Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 II 221



98 II 221

33. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Juni 1972 i.S. Fischer AG gegen
Alpgenossenschaft Horben. Regeste

    Art. 55 Abs. 1 lit. c OG. Anforderungen an den Berufungsantrag
(Erw. 1).

    Genossenschaftsrecht.

    Art. 850 OR. Tragweite einer statutarischen Bestimmung, welche den
Entscheid darüber, ob der Erwerber der Liegenschaft eines Mitgliedes
Genossenschafter werde, der Genehmigung durch die Generalversammlung
vorbehält (Erw. 3).

    Art. 839 OR. Nach dieser Vorschrift hat der Bewerber grundsätzlich
kein klagbares Recht auf Aufnahme in die Genossenschaft (Bestätigung der
in BGE 69 II 45/6 begründeten Rechtsprechung; Erw. 4 und 5).

Sachverhalt

    A.- Die Alpgenossenschaft Horben wurde im Jahre 1923 gegründet. Sie
bezweckt nach Art. 1 der revidierten Statuten vom 24. Dezember 1947 die
Förderung der Braunviehzucht durch rationelle Sömmerung von Jungvieh. Den
Erwerb der Mitgliedschaft regeln folgende Bestimmungen:

    "Art. 3: Die Mitgliedschaft wird erworben durch Beschluss der
Generalversammlung auf Antrag des Vorstandes. Dem Aufnahmebeschluss hat
eine schriftliche Anmeldung vorauszugehen. Erben, oder einer unter mehreren
Erben, die an Stelle eines verstorbenen Genossenschafters treten, werden
auf schriftliches Gesuch hin ohne weiteres als Mitglieder anerkannt. Aus
einer Mitgliedschaft können bei Teilung der Liegenschaft nicht mehrere
Mitgliedschaften entstehen.

    Art. 4: Die Mitgliedschaft haftet auf der Liegenschaft. Sie
geht beim Liegenschaftsverkauf mit der ausdrücklichen Genehmigung
der Generalversammlung auf den Käufer über. Der Käufer hat noch eine
schriftliche Beitrittserklärung abzugeben, oder die Statuten persönlich zu
unterzeichnen. Eine Eintrittsgebühr fällt weg. Leistungen der Mitglieder
werden im Weidereglement festgelegt."

    Josef Fischer-Bütler war einer der Gründer der Alpgenossenschaft
Horben. Er betrieb nebst der Landwirtschaft noch eine Kiesgrube. 1951
verkaufte er den Landwirtschaftsbetrieb an seinen Sohn Josef Fischer-Hodel,
der an Stelle seines Vaters Mitglied der Alpgenossenschaft Horben
wurde. Hermann Fischer, ein anderer Sohn von Josef Fischer-Bütler,
übernahm die Kiesausbeutung in Merenschwand. Er wandelte sein Unternehmen
1961 in die Firma Hermann Fischer AG um. Diese Gesellschaft hat zum
Zweck: den Betrieb eines Kies- und Sandwerkes, einen Baggerbetrieb,
die Ausführung von Transporten und die Führung einer Garage. Mitglieder
des Verwaltungsrates (und offenbar auch einzige Aktionäre) sind Hermann
Fischer und seine Ehefrau. Im Jahre 1967 verkaufte Josef Fischer-Hodel
den Landwirtschaftsbetrieb. Über 20 Jucharten Land wurden von einem
Gemüsebaubetrieb Huwyler übernommen, während die Hermann Fischer AG
5 Jucharten Land mit dem Bauernhaus und den Stallungen erwarb. Die
Gesellschaft besass nun ca 8,5 Jucharten landwirtschaftlich nutzbaren
Landes (wovon freilich ein Teil andern Zwecken dienen soll) und hat
dazu noch ca 15 Jucharten gepachtet. Sie führte im Jahre 1969 einen
Landwirtschaftsbetrieb mit 19 Stück Grossvieh, 4 Pferden und ca 300
Schweinen. In der Ertragsbilanz für 1968 ist die Landwirtschaft mit Fr.
607.80 bei einem Gesamtumsatz von Fr. 1'145,629.90 aufgeführt. Die Hermann
Fischer AG stellte bei der Alpgenossenschaft Horben das Gesuch, anstelle
von Josef Fischer-Hodel als Mitglied aufgenommen zu werden. Mit Beschluss
vom 21. September 1968 lehnte die Generalversammlung der Genossenschaft
dieses Gesuch ab.

