Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IV 255



98 IV 255

52. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Oktober 1972
i.S. A. und B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 198 StGB. Kuppelei.

    1.  In einem Massagesalon vorgenommene Sexual- oder Feinmassage fällt
unter den Begriff der Unzucht (Erw. 1).

    2.  Vorsätzliches Vorschubleisten zu fremder Unzucht aus Gewinnsucht
(Erw. 2-4).

    3.  Mittäterschaft des Vermieters der Räume und Einrichtungen des
Massagesalons (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Die Beschwerdeführerin A. eröffnete am 2. November 1970 in
Zürich den Massagesalon X.-AG. Sie war einzige Verwaltungsrätin der Firma
und Geschäftsführerin des Betriebes. Der Beschwerdeführer B. hatte den
Massagesalon organisiert und finanziert und unter der Firma Z.-AG die
Räumlichkeiten und die Einrichtung des Salons zur Verfügung gestellt, wofür
die X.-AG einen jährlichen Mietzins von Fr. 48'000.-- entrichten musste.
Ausserdem wirkte B. als kaufmännischer Berater im Betrieb mit und besorgte
die Werbeinserate.

    Den Salon besuchten täglich rund 40 Männer, die für eine halbstündige
Massage Fr. 45.- zu bezahlen hatten. Die im Betrieb beschäftigten jungen
Masseusen führten auf Wunsch der Mehrheit der Kunden auch sog. Sexual-
oder Feinmassagen aus. Eine dieser Masseusen war noch nicht 19 Jahre alt.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte am 14.  April 1972 die
Beschwerdeführer der fortgesetzten Kuppelei im Sinne von Art. 198 Abs. 1
und 2 StGB schuldig und verurteilte B. zu 8 Monaten Gefängnis mit bedingtem
Strafvollzug und zu Fr. 4'000.-- Busse sowie A. zu 4 Monaten Gefängnis
mit bedingtem Strafvollzug und Fr. 2'000.-- Busse.

    C.- Beide Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wegen Kuppelei wird nach Art. 198 StGB bestraft, wer aus
Gewinnsucht der Unzucht anderer Vorschub leistet. Unter Unzucht im Sinne
dieser Bestimmung ist grundsätzlich jede Art von Unzucht zu verstehen,
ob sie als solche strafbar sei oder nicht. Ausgenommen wurden lediglich
Handlungen, welche die Grenze des geschlechtlichen Anstandes bloss
leicht überschreiten (BGE 71 IV 95, 76 IV 238). Ob dieser Rahmen des
Erlaubten als Folge der auf dem Sexualgebiet gewandelten Anschauungen
gegebenenfalls noch weiter zu ziehen wäre, ist nicht zu entscheiden.
Jedenfalls kann der Auffassung der Beschwerdeführer, dass auch die
Vornahme einer sog. Feinmassage nach der heute vorherrschenden Sexualmoral
nicht mehr jenseits der Grenze des geschlechtlichen Anstandes liege,
nicht zugestimmt werden. Wo das Strafgesetzbuch wie in Art. 198 von
Unzucht schlechthin spricht, meint es hauptsächlich den Vollzug des
ausserehelichen Beischlafes und jeder anderen Ersatzhandlung, die auf
die Herbeiführung des Orgasmus des Partners abzielt. Darunter fällt
zweifelsfrei auch die sog. Feinmassage, das Reiben des Geschlechtsgliedes
bis zum Samenerguss. Daran hat auch die neuere Rechtsprechung zu Art. 204
StGB nichts geändert, aus der die Beschwerdeführer völlig zu Unrecht
abzuleiten versuchen, dass Darstellungen des Geschlechtsverkehrs und
anderer sexueller Handlungen überhaupt nicht mehr als unzüchtig verfolgt
und deshalb vom Unzuchtsbegriff nicht mehr erfasst würden. Zudem
übersieht die Beschwerde, dass zwischen Art. 204 und 198 StGB insofern
ein Unterschied besteht, als die Kuppelei sowohl wegen des gewinnsüchtigen
Beweggrundes des Täters als auch wegen des hohen Grades der Gefährdung der
öffentlichen Sittlichkeit als besonders strafwürdig erscheint, während die
blosse Darstellung geschlechtlicher Vorgänge weniger in die Intimsphäre
des einzelnen eingreift und auch nicht notwendig eine Förderung fremder
Unzucht zur Folge hat, wie es bei der Kuppelei der Fall ist.

