Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 II 168



98 II 168

26. Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. November 1972 i.S. Müller.
Regeste

    Berufung an das Bundesgericht. Begriff der Zivilrechtsstreitigkeit
(Art. 44/46 OG). Notwendigkeit eines Verfahrens zwischen zwei Parteien
(Erw. 1).

    Sachliche Zuständigkeit zur Festsetzung der Unterhaltsbeiträge,
welche die Eltern für die ihnen nach Art. 284 oder 285 ZGB weggenommenen
Kinder zu leisten haben. Voraussetzungen, unter denen die Kantone diese
Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde (z.B. den nach Bundesrecht diese
Zuständigkeit nicht besitzenden vormundschaftlichen Behörden) übertragen
können. Folgen der sachlichen Unzuständigkeit (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Ein vom Kantonsgericht St. Gallen am 10. Juli 1968 bestätigtes
Strafurteil des Bezirksgerichtes Wil vom 31. Januar/13. Juli 1967 entzog
Gotthilf Müller gemäss Art. 53 Abs. 1 StGB die elterliche Gewalt über die
aus seiner Ehe mit Louise geb. Nürnberg hervorgegangenen Kinder Louise und
Adelheid, geb. 1955 bzw. 1958. Am 28. September 1970 entzog das Bezirksamt
Wil der vom Waisenamt Zuzwil am 21. September 1970 wegen Geisteskrankheit
entmündigten Frau Louise Müller-Nürnberg die elterliche Gewalt über die
beiden Kinder. Mit Urteil vom 7. Mai 1971 schied das Bezirksgericht Wil die
Ehe Müller-Nürnberg gemäss Art. 141 ZGB. Über die Zuteilung der Kinder,
das Besuchsrecht der Eltern und deren Unterhaltsverpflichtungen gegenüber
den Kindern traf es mit Rücksicht auf den bereits früher erfolgten Entzug
der elterlichen Gewalt keine Anordnungen. Es nahm an, es sei Sache des
Waisenamtes, das Besuchsrecht des Vaters und dessen Unterhaltsleistungen
für die (bei Dritten untergebrachten) Kinder zu ordnen, und erwähnte,
der Vater habe sich vor Schranken bereit erklärt, weiterhin monatlich
Fr. 150.-- für jedes Kind zu zahlen. Am 1. November 1971 beschloss das
Waisenamt Zuzwil, Gotthilf Müller werde zu diesen Zahlungen verpflichtet.

    B.- Am 29. März 1972 schrieb das Waisenamt Zuzwil dem Gotthilf Müller,
das Kostgeld für das jüngere Kind müsse wegen der Teuerung erhöht werden,
wogegen das Kostgeld für das ältere Kind ermässigt werden könne; deshalb
werde beschlossen:

    "1. Die Unterhaltsbeiträge des Herrn Gotthilf Müller ... werden
rückwirkend auf 1. Januar 1972 wie folgt der Teuerung angepasst:

    a) Fr. 80.- monatlicher Beitrag für Tochter Louise, 1955, zahlbar
vierteljährlich an den Vormund, Herrn Otto Zimmermann, ...

    b) Fr. 180.-- monatlicher Beitrag für Tochter Heidi, 1958, plus

    Fr. 35.- monatliche Kinderzulage =

    Fr. 215.-- monatlich, vorauszahlbar jeweils monatlich an Herrn
Amtsvormund Ammann, ...

    Per Ende März 1972 sind von Ihnen geschuldet:

    Fr. 240.-- an Herrn Otto Zimmermann, ...

    Fr. 645.-- an Herrn Amtsvormund Ammann, ... plus

    Fr. 215.-- vorauszahlbarer Betrag pro April 1972,

    Fr. 860.-- total.

    Wir hoffen, Herr Müller, dass Sie Ihren Verpflichtungen gegenüber
Ihren Kindern nachkommen und die bereits aufgelaufenen Alimente möglichst
bald abzahlen. Wir, wie auch die Vormünder, sind nicht erpicht, immer
nur den Rechtsweg beschreiten zu müssen, und appellieren daher an Sie,
Ihre Pflichten zu erfüllen, wie es sich gehört.

    2. Gegen diesen Beschluss des Waisenamtes Zuzwil steht Ihnen
gemäss Art. 420 Abs. 2 ZGB innert 10 Tagen das Beschwerderecht an das
Justizdepartement des Kantons St. Gallen in St. Gallen zu."