    B.- Am 19. Juni 1969 klagte die Hermann Fischer AG beim Bezirksgericht
Muri gegen die Alpgenossenschaft Horben auf Aufnahme in die Genossenschaft.

    Das Bezirksgericht Muri und - am 20. August 1971 auf Appellation der
Klägerin hin - das Obergericht des Kantons Aargau wiesen die Klage ab.

    C.- Die Klägerin verlangt mit der Berufung beim Bundesgericht, das
vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Es handelt sich um eine berufungsfähige, nicht vermögensrechtliche
Zivilstreitigkeit im Sinne des Art. 44 OG (BIRCHMEIER, Handbuch S. 128;
BGE 89 II 142 E. 1, nicht veröffentlicht). Es schadet im übrigen der
Klägerin nicht, dass sie bloss die Gutheissung der Klage verlangt, statt
- wie es Art. 55 Abs. 1 lit. b vorschreibt - das Klagebegehren genau
anzugeben. Da dieses ohne weiteres dem angefochtenen Entscheid entnommen
werden kann, ist ersichtlich, was die Klägerin zugesprochen haben will
(BGE 90 II 479 E. 1 mit zahlreichen Verweisungen).

Erwägung 2

    2.- Der im angefochtenen Urteil wiedergegebene Sachverhalt ist -
wie sich dem erstinstanzlichen Urteil und den Rechtsschriften der
Parteien im Berufungsverfahren entnehmen lässt - unvollständig. Da es
sich namentlich im Hinblick auf die rechtliche Betrachtungsweise eher
um nebensächliche Punkte handelt, können nach Art. 64 Abs. 2 OG die
ergänzenden Feststellungen, welche in lit. A berücksichtigt sind, vom
Bundesgericht auf Grund der Akten getroffen werden.

Erwägung 3

    3.- Die Klägerin hält im Berufungsverfahren daran fest, dass sie nach
Art. 4 Satz 1 der Statuten mit dem (teilweisen) Erwerb der Liegenschaft des
Josef Fischer-Hodel ohne weiteres Mitglied der Beklagten geworden sei und
dass Art. 4 Satz 2 der Statuten nur den Sinn habe, die Rechtsgültigkeit
des Eigentumsüberganges zu prüfen und den Genossenschaftern den Wechsel
der Mitgliedschaft bei der Beklagten anzuzeigen. Das habe die Vorinstanz
verkannt und damit Art. 850 OR, dem die streitige statutarische Vorschrift
zugrunde liege, verletzt.

    Nach Art. 850 Abs. 1 OR kann die Mitgliedschaft bei einer
Genossenschaft durch die Statuten vom Eigentum an einem Grundstück oder vom
wirtschaftlichen Betrieb eines solchen abhängig gemacht werden. Eine solche
statutarische Bestimmung allein genügt jedoch nicht, damit ein Erwerber
oder Übernehmer dieses Grundstücks anstelle des bisherigen Eigentümers oder
Inhabers Mitglied der Genossenschaft wird. Die Statuten müssen vielmehr,
damit diese Folge von Rechts wegen eintritt, gemäss Art. 850 Abs. 2 OR
für solche Fälle vorschreiben, dass mit der Veräusserung des Grundstücks
oder mit der Übernahme des wirtschaftlichen Betriebs die Mitgliedschaft
ohne weiteres auf den Erwerber oder den Übernehmer übergeht.

