dem Antrag, den Konkurs nicht zu widerrufen. Zwar seien die in Art. 195
SchKG genannten Erfordernisse für den Widerruf grundsätzlich erfüllt,
doch seien zugleich die Voraussetzungen für eine Konkurseröffnung
nach Art. 725 OR gegeben. Die Garwoba AG könne keine mit dem Bericht
der Kontrollstelle versehene und von der Generalversammlung genehmigte
Jahresrechnung vorlegen, so dass es zunächst gar nicht möglich gewesen sei,
zu entscheiden, ob die Firma im Sinne von Art. 725 OR überschuldet sei. Auf
Grund des inzwischen aufgenommenen konkursamtlichen Inventars sei dies
jedoch klarerweise zu bejahen. Wenn die Verwaltung in einer nachträglich
eingereichten "Bilanz" vom 18. August 1972 zum gegenteiligen Ergebnis
gelange, so vor allem deshalb, weil sie ihre Liegenschaft offensichtlich
überbewertet und gegenüber der konkursamtlichen Schätzung um beinahe 100%
höher eingesetzt habe.

    B.- Mit Urteil vom 1. Dezember 1972 sprach das Bezirksgericht Arbon
den Widerruf des Konkurses aus. Es nahm an, dass die Voraussetzungen des
Art. 195 SchKG erfüllt seien und dem Antrag auf Widerruf daher entsprochen
werden müsse, gleichgültig, ob der Verdacht einer Überschuldung im Sinne
von Art. 725 OR bestehe.

    Gegen diesen Entscheid des Bezirksgerichtes reichte das "Konkursamt
Arbon bzw. die Konkursverwaltung im Konkurs der Firma Garwoba AG, Egnach"
Beschwerde ein, welche vom Obergericht des Kantons Thurgau am 18. Januar
1973 gutgeheissen wurde. Das Gericht bejahte die Weiterziehbarkeit des
angefochtenen Entscheides. Es nahm sodann an, dass die Konkursverwaltung,
die von Gesetzes wegen zum Teil in die Rechte der ordentlichen Verwaltung
der Garwoba AG eingetreten sei, an deren Stelle gemäss Art. 725 OR den
Richter benachrichtigen könne und daher legitimiert sei, den erfolgten
Konkurswiderruf anzufechten. Ein Widerruf nach Art. 195 SchKG sei dann
unzulässig, wenn die konkursite Aktiengesellschaft überschuldet sei und
der Konkurs nach Art. 725 OR eröffnet werden müsste. Die Regelung des
Art. 725 OR diene einerseits dem Schutz der Gläubiger, andererseits
auch dem Schutze der Allgemeinheit. Dieses öffentliche Interesse sei
namentlich dann zu berücksichtigen, wenn es sich um eine Gesellschaft
handle, gegen die "chronisch" Konkursverhandlungen angesetzt werden
müssten. Von Anfang 1971 bis zur im April 1972 erfolgten Konkurseröffnung
seien gegen die Garwoba AG insgesamt 194 solche Verhandlungen angesetzt
worden. In einem derartigen Fall habe der Konkursrichter vor Anordnung
des Widerrufes vorfrageweise zu prüfen, ob der Konkurs nicht im Interesse
der Allgemeinheit durchzuführen sei. Dies zu prüfen sei im vorliegenden
Fall unterlassen worden. Eine Rückweisung an die Vorinstanz erweise
sich aber als überflüssig, weil die Überschuldung der Garwoba AG aus den
konkursamtlichen Inventarisationsakten eindeutig hervorgehe. Der Entscheid
des Bezirksgerichtes sei daher aufzuheben und der Konkurswiderruf zu
verweigern.

