Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 II 15



98 II 15

4. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. März 1972 i.S. Stalder gegen
Mathis. Regeste

    Grundlagenirrtum.

    1.  Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 und 220 OR. Kauf von Bauland, das
nachträglich wegen Lawinengefahr mit einem Bauverbot belegt wird. Irrtum
über einen künftigen Sachverhalt? Rechte des Käufers. Gefahrtragung
(Erw. 1 und 2).

    2.  Art. 31 OR. Gewährleistung und Grundlagenirrtum.  Erheblichkeit der
Lawinengefahr. Entdeckung des Irrtums über die Gefahr. Missbräuchliche
Berufung auf den Irrtum verneint (Erw. 3).

    3.  Art. 975 Abs. 1 ZGB. Nach dieser Bestimmung kann auch klagen,
wer im Grundbuch zu Unrecht als Eigentümer eingetragen ist und an der
Beseitigung des Eintrages ein schutzwürdiges Interesse hat (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 16. März 1964 kaufte Frau
Stalder von Arnold Mathis südwestlich von Samedan, im Gebiete von Ariefa,
618 m2 Wiesland zu Fr. 40.- den m2. Sie wollte dort ein Ferienhaus
erstellen lassen. Die Parzelle wurde am 23. Juni 1964 als Nr. 1508 auf
den Namen der Käuferin im Grundbuch eingetragen. Vorher gehörte sie
zu einem Grundstück von 6500 m2, das Mathis 1962 als Bauland erworben
hatte. Mathis hatte sich damals bei der Gemeinde nach der Bebaubarkeit
des Landes erkundigt und dabei erfahren, dass nach einem Zonenplan, den
der Kreisförster Bisaz im November 1960 gestützt auf Erfahrungen erstellt
hatte, der grösste Teil des Grundstückes ausserhalb des im Januar 1951
von Lawinen erfassten Gebietes lag.

    Je eine Parzelle unmittelbar unterhalb derjenigen von Frau Stalder
verkaufte Mathis an Lilly Wirth und Julius Rüegger, die im Frühjahr 1964
bzw. 1965 die Baubewilligung erhielten und dann auf ihrem Grundstück ein
Ferienhaus errichten liessen. Ein weiteres Nachbargrundstück südwestlich
der Parzelle Nr. 1508 wurde ebenfalls überbaut.

    Im Frühjahr 1965 wandte Frau Stalder sich wegen des geplanten Baues
an die Gemeinde Samedan. Diese antwortete ihr am 3. Mai 1965, dass sie im
Falle eines Gesuches innert 2-3 Wochen mit einer Baubewilligung rechnen
könnte. Frau Stalder sah vom Gesuch jedoch noch ab.

    Im Herbst 1966 erstellte Kreisförster Bisaz im Auftrage der Gemeinde
einen Lawinenzonenplan, der für die Bewilligung von Baugesuchen massgebend
sein sollte. Nach diesem Plan erfasste die Zone, für welche Bisaz wegen
Lawinengefahr ein gänzliches Bauverbot vorschlug, auch die Parzellen der
Frau Stalder, der Lilly Wirth und des Julius Rüegger. Der Kreisförster
begründete seinen Vorschlag damit, dass die nächste Umgebung der 1951
von Lawinen erfassten Gebiete ebenfalls als gefährdet zu betrachten
sei. Frau Stalder erfuhr davon im Juni 1967 insbesondere durch Mathis,
der ihr empfahl, das Baugesuch sogleich einzureichen, was sie am 10. Juli
tat. Ihr Gesuch wurde am 11. August 1967 von der Gemeinde jedoch abgelehnt;
auf Beschwerde hin wurde es bis zum Entscheid über den Lawinenzonenplan,
gegen den Frau Stalder Einsprache erhob, zurückgestellt. Die Gemeinde und
auf Rekurs hin am 14. Juli 1969 auch der Kleine Rat des Kantons Graubünden
wiesen die Einsprache ab. Der Kleine Rat stützte sich vor allem auf ein
Gutachten des eidgenössischen Institutes für Schnee- und Lawinenforschung
Weissfluhjoch-Davos vom 12. September 1968. Über die Lawinengefahr im
Gebiet der Ariefa führte das Institut insbesondere aus, die Gefahrenzone
erscheine wegen der Seltenheit von Lawinengängen als weit gezogen;
gleichwohl sollte das Gebiet nicht zur Bebauung freigegeben werden, da
sonst die Gemeinde bei jedem grösseren Schneefall zu Sicherheitsmassnahmen
gezwungen wäre. Mit verstärkter Bauweise könnten nur Sachschäden verhütet
werden; der Verkehr von und zu den Häusern, auch der öffentliche, bliebe
ungeschützt.