    C.- Am 7. April 1972 schrieb Gotthilf Müller dem Justizdepartement des
Kantons St. Gallen, er müsse "wegen der Gemeinde Zuzwil auf das Schreiben
vom 29. März 1972 ... sowie zurück auf 1966" Beschwerde einreichen. Auf
das Schreiben des Waisenamtes Zuzwil vom 29. März 1972 ging er indessen in
seiner Beschwerdeschrift nicht ein. Später erklärte er dem Sachbearbeiter
telephonisch, er bezahle nicht, weil seine Kinder bevormundet seien und er
zu ihrer Unterbringung, Pflege und Schulung nichts zu sagen habe. Die ihm
gebotene Gelegenheit zu einer Besprechung mit dem Sachbearbeiter benützte
er nicht.

    Das Justizdepartment beschaffte sich u.a. einen Ausweis über den
Lohn Müllers.

    Auf Antrag dieses Departements wies der Regierungsrat des Kantons St.
Gallen die Beschwerde Müllers am 8. August 1972 ab und teilte Müller mit,
gegen diesen (am 16./17. August 1972 zugestellten) Entscheid sei die
Berufung an das Bundesgericht zulässig.

    D.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates hat Müller am 13. September
1972 die Berufung an das Bundesgericht erklärt. In seiner Berufungsschrift
führt er aus, er verdiene durchschnittlich rund Fr. 1100.-- bis Fr. 1200.--
pro Monat und brauche für seinen Lebensunterhalt monatlich Fr. 1070.--,
so dass für ihn Alimente von rund Fr. 100.-- tragbar wären.

    Der Regierungsrat beantragt in seinen Gegenbemerkungen die Abweisung
der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 44 und 46 des Bundesgesetzes über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) ist die Berufung an das
Bundesgericht abgesehen von den Fällen der Art. 44 lit. a-c und 45 lit. b
OG, von denen hier keiner gegeben ist, nur in Zivilrechtsstreitigkeiten
zulässig. Hierunter versteht die Rechtsprechung ein kontradiktorisches
Verfahren zwischen zwei oder mehrern natürlichen oder juristischen
Personen in ihrer Eigenschaft als Trägerinnen privater Rechte oder
zwischen einer solchen Person und einer nach Bundesrecht die Stellung
einer Partei besitzenden Behörde, das sich vor dem Richter oder einer
andern Spruchbehörde abspielt und auf die endgültige, dauernde Regelung
zivilrechtlicher Verhältnisse durch behördlichen Entscheid abzielt
(vgl. namentlich BGE 78 II 180 f., 81 II 83, 182 und 251 f. Erw. 2,
95 II 377 mit Hinweisen, 97 II 13/14, 98 II 149).

    Mit einem solchen Verfahren hat man es im vorliegenden Falle
schon deshalb nicht zu tun, weil dem Berufungskläger im kantonalen
Verfahren weder eine andere Privatperson noch eine Behörde, der nach
Bundesrecht Parteistellung zukäme, als Partei gegenüberstand. Die durch
ihre Vormünder vertretenen Kinder, deren Unterhaltsansprüche gegenüber
dem Berufungskläger in Frage stehen, sind nicht als Kläger aufgetreten,
und die Vormundschaftsbehörde, welche die Unterhaltsansprüche der ihren
Eltern weggenommenen Kinder aus eigenem Recht hätte einklagen können
(HEGNAUER, N. 188 zu Art. 272, N. 77 zu Art. 284 und N. 6 zu Art. 289
ZGB), hat ebenfalls nicht geklagt, sondern die Unterhaltsbeiträge, die
der Berufungskläger nach ihrer Auffassung zahlen sollte, gleich selbst
festgesetzt. Auch am Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsrat waren weder
die Kinder noch die Vormundschafsbehörde als Parteien beteiligt. Auf
die Berufung gegen den Entscheid des Regierungsrates kann daher nicht
eingetreten werden, weil das Verfahren, in welchem dieser Entscheid
ergangen ist, keine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 44/46
OG darstellt.