    Art. 4 Satz 1 der Statuten der Beklagten lautet nun freilich:
"Die Mitgliedschaft haftet auf der Liegenschaft". Diese ungenaue
Ausdrucksweise lässt an sich nicht erkennen, ob damit die Voraussetzung
zur Übertragung der Mitgliedschaft im Sinne des Art. 850 OR geschaffen
werden sollte oder ob sie bloss bedeutet, dass nur Anwärter mit eigenem
Landwirtschaftsbetrieb (oder allenfalls Pächter eines solchen) Mitglieder
der Beklagten werden können. Diese Frage lässt sich erst auf Grund der
weitern Bestimmungen des Art. 4 der Statuten beantworten. Danach geht die
Mitgliedschaft beim Liegenschaftsverkauf mit der ausdrücklichen Genehmigung
der Generalversammlung auf den Käufer über, der noch eine schriftliche
Beitrittserklärung abzugeben oder die Statuten persönlich zu unterzeichnen
hat. Diese Regelung lässt sich mit Art. 850 Abs. 2 OR nicht vereinbaren;
denn sie besagt gerade dessen Gegenteil. Während die Statuten nach der
erwähnten Gesetzesbestimmung "für solche Fälle" (d.h. wo nach Art. 850
Abs. 1 OR die Mitgliedschaft nach den Statuten vom Eigentum an einem
Grundstück oder vom wirtschaftlichen Betrieb eines solchen abhängig ist)
vorschreiben können, dass die Mitgliedschaft "ohne weiteres" auf den
Erwerber oder Übernehmer des Grundstücks oder des Betriebs übergehe,
behalten sie hier die ausdrückliche Genehmigung der Generalversammlung
vor und verlangen ausserdem eine schriftliche Beitrittserklärung oder
die persönliche Unterzeichnung der Statuten. Überdies ist die in Art. 850
Abs. 2 OR vorgesehene statutarische Anordnung dem Erwerber gegenüber nur
wirksam, wenn sie im Grundbuch vorgemerkt ist (Art. 850 Abs. 3 OR) oder
wenn er sich ihr durch ausdrückliches oder schlüssiges Verhalten unterwirft
(BGE 89 II 145/6, 90 II 313/14). Eine grundbuchliche Vormerkung wäre hier
nicht möglich, da die Mitglieder der Beklagten nach Art. 8 der Statuten
für die "Verbindlichkeit" der Genossenschaft solidarisch haften und somit
neue Mitglieder gemäss Art. 840 Abs. 2 OR nur beitreten können, wenn sie
diese Verpflichtung in der Beitrittserklärung ausdrücklich übernehmen
(F. WEBER, Die Verbindung der genossenschaftlichen Mitgliedschaft mit
Grundstücken, Diss. Freiburg 1942, Masch. Schrift, S. 104). Die Statuten
der Beklagten können daher trotz des Art. 4 Satz 1 nur dahin ausgelegt
werden, dass der Entscheid darüber, ob ein Erwerber der Liegenschaft eines
Mitgliedes an dessen Stelle treten kann, der Generalversammlung vorbehalten
ist. Keinesfalls kommt diesem Beschluss, wie die Klägerin meint, nur
deklarative Bedeutung zu. Wäre sie übrigens ernstlich dieser Meinung, dann
hätte sie nicht oder doch nicht allein auf Aufnahme, sondern mit Haupt-
oder Eventualbegehren auf Feststellung ihrer Mitgliedschaft klagen müssen.

    Bei dieser Sachlage braucht nicht weiter geprüft zu werden, ob
bei einem Wortlaut der Statuten, der den Bestimmungen des Art. 850 OR
entspräche, die Klägerin ohne weiteres Mitglied der Beklagten geworden
wäre, obwohl sie nur einen kleinen Teil der Liegenschaft des Josef
Fischer-Hodel erworben hatte.