    C.- Gegen dieses Urteil des Obergerichtes vom 18. Januar 1973
führt die Garwoba AG, vertreten durch ihren einzigen Verwaltungsrat
und Alleinaktionär, staatsrechtliche Beschwerde. Sie macht geltend,
das angefochtene Urteil verstosse gegen Art. 4 BV; ausserdem
seien bundesrechtliche Zuständigkeitsvorschriften, das Prinzip der
Gewaltentrennung und der Grundsatz der derogatorischen Kraft des
Bundesrechtes verletzt. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit
nötig, aus den folgenden Erwägungen.

    D.- Das Obergericht beantragt unter Hinweis auf die Erwägungen seines
Urteils Abweisung der Beschwerde; das Konkursamt Arbon stellt ebenfalls
den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen.

    E.- Ausser der staatsrechtlichen Beschwerde hat die Garwoba AG
auch einen Rekurs im Sinne von Art. 19 SchKG eingereicht, auf den die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichtes mit Urteil vom
14. Februar 1973 nicht eingetreten ist. Das Bundesgericht heisst die
staatsrechtliche Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- (Der letztinstanzliche kantonale Entscheid über den Konkurswiderruf
ist nur mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar.)

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin wirft zunächst die Frage auf, ob ein
Weiterzug des Erkenntnisses über den Konkurswiderruf an das Obergericht
überhaupt möglich gewesen sei. Sie rügt in diesem Zusammenhang eine
willkürliche Handhabung des kantonalen Prozessrechts sowie eine Verletzung
bundesrechtlicher Zuständigkeitsvorschriften und des Grundsatzes der
derogatorischen Kraft des Bundesrechtes.

    a) Nach Art. 195 SchKG fällt der Entscheid über den Widerruf des
Konkurses in die Kompetenz des "Konkursgerichtes". Im Gegensatz zu
Art. 174 SchKG, der den Weiterzug des Konkurserkenntnisses an eine
obere kantonale Gerichtsinstanz ausdrücklich vorsieht, enthält Art. 195
SchKG keine entsprechende Bestimmung. Dem von der Beschwerdeführerin
daraus gezogenen Schluss, ein Weiterzug des Konkurswiderrufes sei
bundesrechtlich ausgeschlossen, ist jedoch nicht beizupflichten. Die
Frage der Weiterziehbarkeit der im summarischen Verfahren zu fällenden
richterlichen Entscheide beurteilt sich grundsätzlich nach dem kantonalen
Prozessrecht. In gewissen Fällen ist die Einführung eines Rechtsmittels
durch das SchKG immerhin zwingend vorgeschrieben (so in Art. 174, 185
und 194 SchKG). In der Praxis wurde aber schon längst anerkannt, dass
damit in den übrigen Fällen, in denen sich das SchKG über die Frage der
Weiterziehbarkeit nicht ausspricht, die Einführung eines Rechtsmittels
nicht schlechthin ausgeschlossen werden wollte (betr. die Zulässigkeit
der Appellation gegen Rechtsöffnungsentscheide vgl. BGE 29 I 183 ff. und
FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, S. 136). Es ist den
Kantonen vielmehr freigestellt, gegen die Entscheide im summarischen
Verfahren allgemein ein Rechtsmittel vorzusehen, soweit das SchKG den
Weiterzug nicht ausdrücklich verbietet oder ein solcher nicht dem Zweck
und Charakter des betreffenden Verfahrens widerspricht (THORMANN, Die
prozessuale Ordnung betreibungsrechtlicher Streitigkeiten in den kantonalen
Rechten, Diss. Bern 1930, S. 54; BGE 29 I 185). Was den vorliegenden Fall
anbelangt, so wäre nicht einzusehen, weshalb im Widerrufsverfahren nach
Art. 195 SchKG ein kantonales Rechtsmittel bundesrechtlich ausgeschlossen
sein sollte, während ein solches bei der Konkurseröffnung durch das SchKG
ausdrücklich vorgeschrieben ist. In der neueren Literatur herrscht denn
auch die Meinung, dass es den Kantonen überlassen sei, gegen den Entscheid
über den Konkurswiderruf ein Rechtsmittel einzuführen (SOLENTHALER, Der
Widerruf des Konkurses, S. 20; FRITZSCHE, aaO, Bd. II, S. 36; JAEGER,
Komm., N. 2 zu Art. 195 SchKG). Es wird sogar die Ansicht vertreten,
dass eine Weiterzugsmöglichkeit hier bundesrechtlich vorgeschrieben sei
(BRAND, SJK 995, S. 3). Ob dies zutrifft, kann offen bleiben. Wesentlich
ist, dass das Bundesrecht der Einführung des Rechtsmittels jedenfalls
nicht entgegensteht. Wenn das Obergericht gestützt auf das kantonale
Prozessrecht den Entscheid über den Konkurswiderruf als weiterziehbar
betrachtete, so verstiess es damit weder gegen den Grundsatz der
derogatorischen Kraft des Bundesrechtes noch gegen bundesrechtliche
Zuständigkeitsvorschriften.

