Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 V 225



98 V 225

56. Auszug aus dem Urteil vom 15. November 1972 i.S. De Ponte gegen
Schweizerische Krankenkasse Artisana und Versicherungsgericht Basel-Stadt
Regeste

    Anspruch darauf, wie ein Züger im Sinne von Art. 7 Abs. 2 KUVG
behandelt zu werden, hat nur, wer bisher bei einer vom Bund anerkannten
Krankenkasse versichert war (Bemerkung de lege ferenda).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    Art. 7 Abs. 2 KUVG schreibt vor, dass der in einen Betrieb eintretende
Versicherte, der durch Anstellungsvertrag zum Beitritt in eine bestimmte
Kasse verpflichtet wird, wie ein Züger behandelt werden muss. Und nach
Art. 9 Abs. 1 KUVG darf die Aufnahmebedingung des Gesundheitszustandes
dem Züger nicht entgegengehalten werden. Der Züger hat keine Karenzzeit
zu bestehen und keine Eintrittsgebühr zu bezahlen.

    a) Der Beschwerdeführer fällt indessen hinsichtlich der Krankenpflege-
und der Spitalzusatzversicherung nicht unter Art. 7 Abs. 2 KUVG. Infolge
seiner Anstellung bei der Generalunternehmung Keller war er nämlich nicht
verpflichtet, sich bei der Krankenkasse Artisana für die soeben erwähnten
Risiken versichern zu lassen. Für diese hätte er durch Übertritt von
der Kollektiv- zur Einzelversicherung (Art. 5bis Abs. 4 KUVG) bei der
Grütli-Krankenversicherung versichert bleiben können. Denn er blieb im
Tätigkeitsbereich dieser Kasse, die ihren Versicherungsschutz weder auf
das Personal eines Betriebes noch auf die Angehörigen einer bestimmten
Berufsgruppe oder eines Berufsverbandes beschränkt.

    b) Anderseits war der Beschwerdeführer durch den Gesamtarbeitsvertrag
verpflichtet, sich mit Wirkung ab 16. September 1969 bei der Krankenkasse
Artisana für krankheitsbedingten Lohnausfall, d.h. für Taggeld,
versichern zu lassen. Dies zwang ihn praktisch und vielleicht auch
rechtlich, auf den Versicherungsschutz für dieses Risiko durch die
VITA-Lebensversicherungsgesellschaft zu verzichten. Nach der in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung wäre aber Art. 7
Abs. 2 KUVG immer dann anwendbar, wenn ein Versicherter arbeitsvertraglich
verpflichtet wird, einer bestimmten Kasse beizutreten; und zwar bestände
die Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Vorschrift ohne Rücksicht darauf,
ob die betreffende Person vorher einer vom Bund anerkannten Krankenkasse
(Art. 1 KUVG) oder einer andern Versicherung angehört hat. Dieser
Auffassung kann jedenfalls hinsichtlich jener Personen, die bis zum Beginn
des Anstellungsverhältnisses nicht versichert waren, nicht beigepflichtet
werden. Denn Art. 7 Abs. 2 KUVG gilt nach seinem ausdrücklichen Wortlaut
nur für jene Arbeitnehmer, die bei Eintritt in den neuen Betrieb bereits
versichert waren ("Wird einem ... Versicherten durch Anstellungsvertrag
vorgeschrieben..."). Unter Versicherten im Sinn des die Krankenversicherung
betreffenden ersten Titels des KUVG sind jene Personen zu verstehen, die
bei einer gemäss Art. 1 KUVG vom Bund anerkannten Krankenkasse versichert
sind, und nicht solche Personen, welche den Versicherungsschutz einer
Privatversicherung geniessen. Art. 7 Abs. 2 KUVG lässt keine Ausnahme
von dieser Regel zu.

    Virginio De Ponte war bei seiner Aufnahme in die Krankenkasse Artisana
am 16. September 1969 nicht bereits bei einer anerkannten Krankenkasse
für Krankengeld versichert. Art. 7 Abs. 2 KUVG war demnach in dieser
Beziehung auf ihn nicht anwendbar.

    War die Beschwerdegegnerin nach dem Gesagten nicht verpflichtet,
ihn wie einen Züger zu behandeln, so war sie berechtigt, für das bei
der Aufnahme bereits bestehende Rückenleiden - noch nachträglich
- einen Vorbehalt anzubringen. Demzufolge erweist sich die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde in diesem Punkt als unbegründet.

    c) Das Gericht verkennt nicht, dass die geltende Rechtslage
unbefriedigend ist. Je nachdem ob ein Arbeitgeber sein Personal bei einer
anerkannten Krankenkasse oder bei einer andern Versicherung kollektiv
versichert, gelangt der Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz wechselt,
in den Genuss der den Zügern vorbehaltenen Regelung des Art. 9 Abs. 1
KUVG. Der Sozialversicherungsrichter ist indessen nicht zuständig,
diesen Mangel zu beheben. Vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers,
den heutigen Rechtszustand zu ändern. Eine solche Änderung wird
aber nur voll wirksam sein, wenn man auch in der auf die privaten
Versicherungsgesellschaften anwendbaren Gesetzgebung die Verpflichtung
statuiert, dass diese Versicherungen jene Personen als Züger aufnehmen
müssen, die bisher Mitglieder einer anerkannten Krankenkasse waren,
aber durch die neuen Anstellungsbedingungen verpflichtet werden, einer
zwischen dem Arbeitgeber und einer privaten Versicherungsgesellschaft
abgeschlossenen Kollektivversicherung beizutreten.