Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IB 226



98 Ib 226

33. Auszug aus dem Urteil vom 9. Juni 1972 i.S. Stadtbernischer
Apothekerverein und Konsorten gegen Generaldirektion SBB und
Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement. Regeste

    Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (EBG); Einrichtung eines
Nebenbetriebes in einem Bahnhofgebäude; Öffnungszeiten (Art. 39 EBG).

    1.  Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1).

    2.  Beschwerdelegitimation (Erw. 2).

    3.  Ob die Bedürfnisse des Bahnbetriebes und des Verkehrs die
Einrichtung eines Nebenbetriebes rechtfertigen, ist eine Rechtsfrage;
ob bei Bedürfnis nach Einrichtung eines Nebenbetriebes, ein solcher
tatsächlich eingerichtet werden soll, ist hingegen eine Ermessensfrage
(Erw. 3).

    4.  Rechtfertigen die Bedürfnisse des Bahnbetriebes und des Verkehrs
im Sinne von Art. 39 Abs. 1 EBG die Einrichtung einer Apotheke im Neubau
des Berner Hauptbahnhofs? (Erw. 5-7).

    5.  Erfordern die Bedürfnisse des Bahnbetriebes und des Verkehrs
im Sinne von Art. 39 Abs. 3 EBG für die Apotheke im Neubau des Berner
Hauptbahnhofs Öffnungszeiten, die von der in Bern sonst geltenden Ordnung
abweichen? (Erw. 8).

Sachverhalt

    A.- Die SBB beabsichtigen, im Neubau des Hauptbahnhofes Bern
eine Apotheke einzurichten und zu verpachten. In Abweichung von
den Öffnungszeiten, die für die anderen Apotheken in Bern gelten,
soll diese Apotheke werktags und sonntags durchgehend von 06.00 Uhr
bis 20.00 Uhr geöffnet sein. Der stadtbernische Apothekerverein und
eine Reihe stadtbernischer Apotheker erhoben gegen die Absicht der SBB
Einsprache beim Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED)
und machten geltend, für die Errichtung einer Apotheke im Bahnhof und
für die vorgesehene von der allgemeinen Ordnung abweichende Regelung über
die Öffnungszeiten bestehe kein Bedürfnis.

    Mit Entscheid vom 11. März 1971 trat das EVED auf die Einsprache
mangels Legitimation der Einsprecher nicht ein. Das Bundesgericht hiess
am 1. Oktober 1971 eine gegen den Nichteintretensentscheid gerichtete
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an
das EVED zurück (BGE 97 I 591). Dieses wies daraufhin am 2. Februar 1972
die Einsprache bzw. Beschwerde ab. Es nahm an, für die Einrichtung einer
Apotheke im Berner Hauptbahnhof, wie auch für die vorgesehenen längeren
Öffnungszeiten (6-20 Uhr) bestehe ein Bedürfnis im Sinne von Art. 39 des
Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (EBG).

    B.- Der stadtbernische Apothekerverein und eine Reihe von Apothekern
beantragen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, das Bedürfnis zur Errichtung
einer Bahnhofapotheke als Nebenbetrieb im Bahnhof Bern sei unter Kosten-
und Entschädigungsfolge zu verneinen und es sei der SBB zu verbieten,
einen solchen Betrieb einzurichten und betreiben zu lassen, eventuell sei
für eine solche Apotheke das Bedürfnis für eine Abweichung von den kantonal
und lokal gültigen Öffnungs- und Schliessungszeiten zu verneinen und die
Apotheke somit auch zur Einhaltung dieser Öffnungs- und Schliessungszeiten
zu verpflichten.

    C.- Das EVED beantragt Abweisung der Beschwerde. Die SBB schliessen
in erster Linie auf Nichteintreten, weil die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Bundesgericht nach Art. 99 lit. e OG ausgeschlossen sei, eventuell
ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde. Der Gemeinderat der Stadt Bern, der
zur Vernehmlassung aufgefordert wurde, schliesst sich dem Eventualbegehren
der Beschwerdeführer an.

