Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 II 191



98 II 191

29. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Oktober 1972
i.S. AGIP (SUISSE) SA gegen E. Mainetti

AG Regeste

    Strassenbau auffremdem Boden, Gewährleistung.

    1.  Art. 55 Abs. 1 lit. c OG, Art. 674 ZGB. Neue rechtliche Begründung
in der Berufungsschrift. Begriff des Überbaues im Sinne von Art.
674 ZGB. Anwendung des Begriffes auf eine Strasse (Erw. 2).

    2.  Art. 973 ZGB, Art. 192 Abs. 1 und 194 Abs. 1 OR. Der gutgläubige
Käufer eines Grundstückes braucht sich ein zwischen seinen Rechtsvorgängern
vereinbartes, im Grundbuch aber nicht eingetragenes Wegrecht nicht
entgegenhalten zu lassen, kann folglich vom Richter nicht verlangen,
gegen die Gefahr der Entwehrung geschützt zu werden (Erw. 3).

    3.  Art. 197 und 201 OR. Anlegung einer Strasse als körperlicher
Mangel eines Baugrundstückes. Prüfungs- und Rügepflicht des Käufers,
der sich auf den Grundbuchplan verlässt (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Sigrist & Grüebler AG besass an der Fürstenlandstrasse in
St. Gallen Bauland, das insbesondere die aneinander grenzenden Parzellen
Nr. 3349 und 3322 umfasste. Am 6. Januar 1964 verkaufte sie die Parzelle
Nr. 3349 der E. Mainetti AG Da zur Parzelle Nr. 3322 keine Zufahrt
bestand, vereinbarten die Parteien in Ziff. 5 des Vertrages, die 5.20 m
breite Moosstrasse über die Parzelle 3349 in östlicher Richtung um etwa
80 m zu verlängern. Die Verkäuferin sollte dieses Strassenstück samt
Kehrplatz und Kanalisation im Frühjahr 1964 auf ihre Kosten erstellen,
und die Käuferin verpflichtete sich, das dafür nötige Land unentgeltlich
abzutreten. Das vereinbarte Wegrecht wurde im Grundbuch nicht eingetragen.

    Die E. Mainetti AG liess das gekaufte Grundstück in zwei Parzellen
unterteilen. Die östliche davon, bestehend aus 1560 m2, verkaufte sie
am 13. Februar 1968 als (neue) Parzelle Nr. 3349 zum Preise von Fr.
260'000.-- an die AGIP (SUISSE) SA Die mit der Sigrist & Grüebler AG
vereinbarte Verlängerung der Moosstrasse war damals im Rohbau erstellt. Ein
Teilstück von rund 115 m2 (32 m x 3,60 m) entfiel auf die Restparzelle
Nr. 3349, die an ihrer Südgrenze von der neuen Strasse angeschnitten
wurde. Die Mainetti AG gab der AGIP SA von ihrer Verpflichtung, die
sie gemäss Ziff. 5 der Vertrages mit der Sigrist & Grüebler AG einging,
nicht Kenntnis, noch machte sie die Käuferin auf den Verlauf der Strasse
aufmerksam.

    Die AGIP SA will davon erst am 19. März 1968, als ihr Vertreter
das Grundstück zusammen mit einem Architekten besichtigte, Kenntnis
erhalten haben. Drei Tage später teilte sie der Verkäuferin mit, dass sie
"ungeachtet der über das Grundstück führenden Privatstrasse die gesamte
Parzelle beanspruchen" werde. Später entschloss sie sich, die durch die
Verlängerung der Moostrasse entstandene Eigentumsbeschränkung hinzunehmen,
musste aber ein schon vor dem Kauf in ihrem Auftrag durch die Grünegg AG
verfasstes und am 24. Januar 1968 von der Behörde genehmigtes Bauprojekt
für eine Tankstelle abändern, was ihr sehr geschadet haben soll.

    B.- Im April 1969 klagte die AGIP SA gegen die Mainetti AG auf Zahlung
von Fr. 125'000.-- Schadenersatz nebst Zins. Im Verfahren setzte sie ihre
Forderung auf Fr. 104'000.-- herab.