    B.- Am 11. September 1969 teilte Frau Stalder dem Mathis mit, dass sie
den Kaufvertrag vom 16. März 1964 wegen Grundlagenirrtums für unverbindlich
halte und den Betrag von Fr. 25'560.-- zurückfordere. Mathis widersetzte
sich dem Begehren. Frau Stalder klagte daraufhin die Forderung nebst
Zins ein. Sie verlangte zudem, dass der Richter das Grundbuchamt Samedan
anweise, den Beklagten als Eigentümer der Parzelle Nr. 1508 einzutragen.

    Das Kantonsgericht von Graubünden wies die Klage am 15. Juli 1971
ab. Es nahm an, die Klägerin hätte wie ihre Nachbarn Wirth und Rüegger
bereits im Sommer 1964 oder 1965 bauen können, denn das Bauverbot sei
erst mehrere Jahre nach Abschluss des Vertrages erlassen worden. Gemäss
Art. 220 OR gehe die Gefahr aber mit der Übernahme des Grundstücks auf
den Käufer über. Die Klägerin müsse die Folgen des Verbotes deshalb
selber tragen, zumal der Beklagte sich im Jahre 1966 anerboten habe,
die Parzelle zurückzukaufen. Unter diesen Umständen könne sie sich nicht
auf Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR berufen.

    C.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil die Berufung erklärt. Sie
wiederholt ihre Klagebegehren, setzt die Forderung aber auf Fr. 25'060.45
herab und verlangt den Zins erst vom 15. September 1969 an. Sie macht
geltend, das angefochtene Urteil verkenne das Wesen des Grundlagenirrtums
sowie die gesetzliche Regelung über die Gefahrtragung beim Kauf.

    Der Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach dem angefochtenen Urteil hat die Klägerin die
streitige Parzelle als Bauland erworben. Der Beklagte, der in Chur ein
Architekturbüro und Baugeschäft betreibt, hat die Parzelle auch als solches
verkauft. Er gab sie schon in seiner Offerte vom 25. November 1963 als
Bauland aus und sicherte der Klägerin zu, dass das Grundstück vollständig
erschlossen sei. Einer Mitteilung der Brandversicherungsanstalt Graubünden
vom 17. Mai 1962 konnte er freilich entnehmen, dass das Grundstück in
einer Zone lag, die laut einem Plan der Anstalt vom 16. Dezember 1950 als
lawinengefährdet galt und von der Versicherung solange ausgeschlossen
werden sollte, bis Schutzbauten gegen Lawinen errichtet würden. Die
Gemeinde stellte bei der Erteilung von Baubewilligungen, wie der Beklagte
wusste, jedoch nicht auf diesen Plan ab. Der Beklagte war beim Abschluss
des Vertrages wie die Klägerin vielmehr überzeugt, dass die Liegenschaft
überbaut werden dürfe. Die Parteien waren noch 1966 dieser Meinung. Das
erhellt daraus, dass der Beklagte im Mai 1966 (umsonst) versuchte,
das veräusserte Bauland von der Klägerin zurückzukaufen, aber nicht um
sie vor Schaden zu bewahren, wie das Kantonsgericht anzunehmen scheint,
sondern um durch Zusammenlegen mehrerer Parzellen selber ein grösseres
Bauvorhaben zu verwirklichen.

    Die Annahme der Vertragsparteien, die Parzelle Nr. 1508 dürfe überbaut
werden, erwies sich jedoch als falsch, da die Behörden das Grundstück
nach Prüfung der Lawinengefahr durch Sachverständige dem gefährdeten
Gebiet zurechneten. Die irrige Vorstellung über die Bebaubarkeit war
beiden Parteien gemeinsam. Sie war Voraussetzung dafür, dass die Klägerin
sich für das Grundstück interessierte und der Beklagte es als Bauland
verkaufte. Die Parteien unterstellten somit einen Sachverhalt, der für
sie die Grundlage des Vertrages bildete und von der Klägerin nach Treu
und Glauben im Geschäftsverkehr auch als gegeben vorausgesetzt werden
durfte. Ein solcher Irrtum ist wesentlich im Sinne von Art. 24 Abs. 1
Ziff. 4 OR (BGE 84 II 519 und 97 II 46 mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- Das Bundesgericht hat es wiederholt abgelehnt, einen Irrtum über
einen künftigen Sachverhalt nach Art. 24 Ziff. 4 OR zu berücksichtigen
(vgl. insbesondere BGE 91 II 280 Erw. 3; ferner BGE 45 II 322, 47 II
315/6, 53 II 139, 66 I 312 Erw. 9).