    b) Zu prüfen bleibt, ob das Obergericht ohne Willkür annehmen
konnte, dass nach thurgauischem Prozessrecht gegen einen Entscheid nach
Art. 195 SchKG das kantonale Rechtsmittel der Beschwerde gegeben sei.
Das Obergericht stützte sich auf § 292 Ziff. 7 ZPO, wonach die Beschwerde
u.a. zulässig ist gegen "Erledigungsbeschlüsse der Bezirksgerichte". Es
ist nicht unhaltbar, den Entscheid des Bezirksgerichtes, durch den
der Konkurs widerrufen, d.h. das Konkursverfahren beendigt wird, als
Erledigungsbeschluss im Sinne der genannten Bestimmung anzusehen. Weshalb
die Beschwerde nur zulässig sein soll, wenn der Erledigungsbeschluss eine
zivilrechtliche Streitigkeit betrifft, wie dies die Beschwerdeführerin
behauptet, ist aus dem Gesetz nicht ersichtlich. Nach der thurgauischen
Praxis kann offenbar gegen alle gerichtlichen Entscheide in SchKG-Sachen
Beschwerde geführt werden, soweit nicht das SchKG selber den Weiterzug
ausschliesst (HAGENBÜCHLE, Das Rechtsmittel der Beschwerde nach
thurgauischem Zivilprozessrecht, Diss. Zürich 1943, S. 136 ff, 142,
163). Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt
als unbegründet.

    c) Mit Grund hingegen wirft die Beschwerdeführerin die Frage auf,
ob die Konkursverwaltung bzw. das Konkursamt legitimiert gewesen sei,
den Entscheid über den Konkurswiderruf anzufechten. Da diese Frage mit der
materiellen Streitsache eng verbunden ist, kann sie hier nicht gesondert
behandelt werden; es wird an späterer Stelle darauf zurückzukommen sein
(s. Erw. 3 c).

    d) ...

Erwägung 3

    3.- a) Nach Art. 195 Abs. 1 SchKG spricht das Konkursgericht den
Widerruf des Konkurses aus und setzt den Schuldner in die Verfügung
über sein Vermögen wieder ein, wenn dieser von sämtlichen Gläubigern
die schriftliche Erklärung beibringt, dass sie ihre Konkurseingaben
zurückziehen, oder wenn ein Nachlassvertrag zustandegekommen ist. Dass im
vorliegenden Fall die erste der beiden alternativen Bedingungen erfüllt
ist, ist unbestritten. Das hat nach dem Wortlaut des Gesetzes zur Folge,
dass der Richter den Widerruf aussprechen muss, unbekümmert um die
Zweckmässigkeit dieses Vorgehens oder die Würdigkeit des Schuldners
(SOLENTHALER, aaO, S. 19). Die Meinung, dass der Konkurswiderruf noch
von andern als den in Art. 195 SchKG genannten Voraussetzungen abhängig
gemacht werden könne, wurde bis anhin offenbar noch nie vertreten. Das
Obergericht ging demgegenüber davon aus, dass ein auf Art. 195 SchKG
gestütztes Widerrufsbegehren dann abzulehnen sei, wenn gleichzeitig
die Voraussetzungen für eine erneute Konkurseröffnung vorlägen. Diese
Auffassung lässt sich ohne Willkür vertreten, da ein Widerruf, dem
unweigerlich sofort die Neueröffnung des Konkurses folgen müsste, kaum
einen vernünftigen Sinn hätte. In der Regel dürften allerdings in einem
solchen Fall schon die Bedingungen des Art. 195 SchKG nicht oder nicht
mehr erfüllt sein.