    Es ist daher die Rechtsprechung (BGE 71 IV 94) zu bestätigen,
wonach die sog. Feinmassage, die im Massagesalon der Beschwerdeführer an
Kunden ausgeführt wurde, als Unzucht zu gelten hat. Dass die Masseusen
die Feinmassage nur auf Wunsch der Kunden vornahmen, ist unerheblich;
Art. 198 StGB bestraft das Vorschubleisten fremder Unzucht nicht nur
im Interesse der verkuppelten Person, sondern vor allem zum Schutze der
allgemeinen Sittlichkeit.

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer haben der Unzucht offensichtlich auch
Vorschub geleistet. Der Beschwerdeführer organisierte und finanzierte den
Massagesalon, stellte dem Betrieb Räumlichkeiten, Geräte und Apparate zur
Verfügung und arbeitete nachher mit der Beschwerdeführerin eng zusammen.
Während diese dem Betrieb vorstand, die Masseusen zum Teil anlernte,
Kunden empfing und sie den Masseusen zuwies, war der Beschwerdeführer ihr
kaufmännischer Berater, vermittelte Masseusen und warb durch Inserate für
den Salon. Durch diese Handlungen haben beide Beschwerdeführer die mit
ihrem Wissen vorgenommene Feinmassage begünstigt und fortlaufend gefördert.

Erwägung 3

    3.- Gewinnsucht setzt allgemein ein besonders ausgeprägtes, über die
einfache Gewinnabsicht hinausgehendes Streben nach Gewinn voraus. Beim
Tatbestand der Kuppelei liegt dieses Gewinnstreben darin, dass der Täter
aus der von ihm begünstigten Unzucht geldwerte Vorteile ziehen will, die
er ohne Unzuchtsbetrieb nicht oder nicht in der verlangten Höhe erlangen
könnte (BGE 89 IV 17).

    Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanzen haben beide
Beschwerdeführer von Anfang an planmässig und intensiv darnach gestrebt,
aus dem Betrieb des Massagesalons, in welchem sie nur junge, gut aussehende
Masseusen beschäftigten und ausschliesslich männliche Kunden bedienten,
durch Ausführung von Feinmassage höchstmögliche Gewinne zu erzielen. Dass
sich ihr Gewinnstreben nicht auf die Erlangung berufsüblicher Einnahmen
beschränkte, geht daraus hervor, dass sie für eine halbstündige Massage,
das Trinkgeld an die Masseuse nicht inbegriffen, den Betrag von Fr. 45.-
und damit mehr als den doppelten Preis forderten, der zur gleichen
Zeit in seriösen Massageinstituten verlangt wurde. Dieser überhöhte
Tarif kann nicht allein mit der luxuriösen Ausstattung des Massagesalons
begründet werden. Wird berücksichtigt, dass die von den Beschwerdeführern
angestellten Masseusen keine Berufserfahrung besassen, ja zum Teil
überhaupt erst in ihrem Betrieb angelernt worden und demzufolge beruflich
ungenügend ausgebildet waren, so erweist sich der angewendete Tarif
trotz dem gebotenen Luxus als weit übersetzt. In Wirklichkeit handelte
es sich um einen für die Vornahme von Feinmassage geforderten Mehrpreis,
den die Kunden, wie die Beschwerdeführer wussten, zur Befriedigung ihres
Geschlechtstriebes gerne zu zahlen bereit waren. Damit ist erstellt, dass
die Beschwerdeführer nach verpöntem Gewinn trachteten und aus Gewinnsucht
der Unzucht Vorschub leisteten.