    Unter gewissen Voraussetzungen hat es diese Möglichkeit in anderen
Urteilen dagegen bejaht (BGE 79 II 275, 95 II 409), was in der Lehre
kritisiert worden ist (MERZ, ZbJV 1967 S. 17, 1971 S. 127). Zu dieser
Kritik Stellung zu nehmen, erübrigt sich jedoch im vorliegenden Fall, denn
entgegen der Annahme des Kantonsgerichtes ist der Umstand, dessentwegen
der Klägerin die Baubewilligung verweigert wurde, nicht nach Abschluss
des Vertrages eingetreten. Richtig ist bloss, dass die streitige Parzelle
erst nach Vertragsabschluss in die Lawinenzone einbezogen und mit einem
Bauverbot belegt worden ist. Der Grund für den Einbezug und das Verbot,
nämlich die Lawinengefahr, bestand indes schon vorher. Wegen ihrer Lage im
Auslaufgebiet und Wirkungsbereich bekannter Lawinen musste die Parzelle bei
grösseren Schneefällen seit jeher als gefährdet gelten. Sie wurde nach den
bei den Akten liegenden Zonenplänen, die auf Erfahrungen beruhen, im Januar
1951 denn auch von Lawinen erfasst. Dass die Gemeinde 1967, nach Abgrenzung
der Lawinengebiete durch den Kreisförster, die Gefährdung für grösser
hielt als in den früheren Jahren und ihre Bauordnung der neuen Erkenntnis
anpasste, macht den Irrtum der Klägerin über die Bebaubarkeit der Parzelle
daher nicht zu einem solchen über einen künftigen Sachverhalt. In ihren
einleitenden Erwägungen ist die Vorinstanz übrigens nicht anderer Meinung,
sieht sie den Grund für die Verweigerung der Baubewilligung doch selber
darin, dass die Gemeinde die Lawinengefahr 1967 anders beurteilte als
früher. Auf die nachträgliche Anpassung des Zonenplanes an die Gefahr kann
umsoweniger etwas ankommen, als die Gemeinde schon nach Art. 48 Abs. 1
des bündnerischen Forstgesetzes (FG) vom 6. Oktober 1963 verpflichtet war,
den Bau von Wohnhäusern in lawinengefährdeten Gebieten zu verhindern.

    Daher geht die Vorinstanz auch mit der Annahme fehl, die Klägerin
hätte die Baubewilligung erhalten, wenn sie sich wie ihre Nachbarn
bereits 1964/65 dafür interessiert hätte. Das Kantonsgericht übersieht,
dass die Gemeinde die Baugesuche der Lilly Wirth und des Julius Rüegger
zu Unrecht bewilligte, da sich deren Parzellen nachträglich ebenfalls als
gefährdet erwiesen. Dass die Klägerin sich Zeit liess und das Baugesuch
erst 1967 einreichte, schadet ihr daher nicht. Entscheidend ist, dass
die Lawinengefahr im Gebiete der Ariefa schon vor Abschluss des Vertrages
bestand, aber erst zwischen 1966 und 1969, als Sachverständige sich dazu
äusserten, in ihrem ganzen Ausmass erkannt wurde. Die Sachverständigen
weisen mit Recht darauf hin, dass man früher selbst grossen Lawinen wenig
Beachtung schenkte, weil das Gebiet nicht überbaut war. Unter diesen
Umständen kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, sie hätte sich
schon vor dem Kauf über eine allfällige Gefahr Rechenschaft geben sollen,
zumal ihr das Grundstück von einem Fachmann des Baugewerbes als völlig
erschlossenes Bauland angeboten wurde. Dadurch unterscheidet sich der
vorliegende Fall denn auch von dem in BGE 95 II 407 veröffentlichten,
wo es um eine an sich überbaubare, aber noch nicht baureife Parzelle ging.

    Fehl geht die Vorinstanz ferner mit ihrem Hinweis auf Art. 220
OR. Die gesetzliche Vermutung über die Gefahrtragung gilt nur für den
Fall, dass die Kaufsache zwischen dem Vertragsabschluss und dem Übergang
zufällig untergeht oder an Wert verliert (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 1 und
5 zu Art. 185 OR; BECKER N. 1 und 3 zu Art 185 sowie N. 1 zu Art. 220
OR). Das Bauverbot der Gemeinde war keine Wertverminderung in diesem
Sinne, denn die streitige Parzelle war schon vor dem Vertragsabschluss
durch Lawinen gefährdet und deshalb nach Art. 48 Abs. 1 FG nicht bebaubar.

