Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IB 27



98 Ib 27

5. Auszug aus dem Urteil vom 29. März 1972 i.S. N. gegen Rekurskommission
des Kantons Bern. Regeste

    Wehrsteuer: Die Revision einer rechtskräftigen Wehrsteuerveranlagung
zuungunsten des Steuerpflichtigen ist in der Regel ausserhalb eines
Nach- und Strafsteuerverfahrens wegen Hinterziehung (Art. 129 WStB)
ausgeschlossen.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand

    Die X-AG erwarb im Dezember 1964 ein Kaufsrecht. In der Folge schloss
sie sich mit dem Beschwerdeführer und zwei weiteren Personen zu einer
einfachen Gesellschaft zusammen, wobei die einzelnen Gesellschafter
zu je einem Viertel Anteil in das Kaufsrecht eintraten. Für den
Verzicht auf die Ausübung des Kaufsrechtes wurde im Februar 1966 vom
Kaufsrechtverpflichteten eine Abfindungssumme entrichtet. Als es um
die Besteuerung dieses Vermögensgewinnes ging, stellte die X-AG bei
der kantonalen Steuerverwaltung das Gesuch, es sei nicht sie für
den Gesamtgewinn, sondern jeder einzelne Gesellschafter für seinen
Gewinnanteil zu veranlagen. Die kantonale Steuerverwaltung entsprach
diesem Gesuch nicht. Sie hielt fest, dass die X-AG für den Reingewinn aus
dem Kaufsrechtverzicht allein steuerpflichtig sei. Die X-AG focht in der
Folge die Veranlagung zum gesamten Vermögensgewinn nicht an und bezahlte
die entsprechenden Wehrsteuern.

    In seiner Steuererklärung für die Steuerjahre 1967/68 gab der
Beschwerdeführer den aus dem Kaufsrechtverzicht erzielten Gewinn nicht
an. Er wurde nach seiner Steuererklärung veranlagt. Die Veranlagung
blieb unangefochten und erwuchs in Rechtskraft. In der Folge aber
benachrichtigte die kantonale Steuerverwaltung die Veranlagungsbehörde
über den Gewinnanteil des Beschwerdeführers aus dem Verzicht auf
das Kaufsrecht. Daraufhin wurde gegen den Beschwerdeführer ein
Nachsteuerverfahren eingeleitet. Die Steuerbehörde verzichtete auf die
Geltendmachung von Strafsteuern und Bussen; sie forderte nur die zu wenig
entrichteten Wehrsteuern nach.

    Gegen die Nachsteuerverfügung erhob N. Beschwerde bei der kantonalen
Rekurskommission, welche die Beschwerde abwies. Von der Auferlegung einer
Busse sah auch sie ab.

    Gegen diesen Entscheid erhebt N. Verwaltungsgerichtsbeschwerde und
begehrt, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben. Die kantonale
Rekurskommission beantragt die Abweisung der Beschwerde. Den selben Antrag
stellt die Eidg. Steuerverwaltung (EStV); sie beantragt überdies, dass
der Beschwerdeführer, in Abänderung des angefochtenen Rekursentscheides,
ausser zur Bezahlung der Nachsteuer, zu einer Busse im einfachen Betrag
der hinterzogenen Wehrsteuer verurteilt werde.

    Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen und den angefochtenen
Entscheid aufgehoben.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Den Tatbestand der Hinterziehung erfüllt nach Art. 129 WStB, wer
dem Staate einen Wehrsteuerbetrag dadurch vorenthält, dass er die ihm
im Veranlagungsverfahren obliegenden Pflichten - wozu insbesondere die
wahrheitsgemässe und vollständige Ausfüllung der Steuererklärung gehört
- nicht erfüllt oder Tatsachen, die für den Bestand oder den Umfang der
Wehrsteuerpflicht wesentlich sind, verschweigt oder über sie vorsätzlich
oder fahrlässig unrichtige Angaben macht (Urteil in ASA 22, S. 262). Ausser
der Busse bis zum Vierfachen des entzogenen Wehrsteuerbetrages sind die
hinterzogenen Steuern zu bezahlen.

    Wie die EStV zutreffend ausführt, ist für den Tatbestand der einfachen
Hinterziehung neben dem Entzug des Steuerbetrages und der Verletzung
einer dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflicht die Schuld des
Steuerpflichtigen wesentlich. Strafbar wegen Hinterziehung ist mithin nur,
wer schuldhaft handelt (vgl. KÄNZIG, N. 10 ff. zu Art. 129 WStB). Doch
auch der Nachbezug des hinterzogenen Steuerbetrages setzt schuldhaftes
Handeln voraus.