    D.- Das Gesuch, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen,
ist im Sinne der Erwägungen abgewiesen worden.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 98 lit. b OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Bundesgericht zulässig gegen Verfügungen der Departemente des
Bundesrates und der Bundeskanzlei. Sie ist aber u.a. ausgeschlossen,
wenn die Verfügung die Erteilung oder Verweigerung von Bau- oder
Betriebsbewilligungen für technische Anlagen oder für Fahrzeuge betrifft
(Art. 99 lit. e OG). Zu Unrecht leiten die SBB aus dieser Bestimmung ab,
auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Art. 99 lit. e OG will das
Bundesgericht von der Beurteilung von Beschwerden entbinden, bei denen
der Entscheid im wesentlichen von technischem Fachwissen und technischer
Verantwortung abhängen würde, und die sich deshalb nicht für eine
gerichtliche Überprüfung eignen (BBl 1965, S. 1313). Technische Anlagen
stehen im vorliegenden Fall nicht in Frage. Höchstens der Raum, in dem eine
Apotheke geführt wird, ist eine technische Anlage, nicht aber die Apotheke
als solche. Die Beschwerde richtet sich aber nicht gegen die Bewilligung
der Anlage der Räumlichkeiten für die vorgesehene Apotheke in technischer
Hinsicht, sondern erstrebt die Beantwortung der Rechtsfrage, ob für eine
Apotheke im Bahnhofareal ein nach Art. 39 EBG zu befriedigendes Bedürfnis
bestehe, das unter anderem einen Eingriff in den Bereich der kantonalen
Verwaltungshoheit (z.B. Ladenschlussgesetzgebung) rechtfertigt. Die Frage,
ob eine Apotheke im Bahnhof einem Bedürfnis entspreche, ist auch nicht eine
solche nach einem technischen Bedürfnis. Ein Ausschlussgrund nach Art. 99
lit. e OG ist somit nicht gegeben. Ebenso fehlen weitere, gesetzlich
vorgesehene Gründe, die die Beschwerdemöglichkeit ausschlössen. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den angefochtenen Entscheid ist
somit zulässig.

Erwägung 2

    2.- Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist berechtigt, wer durch
die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges
Interesse an ihrer Aufhebung oder Änderung hat (Art. 103 lit. a
OG). Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtene Verfügung, mit
der den SBB die Einrichtung einer Apotheke im Bahnhof Bern gestattet
wurde, nicht unmittelbar betroffen. Es werden ihnen weder Pflichten
auferlegt, noch Rechte entzogen. Die Vorschriften des OG über die
Beschwerdelegitimation sind aber weit gefasst und gestatten, auch bloss
tatsächliche Interessen geltend zu machen (GRISEL, Droit administratif
suisse, 504, GYGI, Verwaltungsrechtspflege, 108). Solche halten die
Beschwerdeführer für verletzt. Durch die Eröffnung einer Apotheke im
Bahnhofgebäude werden ihre Erwerbsaussichten beeinträchtigt, besonders
da vorgesehen ist, die neue Apotheke auch in Zeiten offen zu halten,
in denen die Beschwerdeführer ihre Apotheken in der Regel geschlossen
halten müssen. Sie haben deshalb ein Interesse, zu verhindern, dass die
geplante Apotheke eröffnet wird. Dieses Interesse ist schutzwürdig. Es
ist den Beschwerdeführern nicht zuzumuten, einen Konkurrenzbetrieb zu
dulden, der allenfalls in Verletzung gesetzlicher Bestimmungen eröffnet
wird. Nicht entscheidend ist dabei, ob Art. 39 EBG unter anderem bestimmt
ist, die wirtschaftlichen Interessen konkurrierender Gewerbegenossen zu
schützen. Es genügt, wenn die Beschwerdeführer ein sie selbst betreffendes
schutzwürdiges Interesse an der richtigen Anwendung des objektiven Rechtes
haben (GYGI, aaO 106 f.). Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten,
und zwar auch soweit sie vom stadtbernischen Apothekerverein eingereicht
wurde, wie das Bundesgericht schon in BGE 97 I 593 E. 2 festgestellt hat.

Erwägung 3

    3.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann, abgesehen von der
Sachverhaltsfeststellung, die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens angefochten werden. Die
Überprüfung der Angemessenheit des angefochtenen Entscheides ist jedoch
dem Bundesgericht entzogen (Art. 104 lit. c OG).