Erwägung 4

    4.- Die Klägerin macht sodann geltend, die Vorinstanz habe Art. 839
OR verletzt. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung können die Statuten unter
Wahrung des Grundsatzes der nicht geschlossenen Mitgliederzahl (Art. 828
OR) die nähern Bestimmungen über den Eintritt von Mitgliedern treffen;
sie dürfen jedoch den Eintritt nicht übermässig erschweren. Die Statuten
der Beklagten regeln den Erwerb der Mitgliedschaft in Art. 3. Danach
muss sich ein Anwärter schriftlich anmelden; er wird durch Beschluss
der Generalversammlung aufgenommen. Erben hingegen, die an Stelle eines
verstorbenen Genossenschafters treten, werden auf schriftliches Gesuch
hin ohne weiteres als Mitglieder anerkannt. Aus Art. 3, letztem Satz, und
namentlich aus Art. 4 der Statuten ergibt sich ferner, dass als Mitglieder
nur Eigentümer von Liegenschaften (oder allenfalls Pächter von solchen)
aufgenommen werden können. Dabei muss es sich um Grundstücke handeln,
die einem landwirtschaftlichen Betrieb und namentlich der Viehhaltung
dienen; denn nach Art. 1 der Statuten bezweckt die Beklagte die Förderung
der Braunviehzucht durch rationelle Sömmerung von Jungvieh. Andere
Voraussetzungen zum Erwerb der Mitgliedschaft sind den Statuten nicht
zu entnehmen (es sei denn, man rechne dazu noch die Entrichtung des
"Eintrittsgeldes" nach Art. 11 Ziff. 6 der Statuten).

    Da die Klägerin diese statutarischen Voraussetzungen an sich erfüllt,
stellt sich die Frage, ob sie überhaupt auf Aufnahme klagen könne.

    a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichts über die Frage, ob einem
Anwärter, der die statutarischen Voraussetzungen erfüllt, ein klagbares
Recht auf Aufnahme in eine Genossenschaft zustehe, ist schwankend,
wie mit Recht bemerkt worden ist (GUHL/MERZ/KUMMER, Das schweizerische
Obligationenrecht, S. 704). In BGE 69 II 45 wurde ausgeführt, die
Genossenschaften könnten die Mitgliedschaft von der Ausübung eines
bestimmten Berufes und andern tatsächlichen und rechtlichen Eigenschaften
abhängig machen und den Eintritt selbst solchen Personen verweigern, die
diese Voraussetzungen erfüllen, es sei denn, die Weigerung verstosse gegen
allgemeine Rechtsgrundsätze (Art. 2 und 27 ZGB). Spätere Urteile gingen
davon aus, wer die statutarischen Voraussetzungen erfülle, habe Anspruch,
aufgenommen zu werden. So wurde in BGE 76 II 294/5 ausgeführt, es könne
offen bleiben, ob ein Wirtschaftsverband, der statt der sachlich richtigern
Genossenschaftsform die Vereinsform gewählt hat und eine wirtschaftliche
Monopolstellung einnimmt, nicht zur Aufnahme von Mitgliedern verpflichtet
sei; das entspreche dem Genossenschaftsrecht, welches zur Verhütung
missbräuchlicher Ausbeutung einer wirtschaftlichen Machtstellung bestimme,
dass der Eintritt neuer Mitglieder in eine Genossenschaft nicht übermässig
erschwert oder gar verunmöglicht werden darf. Im Entscheid 81 II 126
erklärte das Bundesgericht, es "bestehe möglicherweise eine Pflicht
zur Aufnahme von Mitgliedern" bei Verhältnissen, wie sie in BGE 76
II 294/5 zugrunde lagen. In BGE 82 II 307 wurde dann tatsächlich ein
Wirtschaftsverband, der in Vereinsform organisiert war, in analoger
Anwendung des Art. 839 Abs. 2 OR verpflichtet, einen Aussenseiter als
Mitglied aufzunehmen. Im Entscheid 86 II 368/9 liess das Bundesgericht
unter Hinweis auf die im Schrifttum geäusserten Ansichten offen, ob seine
bisherige Rechtsprechung standhalte. Indessen lehnte es die Klage auf
Aufnahme in eine Genossenschaft nach Art. 839 OR nur deshalb ab, weil die
Klägerin Ziele verfolgte, die den von der Genossenschaft geförderten oder
gesicherten wirtschaftlichen Interessen ganz oder teilweise widersprachen.