    Veranlagungs- und Rekursbehörde haben im vorliegenden Fall zwar
eine Nachsteuer erhoben; von einer Busse haben sie jedoch Umgang
genommen. Die Rekurskommission liess die Frage des Verschuldens
offen. Nach der Verfahrensordnung des WStB kann aber eine Nachsteuer nur
dann erhoben werden, wenn alle Tatbestandsmerkmale der Hinterziehung
erfüllt sind. Nur wenn demnach ein Verschulden zu bejahen ist, werden
eine Busse ausgesprochen und die hinterzogenen Steuern nachgefordert
(vgl. hierzu das erwähnte Urteil in ASA 22, S. 262 ff.). Eine Korrektur
im Nachsteuerverfahren ist mithin nur insoweit möglich, als sie einen
Hinterziehungstatbestand beschlägt (vgl. KÄNZIG, ebenda, N. 15).

    Der Beschwerdeführer hat hinsichtlich der Wehrsteuer der 14. Periode
eine ungenügende Besteuerung herbeigeführt, indem er den ihm zukommenden
Gewinnanteil von Fr. 30'175.-- nicht deklarierte. Es fragt sich, ob ihn
ein Verschulden trifft.

    Die EStV geht davon aus, dass der Beschwerdeführer als Mitglied
der einfachen Gesellschaft, welche den Gewinn aus dem Verzicht auf
die Ausübung des Kaufsrechtes erzielte, über die Deklarations- und
Steuerpflicht aufgeklärt wurde. Sie begründet dies damit, dass bei den
Vermögens-Gewinsteuer-Akten der X-AG u.a. eine Aufstellung über die
Verteilung der Anteile am Gewinn bzw. eine Schlussabrechnung liege,
welche von allen Gesellschaftern unterzeichnet sei und wo unter
"Bemerkungen" ausgeführt werde: "Eine eventuelle Nachforderung
für Vermögensgewinnsteuer hat jeder Gesellschafter selbst zu
bezahlen. Ferner hat jeder Gesellschafter den Gewinnanteil selbst
zu versteuern (Einkommen und Vermögen...)". Damit ist jedoch nicht
nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer die zu einer ungenügenden
Besteuerung führende Pflichtverletzung schuldhaft begangen hat.
Die erwähnte "Aufteilung", welche die angeführte Bemerkung enthält,
wurde nämlich offensichtlich vor dem 26. März 1966 aufgestellt und von
den Gesellschaftern unterzeichnet. Sie bildete bereits eine Beilage zum
Gesuch der X-AG vom 26. März 1966, worin diese beantragte, es sei nicht
sie für den Gesamtgewinn, sondern jeder einzelne Gesellschafter für
einen Vermögensgewinn von Fr. 30'175.-- zu veranlagen. Es ist denn auch
durchaus verständlich, dass sich die einzelnen Gesellschafter in diesem
Zeitpunkt zur Übernahme der Steuerpflicht "verpflichteten". Dem Gesuch
wurde aber in der Folge von der Steuerverwaltung nicht entsprochen,
vielmehr erklärte diese, für den Reingewinn von Fr. 120'700.-- sei die
X-AG allein steuerpflichtig, einer Gewinnaufteilung auf die einzelnen
Gesellschafter könne nicht beigepflichtet werden. Diese Auffassung vertrat
sie in der Folge auch in der Veranlagungsverfügung.

    Bei dieser Sachlage kann es dem Beschwerdeführer nicht zum
steuerrechtlichen Schuldvorwurf gereichen, wenn er gestützt und im
Vertrauen auf die Auskunft der kantonalen Steuerverwaltung, wonach die
X-AG "allein" für den Reingewinn von Fr. 120'700.-- steuerpflichtig sei,
davon absah, den eigenen Gewinnanteil zu deklarieren. Der Tatbestand des
Art. 129 WStB ist mithin nicht erfüllt. Ein Nach- und Strafsteuerverfahren
für die Wehrsteuer hat demnach zu unterbleiben. Die Möglichkeit der
Revision rechtskräftiger Wehrsteuerveranlagungen ist im WStB nicht
ausdrücklich vorgesehen. Nachdem in der Regel die Revision zuungunsten
des Steuerpflichtigen ausserhalb eines Nach- und Strafsteuerverfahrens
wegen Hinterziehung (Art. 129 WStB) ausgeschlossen ist, muss es bei der
ursprünglichen Veranlagung des Beschwerdeführers sein Bewenden haben
und kann dahinstehen, ob der Veranlagungsfehler der Steuerverwaltung zum
Vorwurf gereicht.