    Indessen ist die Frage, ob die Bedürfnisse des Bahnverkehrs es
rechtfertigen, einen Nebenbetrieb einzuführen, eine Rechtsfrage und nicht,
wie auch das EVED annimmt, eine Ermessensfrage. Ermessensfrage ist es,
ob bei Bedürfnis nach einem Nebenbetrieb die Bahn von der Befugnis,
einen solchen einzurichten, Gebrauch machen will. Selbst wenn das
Bedürfnis zu bejahen ist, kann es angezeigt sein, den Nebenbetrieb nicht
aufzunehmen, weil er z.B. wirtschaftlich zu wenig einträgt, weil die
räumlichen Verhältnisse den Verzicht zugunsten anderer Einrichtungen
nahelegen usw. Die Vorinstanz vertritt freilich die Meinung, die SBB
seien zur Errichtung eines Nebenbetriebes nicht nur befugt, sondern
sogar verpflichtet. Soweit insbesondere die SBB verpflichtet sind, den
Betrieb nach gesunden Grundsätzen zu führen (Art. 3 des BG über die
Schweizerischen Bundesbahnen vom 23. Juni 1944), mag es ihre Pflicht
sein, gewinnbringende Nebenbetriebe einzuführen. Der Entscheid darüber
bleibt aber trotzdem ein Ermessensentscheid. Auch ein gewinnbringender
Nebenbetrieb ist im übrigen nicht zulässig, sofern er den durch Art. 39
EBG gezogenen Rahmen überschreitet. Der Begriff des Bedürfnisses ist
allerdings ein unbestimmter Rechtsbegriff, der für die Auslegung und vor
allem bei der Subsumtion im Einzelfall der rechtsanwendenden Behörde
einen gewissen Beurteilungsspielraum lässt. Bei der Überprüfung der
Auslegung und Anwendung eines solchen Begriffs auf den Einzelfall legt
sich das Bundesgericht Zurückhaltung auf (BGE 96 I 683 E. 2). Soweit die
Beschwerdeführer unrichtige Anwendung des Ermessens rügen, üben sie im
wesentlichen Kritik an der Anwendung des Bedürfnisbegriffes im Einzelfall.

Erwägung 4

    4.- (Keine Verletzung von Verfahrensvorschriften.)

Erwägung 5

    5.- Art. 39 EBG ermächtigt die Bahnunternehmungen zur Führung von
Nebenbetrieben auf Bahngebiet und in Zügen. Damit wird ihnen über ihre
eigentliche Aufgabe hinaus eine weitere Tätigkeit ermöglicht. Bahnbetriebe
als öffentliche Unternehmen haben in erster Linie Personen und Waren
zu befördern. Eine anderweitige Tätigkeit ist ihnen nur gestattet,
wenn dafür ein Bedürfnis besteht. Ob ein solches gegeben ist, haben die
Bahnen im Rahmen des Gesetzes zu entscheiden. Nötigenfalls müssen die
Aufsichtsbehörden von Amtes wegen dafür sorgen, dass dieser Rahmen nicht
überschritten wird. Ist ein Bedürfnis im Sinne von Art. 39 EBG gegeben,
so ist die Bahnunternehmung befugt, den Nebenbetrieb aufzunehmen. Unter
Umständen greift sie damit in die kantonale Verwaltungshoheit ein. Das
ist vor allem dann der Fall, wenn die Eröffnung des Nebenbetriebes
nach dem anwendbaren kantonalen Recht vom Nachweis eines Bedürfnisses
abhängig ist und das Bedürfnis nach diesem nicht gegeben ist. In diesem
Falle geht der Anspruch der Bahn auf Einrichtung des Betriebes dem
kantonalen Recht vor. Der Begriff des Bedürfnisses nach Art. 39 EBG
ist, mit andern Worten, unabhängig von einem allfälligen kantonalen
Bedürfnisbegriff auszulegen. Sodann greift das Bahnunternehmen immer
dann in die kantonale Verwaltungshoheit ein, wenn es von der in Abs. 3
vorgesehenen Möglichkeit, bei Ladengeschäften von den im massgebenden
kantonalen Recht geltenden Öffnungs- und Schliessungszeiten abzuweichen,
Gebrauch machen will. Zweifellos mit Rücksicht auf die Anstände,
die zwischen Bahnunternehmen und Kantonen entstehen können, ist die
Einrichtung des Nebenbetriebes und die Abweichung von Art. 39 Abs. 3 EBG
an den Nachweis eines Bedürfnisses gebunden. Im Hinblick auf den Eingriff
in die kantonale Verwaltungshoheit räumt das EBG den kantonalen Behörden
das Recht ein, Anstände über Nebenbetriebe vor dem EVED auszutragen. Der
aus der Einrichtung von Nebenbetrieben möglicherweise folgende Eingriff in
die kantonale Verwaltungshoheit mag Anlass bieten, ein Bedürfnis für die
Einrichtung eines Nebenbetriebes nicht leichthin zu bejahen (vgl. TINNER,
Rechtsbeziehungen zwischen Bund und Kantonen im Eisenbahnwesen, Diss. 1941,
140 f.; vgl. auch Art. 50 Nationalstrassengesetz). Ob Art. 39 EBG
daneben auch Private vor unerwünschter Konkurrenzierung schützen will,
ist zweifelhaft. Doch mag die Frage offen bleiben, denn auch dieser Zweck
könnte nur durch eine unrichtige Anwendung von Art. 39 EBG beeinträchtigt
werden, d.h. dadurch, dass ein nicht bestehendes Bedürfnis zu Unrecht
als gegeben angenommen wird.