    b) Bei der Würdigung dieser Rechtsprechung ist zu berücksichtigen,
dass sie durchwegs Fälle widerrechtlichen Boykotts betraf, die noch nicht
unter der Herrschaft des neuen Kartellgesetzes (KG) vom 20. Dezember
1962, in Kraft seit 15. Februar 1964, zu beurteilen waren. Es lag daher
nahe, durch Ausfüllung einer Gesetzeslücke dem zu Unrecht Boykottierten
einen Anspruch auf Aufnahme in ein Kartell zu gewähren, wobei freilich
weniger die analoge Anwendung des Art. 838 Abs. 2 OR als vielmehr
der Anspruch auf Beseitigung der Störung nach Art. 28 Abs. 1 ZGB die
zutreffende Rechtsgrundlage gewesen wäre (vgl. MERZ, Über die Schranken der
Kartellbindung, Bern 1953, S. 59/60; HEFTI, Der Anspruch des Aussenseiters
auf Kartellmitgliedschaft, Diss. Bern 1956, S. 44/5). Der Boykott,
d.h. die organisierte Meidung eines Gewerbetreibenden mit dem Zweck, ihn
zu einem bestimmten aktiven oder passiven Verhalten zu veranlassen oder
ihn für ein solches zu massregeln (BGE 76 II 285 Erw. 2), hat denn "im
Genossenschaftsbereich kein Heimatrecht" (GUTZWILLER, N 19 zu Art. 839 OR;
vgl. auch HEINI, Rundgang durch das schweizerische Genossenschaftsrecht,
in ZgesGW 10 [1960] S. 202, der den boykottrechtlichen Gesichtspunkt
"von der genossenschaftsrechtlichen Frage scharf trennen" will). Da
nach Art. 6 Abs. 2 KG u.a. Anspruch auf Aufnahme in den Verband hat,
wer durch ein Kartell im Wettbewerb behindert und dadurch geschädigt
oder gefährdet wird, ist die Frage, ob sich aus Art. 839 Abs. 2 OR ein
erzwingbares Recht auf Beitritt zu einer Genossenschaft ergebe, erneut zu
prüfen, jedoch nicht im Hinblick auf die Bekämpfung unerlaubten Boykotts,
sondern aus dem Wesen des Genossenschaftsrechts.

    c) Art. 804 Abs. 2 des Entwurfes von 1919 bestimmt, dass die zuständige
Behörde für einzelne Genossenschaften oder Genossenschaftsarten beim
Vorliegen dringender Bedürfnisse anordnen könne, dass auch durch die
Statuten die Aufnahme neuer Mitglieder nicht beschränkt werden dürfe. Damit
wurde nach dem Bericht (S. 149) von 1919 (Verfasser Eugen Huber) einem
Postulat der Konsumvereine entsprochen, welche die Monopolisierung und
das Gewinnstreben von Genossenschaften auf Kosten der Nichtmitglieder
verhindern wollten. EGGER (Revision des Gesellschaftsrechts, Gutachten,
ZSR 1922, S. 107 a ff.) befürwortete - unter Vorbehalt von Beschränkungen,
die mit dem Zweck einer Genossenschaft zusammenhangen - ein Recht auf
Beitritt zur Genossenschaft und wollte dem abgewiesenen Anwärter nach
erfolgloser Beschwerdeführung bei den obern Organen der Genossenschaft die
Klage auf Aufnahme oder Schadenersatz offen halten, ohne damit Art. 804
Abs. 2 des zitierten Entwurfes als überflüssig zu betrachten (S. 167
a). Indessen haben die späteren Entwürfe nicht nur diesen Vorschlag
abgelehnt, sondern auch das ausserordentliche Aufnahmerecht nach dem
Entwurf von 1919 fallen gelassen.

    Art. 841 des Entwurfes von 1923 lautet:

    "In eine bestehende Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder
aufgenommen werden.

    Die Statuten können unter Vorbehalt des Grundsatzes betreffend
die nicht geschlossene Mitgliederzahl die nähern Bestimmungen über den
Eintritt treffen."

    Im Bericht 1923 von Hoffmann (S. 104) wird dazu ausgeführt, das
Dazwischentreten einer Behörde sei abzulehnen und die Freiheit der
Genossenschaft grundsätzlich anzuerkennen, nur die ihr passenden Personen
aufzunehmen. Auf Grund der Beratungen der Expertenkommission 1924-1928
(Prot. ExpKo S. 570 ff.) enthielt der bundesrätliche Entwurf von 1928
folgende Fassung des Art. 828:

    "In eine Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder aufgenommen
werden.