    Entgegen der Annahme des Kantonsgerichtes verwirkte die Klägerin ihr
Recht, sich auf Grundlagenirrtum zu berufen, auch nicht dadurch, dass
sie im Mai 1966 dem Wunsch des Beklagten, der die Parzelle zurückkaufen
wollte, nicht entsprach. Damals waren beide Parteien noch überzeugt, dass
die Parzelle überbaut werden könne. Daran zu zweifeln, hatte insbesondere
die Klägerin keinen Anlass. Die Absicht des Beklagten, das Grundstück zur
Verwirklichung eines grösseren Bauvorhabens wieder zu erwerben, musste
sie in ihrer Meinung, dass die Gemeinde die Baubewilligung erteilen werde,
vielmehr bestärken.

Erwägung 3

    3.- Der Beklagte macht unter Hinweis auf MERZ (Sachgewährleistung und
Irrtumsanfechtung, in Festschrift für Theo Guhl, S. 86) und VON BÜREN
(Schweiz. Obligationenrecht, S. 201) geltend, die Klägerin könne sich
nicht auf Grundlagenirrtum, sondern höchstens auf Gewährleistungsrecht
berufen; der Gewährleistungsanspruch sei aber schon vor Einleitung der
Klage verjährt. Das Bundesgericht hat die Berufung auf Gewährleistung
und Grundlagenirrtum indessen während Jahrzehnten so oft als zulässig
bezeichnet (s. insbes. BGE 82 II 420 Erw. 6 und 88 II 412 je mit
Zitaten), dass diese Lösung heute eine Norm des Gewohnheitsrechts
darstellt (OFTINGER, Bundesgerichtspraxis zum Allg. Teil des OR,
S. 103). Hervorzuheben ist bloss, dass das Gewährleistungsrecht
und die Irrtumsvorschriften nicht gleiche Tatbestände regeln und
Ansprüche gewähren, die auf verschiedenem Rechtsgrund beruhen und unter
verschiedenen Voraussetzungen entstehen, mag der Berechtigte mit den
beiden Rechtsbehelfen auch den gleichen Zweck verfolgen.

    Der Beklagte wendet ferner ein, die Lawinengefahr sei unerheblich,
der Irrtum über die Gefahr folglich unbeachtlich. Der Einwand scheitert
indes an den tatsächlichen Feststellungen des Kantonsgerichtes, das sich
der Auffassung des eidg. Institutes für Schnee- und Lawinenforschung
angeschlossen hat. Nach den Erhebungen des Institutes ist das Gebiet
der Ariefa von drei Lawinenzügen bedroht, wobei die Wirkungsbereiche
sich namentlich im Falle von Staublawinen teilweise überschneiden. Mit
verstärkter Bauweise könnten höchstens Sachschäden verhütet, nicht aber
Menschen auf den Zugängen zu den gefährdeten Grundstücken geschützt
werden. Dass Auslaufgebiete und Wirkungsbereiche von Lawinen schwierig
abzugrenzen sind, ist dem Institut nicht entgangen; es hat jedoch mit
Recht auf die Gefahr bei grösseren Schneefällen abgestellt, mögen solche
im obern Engadin auch selten sein.

    Nicht gefolgt werden kann dem Beklagten auch darin, dass die Klägerin
sich zu spät auf Irrtum berufen habe. Gewiss erfuhr sie bereits im Sommer
1967, dass ihr Baugesuch wegen Lawinengefahr abgelehnt werden könnte und
die Gemeinde dann wider ihr Erwarten auch so entschied. Wenn die Klägerin
daraufhin diesen Entscheid und den Lawinenzonenplan anfocht, bevor sie
sich auf Irrtum berief, so gereicht ihr das jedoch nicht zum Nachteil. Eine
nähere Abklärung der Lawinengefahr im Rechtsmittelverfahren lag nicht bloss
nahe, sondern auch im Interesse beider Vertragsparteien. Die Gefahrenzone
war zudem nur mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln. Dies ergibt
sich daraus, dass der Kleine Rat ein einlässliches Gutachten für notwendig
hielt. Erst als die Klägerin am 24. Juli 1969 von dessen Entscheid Kenntnis
erhielt, stand für sie zweifelsfrei fest, dass das Grundstück wegen
Lawinengefahr nicht für ein Ferienhaus taugte, mit einer Baubewilligung
folglich nicht mehr zu rechnen war. Den Vertrag schon vorher wegen Irrtums
unverbindlich zu erklären, konnte der Klägerin nicht zugemutet werden,
zumal sie sich nicht mit einer bedingten Anfechtung begnügen durfte und
im Falle einer Änderung des Planes zu ihren Gunsten die Erklärung nicht
hätte widerrufen können (BGE 72 II 403 Erw. 2). Lief die einjährige Frist
des Art. 31 OR aber erst vom 24. Juli 1969 an, so war die Erklärung der
Klägerin vom 11. September 1969, den Vertrag als unverbindlich behandeln
zu wollen, nicht verspätet.