Erwägung 6

    6.- Art. 39 EBG ermächtigt die Bahnunternehmungen zur Errichtung von
Nebenbetrieben, wenn die Bedürfnisse des Reiseverkehrs es erfordern. Zu
den Bedürfnissen des Verkehrs gehören in erster Linie die Bedürfnisse der
Bahnbenützer, denen während der Reise Erleichterungen und Annehmlichkeiten
geboten werden sollen. Die Benutzung der Bahn soll damit gefördert
werden. Diesem Umstand kommt gegenwärtig, da aus verkehrstechnischen
Gründen ein Anreiz zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel geschaffen
werden soll, erhöhte Bedeutung zu. In zweiter Linie vermögen auch die
Bedürfnisse der beim Unternehmen beschäftigten Personen die Einführung
von Nebenbetrieben zu rechtfertigen, wenn die zweckmässige Erfüllung
ihrer Aufgaben dies erforderlich scheinen lässt (vgl. BBl 1956, 251). Der
Umfang dieser von den Bahnunternehmungen zu befriedigenden Bedürfnisse
ist nicht ein für allemal gegeben, sondern ist von den Zeitverhältnissen
abhängig. Die Bedürfnisse wachsen erfahrungsgemäss mit dem steigenden
Lebensstandard der Bahnbenützer. Der Gesetzgeber hat diesem Umstand
Rechnung getragen, indem er als Rechtfertigungsgrund für die Errichtung der
Nebenbetriebe einen unbestimmten Rechtsbegriff wählte. Die Anpassung einer
Rechtsvorschrift an gewandelte Verhältnisse ist besonders dann möglich,
wenn der Gesetzgeber selber durch die Weite und Unbestimmtheit der von ihm
verwendeten Begriffe aufzukünftige Entwicklungen Rücksicht nehmen wollte
(BGE 95 I 199), selbst wenn er selber in erster Linie bestimmte, ihm
als ordnungsbedürftig bekannte Verhältnisse zu regeln beabsichtigte. Den
anlässlich der Gesetzesberatung erwähnten Fällen, die er regeln wollte,
kommt in einem solchen Falle nur die Bedeutung von Beispielen zu. Es ist
daher unerheblich, welche Einzelbeispiele man anlässlich der Beratung
des EBG als Bedürfnisse im Sinne von Art. 39 EBG aufzählte. Zur Eröffnung
des Nebenbetriebes ist es auch nicht erforderlich, dass es sich bei den
Bedürfnissen um bereits üblich gewordene Bedürfnisse handelt. Der Verweis
auf übliche Reisebedürfnisse, der in den Vorarbeiten zum EBG enthalten war,
ist nicht Gesetz geworden. Ebenso ist ein während der parlamentarischen
Beratungen vorgeschlagener Zusatz, wonach nur überwiegende Bedürfnisse
des Bahnverkehrs Nebenbetriebe bzw. ein Abweichen von den allgemeinen
Öffnungszeiten rechtfertigen könnten, bei der Festlegung des endgültigen
Wortlautes gestrichen worden. Kann die Art der Bedürfnisse im Sinne von
Art. 39 EBG somit ändern, vor allem eine Ausweitung erfahren, so müssen
diese doch eine gewisse Stärke aufweisen. Die Befriedigung vereinzelter
oder ausgefallener Wünsche, die gelegentlich von Reisenden geäussert
werden mögen, gehört nicht dazu und rechtfertigt zumindest nicht eine
Ausnahme auf Kosten sonst anwendbarer Regelungen im Sinne von Art. 39
Abs. 3 EBG. Ebenso gehören nicht dazu Bedürfnisse, die von den Reisenden
ebenso gut und ohne Behinderung vor oder nach der Reise befriedigt werden
können oder die sie ohne Beeinträchtigung ihres Anspruches auf bequemes
Reisen ausserhalb des Bahnbetriebes decken können.