    Die Statuten können unter Wahrung des Grundsatzes der nicht
geschlossenen Mitgliederzahl die nähern Bestimmungen über den Eintritt
treffen; sie dürfen jedoch den Eintritt nicht übermässig erschweren,
insbesondere nicht vom Einkaufin die Reserven abhängig machen."

    Der Bundesrat bemerkte dazu in der Botschaft von 1928 (S. 84),
bei der Ordnung des Erwerbs der Mitgliedschaft sei vom Grundsatz der
nicht geschlossenen Mitgliederzahl auszugehen. Das bedeute jedoch für
den einzelnen noch "kein Recht auf Beitritt, für die Genossenschaft keine
Pflicht zur Aufnahme". Dagegen verfocht GYSIN (Ergebnisse und Erfordernisse
der Revision des Genossenschaftsrechts, ZSR 1931 S. 317 ff.) die
Postulate des Entwurfs von 1919 und schlug vor, "die Zwangsaufnahme
durch ein publizistisch gefärbtes Ausnahmeinstitut" im Gesetz zu regeln
(S. 369). Bei der Beratung der Revision im Parlament war davon jedoch nicht
mehr die Rede; namentlich wurde die erwähnte Auffassung des Bundesrates
nicht bezweifelt; zwischen National- und Ständerat bestand nur noch
insofern eine Differenz, als der Ständerat entgegen der Auffassung des
Nationalrates das Verbot, den Eintritt vom Einkauf in die Reserven abhängig
zu machen, streichen wollte. Schliesslich stimmte dem der Nationalrat
zu (StenBulIStR 1932 S. 202 ff., 1936 S. 203; StenBull NR 1934 S. 755,
1935 S. 203, 1936 S. 778 ff., 901 ff.). Die geltende Fassung des Art.
839 OR stimmt daher mit Art. 828 des Entwurfes von 1928 wörtlich überein,
mit dem Unterschied allerdings, dass der letzte Halbsatz des Entwurfes
(über den Einkauf in die Reserven) nicht Gesetz wurde.

    d) Im Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, auch dem
Anwärter, der die statutarischen Voraussetzungen erfüllt, stehe kein
klagbares Recht auf Aufnahme in eine Genossenschaft zu. GUTZWILLER
(N 19 zu Art. 839 OR) lehnt ein Beitrittsrecht ab, da es Art. 839
Abs. 2 OR widerspräche. Er vertritt allerdings die Auffassung, wenn
ein Aufnahmegesuch zu Unrecht abgelehnt worden sei, handle es sich um
eine "Zuwiderhandlung gegen eine zwingende Norm des schweizerischen
Körperschaftsrechts, analog dem Bilde eines Vertrages, der einen
widerrechtlichen Inhalt hat"; die "Unwirksamkeit" der Aufnahmeverweigerung
müsse mit Klage gegen die Genossenschaft festgestellt werden können;
obwohl die Feststellung der Nichtigkeit die Aufnahmeverpflichtung nicht
zu rechtfertigen vermöge, mache sie den Weg für den "gesetzlichen Befehl"
frei, der nach erneutem Beitrittsgesuch ohne Zutun des Richters befolgt
werden müsse (N 23-25 zu Art. 839 OR). Wie es sich damit verhält,
kann hier offen bleiben; denn die Klägerin verlangt ja nicht eine solche
Feststellung. Im übrigen ist die gutheissende Stellungnahme GUTZWILLERS
(N 24 zu Art. 839 OR) zu einem Urteil des Kantonsgerichts von St. Gallen
vom 24. November 1956, mit welchem dem Kläger ein klagbares Recht auf
Eintritt in eine Genossenschaft zugestanden wurde (SJZ 1958 S. 220/1),
nicht recht mit seiner Auffassung, es gebe kein Beitrittsrecht, vereinbar.

