Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 III 24



98 III 24

4. Entscheid vom 24. Februar 1972 i.S. Gemeinde W. Regeste

    Art. 69 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG. Betreibungsurkunden, in denen die Person
des Gläubigers nicht klar und unzweideutig genannt ist, sind grundsätzlich
nichtig. Lässt hingegen die mangelhafte Gläubigerbezeichnung den handlungs-
und parteifähigen wirklichen Gläubiger ohne weiteres erkennen, ist die
Urkunde zu berichtigen und die Betreibung weiterzuführen. Dies gilt auch
bei rechtzeitiger Anfechtung der Urkunde durch den Schuldner.

Sachverhalt

    A.- Die Gemeindekanzlei W. leitete gegen B. mit Zahlungsbefehl Nr. 685
vom 30. November 1971 für eine Forderung von Fr. 23'440.-- nebst 5%
Zins seit dem 13. Oktober 1971 Betreibung auf Grundpfandverwertung
ein. Bei der Forderung handelte es sich um eine von B. geschuldete
Grundstückgewinnsteuer. Der Schuldner liess am 9. Dezember 1971
Rechtsvorschlag erheben. Am 10. Dezember 1971 reichte er bei der kantonalen
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs auch eine Beschwerde
ein mit dem Begehren, der genannte Zahlungsbefehl sei aufzuheben. Zur
Begründung machte er geltend, die im Zahlungsbefehl als Gläubigerin
genannte Gemeindekanzlei trete offensichtlich nur als Gläubigervertreterin
auf. Wer Gläubiger sei, könne dem Zahlungsbefehl nicht entnommen werden. Er
sei daher ungültig.

    B.- Die Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde mit Entscheid vom
8. Februar 1972 gut und hob den Zahlungsbefehl Nr. 685 des Betreibungsamtes
W. auf. Sie führte im wesentlichen aus, nach kantonalem Steuergesetz
erfolge der Bezug der Grundstückgewinnsteuer durch die Gemeinde, weshalb
im Zahlungsbefehl die Gemeinde W. als Gläubigerin hätte aufgeführt werden
sollen. Die versehentlich unrichtige Bezeichnung der Gläubigerschaft werde
zwar im vorliegenden Fall nicht zu Komplikationen führen. Doch wäre es
unrichtig, bei Betreibungen einer staatlichen Stelle einen weniger strengen
Massstab anzuwenden als bei solchen von Privatpersonen. Die Möglichkeit,
den Bevollmächtigten als Gläubiger aufzuführen, hätte unhaltbare Zustände
zur Folge. Werde die Beschwerde des Schuldners rechtzeitig erhoben,
so sei die begangene Ungenauigkeit von Anfang an zu berichtigen und der
Zahlungsbefehl aufzuheben.

    C.- Die Gemeinde W. hat am 17. Februar 1972 beim Bundesgericht Rekurs
eingereicht mit dem Antrag, den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde
vom 8. Februar 1972 aufzuheben.

    D.- Die kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs
beantragt die Abweisung des Rekurses.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Gemäss Art. 69 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG sind im Zahlungsbefehl Name
und Wohnort des Gläubigers aufzuführen. Eine Betreibung als Gläubiger
einleiten kann nur, wer partei- und handlungsfähig ist. Die Vorinstanz
hat mit Recht angenommen, dass diese Fähigkeit der im Zahlungsbefehl
Nr. 685 vom 30. November 1971 als Gläubigerin genannten Gemeindekanzlei
W. nicht zukommt. Fähig, in eigenem Namen zu betreiben, ist nur das
offensichtlich hinter der Gemeindekanzlei stehende Rechtssubjekt, nämlich
die Gemeinde W. selber. Der Zahlungsbefehl enthält somit eine mangelhafte
Gläubigerbezeichnung. Es stellt sich die Frage, ob dieser Mangel die
Nichtigkeit des Zahlungsbefehls zur Folge hat, so dass dieser von Amtes
wegen aufzuheben ist. Diese Rechtsfolge tritt normalerweise ein, wenn eine
Betreibungsurkunde den Gläubiger nicht klar und unzweideutig bezeichnet
(BGE 62 III 134 ff.). Lässt indessen die mangelhafte Gläubigerbezeichnung
den handlungs- und parteifähigen wirklichen Gläubiger ohne weiteres
erkennen, besteht kein Anlass zur Anordnung einer derart schwerwiegenden
Massnahme; denn der Schuldner wird unter diesen Umständen durch die
Aufrechterhaltung der Betreibung in seinen Interessen nicht geschädigt
(BGE 90 III 12 mit Verweisungen).

    Wie bereits erwähnt, ist im vorliegenden Fall ohne weiteres erkennbar,
dass die Gemeindekanzlei als Vertreterin der Gemeinde W. auftritt und die
Betreibung als solche der Gemeinde zu behandeln ist. Auch der Schuldner
konnte auf Grund der ihm zugestellten Veranlagungsmitteilung und Rechnung
für die Grundstückgewinnsteuer nicht darüber im Zweifel sein, dass die
gegen ihn angehobene Betreibung von der Gemeinde W. ausging bzw. in deren
Namen erhoben wurde, nachdem er den Steuerbetrag an diese hätte entrichten
müssen. Wenn die kantonale Aufsichtsbehörde ihrer Überzeugung Ausdruck
gibt, dass die versehentlich unrichtige Bezeichnung der Gläubigerschaft
hier nicht zu Komplikationen führen werde, so offensichtlich deshalb, weil
sie ebenfalls der Auffassung ist, dass die Gemeinde W. als Gläubigerin
zu betrachten sei. Der Zahlungsbefehl ist daher nicht von Amtes wegen
aufzuheben.

    Es stellt sich höchstens die Frage, ob ein solcher Mangel in der
Bezeichnung des Betreibungsgläubigers wenigstens bei rechtzeitiger
Anfechtung durch den Schuldner zur Aufhebung des Zahlungsbefehls führen
soll. Sofern aber über die Person des Gläubigers trotz der mangelhaften
Bezeichnung keine Zweifel bestehen können und sich auch der Schuldner
hierüber im klaren sein muss, rechtfertigt sich die Aufhebung selbst in
diesem Falle nicht (vgl. BGE 93 III 50 f.). Es genügt, den Zahlungsbefehl
dahin zu berichtigen, dass der wirkliche Gläubiger genannt wird (d.h. im
vorliegenden Fall anstelle der Gemeindekanzlei die Gemeinde W.).

    Entgegen der von KUMMER in ZBJV 1966 S. 16 f. an BGE 90 III
10 ff. geübten Kritik ist daran festzuhalten, dass die formellen
Anforderungen an die Parteibezeichnung im Betreibungsverfahren nicht
überspannt werden dürfen. Gläubiger und Schuldner sollen stets in
der Lage sein, ihr Recht ohne fremde Hilfe zu verfolgen (FRITZSCHE,
Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, S. 120, und SCHWARTZ, Die Bezeichnung
der Parteien in den Betreibungsurkunden, BlSchK 19, 1955, S. 1 ff.). Im
übrigen trifft die Kritik KUMMERS hier insofern nicht zu, als nicht
verschiedene Verwaltungszweige, die sich gleichsam als "partes pro toto"
aufzuspielen versuchten, in der Rolle des Gläubigers auftraten, sondern die
Gemeindekanzlei, welche die natürliche Vertreterin der Gemeinde darstellt.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der angefochtene
Entscheid aufgehoben, der Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. 685 des
Betreibungsamtes W. als gültig erklärt und das Betreibungsamt angewiesen
wird, im Zahlungsbefehl die Gemeinde W. als Gläubigerin zu bezeichnen.