    Diese Feststellung trifft entgegen seiner Bestreitung auch auf den
Beschwerdeführer zu, der die Errichtung des Massagesalons organisiert und
finanziert hatte, nach der Betriebseröffnung mit der Beschwerdeführerin in
der Geschäftsführung zusammenarbeitete und am Geschäftsgang unmittelbar
interessiert war. Insbesondere schliesst der Umstand, dass die Einnahmen
aus dem Salon der X.-AG allein der Beschwerdeführerin zustanden, die
Gewinnsucht des Beschwerdeführers nicht aus. Die Vorinstanz stellt denn
auch verbindlich fest, dass der Mietzins von Fr. 4'000.--, der für die
Räumlichkeiten und das Inventar des Salons dem Beschwerdeführer als
Inhaber der Z.-AG monatlich entrichtet werden musste, aussergewöhnlich
hoch war. Das kann nur heissen, dass der Beschwerdeführer den übersetzten
Mietzins einzig mit Rücksicht auf die ausserordentlich hohen Einnahmen des
Salons verlangte, die ihrerseits nur dank der Feinmassage möglich waren.

Erwägung 4

    4.- Den Vorsatz bestreiten die Beschwerdeführer mit der Begründung,
sie hätten nicht gewusst, dass Feinmassage unter den Begriff der Unzucht
falle und verboten sei. Dieser Einwand scheitert an der gegenteiligen
Feststellung der Vorinstanz, die tatsächlicher Art ist und daher mit der
Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden kann (Art. 273 Abs. 1
lit. b und Art. 277 bis Abs. 1 BStP; BGE 98 IV 66).

    Die ebenfalls verbindliche Feststellung des Obergerichts, dass die
Beschwerdeführer die Grenzen des Erlaubten genau gekannt haben und sich der
Sittenwidrigkeit der vorgenommenen Feinmassage und der Strafbarkeit ihrer
gewinnsüchtigen Begünstigung bewusst waren, schliesst auch die Anwendung
der Bestimmung über Rechtsirrtum aus (Art. 20 StGB; BGE 74 IV 205).

Erwägung 5

    5.- Mittäterschaft liegt vor, wenn jemand bei der Entschliessung,
Planung oder Ausführung eines Delikts vorsätzlich und in
massgeblicher Weise mit einem andern Täter zusammenwirkt (SCHWANDER,
Schweiz. Strafgesetzbuch, S. 126 Nr. 255; BGE 85 IV 133 und dort erwähnte
frühere Entscheidungen, BGE 96 IV 169 E. 7).

    Der Beschwerdeführer war der Initiant und Gründer des Salons und
hat ihn geplant, organisiert und finanziert. Sein Einwand, dass er am
Betrieb nicht beteiligt gewesen sei und die Verantwortung für diesen
voll und ganz bei der Beschwerdeführerin gelegen habe, mag zivilrechtlich
gesehen stimmen, geht jedoch an den tatsächlichen Gegebenheiten, auf die
das Strafrecht abstellt, vorbei. Durch die Errichtung und Finanzierung
des Salons hat der Beschwerdeführer nicht bloss die Eröffnung des
Massagebetriebes ermöglicht, sondern auch nachher wesentlich zu
seinem Fortbestand beigetragen. Darüber hinaus lag eine erfolgreiche
Geschäftstätigkeit, ohne die er den hohen Mietzins nicht hätte verlangen
können, in seinem eigenen Interesse, und er hat dieses denn auch, wie
verbindlich feststeht, dadurch wahrgenommen, dass er an der Betriebsführung
selber aktiv mitwirkte, indem er die Beschwerdeführerin in Fragen der
Geschäftsführung beriet und gewisse Aufgaben (Anstellung von Masseusen,
Aufgabe von Werbeinseraten) selbständig erledigte. Aus dieser intensiven
Tätigkeit des Beschwerdeführers erhellt, dass er an der Organisation und
Führung des Massagesalons, in welchem mit seinem Wissen und Willen Dritten
Gelegenheit zur Unzucht geboten wurde, in massgebender Weise beteiligt
war. Er wurde daher zu Recht als Mittäter der Beschwerdeführerin zur
Verantwortung gezogen.

Erwägung 6

    6.- (Strafzumessung.)

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.