    Durch Vorentscheid vom 27. Mai 1971 stellte das Bezirksgericht
St. Gallen fest, dass die Beklagte für den der Klägerin erwachsenen
Schaden grundsätzlich haftbar sei.

    Die Beklagte appellierte an das Kantonsgericht St. Gallen, das die
Klage am 27. Januar 1972 abwies.

    C.- Die Klägerin beantragt dem Bundesgericht auf dem Wege der Berufung,
dieses Urteil aufzuheben, die grundsätzliche Haftung der Beklagten, sei
es aus teilweiser Entwehrung oder aus Sachgewährleistung, zu bejahen und
die Sache zur Abklärung des Schadens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie
macht geltend, das Kantonsgericht habe Art. 2 und 674 ZGB sowie Art. 192
ff. und 197 ff. OR verletzt.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Die Klägerin wirft dem Kantonsgericht in erster Linie eine
Verletzung von Art. 674 ZGB vor. Dabei macht sie erstmals geltend, soweit
die verlängerte Moosstrasse über ihr Grundstück führe, handle es sich um
einen Überbau im Sinne von Art. 674 ZGB. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung
sei sie aber verpflichtet, dem Ueberbauenden das dingliche Recht auf
den Ueberbau zu gewähren oder ihm das Eigentum am Boden abzutreten. Dass
sie den dinglichen Anspruch des Überbauenden freiwillig anerkannt habe,
schade ihr daher nicht.

    Diese Vorbringen sind entgegen den Einwänden der Beklagten nicht
unzulässig im Sinne von Art. 55 Abs. 1 lit. c OG. Es geht nicht um
neue Tatsachen, sondern um eine neue rechtliche Begründung, die das
Bundesgericht für den Fall, dass sie zutrifft, selbst dann bei der
Rechtsanwendung berücksichtigen dürfte, wenn die Klägerin sich nicht
ausdrücklich auf Art. 674 ZGB berufen würde (Art. 63 Abs. 1 Satz 2 OG). Es
ist unbestritten, dass die verlängerte Moosstrasse nach dem Willen der
seinerzeit beteiligten Grundeigentümer zum Teil über die Parzelle Nr. 3349
führt, die dingliche Belastung im Grundbuch aber nicht eingetragen worden
ist. Es kommt daher bei der Frage nach einem allfälligen Überbau nicht
darauf an, wer seit Einreichung der Klage Eigentümer der neuen Strasse
oder der südlich davon liegenden Parzellen geworden ist und wem gestützt
auf Art. 674 Abs. 3 ZGB nun entweder das dingliche Recht auf denÜberbau
oder das Eigentum am Boden zuzuweisen wäre. Unerheblich ist ferner,
dass die Firma Sigrist & Grüebler AG die Parzelle Nr. 3322 ebenfalls
veräussert hat und die Erwerber sie, wie aus den Akten erhellt, mit
Mehrfamilienhäusern überbaut haben.