    Liegt schon mangels eines Verfahrens zwischen zwei (oder mehrern)
Parteien keine Zivilrechtsstreitigkeit vor, so kann dahingestellt
bleiben, ob das in BGE 78 II 180 und zahlreichen weitern Entscheiden
aufgestellte Erfordernis eines "kontradiktorischen" Verfahrens neben
dem Erfordernis eines Zweiparteien- (oder Mehrparteien-) Verfahrens
selbständige Bedeutung habe oder ob mit der Wendung, es müsse sich um
ein kontradiktorisches Verfahren zwischen zwei oder mehreren Personen
als Trägerinnen privater Rechte oder zwischen einer solchen Person und
einer Behörde mit Parteistellung handeln, einfach ein Prozess zwischen
zwei oder mehrern solchen Parteien verlangt wird (vgl. hiezu BGE 93 II
437 Erw. 1, wo die Zivilrechtsstreitigkeit als ein auf die endgültige,
dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse durch behördlichen
Entscheid abzielendes "Zweiparteienverfahren" bezeichnet wird; GULDENER,
Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1958, S. 558, mit Hinweis auf
S. 38, wonach unter streitiger Gerichtsbarkeit "die Rechtsanwendung
durch die Gerichte im Zweiparteiensystem" zu verstehen ist und die
Bezeichnung dieser Gerichtsbarkeit als streitige sich daraus erklärt,
dass sich die beiden beteiligten Parteien in der Regel - aber, wie auf
S. 28 oben dargelegt, nicht immer - im Widerstreit befinden; WURZBURGER,
Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral,
1964, S. 19 No. 20, S. 21 No. 24 und S. 23 ff. No. 28, wonach eine
Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 44/46 OG vorliegt, wenn
sich vor dem Richter oder einer andern Spruchbehörde ein Verfahren
zwischen zwei Parteien zur Regelung der zwischen ihnen bestehenden
zivilrechtlichen Verhältnisse abspielt, gleichgültig, ob die Parteien
miteinander streiten oder nicht; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts,
1970, der auf S. 12 die streitige Gerichtsbarkeit als Entscheidung von
Streitigkeiten über Privatrechtsansprüche im Zweiparteiverfahren - mit
Kläger und Beklagtem - definiert und auf S. 191 das kontradiktorische
Verfahren mit dem Zweiparteiverfahren gleichsetzt, indem er schreibt,
eine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 44/46 OG liege vor, "wenn
ein kontradiktorisches Verfahren (Zweiparteiverfahren) durchgeführt wird,
das auf endgültige Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse abzielt").

    Es mag beigefügt werden, dass auf die Berufung Müllers auch
beim Vorliegen einer Zivilrechtsstreitigkeit nicht eingetreten werden
könnte. Der Berufungskläger hat nämlich im Verfahren vor dem Regierungsrat
(in welchem er Gelegenheit hatte, sich zur Sache zu äussern) nicht
geltend gemacht, die ihm vom Waisenamt auferlegten Unterhaltsbeiträge
seien zu hoch, sondern seine Pflicht zur Zahlung dieser Beiträge nur mit
der Begründung bestritten, er habe zur Unterbringung, Pflege und Schulung
der Kinder nichts zu sagen. In der vorliegenden Berufungsschrift hält
er diesen Einwand mit Recht nicht aufrecht, sondern beanstandet nur
die Höhe der vom Regierungsrat in Übereinstimmung mit dem Waisenamt auf
monatlich insgesamt Fr. 295.-- festgesetzten Beiträge. Dabei stützt er sich
ausschliesslich auf neue tatsächliche Behauptungen über seinen Verdienst
und seine Lebensbedürfnisse, die gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. c OG nicht
zu hören sind. Seine Berufung wäre daher, wenn sie nach Art. 44/46 OG
zugelassen werden könnte, mangels einer den gesetzlichen Anforderungen
genügenden Begründung unwirksam.

Erwägung 2

    2.- Das Nichteintreten auf die vorliegende Berufung bedeutet nicht ohne
weiteres, dass der angefochtene Entscheid zu Recht bestehe und vollstreckt
werden könne; denn es fragt sich, ob der Regierungsrat sachlich zuständig
war, ihn zu fällen.

    a) Die Kompetenzen, die dem Waisenamt und dem Regierungsrat in
ihrer Eigenschaft als Vormundschaftsbehörde bzw. vormundschaftliche
Aufsichtsbehörde nach Bundesrecht zustehen, erlaubten ihnen nicht, den
Berufungskläger zur Leistung der streitigen Beiträge zu verurteilen,
wie sie es getan haben. Weder die Vorschriften der Art. 283-288 ZGB über
das behördliche Einschreiten zum Schutze der Kinder noch Art. 289 ZGB,
wonach die Entziehung der elterlichen Gewalt die Unterhaltspflicht der
Eltern nicht aufhebt, noch andere Bestimmungen des Bundesrechts verleihen
den vormundschaftlichen Behörden die Befugnis, die Unterhaltsbeiträge
der Eltern für die ihnen weggenommenen Kinder autoritativ festzusetzen
(vgl. HEGNAUER, N. 165 zu Art. 272, N. 110 zu Art. 283 und N. 77 zu
Art. 284 ZGB).

