Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IV 65



98 IV 65

12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Februar 1972 i.S. Bing
gegen Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Art. 18 Abs. 2 StGB. Willenselement beim einfachen (direkten) Vorsatz.

    An den Nachweis des Willens sind beim einfachen Vorsatz die gleichen
Anforderungen zu stellen wie beim Eventualvorsatz. Es genügt, dass der
deliktische Erfolg mitgewollt ist; er braucht nicht das vom Täter erstrebte
Ziel zu sein.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Arthur Bing schloss am 11. Juni 1965 einen Vertrag mit der Triscal
AG, in welchem er dieser für das Gebiet der Schweiz und des Fürstentums
Liechtenstein das ausschliessliche Recht zur Verarbeitung der von der
Antiperporan AG hergestellten Kunststoffe übertrug. Dabei verschwieg
er, dass er im Jahre 1962 das Alleinvertretungsrecht für einen Teil der
Schweiz anderen eingeräumt hatte und diese Verträge noch gültig waren.

    B.- Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte deshalb Bing am
14. Mai 1971 wegen Betruges zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe.

    C.- Die gegen dieses Urteil eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde,
mit welcher der Verurteilte unter anderem bestritt, mit Täuschungsvorsatz
gehandelt zu haben, wurde vom Kassationshof abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Zu Unrecht bestreitet der Beschwerdeführer, die Triscal AG
vorsätzlich getäuscht zu haben. Ob er, wie er behauptet, im Zeitpunkt
des Vertragsschlusses mit der Triscal überzeugt und im guten Glauben
gewesen sei, die im Jahre 1962 mit andern Partnern abgeschlossenen
Konzessionsverträge seien längstens untergegangen, ist als innerer
Vorgang Tatfrage. Die Vorinstanz hat sie verneint und in Würdigung
der gesamten Umstände erklärt, der Beschwerdeführer habe gewusst,
dass die früher geschlossenen Verträge, mindestens ein Teil von ihnen,
noch gültig waren. Damit ist das für den direkten Vorsatz erforderliche
Wissen verbindlich festgestellt und auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht
überprüfbar (BGE 90 IV 78 Erw. 3, 120 Erw. 4).

    Nach der weitern verbindlichen Feststellung der Vorinstanz hat
der Beschwerdeführer gebilligt, dass er sich über die bestehenden
Verträge hinwegsetzte. Das kann nur dahin verstanden werden, dass er
die im Verheimlichen der Verträge liegende Täuschung der Triscal AG in
seinen Willensentschluss einbezogen, den eingetretenen Deliktserfolg also
gewollt hat. Dass das Wort "billigen" ebenso wie die sachlich annähernd
gleichbedeutenden Ausdrücke "in Kauf nehmen", "sich abfinden" u. dgl. im
allgemeinen bei der Umschreibung des Willenselementes beim Eventualvorsatz
gebräuchlich sind, ändert nichts. Der Eventualvorsatz unterscheidet sich
vom einfachen oder direkten Vorsatz einzig durch das Wissen des Täters,
indem er im ersten Fall den Eintritt des deliktischen Erfolges bloss
für möglich hält, im zweiten dagegen als sicher voraussieht, während das
Willenselement bei beiden Vorsatzformen in gleicher Weise erfüllt sein
muss (BGE 96 IV 99/100). Gilt aber beim Eventualvorsatz zum Nachweis des
Willens als ausreichend, dass der Täter den Erfolg in Kauf genommen hat,
so ist nicht einzusehen, warum beim einfachen Vorsatz an den Nachweis
des Willensmoments höhere Anforderungen gestellt werden sollten. Hiefür
liegt umso weniger ein Grund vor, als sowohl beim einfachen Vorsatz wie
beim Eventualvorsatz der deliktische Erfolg mit dem vom Täter erstrebten
Ziel nicht übereinstimmen muss, sondern genügt, dass der Täter den
deliktischen Erfolg, magihm dieser gleichgültig oder sogar unerwünscht
sein, als notwendige Folge oder als Mittel zur Erreichung des verfolgten
Zwecks in seinen Entschluss miteinbezogen hat (nicht veröffentlichtes
Urteil des Kassationshofes vom 3. Februar 1967 i.S. Ulmann; SCHWANDER,
Schweiz. Strafgesetzbuch, S. 92 Nr. 188; SCHULTZ, ZBJV 1967 S. 420;
GERMANN, Das Verbrechen, S. 177/178; HAFTER, Allg. Teil, S. 119 Ziff. 2;
LOGOZ, Kommentar zu Art. 18, N 5 lit. bb, S. 65). Gerade um die Fälle,
in denen der deliktische Erfolg bloss "mitgewollt" ist, zu erfassen,
wird denn auch in der Literatur das Willensmoment des einfachen Vorsatzes
von verschiedenen Autoren mit dem Ausdruck des Inkaufnehmens umschrieben
(GERMANN aaO, SCHWANDER aaO, HAFTER aaO). Umso weniger ist zu beanstanden,
dass die Vorinstanz das Wort "billigen" verwendet, das den Sinn der
Zustimmung noch stärker zum Ausdruck bringt.