    Die Auffassung der Klägerin ist jedoch aus anderen Gründen
unbehelflich. Art. 674 ZGB regelt nach seinem Randtitel und Wortlaut
die dinglichen Rechtsverhältnisse an Bauten und andern Vorrichtungen,
die von einem Grundstück auf ein anderes überragen. Unter Bauten und
andern Vorrichtungen im Sinne dieser Bestimmung sind nach dem Schrifttum
nicht bloss Gebäude, gebäudeähnliche Bauwerke und deren Bestandteile
(z.B. Treppen, Erker, Dachvorsprünge, Scheidemauern, Keller), sondern auch
ober- oder unterirdische Werke wie Brunnen, Schleusen, Dämme, eingemauerte
Gruben, Leitungen, Brennstoffbehälter und dergleichen zu verstehen. Der
Begriff der Bauten und andern Vorrichtungen ist jedoch enger als der
Werkbegriff des Art. 58 OR; er umfasst insbesondere keine Anlagen, die
sich in einer blossen Umgestaltung des Bodens erschöpfen (HAAB, N. 14
zu Art. 667 und N. 1 zu Art. 674 ZGB; MEIER-HAYOZ, N. 6 und 8 zu Art.
674 ZGB). Dies aber trifft auf Strassen überall dort zu, wo der Boden für
den Verkehr beansprucht wird, gleichviel wie die Strassenfläche baulich
beschaffen ist. Das Material, das für den Strassenkörper verwendet wird
(Schotter, Belag usw.), gehört nach dem Akzessionsprinzip des Art. 667
ZGB dem Grundeigentümer. Anders verhält es sich bei Strassenteilen,
die aus Kunstbauten wie Brücken, Wendeplatten, Lehnenviadukten und
dergleichen bestehen. In BGE 95 II 7 ff. wurde die gemauerte Wendeplatte
eines Weges denn auch als Baute behandelt, die Anlage eines gewöhnlichen
Weges dagegen nicht.

    Die Klägerin irrt deshalb, wenn sie meint, die Sigrist & Grüebler AG
oder deren Rechtsnachfolger dürften sich auf Art. 674 ZGB berufen. Sie
können sich einzig auf das in Ziff. 5 des Kaufvertrages vom 6. Januar 1964
miteinander vereinbarte Wegrecht stützen, das seinem Inhalt nach eine
Dienstbarkeit enthält, aber nicht als solche im Grundbuch eingetragen
worden ist. Beim Verkauf des Grundstücks Nr. 3349 wurde der Klägerin die
von der Beklagten eingegangene Verpflichtung, das für den Strassenbau
nötige Land unentgeltlich abzutreten, nicht überbunden. Sie war auch nicht
sonstwie aus dem Grundbuch ersichtlich. Im Kaufvertrag vom 13. Februar
1968, der sich auf den Grundbuchauszug stützte, war vielmehr von 1560 m2
Boden und Grenzen laut Grundbuchplan Nr. 29 die Rede. Die Klägerin brauchte
daher die Strasse nicht zu dulden; mit der Eigentumsfreiheitsklage hätte
sie vielmehr deren Beseitigung verlangen können. Ob die Nachbarn diesfalls
ein Notwegrecht gemäss Art. 694 ZGB hätten beanspruchen dürfen oder ob
dem Gemeinwesen das Enteignungsrecht zugestanden hätte, beides gegen
Entschädigung, ist hier nicht zu prüfen.

Erwägung 3

    3.- Bei dieser Rechtslage kann die Klägerin auch aus Art. 192 Abs. 1
OR nichts für sich ableiten. Sie durfte das Grundstück ohne Rücksicht auf
die Strasse überbauen, und die Sigrist & Grüebler AG konnte sie daran weder
hindern noch ihr die Parzelle ganz oder teilweise entziehen. Die Klägerin
meint freilich, sie habe den Anspruch auf Eintragung eines dinglichen
Rechtes der Drittansprecher jedenfalls in guten Treuen anerkennen
dürfen. Die Beklagte handle entgegen der Annahme des Kantonsgerichts
rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 2 ZGB, wenn sie das bestreite.

