Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IV 11



98 IV 11

3. Urteil des Kassationshofes vom 3. März 1972 i.S. Staatsanwaltschaft des
Kantons Zürich gegen Lutz. Regeste

    1.  Art. 272 Abs. 1 und 2 BStP. Massgebende Urteilseröffnung für die
Staatsanwaltschaft im Kanton Zürich (Erw. 1).

    2.  Art. 125 Abs. 2 StGB; fahrlässige Körperverletzung, dadurch
begangen, dass der Halter eines Motorfahrzeuges dasselbe einem
fahrunfähigen Lenker überlässt, der mit einem Fussgänger zusammenstösst.
Natürliche Ursächlichkeit, adaequater Kausalzusammenhang (Erw. 3),
Verschulden (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- 1. Lutz führte am 5. November 1970, ca. 22.20 Uhr mit
einer Alkoholkonzentration von 1,4 Gewichtspromille im Blute seinen
Personenwagen von Trin nach Domat/Ems und von dort in Richtung Chur. Auf
der Kantonsstrasse zwischen Domat/Ems und der Abzweigung nach Felsberg
fuhr er von hinten den Motorfahrradfahrer Hans Bay an. Dieser erlitt am
Kopf sowie am linken Schulterblatt Verletzungen. Nach dem Unfall wurde
Lutz der Führerausweis entzogen.

    2. Am Abend des 27. November 1970 traf Lutz in Bonaduz seinen Bekannten
Spadin. Beide genossen reichlich Alkohol. Morgens um 4 Uhr beschlossen sie,
weitere Gaststätten aufzusuchen.

    Lutz überliess Spadin das Steuer seines Autos. Nach dem Besuch
mehrerer Wirtschaften, in denen sie wiederum Alkohol konsumiert hatten,
gelangten die beiden schliesslich nach Zürich, wo Spadin um 13.50 Uhr
am Bleicherweg mit den linken Rädern des Wagens auf die Traminsel der
Haltestelle Stockerstrasse geriet und dabei die dort stehende Fussgängerin
Zörgiebel anfuhr. Diese wurde auf die Fahrbahn geschleudert und schwer
verletzt. Eine Blutprobe ergab bei Spadin für den Zeitpunkt des Unfalls
eine Alkoholkonzentration von 1,6 Gewichtspromille, bei Lutz eine solche
von 1,4.

    B.- Am 15. Juni 1971 verurteilte das Bezirksgericht Zürich

    -  Spadin wegen fahrlässiger Körperverletzung im Sinne von Art. 125
Abs. 2 StGB, Fahrens in angetrunkenem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 1
SVG und Fahrens ohne Führerausweis im Sinne von Art. 95 Ziff. 2 SVG zu
6 Monaten Gefängnis und Fr. 100.-- Busse;

    - Lutz wegen fahrlässiger Körperverletzung im Sinne von Art. 125
Abs. 1 und 2 StGB, Fahrens in angetrunkenem Zustand im Sinne von Art. 91
Abs. 1 SVG und Gehilfenschaft zum Fahren in angetrunkenem Zustand zu 5
Monaten Gefängnis.

    Das Gericht ordnete in beiden Fällen die Veröffentlichung des
Urteils an.

    Auf Appellation der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft bestätigte
das Obergericht am 24. September 1971 im Falle Spadin den Schuldspruch der
ersten Instanz sowie die ausgefällte Busse und erhöhte die Freiheitsstrafe
auf 9 Monate Gefängnis. Lutz wurde der fahrlässigen Körperverletzung
im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB und des wiederholten Fahrens in
angetrunkenem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 1 SVG schuldig erklärt
und zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Das Obergericht bestätigte in
beiden Fällen die Urteilspublikation.

    C.- Gegen diesen Entscheid führt die Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung von Lutz
wegen fahrlässiger Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das angefochtene Urteil wurde am 24. September 1971 mündlich
eröffnet. Der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich wurde am 27. September
das Dispositiv und am 4. November der begründete Entscheid zugestellt. Die
Staatsanwaltschaft hat am 5. November die Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet
und am 12. November die Beschwerdebegründung eingereicht.