Erwägung 7

    7.- a) Es ist eine Erfahrungstatsache, dass in den letzten Jahren das
Bedürfnis nach dem Gebrauch von Medikamenten allgemein, aber besonders
auch während längerer Reisen, gestiegen ist. Der Mensch greift heute
eher als früher zu Medikamenten, um ein Leiden zu behandeln oder um sich
vorübergehend Linderung zu verschaffen. Häufig, vielleicht sogar in der
Regel, wird der Reisende seinen Bedarf an Medikamenten decken können
und decken, bevor er eine Reise antritt. Es wird aber immer wieder
Fälle geben, besonders bei längeren Reisen, in denen das Bedürfnis,
z.B. nach schmerzstillenden Mitteln, unvermittelt auftritt. Es ist
ferner damit zu rechnen, dass Reisende die nötige Vorsorge vor der
Reise vergessen oder voraussetzen, dass sie ihren Bedarf nötigenfalls
auch während der Reise noch decken können. Der Wunsch, sich auf einer
Reise Arzneimittel zu beschaffen, ist aber mindestens in gleichem Masse
schützenswert, wie das Bedürfnis nach Rauchwaren oder Reiseandenken. Es
kann kaum ein Zweifel bestehen, dass insbesondere auf grossen Bahnhöfen
mit sehr regem Verkehr ein Bedürfnis von Seiten der Reisenden besteht,
nötigenfalls auf bequeme Art die erforderlichen Medikamente einkaufen zu
können. In ausländischen Grossbahnhöfen, wie auch in Flughäfen mit starken
Frequenzen, sind daher jetzt schon häufig Apotheken eingerichtet. Dies
trägt dazu bei, das Reisen angenehmer zu gestalten. Dass ein solches
Bedürfnis bei den heutigen Lebensverhältnissen besteht, bedarf keiner
weitern Beweisführung. Es ist deshalb nicht nötig, die von den Parteien,
besonders den SBB, beantragten Beweise, wie Befragung des Bahnpersonals
u.sw. zu erheben. Der rege Verkehr auf dem neuen Bahnhof Bern lässt ohne
weiteres den Schluss zu, dass täglich eine verhältnismässig grosse Anzahl
von Reisenden das Bedürfnis nach Bezug von Medikamenten verspürt und hofft,
es im Bahnhof selbst befriedigen zu können.

    b) Das Bedürfnis nach Einrichtung einer Apotheke wäre dennoch
zu verneinen, wenn die Reisenden sich ihre Medikamente ausserhalb des
Bahnhofs ebenso bequem beschaffen könnten wie in einer Bahnhofapotheke. Die
Beschwerdeführer weisen darauf hin, dass sich in unmittelbarer Nähe des
Bahnhofs mehrere Apotheken befinden, von denen die eine oder die andere
abwechslungsweise auch nachts oder am Sonntag geöffnet ist. Das trifft zu.
Dennoch ist nicht zu verkennen, dass ein gerechtfertigtes Bedürfnis
besteht, die erforderlichen Arzneien innerhalb des Bahnhofareals selbst
kaufen zu können. Der neue Bahnhof Bern ist weitläufig und nicht ohne
weiteres überblickbar. Vor allem für den Ortsunkundigen ist es nicht
einfach, sich darin zurecht zu finden. Die Distanzen von den Bahnsteigen
bis zu den Aus- und Eingängen sind recht erheblich. Es ist vor allem den
zahlreichen Reisenden, für die der Bahnhof Bern bloss Umsteigeplatz ist,
auf dem sie sich nur während verhältnismässig kurzer Zeit aufhalten,
nicht zuzumuten, das Bahnhofareal zu verlassen und eine Dienstapotheke
zu suchen. Dies trifft vor allem auf ausländische Reisende zu, die sich
erfahrungsgemäss oft scheuen, während eines kürzeren Aufenthaltes das
sichere Bahnhofgebiet zu verlassen. Da im Bahnhof auch keine Einrichtungen
vorhanden sind, die einen annähernden Ersatz für eine Apotheke darstellen,
ist das Bedürfnis nach Errichtung einer Bahnhofapotheke zu bejahen. Der
Hinweis, dass im Bahnhof eine Station für erste Hilfe eingerichtet sei,
bei der nötigenfalls auch Medikamente bezogen werden können, vermag
daran nichts zu ändern. Erfahrungsgemäss scheuen die Reisenden davor
zurück, solche Einrichtungen ohne dringende Notwendigkeit in Anspruch zu
nehmen. Die Vorinstanz hat deshalb Art. 39 EBG nicht unrichtig ausgelegt
und ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten, als sie annahm,
es sei ein Bedürfnis im Sinne des Gesetzes vorhanden.