    Nach Art. 194 Abs. 1 OR besteht die Pflicht zur Gewährleistung auch
dann, wenn der Käufer, ohne es zur richterlichen Entscheidung kommen zu
lassen, das Recht des Dritten in guten Treuen anerkannt oder sich einem
Schiedsgericht unterworfen hat, sofern dieses dem Verkäufer rechtzeitig
angedroht und ihm die Führung des Prozesses erfolglos angeboten worden
war. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Dass Dritte den
Anspruch der Klägerin, das Grundstück gemäss der ihr am 24. Januar
1968 erteilten Bewilligung zu überbauen, bestritten haben, ist dem
angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Ebensowenig steht fest,
dass sie ein obligatorisches oder dingliches Recht auf den von der
Strasse beanspruchten Teil der Parzelle Nr. 3349 gerichtlich geltend
gemacht haben; die Sigrist & Grüebler AG war dazu übrigens nicht mehr
befugt, da sie die südlich der Strasse gelegenen Parzellen inzwischen
ebenfalls veräussert hatte. Aus den Klagebeilagen erhellt im Gegenteil,
dass die Klägerin sich zunächst nicht nur der Beklagten, sondern auch
der Sigrist & Grüebler AG gegenüber richtigerweise auf den Standpunkt
stellte, sie habe das Grundstück ohne die Belastung mit einem Wegrecht
gutgläubig erworben und müsse deshalb gemäss Art. 973 ZGB in diesem Erwerb
geschützt werden. Erst am 10. Mai 1968 schrieb sie der Beklagten, so wie
die Dinge lägen, könne sie die erstellte Strasse nicht einfach übersehen
und das Grundstück gemäss dem bewilligten Projekt überbauen. Sie wich von
ihrer zutreffenden Rechtsauffassung jedoch ab, ohne dass die Eigentümer
der südlich der Strasse gelegenen Parzellen ihr Anlass gegeben hätten,
das vermeintliche Recht Dritter anzuerkennen (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER,
N. 2 zu Art. 194 OR). Die Berufung auf Art. 194 Abs. 1 OR geht daher fehl.

    Die Klägerin kann der Beklagten auch nicht Rechtmissbrauch
vorwerfen. Der Vorwurf wäre begründet, wenn die Beklagte ihre Haftung
grundsätzlich anerkannt und damit die Klägerin abgehalten hätte, das
Grundstück gemäss dem bereits bewilligten Projekt zu überbauen. Der
Widerstand der Beklagten erschöpfte sich indes darin, über die Streitfrage,
ob das bewilligte Projekt unbekümmert um das zwischen den frühern
Grundeigentümern vereinbarte Wegrecht ausgeführt werden durfte, eine
andere Rechtsauffassung zu vertreten als die Klägerin. Darin liegt kein
Rechtsmissbrauch. Ebensowenig verstösst gegen die gute Treue, dass die
Beklagte im Verfahren ihre Rechtsauffassung geändert und den Standpunkt
eingenommen hat, die Klägerin hätte sich über das Wegrecht hinwegsetzen
dürfen. Stossend daran ist bloss, dass die Beklagte diesfalls den aus
dem Wegrecht Berechtigten gehaftet hätte, weil sie ihre obligatorische
Verpflichtung, das nötige Land unentgeltlich abzutreten, nicht der Klägerin
überbunden hat.

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 197 OR haftet der Verkäufer sowohl für die
zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht
körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre
Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder erheblich
mindern. Das Bezirksgericht nahm an, die Parzelle Nr. 3349 sei durch die
Strasse in ihrem Wert vermindert worden, wofür die Beklagte hafte. Das
Kantonsgericht nimmt dazu nicht Stellung, sondern übergeht die Frage,
weil es der Auffassung ist, die Klägerin sei der ihr nach Art. 201
obliegenden Prüfungs- und Anzeigepflicht nicht rechtzeitig nachgekommen,
weshalb die Kaufsache als genehmigt zu gelten habe und die Haftung der
Beklagten entfalle.