    Rechnet man die mündliche Eröffnung als für den Fristenlauf massgebend,
so ist die Beschwerdeanmeldung verspätet. Stellt man dagegen auf die
schriftlichen Mitteilungen an die Staatsanwaltschaft ab, so sind die
Fristen eingehalten.

    Nach Art. 272 Abs. 1 BStP bestimmt das kantonale Recht, welche
Eröffnung für den Fristenlauf massgebend ist. Die Beschwerdeführerin
beruft sich für ihre Auffassung, wonach die schriftliche Zustellung des
motivierten Urteils entscheidend sei, auf einen Entscheid des kantonalen
Kassationsgerichtes, aus dem hervorgeht, dass nach § 431 der Zürcher StPO
die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde innert 5 Tagen nach der Eröffnung
des Urteils angemeldet und nach Zustellung des begründeten schriftlichen
Urteils innert einer vom Präsidenten anzusetzenden Frist von 10 Tagen
begründet werden muss; war die Staatsanwaltschaft bei der mündlichen
Eröffnung nicht anwesend, so beginnt für sie die Frist zur Begründung der
Nichtigkeitsbeschwerde mit der Zustellung des motivierten Urteils. Einer
besonderen Anmeldung innert einer bereits vorher ablaufenden Frist bedarf
es nicht.

    Sollte die Staatsanwaltschaft aus diesem Urteil ableiten, auch eine
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde brauche von ihr nicht angemeldet zu
werden, und es genüge die Einreichung einer begründeten Beschwerdeschrift
innert 20 Tagen nach Zustellung des schriftlich motivierten Entscheides,
so wäre diese Auffassung als unzutreffend abzulehnen. Weder das kantonale
Prozessrecht noch das für dessen Auslegung zuständige Kassationsgericht
vermöchten das in Art. 272 BStP geordnete Rechtsmittelverfahren für die
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde zugunsten des öffentlichen Anklägers
abzuändern. Das Hauptgewicht des Kassationsgerichtsurteils liegt offenbar
im Hinweis auf § 203 GVG in der neuen Fassung von 1967. Danach wird nun in
allen Fällen der Staatsanwaltschaft ein schriftliches Urteilsdispositiv
zugestellt, gleichgültig, ob sie an der mündlichen Eröffnung anwesend
war oder nicht. Daraus lässt sich wohl in der Tat der Schluss ziehen,
dass für die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht
durch die Staatsanwaltschaft die schriftliche Urteilseröffnung
massgebend sein soll, so dass nicht mehr überprüft werden muss, ob die
Anklagebehörde im Einzelfall bei der mündlichen Eröffnung anwesend war
oder nicht. Kein Zweifel kann daran bestehen, dass die schriftliche
Mitteilung des Urteilsdispositivs jedenfalls dann massgebend ist, wenn
die Staatsanwaltschaft erst dadurch Kenntnis vom Urteil erhält. Für den
Angeklagten dagegen ist nach wie vor die mündliche Eröffnung massgebend
(BGE 86 IV 71). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Protokoll des
Obergerichts, dass die Staatsanwaltschaft bei der Verhandlung bzw. der
mündlichen Eröffnung des Urteils vor Obergericht nicht anwesend war. Der
Entscheid wurde ihr am 4. November 1971 schriftlich eröffnet. Mit
der Beschwerdeanmeldung vom 5. November 1971 und der Begründung vom
11. November 1971 sind demnach die in Art. 272 Abs. 1 und 2 BStP
vorgeschriebenen Fristen eingehalten.

Erwägung 2

    2.- Das Bezirksgericht hat Lutz vorgeworfen, sich durch Überlassung
seines Motorfahrzeuges an den alkoholisierten Kollegen Spadin der
Mittäterschaft bei schwerer Körperverletzung schuldig gemacht zu
haben. Beim Entschluss, nach Zürich zu fahren, habe Lutz massgebend
mitgewirkt und während der ganzen Fahrt nie eingegriffen. Dieses
Verhalten sei für den Unfall kausal gewesen. Subjektiv habe Lutz den
Unfall voraussehen können, nachdem er in Kenntnis seiner und Spadins
Angetrunkenheit sich zur Fahrt nach Zürich entschlossen habe.