    Dass die Berufung auf Grundlagenirrtum gegen Treu und Glauben
verstosse, lässt sich nicht sagen. Ein solcher Verstoss liegt insbesondere
nicht darin, dass die Klägerin sich erst nach dem Entscheid des Kleinen
Rates entschlossen hat, den Vertrag anzufechten. Indem sie den Vertrag in
seinem Bestand aufrechterhielt, bis das Ausmass der Lawinengefahr geklärt
war, handelte sie vielmehr nach Treu und Glauben. Wie es sich verhält,
wenn die Bebauung eines Grundstückes durch gesetzgeberische Massnahmen
(z.B. der Raumplanung), die nach Abschluss des Kaufvertrages in Kraft
treten, verunmöglicht wird, kann offen bleiben. Hier war die Bebaubarkeit
wegen der Gefährdung schon bei Vertragsabschluss nicht gegeben, weshalb
auf die nachträgliche Änderung des Zonenplanes nichts ankommt.

Erwägung 4

    4.- Die Unverbindlichkeit des Kaufvertrages hat zur Folge,
dass der Beklagte das Grundstück zurückzunehmen und der Klägerin den
bezahlten Kaufpreis zurückzuerstatten hat. Die Forderung der Klägerin
von Fr. 25'060.45 ist der Höhe nach nicht bestritten. Der Beklagte hat
sie ab 15. September 1969, als er von der Anfechtungserklärung und der
Forderung der Klägerin Kenntnis erhielt, mit 5% zu verzinsen.

    Das Begehren der Klägerin, die streitige Parzelle im Grundbuch
wieder auf den Namen des Beklagten einzutragen, ist der Sache nach eine
Berichtigungsklage im Sinne von Art. 975 ZGB, denn der Registereintrag vom
23. Juni 1964 erfolgte gestützt auf ein ungültiges Rechtsgeschäft. Nach
dieser Bestimmung ist zur Klage jedoch nur befugt, wer durch den Eintrag
in seinen dinglichen Rechten verletzt ist. Das ist bei der Klägerin nicht
der Fall. Gleichwohl rechtfertigt es sich, ihr Klagerecht zu bejahen;
sie ist im Grundbuch zu Unrecht als Eigentümerin eingetragen worden und
hat ein schutzwürdiges Interesse daran, den ungerechtfertigten Eintrag
beseitigen zu lassen (BGE 67 II 156). Die analoge Anwendung von Art. 975
ZGB auf Fälle wie den vorliegenden wird von der Lehre denn auch ohne
Bedenken befürwortet (HOMBERGER, N. 16 zu Art. 965 ZGB und dort angeführtes
Schrifttum; vgl. ferner ZR 22 Nr. 5, ZBGR 3 S. 101 f.).

    Der Beklagte hat das Begehren der Klägerin um Änderung des
Grundbucheintrages in der Berufungsverhandlung übrigens für den Fall,
dass die Klage aus Grundlagenirrtum geschützt werden sollte, ausdrücklich
anerkannt. Dem Begehren ist daher zu entsprechen, das Grundbuchamt Samedan
folglich anzuweisen, den Beklagten wieder als Eigentümer der Parzelle Nr.
1508 einzutragen. Eine Hinterlegung oder Sicherstellung des vom Beklagten
zu leistenden Betrages ist nicht anzuordnen, da die Klägerin die Änderung
des Grundbucheintrages nicht von solchen Bedingungen abhängig macht.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1.- Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichtes
Graubünden vom 15. Juli 1971 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, der
Klägerin Fr. 25'060.45 nebst 5% Zins seit 15. September 1969 zu bezahlen.

    2.- Das Grundbuchamt Samedan in St. Moritz wird angewiesen, den
Beklagten Arnold Mathis als Eigentümer der Parzelle Nr. 1508 in Samedan
einzutragen.