    Die Klägerin hat das Grundstück erworben, ohne zu wissen, dass etwa
115 m2 davon für die Verlängerung der Moosstrasse beansprucht wurden.
Dieser Umstand erwies sich als körperlicher Mangel, für den die Beklagte
einzustehen hat; denn es leuchtet ein, dass das Strassenareal für die
Klägerin nicht bloss wertlos war, sondern die Ausnützungsziffer verminderte
und ein neues Projekt erforderte. Freilich hätte die Klägerin die Strasse
nicht beachten müssen. Das wäre indes, wie ihr der Anwalt der Beklagten
eindrücklich vorgehalten hat, wirtschaftlich unsinnig und - wenn rechtlich
auch nicht unmöglich - so doch mit unabsehbaren Schwierigkeiten verbunden
gewesen. Die am Wegrecht interessierten Grundeigentümer hätten vorläufige
Massnahmen im Befehlsverfahren (Art. 389 ff. ZPO) erwirken und damit
das Bauvorhaben der Klägerin erheblich verzögern können. Auch bei einem
Enteignungsverfahren hätte sie mit einer Bausperre und einer Änderung
des Projektes rechnen müssen. Angesichts solcher Schwierigkeiten war
der Klägerin nicht zuzumuten, an ihrer Rechtsauffassung festzuhalten und
zu versuchen, die bewilligte Überbauung ohne Rücksicht auf die Strasse
durchzusetzen. Ihr Entschluss, den drohenden Schwierigkeiten auszuweichen
und sich aus nachbarlichem Entgegenkommen mit der Strasse abzufinden,
kann ihr daher nicht schaden. Es steht der Beklagten nicht an, diesen
Entschluss hinterher zu kritisieren, hat sie durch ihr Verhalten doch
dazu beigetragen, dass die Klägerin in Bedrängnis geriet und so oder
anders mit wirtschaftlichen Nachteilen rechnen musste.

    Dem Kantonsgericht kann auch darin nicht gefolgt werden, dass die
Klägerin ihre Untersuchungs- und Rügepflicht versäumt habe. Die Klägerin
kaufte ein Grundstück, das nach dem Vertrag 1560 m2 Boden umfasste und für
dessen Grenzen auf den Grundbuchplan Nr. 29 verwiesen wurde. Das Grundbuch
ist ein öffentliches Register, in dem alle dinglichen Rechtsverhältnisse an
buchungspflichtigen Grundstücken in umfassender Weise aufgezeichnet sind.
Gegenstand des öffentlichen Glaubens bilden auch die Pläne mit den darin
angegebenen Grundstückgrenzen (BGE 44 II 467); sie sind wesentliche
Bestandteile des Grundbuchs (HAAB, N. 10 zu Art. 668/69; HOMBERGER,
N. 5 zu Art. 950 und 973 ZGB). Nach dem Grundbuchplan Nr. 29, wovon
die Klägerin bereits seit Einreichung des Baugesuches im September
1967 eine Kopie besass, hörte die Moosstrasse aber an der Westgrenze
der ursprünglichen Parzelle Nr. 3349 auf; die Verlängerung war daraus
nicht ersichtlich. Die Grünegg AG stellte bei der Ausarbeitung des
"Vorprojektes" denn auch auf diesen Plan ab und legte eine Kopie
davon dem Baugesuch bei. Die Kopie des Planes und das "Vorprojekt"
wurden übrigens von E. Mainetti, dem zuständigen Organ der Beklagten,
mitunterzeichnet. Umsoweniger geht es an, der Klägerin daraus, dass sie
sich beim Kauf auf den Grundbuchplan verliess und von einer Besichtigung
des Grundstücks absah, einen Vorwurf zu machen. Dass der Verlauf der im
Rohbau ausgeführten Strasse damals im Gelände ohne weiteres erkennbar
war, wie das Kantonsgericht feststellt, hilft darüber nicht hinweg. Die
Klägerin hatte keinen Anlass, den Grundbuchplan anzuzweifeln, war folglich
auch nicht verpflichtet, die Vermarkung und Vermessung des Grundstückes
überprüfen zu lassen. Nachdem sie am 19. März 1968 bei einer Begehung der
Parzelle den Mangel festgestellt hatte, rügte sie ihn aber mit Schreiben
vom 22. März 1968 an die Beklagte, also rechtzeitig.

    Das Urteil des Kantonsgerichts, das die Haftung der Beklagten gemäss
Art. 197 Abs. 1 OR zu Unrecht verneint hat, ist daher aufzuheben und die
Sache zur Abklärung des Schadens und neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob der Beklagten
"culpa in contrahendo" vorzuwerfen und ihre Haftung auch deswegen zu
bejahen wäre.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichtes
St. Gallen vom 27. Januar 1972 aufgehoben und die Sache im Sinne der
Erwägungen zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.