    b) Im hier zu beurteilenden Fall ist die Lage jedoch wesentlich
verschieden, da der Konkursrichter keineswegs befugt und verpflichtet wäre,
im Anschluss an den Widerruf den Konkurs umgehend neu zu eröffnen.

    Das Obergericht nahm an, dass eine offensichtlich überschuldete
Aktiengesellschaft nicht gestützt auf die Rückzugserklärungen der Gläubiger
den Widerruf des über sie eröffneten Konkurses verlangen könne, sofern
die Überschuldung durch die Konkursverwaltung festgestellt und gemäss
Art. 725 Abs. 3 OR dem Richter mitgeteilt worden sei. Diese Auffassung
hält vor Art. 4 BV nicht stand. Nach Art. 725 Abs. 3 OR ist die Verwaltung
einer Aktiengesellschaft verpflichtet, im Falle einer Überschuldung den
Richter zu benachrichtigen. Dieser hat daraufhin den Konkurs zu eröffnen;
er kann aber auch, auf Antrag der Verwaltung oder eines Gläubigers und
sofern Aussicht auf Sanierung besteht, die Konkurseröffnung aufschieben
und die zur Erhaltung des Vermögens geeigneten Massnahmen treffen
(Art. 725 Abs. 4 OR). Art. 725 OR regelt somit nur das Verfahren bis
zu einer allfälligen Konkurseröffnung. Ist der Konkurs einmal eröffnet,
so bleibt für eine Anwendung dieser Bestimmung kein Raum mehr. Es greifen
vielmehr die Vorschriften des SchKG Platz, und auch die Zulässigkeit eines
Konkurswiderrufes beurteilt sich grundsätzlich nur nach Art. 195 SchKG, da
das OR hierüber für Aktiengesellschaften und Genossenschaften keinerlei
Sonderbestimmungen enthält. Das blosse Bestehen einer Überschuldung
kann weder nach dem Wortlaut noch dem Sinn von Art. 725 OR einen Grund
dafür bilden, einer Aktiengesellschaft den Widerruf des Konkurses
zu verweigern, wenn die Voraussetzungen des Art. 195 SchKG erfüllt
sind. Ist eine Aktiengesellschaft überschuldet, so kann der Richter über
sie nur dann den Konkurs aussprechen, wenn er zuvor durch die Verwaltung
benachrichtigt worden ist (Art. 725 Abs. 3 OR). Es genügt nicht, dass er
von der Überschuldung auf andere Weise Kenntnis erhält. Die Erstattung
einer Überschuldungsanzeige durch das zuständige Gesellschaftsorgan ist
eine formelle Voraussetzung, ohne die ein Eingreifen des Richters nach
Art. 725 Abs. 4 OR nicht zulässig ist (MARMY, L'intervention du juge en
cas d'insolvabilité de la société anonyme, Diss. Fribourg 1950, S. 16
ff). Legitimiert zu einer solchen Anzeige ist, vom hier nicht zutreffenden
Sonderfall des Art. 743 Abs. 2 OR abgesehen, einzig die Verwaltung der
Aktiengesellschaft. Andere Organe der AG oder einzelne Aktionäre sind zur
Anzeige der Überschuldung nicht befugt; dasselbe gilt für Gläubiger und
Behörden (MARMY, aaO, S. 18 ff; GENTINETTA, Die Konkurseröffnung ohne
vorherige Betreibung, Diss. Fribourg 1932, S. 46; HENZE, Der Konkurs
der Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht, Bern 1923, S. 41 ff;
BÜRGI, Komm., N. 12-14 zu Art. 725 OR; JAEGER, Komm., N. 1 zu Art. 192
SchKG; BGE vom 15. Januar 1945 i.S. Photosilk, publ. in BlSchK 1945,
S. 62 ff; SJZ 18, 1921/22, S. 94 f; SJZ 27, 1930/31, S. 55 f). Zwar ist
die Verwaltung der AG im Falle der Überschuldung zur Benachrichtigung des
Richters verpflichtet. Wird diese Pflicht missachtet, so hat dies aber nur
zur Folge, dass die Mitglieder der Verwaltung für den dadurch allfällig
entstehenden Schaden persönlich haftbar werden; keinesfalls hingegen
kann der Richter bei Unterlassung der Anzeige die in Art. 725 Abs. 4 OR
vorgesehenen Massnahmen von Amtes wegen anordnen, d.h. unter Umständen
den Konkurs von Amtes wegen eröffnen, wenn er auf andere Weise von der
Überschuldung Kenntnis erhält. Dass die Regelung des Art. 725 OR nicht
nur den Interessen der bereits Beteiligten, d.h. namentlich der Gläubiger
dient, sondern auch den Schutz allfälliger zukünftiger Kreditgeber im Auge
hat und insoweit ein öffentliches Interesse verfolgt, ändert nichts. Es
ist nach der dargelegten gesetzlichen Ordnung allein dem verantwortlichen
Gesellschaftsorgan anheimgestellt, ob und zu welchem Zeitpunkt eine
richterliche Intervention nach Art. 725 Abs. 4 OR erfolgen soll.

    Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass der Verwaltung der Garwoba
AG, die nie eine Anzeige im Sinne von Art. 725 Abs. 3 OR erstattet hat,
der Widerruf des Konkurses nicht unter Hinweis auf die Überschuldung
der Firma verweigert werden durfte. So wenig die Überschuldung einer AG
gegen den Willen der Verwaltung zu einer Konkurseröffnung von Amtes wegen
führen kann, so wenig ist es der Verwaltung verwehrt, trotz bestehender
Überschuldung gestützt auf Art. 195 SchKG einen bereits eröffneten Konkurs
widerrufen zu lassen. Hieran kann zum vorneherein kein Zweifel bestehen,
wenn der Widerruf auf Grund eines gerichtlichen Nachlassvertrages erfolgen
soll, der nur in einem Prozentvergleich besteht und keine Liquidation zur
Folge hat; ein solcher Nachlassvertrag käme einer Sanierungsmassnahme im
Sinne von Art. 725 Abs. 4 OR gleich, so dass zu einer Konkurseröffnung
wegen Überschuldung kein Anlass mehr bestünde. Dasselbe muss aber auch
gelten, wenn sich die Verwaltung der konkursiten AG auf den zweiten
Widerrufsgrund des Art. 195 SchKG beruft und die Rückzugserklärungen
sämtlicher Gläubiger vorlegt. Durch die Erwirkung des Widerrufs trotz
bestehender Überschuldung verstösst sie nicht notwendigerweise gegen
die ihr nach Art. 725 OR obliegenden Pflichten. Sie besitzt nämlich
die Möglichkeit, nach erfolgtem Widerruf ordnungsgemäss den Richter
zu benachrichtigen, um das in Art. 725 Abs. 4 OR vorgesehene Verfahren
einzuleiten, welches nicht zwingend zu einer neuerlichen Konkurseröffnung
führt, sondern auch Sanierungsmassnahmen zur Folge haben kann. Ob im
Falle der Beschwerdeführerin ein Konkursaufschub im Sinne von Art. 725
Abs. 4 OR gegebenenfalls am Platze wäre, kann dahingestellt bleiben. Es
ging jedenfalls nicht an, den Widerruf des Konkurses zu verweigern,
nachdem sämtliche Gläubiger ihre Konkurseingaben zurückgezogen hatten. Die
gegenteilige Auffassung des Obergerichtes, wonach sich eine überschuldete
AG auf Art. 195 SchKG nicht berufen könne, findet in Art. 725 OR keine
Stütze; sie steht vielmehr auch mit dem Sinn der obligationenrechtlichen
Regelung in klarem Widerspruch.