    Demgegenüber gelangte das Obergericht hinsichtlich der schweren
Körperverletzung zu einem Freispruch. Mittäterschaft erfordere ein
vorsätzliches Handeln. Nichts deute darauf hin, dass Lutz und Spadin
eine schwere Körperverletzung begehen wollten. Lutz sei nur Mittäter bei
Führen eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand, was den Tatbestand
des Überlassens des Fahrzeuges an einen Fahrunfähigen miterfasse. Er habe
nur eine abstrakte Gefährdung voraussehen können.

    Was die Meinung des Obergerichts betrifft, die Mittäterschaft bei
Fahren in angetrunkenem Zustand umfasse das gesamte tatbestandsmässige,
rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Lutz, insbesondere auch das
Überlassen eines Fahrzeuges an einen Fahrunfähigen im Sinne von Art. 2
Abs. 1 VRV, so übersieht es, dass sich die beiden genannten Tatbestände
überschneiden und nicht gänzlich decken. Fahrunfähig im Sinne von Art. 2
Abs. 1 VRV ist nicht nur der angetrunkene Lenker, sondern es kann dies
auch der Übermüdete (vgl. Art. 31 Abs. 2 SVG), der Kranke, der durch
Medikamente oder Drogen Beeinträchtigte usw. sein. Anderseits ist wegen
Mittäterschaft bei Fahren in angetrunkenem Zustand nicht nur derjenige zur
Rechenschaft zu ziehen, der sein Fahrzeug einem Angetrunkenen überlässt,
sondern beispielsweise auch der für seine Kollegen bestimmende Anführer
eines Trinkgelages.

    Im vorliegenden Fall ist nicht auszuschliessen, dass Spadin morgens
um 4 Uhr nur infolge des genossenen Alkohols fahruntüchtig war, mittags
in Zürich aber ausserdem noch unter erheblichem Schlafmangel litt. Spadin
selbst hat behauptet, er sei im Zeitpunkt des Unfalls übermüdet gewesen. Er
hatte immerhin seit ca. 30 Stunden nicht mehr geschlafen. Aus diesem
Umstand erhellt, dass das Überlassen des Autos an den fahrunfähigen
Spadin nicht bereits im Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand
mitenthalten ist.

Erwägung 3

    3.- Art. 125 Abs. 2 StGB bedroht mit Strafe denjenigen, der fahrlässig
einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schwer schädigt.
Vorausgesetzt ist danach in erster Linie ein ursächlicher Zusammenhang
zwischen dem Verhalten des Täters und der schweren Schädigung des
Opfers. Ein derartiger Zusammenhang ist gegeben, wenn dieses Verhalten
eine natürliche und zugleich eine rechtlich erhebliche, adäquate Ursache
der schweren Schädigung ist (vgl. BGE 91 IV 118).

    a) Die natürliche Kausalität ist nicht bestritten. Hätte Lutz das
Steuer seines Wagens nicht seinem Kollegen Spadin überlassen, so wäre
dieser nicht in angetrunkenem Zustand nach Zürich gefahren. In der
Überlassung des Wagens und der von Lutz jedenfalls mitbestimmten Fahrt
liegt somit eine natürliche Ursache des Unfalles. Das Verhalten von Lutz
hat zum Eintritt des Unfallerfolges beigetragen. Dass es nicht die einzige
Ursache war, ist ohne Belang (BGE 91 IV 187 mit Verweisungen).

    b) Was die Frage des adäquaten Kausalzusammenhanges betrifft, so
schweigt sich das Obergericht darüber aus. Nach verbindlicher Feststellung
der Vorinstanz haben sich Lutz und Spadin nach einem Arbeitstag zu einem
Festanlass begeben, die ganze Nacht durchgezecht und sich morgens um 4 Uhr
in angetrunkenem Zustand in das Auto des Lutz gesetzt; sie sind den ganzen
Vormittag hindurch gefahren und haben in mehreren Wirtschaften erneut
Alkohol genossen, so dass der Blutalkoholgehalt beim Fahrzeuglenker
im Zeitpunkt des Unfalls 1,6 Promille betrug. Spadin war unter den
gegebenen Umständen ein sehr gefährlicher Automobilist, der angesichts
des beeinträchtigten Wahrnehmungs- und Reaktionsvermögens nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge jederzeit einen Unfall verursachen konnte. Lutz
wusste, dass Spadin stark angetrunken war. Die Rechtserheblichkeit des
Kausalzusammenhanges ist deshalb zu bejahen.