    b) Für den Fall, dass die Wegnahme der Kinder durch ein Scheidungs-
oder Trennungsurteil angeordnet wird oder dass die Kinder den Eltern
schon vor der Scheidung oder Trennung ihrer Ehe auf Grund von Art. 284
oder 285 ZGB weggenommen worden sind, wie es für die Eheleute Müller
zutrifft, lässt sich die Auffassung vertreten, die Beiträge der Eltern
an den Unterhalt der Kinder seien entsprechend Art. 156 Abs. 2 ZGB
im Scheidungs- oder Trennungsurteil festzusetzen (so das Obergericht
des Kantons Zürich in dem von HEGNAUER in N. 187 zu Art. 283 zitierten
Entscheide vom 15. November 1940, ZR 1944 Nr. 160 = SJZ 1941/42 S. 117
Nr. 43); im Falle der - nach BGE 57 II 137 ff. und 77 II 108/109 vom
Richter zu respektierenden - Wegnahme der Kinder schon vor der Scheidung
oder Trennung gelte das wenigstens dann, wenn dieser Punkt nicht schon
vor der Scheidung oder Trennung behördlich geregelt wurde (so die Cour
de justice civile des Kantons Genf in einem Entscheid vom 15. Juni 1962,
Sem. jud. 1963 S. 482 ff.; abweichend ein Entscheid des Obergerichts des
Kantons Aargau vom 14. Mai 1961, zusammengefasst in Aarg. Gerichts-
und Verwaltungsentscheide 1961 S. 21 Nr. 4). Im übrigen besteht keine
Vorschrift des Bundesrechts, die sagen würde, wer die Unterhaltsbeiträge
der Eltern für die ihnen gemäss Art. 284 oder 285 ZGB weggenommenen Kinder
festzusetzen habe. Soweit nicht gemäss Art. 156 ZGB der Scheidungs- oder
Trennungsrichter diesen Entscheid zu treffen hat, haben daher nach Art. 52
des Schlusstitels des ZGB (SchlT) die Kantone die hiefür zuständige
Behörde zu bezeichnen, und es ist grundsätzlich auch ihre Sache, das
Verfahren zu ordnen (BECK, N. 4 zu Art. 52 SchlT, und HEGNAUER, N. 191
zu Art. 272 ZGB). Die Kantone können von ihrer Gesetzgebungskompetenz
in dem Sinne Gebrauch machen, dass sie die in Frage stehende Aufgabe den
vormundschaftlichen Behörden zuweisen. Dagegen dürfen sie in diesem Falle
nicht einfach das Verfahren anwendbar erklären, das die vormundschaftlichen
Behörden bei Erfüllung der ihnen nach Bundesrecht obliegenden, in den
Bereich der sog. nichtstreitigen Gerichtsbarkeit fallenden Aufgaben
befolgen. Vielmehr müssen die Kantone dem Umstand Rechnung tragen, dass
Gegenstand der zu treffenden Entscheidung ein privatrechtlicher Anspruch
auf Vermögensleistungen ist, der nach Bundesrecht, soweit nicht der im
Scheidungs- oder Trennungsprozess nach BGE 85 II 232 und 96 II 73 Erw. 2
von Amtes wegen anzuwendende Art. 156 Abs. 2 ZGB eingreift, durch eine
Klage des durch einen Vormund oder Beistand vertretenen Kindes oder der
Vormundschaftsbehörde gegen die Eltern (oder gegen den einen oder andern
Elternteil) geltend zu machen ist (HEGNAUER, N. 178 ff. zu Art. 272,
N. 77 zu Art. 284 ZGB; vgl. GULDENER, Bundesprivatrecht und kantonales
Zivilprozessrecht, ZSR 1961 II S. 1 ff., 25, wonach der Rechtsschutz,
den zu gewähren die eidgenössische Privatrechtsordnung die Kantone
verpflichtet, durch das Sachurteil gewährt wird, "das durch Klage zu
erwirken ist", und VOYAME, ebenda S. 67 ff., 135 f., wonach das Bundesrecht
den Gerichten verbietet, einen nicht eingeklagten bundesrechtlichen
Anspruch zu schützen). Das Verfahren muss also notwendigerweise ein
Verfahren zwischen zwei Parteien sein. Nur unter der Voraussetzung, dass
das Verfahren so ausgestaltet wird, dürfen die Kantone die Beurteilung
von Unterhaltsansprüchen einer Verwaltungsbehörde übertragen. (Das gleiche
gilt auch für Unterstützungsansprüche im Sinne von Art. 328/29 ZGB.)