    c) Entgegen der Annahme des Obergerichtes lässt sich das Eingriffsrecht
des Richters auch nicht damit begründen, dass die Überschuldung der Garwoba
AG im Laufe des hängigen Konkursverfahrens durch die Konkursverwaltung
festgestellt worden sei und diese das Recht gehabt habe, an Stelle
der ordentlichen Verwaltung nach Art. 725 Abs. 3 OR den Richter zu
benachrichtigen. Abgesehen davon, dass eine solche Mitteilung während eines
Konkursverfahrens keine Rechtswirkungen zu entfalten vermöchte, wäre die
Konkursverwaltung auf Grund ihrer gesetzlichen Stellung zu einem derartigen
Rechtsakt gar nicht legitimiert. Sie ist nicht Rechtsnachfolgerin der
ordentlichen Verwaltung der Aktiengesellschaft. Deren Organe bleiben
während des Konkursverfahrens weiterbestehen und haben auch noch in
diesem Stadium das Recht und die Pflicht, die Interessen der AG nach
Möglichkeit zu wahren (Art. 740 Abs. 5 OR; F. V. STEIGER, Das Recht der
Aktiengesellschaft in der Schweiz, 3. A., S. 322). Die Konkursverwaltung
vertritt nur das mit Beschlag belegte Vermögen, d.h. die Konkursmasse,
und ihre Befugnisse gehen nicht weiter, als es zur Durchführung des
Konkurses notwendig ist. Ob der eröffnete Konkurs zu Ende geführt oder
widerrufen werden soll, ist nicht von der Konkursverwaltung zu entscheiden,
sondern hängt unmittelbar vom Willen der Gläubiger und des Schuldners
ab. Es obliegt sodann einzig dem Konkursgericht, festzustellen, ob die
Voraussetzungen für einen Widerruf erfüllt sind. Die Konkursverwaltung
ist im Widerrufsverfahren nicht Partei und dementsprechend auch nicht
legitimiert, gegen den Entscheid der zuständigen Behörde ein Rechtsmittel
zu ergreifen (SOLENTHALER, aaO, S. 21; BRAND, aaO). Daraus ergibt sich ohne
weiteres, dass es nicht Sache der Konkursverwaltung sein kann, an Stelle
der ordentlichen Verwaltung der AG den Konkursgrund der Überschuldung
geltend zu machen, um einen etwaigen Widerruf zu verhindern.

    d) Da das schweizerische Schuldbetreibungsrecht - vom Sonderfall
des Art. 193 SchKG abgesehen (Liquidation einer ausgeschlagenen
Verlassenschaft) - eine Generalexekution von Amtes wegen nicht
vorsieht, musste dem vorliegend gestellten Widerrufsbegehren
entsprochen werden. Indem das Obergericht die Konkursverwaltung als
beschwerdelegitimiert betrachtete und entgegen dem erstinstanzlichen
Richter den Widerruf des Konkurses ablehnte, verstiess es offensichtlich
gegen Art. 195 SchKG und die das Schuldbetreibungsrecht beherrschenden
Grundsätze. Sein Entscheid ist daher wegen Verletzung von Art. 4 BV
aufzuheben.