Erwägung 4

    4.- Lutz kann nur dann in Anwendung von Art. 125 Abs. 2 StGB verurteilt
werden, wenn ihn für die erhebliche Verletzung der Fussgängerin ein
Verschulden trifft. Die genannte Bestimmung verlangt, dass der Täter
die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht
bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen, d.h. die nach den Umständen
und seinen persönlichen Verhältnissen gebotene Vorsicht nicht beachtet hat
(Art. 18 Abs. 3 StGB). Solche Unvorsichtigkeit hat sich Lutz in mehrfacher
Weise zuschulden kommen lassen.

    Pflichtgemässe Vorsicht und Überlegung hätten ihn schon vom Antritt
der Fahrt abhalten sollen. Steht doch nach dem angefochtenen Urteil fest,
dass Lutz und Spadin sich "mit direktem Vorsatz" zur gemeinsamen Fahrt
nach Zürich entschlossen, obschon sie sich ihres angetrunkenen Zustandes
bewusst waren. Lutz fällt somit zur Last, dass er es als Fahrzeughalter in
Kauf nahm, dass ein betrunkener Führer seinen Wagen lenkte. Hinsichtlich
des Willens, nach Zürich zu fahren, ist ergänzend zu den vom Obergericht
gemachten Ausführungen festzuhalten, dass der Vorsatz zur Fahrt sich nicht
im ersten Entschluss morgens um 4 Uhr erschöpfte, sondern im Verlaufe
des Vormittags immer wieder von neuem in Erscheinung trat, wenn Lutz
und Spadin eine der besuchten Wirtschaften verliessen und sich auf die
Weiterfahrt begaben.

    Der Vorwurf der Fahrlässigkeit trifft Lutz weiter deswegen, weil
er die Gefahr eines Fehlverhaltens seines Kollegen erkannte oder bei
pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Die Vorinstanz
nimmt an, Lutz habe zwar die erhebliche, während der langen Fahrt durch
den angetrunkenen Lenker geschaffene andauernde abstrakte Gefährdung
anderer Verkehrsteilnehmer voraussehen können, nicht aber die Tatsache,
"dass der mit einer an sich zulässigen Innerortsgeschwindigkeit von
40-55 km/h fahrende Lenker gerade auf der Traminsel Stockerstrasse die
konkret bewirkte Verletzung einer Fussgängerin verursachen werde". Indes
ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen, welche Umstände
unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Zusammenstosses mit Frau Zörgiebel
zu einer optimistischeren Beurteilung von Spadins Fahrverhalten führen
konnten. Eine vorübergehende starke Herabsetzung der Unfallgefahr ergab
sich jedenfalls nicht aus der Verlangsamung der Geschwindigkeit auf 40-55
km/h. Auch wenn diese an sich zulässig sein mochte, konnten insbesondere
im Mittagsverkehr in der Stadt Zürich jederzeit unvermittelt Fussgänger
oder Fahrzeuge in die Fahrbahn von Spadin geraten, der infolge des
beeinträchtigten Wahrnehmungs- und Reaktionsvermögens einen Zusammenstoss
nicht mit Sicherheit zu vermeiden imstande war.

    Wahrscheinlicher ist, dass das Obergericht mit der oben wiedergegebenen
Stelle zum Ausdruck bringen wollte, Lutz habe zwar jederzeit mit einer
abstrakten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer rechnen müssen,
nur gerade die konkrete Verletzung der Fussgängerin Zörgiebel habe
er nicht voraussehen können. In einer solchen Argumentation liegt
jedoch eine Verkennung des Fahrlässigkeitsbegriffs. Schon die allgemein
bekannte Tatsache, dass ungenügende Nachtruhe und reichlich genossener
Alkohol im allgemeinen einen Zustand der Fahrunfähigkeit schaffen,
hätte Lutz davon abhalten sollen, Spadin das Steuer seines Wagens zu
überlassen. Die möglichen Folgen seines Verhaltens zu bedenken war er
umsomehr verpflichtet, als er sich nach der verbindlichen Feststellung
der Vorinstanz der Fahruntüchtigkeit Spadins bewusst war. Lutz
erkannte überdies während der Fahrt die abstrakte Gefährdung der übrigen
Verkehrsteilnehmer. Als Fahrzeughalter war er verpflichtet, seinen Kollegen
vom Führen des Wagens abzuhalten, und bei pflichtgemässer Überlegung hätte
er sich sagen müssen, dass angesichts des Zustandes von Spadin sich die
Gefahr eines Zusammenstosses mit einem Fussgänger jederzeit verwirklichen
könne, ja sogar, dass diese Möglichkeit nahe lag. Ob er hätte bedenken
können und sollen, dass sich die Ereignisse gerade so abspielen würden,
wie sie sich dann zugetragen haben, ist unerheblich (BGE 79 IV 170). Es
genügt, dass er überhaupt die Möglichkeit der Verletzung eines Menschen
als Folge seines pflichtwidrigen Verhaltens nach den Umständen und seinen
persönlichen Verhältnissen voraussehen konnte. Hat Lutz unter Missachung
von Art. 2 Abs. 1 VRV dem offensichtlich fahrunfähigen Spadin seinen
Wagen überlassen, obwohl er bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit erkennen
konnte, dass sein Kollege jederzeit mit einem anderen Verkehrsteilnehmer
zusammenstossen und ihn schwer verletzen könnte, so ist er wegen
fahrlässiger Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB zu
bestrafen.

Erwägung 5

    5.- Fehl geht die Annahme der Vorinstanz, dem Halter eines
Motorfahrzeuges sei bei Überlassung desselben an einen angetrunkenen
Lenker die von diesem verursachte Körperverletzung nur dann als
Fahrlässigkeit anzulasten, wenn das Gesetz dies ausdrücklich sage; das
ergebe sich beispielsweise aus Art. 93 Ziff. 2 Abs. 2 SVG und Art. 96
Ziff. 2 SVG. Bei diesen Bestimmungen geht es um die Frage, wie weit
neben dem Fahrzeuglenker auch der Halter haftet, wenn er es wissentlich
oder aus Nachlässigkeit duldet, dass ein nicht betriebssicheres, nicht
versichertes oder nicht mit gültigen Kontrollschildern ausgerüstetes
Fahrzeug geführt wird. Diese Regeln umschreiben nur die strafrechtliche
Mitverantwortlichkeit des Halters an der strafbaren Fahrzeugbenützung durch
den Dritten. Insoweit entsprechen sie Art. 2 Abs. 1 VRV in Verbindung
mit Art. 31 Abs. 2 SVG. Von den möglichen Folgen des unerlaubten Fahrens
mit dem ungenügend ausgerüsteten Fahrzeug und von der Verantwortlichkeit
von Lenker und Halter hiefür ist jedoch auch in den Art. 93 und 96 SVG
nicht die Rede. Der Vergleich der Vorinstanz mit diesen Bestimmungen ist
indessen in anderer Hinsicht zutreffend. Wer als Halter sein Fahrzeug einem
fahrunfähigen Lenker überlässt, macht sich im Sinne von Art. 2 Abs. 1 VRV
strafbar; dasselbe gilt für den Halter, der sein nicht betriebssicheres
Fahrzeug (ungenügende Bremsen, Bereifung, Beleuchtung usw.) durch einen
Dritten lenken lässt. Verursacht der Lenker einen Unfall, der auf
seine Fahrunfähigkeit (im Falle des Art. 2 Abs. 1 VRV) oder auf die
Fahruntüchtigkeit des Fahrzeuges (im Falle des Art. 93 SVG) zurückzuführen
ist, und hätte der Halter diese Folge bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit
voraussehen können, so ist dieser wegen fahrlässiger Körperverletzung,
fahrlässiger Tötung usw. zu bestrafen. Einer besonderen Gesetzesbestimmung
bedarf es hiefür nicht. Ob daneben auch der Lenker selbst für die Folgen
des Unfalls strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden kann oder nicht,
ist für die Beurteilung des Halters nicht von Belang.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil
aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an
die Vorinstanz zurückgewiesen.