    Im übrigen Schrifttum wird mit wenigen Ausnahmen einhellig die Ansicht
vertreten, ein klagbares Recht auf Eintritt in eine Genossenschaft
auf Grund des Art. 839 OR bestehe nicht (GERWIG, Schweizerisches
Genossenschaftsrecht, S. 232 ff.; GUHL/MERZ/KUMMER, S. 704; HEFTI, aaO
S. 44/45; JUNG, Über das Prinzip der offenen Türe im Recht der Verbände,
Diss. Bern 1956, S. 84, besprochen von Kummer, ZBJV 1958, S. 88; KUMMER,
Die Gleichbehandlung der Genossenschafter gemäss Art. 854 OR, untersucht
für die verschiedenen Arten von Genossenschaften, S. 152 ff.; MONNIER, De
l'entrée dans une société coopérative en droit positif anglais, allemand,
français et suisse, Diss. Neuenburg 1957, S. 123 ff.; F. VON STEIGER,
Ver eine zu wirtschaftlichen Zwecken? Recht auf Mitgliedschaft?, SAG
1956/57 S. 132 ff.).

    Die vereinzelten Stimmen, welche die gegenteilige Meinung äussern
(STIEHLE, Der Eintritt in die Genossenschaft und die daran geknüpften
Rechte und Pflichten, Diss. Bern 1947, S. 19; VODOZ, Le Droit d'entrer
dans une société coopérative appliqué aux organisations professionnelles,
contribution à l'étude du boycott, Diss. Lausanne 1954, S. 73/4; SECRETAN,
Nouvelles tendances du Tribunal fédéral en matière de boycott, JdT 1957
S. 200), lassen sich mit dem Bestreben erklären, den Gerichten eine
wirksame Waffe gegen unerlaubten Boykott zu verschaffen.

Erwägung 5

    5.- Art. 839 Abs. 2 OR kann somit nach Wortlaut, Sinn und
Entstehungsgeschichte nicht dahin ausgelegt werden, dass einem Anwärter ein
klagbares Recht auf Eintritt in eine Genossenschaft zustehe, selbst dann
nicht, wenn er die statutarischen Eintrittsvoraussetzungen erfüllt. Daran
ändert die gegenteilige Boykott-Rechtsprechung des Bundesgerichts nichts.
Abgesehen davon, dass sie anders als mit Art. 839 OR zu begründen gewesen
wäre (vgl. Erw. 4 b), ist sie mit der Geltung des Kartellgesetzes hinfällig
geworden (a. M. SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N 541 zu Art. 1 OR). Es ist deshalb
wieder zu der klaren Rechtsprechung zurückzukehren, die in BGE 69 II
45/6 eingeleitet worden ist. Die Pflicht der Genossenschaft zur Aufnahme
neuer Mitglieder muss daher eine in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen,
wie dem Verbot des Rechtsmissbrauchs und dem Schutz der Persönlichkeit,
begründete Ausnahme bleiben.

    Die Bestätigung der seitherigen Rechtsprechung käme der Einführung
einer Kontrahierungspflicht gleich, die sich mit der Vertragsfreiheit
nicht verträgt und die im wesentlichen für die öffentlichen Dienst- und
Versorgungsleistungen (vgl. VON TUHR/SIEGWART, OR I S. 255 ff.) sowie
das Kartellrecht (Art. 6 Abs. 2 KG) gilt. Jedenfalls sollte eine Pflicht
der Genossenschaft zur Aufnahme von Mitgliedern nur als "ultima ratio"
(GERWIG, aaO S. 233; vgl. auch SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N 529 zu Art. 1 OR,
welche die Kontrahierungspflicht als Ausnahme bezeichnen) in Betracht
fallen. Auch in Kartellsachen wird die zwangsweise Aufnahme in einen
Verband wohl nur dann verfügt werden, wenn die andern Ansprüche, die
einem Bewerber zur Verfügung stehen, nicht zum Ziele führen könnten (vgl.
SCHÜRMANN, Textausgabe des KG mit Erläuterungen, S. 103).

    Es besteht um so weniger Anlass, das streitige Rechtsbegehren zu
schützen, als die Klägerin nicht dargetan hat, sie werde durch die ihr
verschlossene Türe unbefugterweise in ihren persönlichen Verhältnissen
verletzt (Art. 28 Abs. 1 ZGB) oder widerrechtlich oder in einer gegen
die guten Sitten verstossenden Weise geschä digt (Art. 41 OR).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Aargau, 2. Zivilabteilung, vom 20. August 1971 bestätigt.

    Vgl. Nr. 27, 34. - Voir nos 27, 34.