Erwägung 8

    8.- Was hinsichtlich der Bedürfnisfrage im allgemeinen gilt, ist auch
für die Frage entscheidend, ob die Öffnungs- und Schliessungszeiten
abweichend von der auf dem Platze Bern sonst geltenden Ordnung zu
regeln seien. Es leuchtet ein, wie die Vorinstanz erwägt, dass das
Bedürfnis, eine Apotheke offen zu halten, besonders gross ist zur Zeit
der Verkehrsspitzen. Dass diese am Morgen nach 6 Uhr und abends zwischen
17 und 20 Uhr liegen, ist nicht zu beweifeln. Es wäre sinnwidrig, die
Apotheke, die den Bedürfnissen des Reisendenverkehrs zu dienen hat,
gerade in jenen Zeiten geschlossen zu halten. Auch die abweichenden
Schliessungszeiten sind deshalb im vorgesehenen Umfang durch die
Verkehrsbedürfnisse gedeckt. Sie sind es auch, wenn man diese Bedürfnisse
gegen das Interesse des Gemeinwesens an undurchbrochener Geltung seiner
Ladenschlussgesetzgebung abwägt. Die Stadt Bern beruft sich demgegenüber
auf gesundheitspolizeiliche Erwägungen, die gegen die abweichenden
Öffnungszeiten sprechen und bei einer Interessenabwägung schwerer ins
Gewicht fallen würden als das Interesse an abweichenden Öffnungszeiten.
Gesundheitspolizeiliche Gründe im eigentlichen Sinne vermag sie aber
nicht anzuführen. Es ist auch nicht einzusehen, welches diese Gründe
sein könnten, da die Bahnhofapotheke, abgesehen von den abweichenden
Öffnungszeiten, nach den Grundsätzen der Medizinalgesetzgebung geführt
werden muss. Die behauptete gesundheitspolizeiliche Gefahr liegt
einzig im Umstand, dass die ganze, die Öffnungszeiten betreffende
Ordnung erschüttert werden könnte, wenn der Bahnhofapotheke abweichende
Öffnungszeiten zugebilligt werden. Diese Gefahr ist aber eine so entfernte
Möglichkeit, dass sie nicht ernsthaft ins Gewicht fallen kann. Es dürfte
auch möglich sein, die Bahnhofapotheke, sofern die Apotheker auf dem Platze
es wünschen, irgendwie in die Dienstbereitschaftsregelung einzubeziehen,
wie das die kantonale Behörde andeutet. Das Interesse an abweichenden
Öffnungszeiten, das mit Rücksicht auf die Verkehrsspitzen begründet ist,
überwiegt auch das Interesse, das die Beschwerdeführer daran haben, die
ihnen durch die angefochtene Abweichung in einem gewissen Mass erwachsende
Konkurrenz zu verhindern. Das trifft selbst dann zu, wenn man annimmt,
dass die kantonalen und kommunalen Ladenschlussgesetzgebungen durch
eine gleichförmige Regelung der Ladenöffnungszeiten unter anderem auch
gleichförmige Konkurrenzbedingungen unter den Gewerbegenossen gewährleisten
wollen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.