    c) Im vorliegenden Falle haben die kantonalen Instanzen ihre Befugnis
zur Festsetzung der Unterhaltsbeiträge, die der Berufungskläger für seine
Kinder zu leisten hat, offenbar aus der ihnen als vormundschaftlichen
Behörden zustehenden Befugnis zur Ergreifung von Kinderschutzmassnahmen
im Sinne von Art. 283 ZGB abgeleitet (vgl. Art. 4 des st. gallischen
Einführungsgesetzes zum ZGB, wonach das Waisenamt u.a. für Vorkehrungen
betreffend Kinderschutz nach Art. 283 ZGB zuständig ist; vgl.
ferner den im Entscheid des Waisenamts enthaltenen Hinweis auf das
Recht zur Beschwerde nach Art. 420 Abs. 2 ZGB, d.h. zur Beschwerde an
die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde, die - vgl. HEGNAUER, N. 257
zu Art. 283 ZGB - gegen Entscheide der Vormundschaftsbehörde über
Kinderschutzmassnahmen erhoben werden kann). Dass im Sinne von HEGNAUER
(N. 192 zu Art. 272 ZGB) die Bestimmungen über die Beurteilung der
Verwandtenunterstützungspflicht sinngemäss angewendet worden seien,
ist schon angesichts des Hinweises auf Art. 420 Abs. 2 ZGB, aber auch
deshalb nicht anzunehmen, weil Art. 5 des st. gallischen EG zum ZGB
nicht das Waisenamt, sondern den Gemeinderat mit der Festsetzung der
Unterstützungsbeiträge der Verwandten nach Art. 329 Abs. 3 ZGB betraut. Die
in Art. 283 ZGB vorgesehene Befugnis der vormundschaftlichen Behörden zu
Vorkehrungen zum Schutze der Kinder, auf welche die kantonalen Behörden
sich stützen, schliesst, wie bereits dargelegt (lit. a hievor), die
Befugnis zur Festsetzung der Unterhaltsbeiträge der Eltern für die ihnen
weggenommenen Kinder nicht in sich. Auf das kantonale Recht kann sich die
Zuständigkeit der vormundschaftlichen Behörden zur Festsetzung dieser
Beiträge mangels einer den bundesrechtlichen Anforderungen genügenden
Regelung des Verfahrens nicht stützen. Das Waisenamt und der Regierungsrat
waren also sachlich nicht zuständig, den Berufungskläger zur Leistung von
Unterhaltsbeiträgen für seine Kinder zu verpflichten. Indem sie diese
Zuständigkeit für sich in Anspruch nahmen, haben sie bundesrechtliche
Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit der Behörden verletzt.

    d) Wegen dieser Rechtsverletzung hätte der angefochtene Entscheid
aufgehoben werden müssen, wenn er durch Nichtigkeitsbeschwerde im
Sinne von Art. 68 Abs. 1 lit. b OG angefochten worden wäre. Das
ist jedoch nicht geschehen. Die vorliegende Berufung kann nicht
in eine Nichtigkeitsbeschwerde umgedeutet werden, da darin nicht
einmal andeutungsweise geltend gemacht wird, es seien bundesrechtliche
Zuständigkeitsvorschriften verletzt worden. Das Bundesgericht ist daher
nicht in der Lage, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben. In einem
allfälligen Vollstreckungsverfahren hätte jedoch der Rechtsöffnungsrichter
zu prüfen, ob dieser Entscheid wegen sachlicher Unzuständigkeit
der vormundschaftlichen Behörden nichtig sei (vgl. hiezu IMBODEN,
Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, 3. Aufl. 1968, Nr. 326 S. 188
ff., bes. S. 189 Ziff. III a).

Erwägung 3

    3.- Da der Berufungskläger die Berufung auf Grund einer unrichtigen
Rechtsmittelbelehrung durch die Vorinstanz eingelegt hat, sind ihm für
das bundesgerichtliche Verfahren keine Kosten aufzuerlegen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten.