Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 III 12



98 III 12

2. Bescheid vom 7. September 1972 an die Verwaltungskommission des
Obergerichts des Kantons Zürich. Regeste

    Lohnpfändung (Art. 93 SchKG); Höchstdauer. Künftiger Lohn kann in
einem bestimmten Betreibungsverfahren höchstens für ein Jahr seit dem
Pfändungsvollzug gepfändet werden (Bestätigung der Rechtsprechung). Im
Falle der Teilnahme mehrerer Gläubiger (Art. 110, 111 SchKG) läuft diese
Jahresfrist von der Pfändung an, welche die Teilnahmefristen in Gang
setzt (Preisgabe einer abweichenden Auffassung, die in Entscheiden aus
den Jahren 1894-1898 vertreten worden war).

Auszug aus den Erwägungen:

    Mit Schreiben vom 8. Mai 1972 ersuchen Sie uns, in der uns angemessen
erscheinenden Weise die Frage zu beantworten, wann die Jahresfrist,
für welche nach unserer Rechtsprechung die Pfändung künftigen Lohns
angeordnet werden darf, zu laufen beginnt, wenn innert der in Art. 110
und 111 SchKG festgesetzten Fristen von 30 bzw. 40 Tagen seit dem
Vollzug der Pfändung weitere Gläubiger das Pfändungsbegehren stellen
bzw. (vgl. BGE 85 III 170) die Anschlusserklärung im Sinne von Art. 111
SchKG abgeben. Sie bemerken, das Bundesgericht habe sich mit dieser -
im Gesetz nicht geregelten - Frage noch nie zu befassen gehabt, und
weisen darauf hin, dass nach Ihren Erkundigungen bei Betreibungsämtern
grösserer Ortschaften verschiedener Kantone die Praxis in diesem Punkte
nicht einheitlich ist. Während eines der von Ihnen angefragten Ämter in
Übereinstimmung mit JAEGER (Die Lohnpfändung, SJZ 32, 1935/36, S. 53 ff.,
55/56) und FRITZSCHE (Schuldbetreibung und Konkurs, Band I 1967, S. 255)
annimmt, die Jahresfrist laufe in einem solchen Falle vom Tage des letzten
Anschlusses an, und zwar auch dann, wenn dabei die pfändbare Lohnquote
nicht erhöht wird, sind andere Ämter und das Betreibungsinspektorat des
Kantons Zürich der Auffassung, die Lohnpfändung müsse auch im Falle der
Teilnahme weiterer Gläubiger auf ein Jahr von dem für die Berechnung der
Teilnahmefristen massgebenden Pfändungsvollzuge an beschränkt bleiben. Im
Hinblick auf die bestehende Meinungsverschiedenheit und die zunehmende
praktische Bedeutung der Lohnpfändung unterbreiten Sie uns die Anregung,
durch eine Weisung für eine einheitliche Praxis der kantonalen Instanzen
zu sorgen. Sie legen einlässlich die Gründe dar, die für und gegen die
eine und die andere Lösung vorgebracht werden, und schliessen sich der
vom Betreibungsinspektorat Ihres Kantons vertretenen Auffassung an.

    Die uns vorgelegte Frage wurde schon in den - vom Eidgenössischen Amt
für Schuldbetreibung nachträglich erweiterten - Motiven des Entscheides
vom 8. Mai 1894 behandelt, mit welchem der Bundesrat als damalige
Oberaufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs im Einklang mit
einem Entscheid des Zürcher Obergerichts vom 16. April 1892 (Archiv für
Schuldbetreibung und Konkurs I Nr. 27 S. 45 ff.) die Pfändung künftigen
Lohns zuliess, sie aber in Anlehnung an Art. 116 und 121 SchKG auf ein Jahr
beschränkte (Archiv III Nr. 56 S. 134 ff.). Im letzten Absatz dieser Motive
steht, die Lohnpfändung daure ein Jahr "von der Pfändung oder, wenn mehrere
Gläubiger daran teilnehmen, vom letzten Pfändungsbegehren hinweg". Dieser
Auffassung hat sich das Bundesgericht, das seit dem 1. Januar 1896 die
Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen ausübt, in
Entscheiden aus den Jahren 1897 und 1898 angeschlossen (BGE 23 II 1946;
24 II 140 Erw. 1 = Sep. ausg. 1 S. 14). Seit diesen - von BLUMENSTEIN
(Handbuch des schweiz. Schuldbetreibungsrechtes, 1911, S. 370 Anm. 51)
gebilligten - Entscheiden, die JAEGER im angeführten Aufsatze nicht erwähnt
und auf die auch FRITZSCHE an der angegebenen Stelle nicht hinweist, hat
sich jedoch das Bundesgericht zur Frage, die Sie beschäftigt, in seiner
veröffentlichten Praxis nicht mehr geäussert. Die seitherigen Entscheide,
die den Grundsatz bestätigen, dass der künftige Lohn nur für ein Jahr seit
dem Pfändungsvollzuge gepfändet werden darf (vgl. namentlich BGE 35 I 766
f. Erw. 1, 2 = Sep. ausg. 12 S. 224 f., BGE 54 III 115 Erw. 1, 55 III
102 Erw. 1 und 187 Erw. 3, 59 III 120 Erw. 2, 60 III 74, 71 III 113/14,
94 III 13 Erw. 2), sagen nicht, wie diese Frist im Falle der Teilnahme
weiterer Gläubiger zu berechnen sei. Da die letzten veröffentlichten
Entscheide des Bundesgerichts über diese Frage mehr als sieben Jahrzehnte
zurückliegen und in der kantonalen Praxis heute mancherorts eine andere
als die in jenen Entscheiden vertretene Auffassung herrscht, rechtfertigt
es sich, die erwähnte Frage neu zu prüfen. Die Frage ist grundsätzlicher
Art und lässt sich auch ausserhalb eines Rekursverfahrens beantworten
(vgl. BGE 87 III 89, 93 III 114).

Erwägung 1

    1.- Die Rechtsprechung hat die Dauer, für welche der künftige Lohn
des Schuldners in einer bestimmten Betreibung zugunsten des betreibenden
Gläubigers gepfändet werden darf, nicht bloss (wie in BGE 59 III 120
angenommen) im Interesse des Schuldners beschränkt, sondern auch im
Interesse der übrigen Gläubiger, denen die Möglichkeit, ebenfalls auf
den Lohn des Schuldners zu greifen, nicht allzulange vorenthalten werden
darf (vgl. Archiv III S. 135/136; BGE 23 II 1946; 35 I 767 Erw. 2 =
Sep. ausg. 12 Nr. 50 S. 225; BGE 55 III 102 f. und 187, 60 III 74,
94 III 13). Die Interessen der übrigen Gläubiger stehen dabei sogar im
Vordergrund (vgl. BGE 23 II 1948: "...dans l'intérêt du débiteur, mais
plus encore dans celui de ses créanciers", und 60 III 74: "hauptsächlich
damit auch andere Gläubiger zum Zugriff ... kommen können"). Namentlich
im Hinblick auf diese Interessen wurde die Beschränkung der in einer
bestimmten Betreibung erfolgten Lohnpfändung auf ein Jahr als "absolute",
um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellte Regel bezeichnet (BGE 23 II
1948 unten, 55 III 187). Zur Bewahrung des Schuldners vor zu weitgehenden
Eingriffen in seinen Arbeitsverdienst (der vor allem Art. 93 SchKG dient)
vermag die erwähnte Beschränkung wenig beizutragen. Der Schuldner wird
durch diese Beschränkung zwar davor geschützt, dass der Gläubiger, der
im Genuss einer Lohnpfändung steht, während deren Dauer für die gleiche
Forderung auf dem Wege der Nachpfändung eine neue, die bereits angeordnete
überdauernde Lohnpfändung erwirkt (BGE 23 II 1946; 35 I 766 f. Erw. 1 u. 3,
36 I 138 Erw. 4 = Sep. ausg. 12 Nr. 50 S. 224 f., 13 S. 56; BGE 71 III
113/14); er muss sich auch nicht gefallen lassen, dass das Betreibungsamt,
wenn das Ergebnis einer Lohnpfändung sich nach deren Ablauf als zur Deckung
der Forderung nicht genügend erweist, gemäss Art. 145 SchKG von Amtes wegen
in der gleichen Betreibung eine weitere Lohnpfändung anordnet (vgl. BGE 35
I 767 Erw. 3 = Sep. ausg. 12 Nr. 50 S. 225, wo allgemein gesagt wird, eine
Nachpfändung künftigen Lohns sei wegen der Beschränkung der Lohnpfändung
auf ein Jahr ausgeschlossen, und JAEGER, aaO S. 55 links Ziff. 4, wonach
sowohl eine vom Gläubiger beantragte als auch eine auf Art. 145 SchKG
gestützte "amtliche" Nachpfändung von Lohn ausgeschlossen ist). Für andere
Gläubiger, die das Pfändungsbegehren nach Ablauf der Frist zur Teilnahme an
einer bestehenden Lohnpfändung stellen, kann jedoch der Lohn des Schuldners
schon vor Ablauf der bestehenden Lohnpfändung auf ein Jahr vom Vollzug der
von ihnen verlangten Pfändung an gepfändet werden mit der Wirkung, dass
ihnen bis zum Ablauf der vorgehenden Pfändung der von dieser allenfalls
nicht erfasste Teil des pfändbaren Lohns und vom Ablauf der vorgehenden
Pfändung an die volle pfändbare Lohnquote zukommt (BGE 30 I 852 f. =
Sep. ausg. 7 S. 422 f.; BGE 55 III 103, 60 III 74/75). Ausserdem kann
jeder Gläubiger, der für seine Forderung weder durch das Ergebnis der
für ihn vollzogenen Lohnpfändung noch sonstwie voll befriedigt wurde,
nach Abschluss der betreffenden Betreibung für den noch ausstehenden
Forderungsbetrag eine neue Betreibung einleiten, in welcher der künftige
Lohn des Schuldners nötigenfalls von neuem für ein Jahr gepfändet werden
kann. Diese neue Betreibung kann durch ein Betreibungsbegehren im Sinne von
Art. 67 SchKG (und einen gestützt darauf erlassenen Zahlungsbefehl) oder,
falls der Gläubiger einen Verlustschein vorzulegen vermag, der in einer
durch ein solches Begehren eingeleiteten Betreibung ausgestellt wurde, auch
durch ein Fortsetzungsbegehren im Sinne von Art. 149 Abs. 3 SchKG angehoben
werden (vgl. BGE 75 III 51/52, wonach die gemäss Art. 149 Abs. 3 SchKG
"fortgesetzte" Betreibung in Wirklichkeit eine neue Betreibung ist, sowie
BGE 36 I 137 Erw. 3 = Sep. ausg. 13 S. 55 und BGE 69 III 70 f., wonach
zwar jeder Verlustschein aus einer durch Zahlungsbefehl eingeleiteten
Betreibung, nicht dagegen ein Verlustschein aus einer gemäss Art. 149
Abs. 3 SchKG "fortgesetzten" Betreibung dem Gläubiger gestattet, den
Schuldner ohne neuen Zahlungsbefehl zu betreiben. JAEGER scheint das zu
übersehen, wenn er aaO S. 55 rechts oben auf die zutreffende Feststellung,
der Gläubiger könne gestützt auf den nach Ablauf des Lohnpfändungsjahres
erhaltenen Verlustschein ohne neuen Zahlungsbefehl eine neue Pfändung
verlangen und damit eine neue Lohnpfändung für ein volles Jahr erwirken,
die Bemerkung folgen lässt: "Und das kann sich mehrere Jahre lang so
wiederholen, bis die Forderung vollständig getilgt ist". Für den Schuldner
macht es indessen keinen grossen Unterschied, ob die Lohnabzüge nach
Ablauf des ersten Lohnpfändungsjahres infolge eines Fortsetzungsbegehrens
im Sinne von Art. 149 Abs. 3 SchKG oder aus einem der erwähnten andern
Gründe weiterlaufen).

    Vermag also die Beschränkung der Pfändung künftigen Lohns auf ein Jahr,
wie sie von der Rechtsprechung ausgestaltet worden ist, den Schuldner
nicht davor zu schützen, dass die Lohnabzüge weit länger als ein Jahr
dauern, wenn die während eines Jahres vorgenommenen Abzüge nicht alle
Schulden decken, so kann in der Wahrung der Interessen des Schuldners an
der Vermeidung übermässiger Eingriffe in seinen Verdienst kein triftiger
Grund dafür gefunden werden, die Lohnpfändung im Falle des Anschlusses
weiterer Gläubiger entgegen BGE 23 II 1946 und 24 I 140 nicht ein Jahr vom
letzten Pfändungsbegehren, sondern nur ein Jahr von dem Pfändungsvollzuge
an dauern zu lassen, der die Teilnahmefristen von Art. 110/111 SchKG in
Gang gesetzt hat.

    Wirksamer als die erwähnten Interessen des Schuldners werden durch
die dargestellte Rechtsprechung die Interessen der von der bestehenden
Lohnpfändung ausgeschlossenen Gläubiger, die ihrerseits auf den Lohn
des Schuldners greifen möchten, und dadurch wenigstens mittelbar auch
die Interessen der Lohnempfänger an der Erhaltung ihrer Kreditwürdigkeit
gewahrt. Die Tatsache, dass diese Rechtsprechung die "Fortsetzung" der
Betreibung nach Art. 149 Abs. 3 SchKG und damit eine neue Lohnpfändung
auf Grund des Verlustscheins aus einer durch Zahlungsbefehl eingeleiteten
Betreibung zulässt, hindert die Gläubiger, welche das Pfändungsbegehren
erst nach Ablauf der Frist zur Teilnahme an der in dieser Betreibung
vollzogenen Lohnpfändung gestellt haben, nicht etwa daran, zunächst den
von dieser Pfändung allenfalls nicht erfassten pfändbaren Lohn und für
die Zeit vom Ablauf eines Jahres seit dem Vollzug dieser Pfändung bis
zum Ablauf eines Jahres seit der für sie vollzogenen Pfändung den vollen
pfändbaren Lohnbetrag pfänden zu lassen. Da die nach Art. 149 Abs. 3
SchKG "fortgesetzte" Betreibung eine neue Betreibung ist, geht sie den
mehr als 30 bzw. 40 Tagen vor dem "Fortsetzungsbegehren" für andere
Gläubiger vollzogenen Pfändungen im Range nach und können an der auf
dieses Begehren hin vollzogenen Lohnpfändung innert der Fristen von Art.
110/111 SchKG andere Gläubiger teilnehmen. - Das Recht der an einer
bestehenden Lohnpfändung nicht beteiligten Gläubiger, in der angegebenen
Weise ihrerseits eine Lohnpfändung zu erwirken, darf auch nicht dadurch
geschmälert werden, dass die bestehende Lohnpfändung mit Zustimmung des
Schuldners, der die Ausstellung eines Verlustscheins vermeiden möchte,
ohne neue Betreibung um ein Jahr verlängert wird, wie das im Falle BGE
59 III 120 (wo andere als die an der Lohnpfändung beteiligten Gläubiger
anscheinend nicht vorhanden waren) als zulässig erachtet wurde (vgl. dazu
H. AMMANN, Lohnpfändung und Lohnabtretung, BlSchK 1955 S. 161 ff., S. 163).

    Den Interessen der an einer bestehenden Lohnpfändung nicht beteiligten
Gläubiger, die nach alledem für die Beschränkung der Pfändung künftigen
Lohns auf ein Jahr und für die nähere Ausgestaltung der einschlägigen
Regeln ausschlaggebend waren, entspricht es am besten, wenn die Pfändung
künftigen Lohns auch im Falle des Anschlusses weiterer Gläubiger auf ein
Jahr von dem die Teilnahmefristen in Gang setzenden Pfändungsvollzuge an
beschränkt bleibt. Die Gläubiger, die während dieser Fristen die Pfändung
verlangen, werden gegenüber dem Gläubiger, für welchen der Lohn zuerst
gepfändet wurde, nicht benachteiligt; denn nach Art. 110 Abs. 1 SchKG
kommen den Anschlussgläubigern auch die vor ihrem Anschluss erfolgten
Lohnabzüge zugute (JAEGER, aaO S. 55/56 Ziff. 5).

Erwägung 2

    2.- Die Rechtsprechung hat bei der Bemessung der Dauer, für welche sie
die Pfändung künftigen Lohnes zulässt, freilich an die Frist angeknüpft,
innert welcher nach Art. 116 SchKG die Verwertung von gepfändeten
beweglichen Sachen und Forderungen bei Gefahr des Erlöschens der Betreibung
(Art. 121 SchKG) verlangt werden muss (Archiv I S. 48 Ziff. 5, III S. 136;
BGE 23 II 1946). Als Grund hiefür wurde in dem an zweiter Stelle genannten
Entscheide angeführt, es sei am Platze, den Lohnpfändungen die gleiche
Dauer anzuweisen wie sonstigen Pfändungen, die nicht Liegenschaften
betreffen. Neben Art. 116 und 121 SchKG hat die Rechtsprechung auch
Art. 88 SchKG herangezogen, nach dessen Absatz 2 das Recht zur Stellung
des Pfändungsbegehrens mit dem Ablauf eines Jahres seit der Zustellung
des Zahlungsbefehls erlischt (Archiv I S. 48 Ziff. 5, BGE 23 II 1946). Im
Anschluss an die Feststellung, die Rechtsprechung habe die Dauer der von
ihr zugelassenen Pfändung künftigen Lohns im Einklang mit diesen drei
Bestimmungen auf ein Jahr beschränkt, wurde in BGE 23 II 1946 bemerkt,
die Pfändung künftigen Lohns ersetze auf diese Weise die Pfändungen, mit
denen der Gläubiger, wenn der künftige Lohn nicht gepfändet werden könnte,
jeweils bei Verfall auf den fälligen Lohn des Schuldners greifen könnte.

    Die Art. 116 und 121 SchKG beschränken indessen die Wirksamkeit der
Pfändung von beweglichen Sachen und Forderungen nicht ein für allemal auf
die Dauer der in Art. 116 SchKG vorgesehenen Maximalfrist von einem Jahr,
wie das im Entscheide Archiv III S. 136 unterstellt worden zu sein scheint,
sondern die Betreibung erlischt nach diesen Bestimmungen mit dem Ablauf der
genannten Frist nur dann, wenn innert dieser Frist das Verwertungsbegehren
nicht gestellt wird; andernfalls bleibt die Pfändung bis zur Verwertung
in Kraft. Die Erwägung, die Lohnpfändung sei zeitlich gleich wie die
Pfändung von beweglichen Sachen und Forderungen zu beschränken und sie
könne aus diesem Grunde wie nach Art. 116 Abs. 1 und 2 SchKG die Frist
für das Verwertungsbegehren (vgl. hiezu BGE 79 III 161) nur ein Jahr von
der Pfändung bzw. vom letzten Pfändungsbegehren an dauern, vermag also
nicht zu überzeugen (vgl. hiezu HINDERLING, Die Pfändbarkeit künftigen
Einkommens als Voraussetzung für die Anwendung von Art. 169 StGB, ZStR 75,
1959, Festgabe für O.A. Germann, S. 172 ff., wo auf S. 177 bemerkt wird,
der Endtermin der Pfändung künftigen Lohns sei "mit ziemlich künstlicher
Begründung aus Art. 116 Abs. 1 SchKG abgeleitet" worden).

    Die in Art. 116 Abs. 1 SchKG aufgestellten Regeln über den Beginn
und das Ende der Frist für das Verwertungsbegehren sind im übrigen auf
die Verwertung gepfändeter Lohnguthaben nicht anwendbar. Die Verwertung
gepfändeten Lohns ist nämlich nach der Rechtsprechung schlechthin
ausgeschlossen und kann folglich nicht verlangt werden, solange der Lohn
noch nicht verdient und fällig ist, und kommt überhaupt erst in Frage,
wenn der Arbeitgeber die verfallenen Lohnraten dem Betreibungsamt nicht
abgeliefert hat (BGE 23 I 435 Erw. 2; 35 I 822 f. Erw. 1, 36 I 140
f. Erw. 2 = Sep. ausg. 12 S. 295, 13 S. 59). Dieser Umstand verbietet
einerseits, dass die Verwertung des auf ein Jahr hinaus gepfändeten
Lohns schon einen Monat nach dem Vollzug der Pfändung verlangt wird,
wie es nach Art. 116 Abs. 1 SchKG mit Bezug auf gepfändete Sachen und
Forderungen zulässig ist, und hat die Rechtsprechung anderseits veranlasst,
in Abweichung von Art. 116 Abs. 1 SchKG die Regel aufzustellen, dass der
Gläubiger die Verwertung des Anspruchs auf den fällig gewordenen, vom
Arbeitgeber nicht abgelieferten Lohn bis zum Ablauf von fünfzehn Monaten
seit dem Pfändungsvollzug verlangen kann (BGE 36 I 140 ff. Erw. 2-4
= Sep. ausg. 13 S. 59 ff.; BGE 60 III 20 ff., 96 III 116; Ziffer 2
der Erläuterungen auf der Vorderseite des obligatorischen Formulars für
die Pfändungsurkunde). Ist Art. 116 Abs. 1 SchKG in seinem eigentlichen
Geltungsbereich, d.h. hinsichtlich der Frist für das Verwertungsbegehren,
im Falle der Lohnpfändung nicht anwendbar, so können die Regeln des
Art. 116 SchKG über diese Frist für die Bemessung der Höchstdauer der
Lohnpfändung nicht entscheidend, jedenfalls aber für Festsetzung dieser
Dauer nicht in allen Einzelheiten massgebend sein.

    Art. 88 SchKG, der die Frist für das Pfändungsbegehren regelt, bietet
erst recht keine tragfähige Grundlage für die von der Rechtsprechung
aufgestellte Regel, dass der künftige Lohn in einer bestimmten Betreibung
für ein Jahr seit der Pfändung bzw. seit dem letzten Pfändungsbegehren
gepfändet werden kann; dies auch nicht in Verbindung mit der in BGE 23
II 1946 angestellten Erwägung, dass die Pfändung künftigen Lohns die
Pfändung der fälligen Lohnraten bei deren Verfall ersetze.

Erwägung 3

    3.- Lässt sich demnach aus Art. 116, 121 und 88 SchKG kein
ausschlaggebendes Argument für die durch die erwähnten Entscheide erfolgte
Bemessung der Höchstdauer der Lohnpfändung in einer bestimmten Betreibung
gewinnen, so folgt daraus doch keineswegs, dass von der bisherigen
Rechtsprechung abgewichen werden müsse, soweit sie die Lohnpfändung
grundsätzlich aufein Jahr seit dem Pfändungsvollzug beschränkt.

    Wie im Entscheide BGE 36 I 142/43 Erw. 3 = Sep. ausg. 13 S. 61 zur
Rechtfertigung einer von Art. 116 Abs. 1 SchKG abweichenden Regelung der
Fristen für das Verwertungsbegehren im Falle der Lohnpfändung (vgl. Erw. 2
Abs. 3 hievor) ausgeführt wurde, ist die Pfändung künftigen Lohns im
Gesetz nicht vorgesehen, sondern "zur Befriedigung der Bedürfnisse der
Praxis von der Rechtsprechung eingeführt worden" und muss es folglich
"der Praxis auch vorbehalten bleiben, dieses Institut in rationeller
Weise auszubauen..." (im gleichen Sinne JAEGER, aaO S. 53, der die
Lohnpfändung als Beispiel dafür nennt, wie die Praxis geradezu genötigt
sei, "lückenergänzend und Recht schaffend zu wirken", und HINDERLING,
aaO S. 178, wo es heisst: "Fest steht auf alle Fälle, dass die Praxis in
freier Rechtsschöpfung nicht nur die grundlegenden Prinzipien über die im
Gesetz nicht geordnete Erfassung künftiger Lohnforderungen, sondern auch
die einzelnen Konsequenzen entwickelt hat, die sich für den Vollzug,
für die Stellung allfälliger Zessionare und für die Ermittlung des
Existenzminimums des Schuldners und seiner Familie ergeben mussten...").

    Bei dieser Rechtsfindung konnte die Praxis mit guten Gründen dazu
gelangen, als Höchstdauer der Lohnpfändung eine Dauer von der gleichen
Grössenordnung zu wählen, wie sie in Art. 116 und 88 SchKG für die dort
geregelten Fristen vorgesehen ist, auch wenn zwischen diesen Fristen und
der Dauer der Lohnpfändung keine innere Beziehung besteht. Die Bemessung
der Höchstdauer der Lohnpfändung in einer bestimmten Betreibung auf ein
Jahr seit dem Pfändungsvollzug kann sich auf die Erwägung stützen, dass
damit zwischen dem Interesse der pfändenden Gläubiger an der Erzielung
eines ausreichenden Erlöses und dem Interesse der an der Pfändung nicht
teilnehmenden Gläubiger, nach Ablauf einer nicht allzulangen Frist auch
ihrerseits zum Zuge zu kommen, ein billiger Ausgleich getroffen wird. An
der von der Praxis während acht Jahrzehnten ständig befolgten Grundregel,
dass künftiger Lohn höchstens für ein Jahr seit dem Pfändungsvollzuge
gepfändet werden darf, ist daher festzuhalten. Dagegen besteht kein
sachlicher Grund dafür, diese Frist im Falle der Teilnahme mehrerer
Gläubiger an der Pfändung vom letzten Pfändungsbegehren oder (vgl. JAEGER,
aaO S. 56 unter Ziff. 5) vom letzten Anschlusse oder (vgl. BGE 79 III 161
und Art. 25 Abs. 2 VZG) von der letzten Ergänzungspfändung an laufen zu
lassen. Vielmehr ist die Höchstdauer der Lohnpfändung auch für den Fall
der Teilnahme mehrerer Gläubiger auf ein Jahr seit dem Pfändungsvollzuge,
der die Teilnahmefristen von Art. 110/111 SchKG in Gang gesetzt hat, zu
beschränken. Wie schon bemerkt (vgl. den letzten Absatz von Erw. 1 hievor),
werden dadurch die Anschlussgläubiger gegenüber dem Gläubiger, für welchen
der Lohn zuerst gepfändet wurde, nicht benachteiligt, sondern die während
eines Jahres von dieser Pfändung an vorgenommenen Lohnabzüge kommen allen
Gläubigern der Gruppe gleichmässig zugute. Die Gesamtdauer der in einer
bestimmten Betreibung angeordneten Lohnpfändung im Falle der Teilnahme
mehrerer Gläubiger über die normale Frist hinaus zu verlängern, lässt
sich mit Rücksicht auf die nachgehenden Gläubiger nicht rechtfertigen. In
diesem Punkte, der in unserer veröffentlichten Rechtsprechung seit 1898
nicht mehr erörtert wurde, ist also die frühere Praxis preiszugeben.

    Wie das Betreibungsinspektorat des Kantons Zürich mit Recht bemerkt,
erlaubt die Regel, dass die in einem bestimmten Betreibungsverfahren
angeordnete Lohnpfändung auch im Falle der Teilnahme mehrerer Gläubiger
auf ein Jahr von der die Teilnahmefristen auslösenden Pfändung an
beschränkt bleibt, eine Einsparung von Arbeit und Kosten. Wurde auf
das erste Pfändungsbegehren hin mangels (genügender) anderer pfändbarer
Vermögensstücke bereits die volle pfändbare Lohnquote bis zur Deckung
der betreffenden Forderung, längstens auf die Dauer eines Jahres vom
Pfändungsvollzuge an gepfändet, so sind im Falle der Teilnahme weiterer
Gläubiger regelmässig keine Ergänzungspfändungen vorzunehmen, für die
nach Art. 23 Abs. 1 des Gebührentarifs (GebT) vom 7. Juli 1971 die volle
Pfändungsgebühr im Sinne von Art. 22 GebT zu entrichten wäre. Vielmehr
genügt es in einem solchen Falle in der Regel, dem betriebenen Schuldner
den An schluss weiterer Gläubiger mit Formular Nr. 5 f/g mitzuteilen,
dem Arbeitgeber nach Ablauf der Teilnahmefrist zu melden, auf welchen
Betrag sich die durch die Lohnabzüge zu deckende Forderungssumme infolge
der Teilnahme weiterer Gläubiger erhöht hat, und in der Pfändungsurkunde
die getroffenen Anordnungen festzuhalten...