Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IB 156



98 Ib 156

22. Auszug aus dem Urteil vom 29. März 1972 i.S. Gebr. Ackermann AG und
Beyeler AG gegen Generaldirektion PTT. Regeste

    Warenmustertaxe; BG vom 2. Oktober 1924 betreffend den Postverkehr
(PVG) und Vollziehungsverordnung I zum PVG vom 1. September 1967/12. Mai
1971 (VV I).

    1.  Musterkataloge, die kleine Warenproben enthalten, sind Warenmuster
und nicht Drucksachen (Erw. 2).

    2.  Art. 46 Abs. 1 der VV I zum PVG, wonach die Warenmustertaxe des
Art. 15 Abs. 1 PVG auf die Rücksendungen von Warenmustern vom Kunden an
den Verkäufer nicht zur Anwendung kommt, widerspricht dem PVG (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- a) Art. 15 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 2. Oktober 1924 betreffend
den Postverkehr (PVG) lautet in seiner Fassung vom 21. Dezember 1966
(AS 1967 S. 1385):

    "Die Taxe für Warenmuster beträgt

    bis 250 g: 15 Rp.

    über 250 g bis 500 g: 30 Rp."

    Durch die Revision des PVG von 1966 sind die beiden Taxansätze um
5 bzw. 10 Rp. erhöht worden; der Wortlaut von Abs. 1 blieb im übrigen
unverändert. Die Abs. 2 und 3 von Art. 15 PVG sind im vorliegenden Fall
ohne Bedeutung.

    b) Die nähere Umschreibung des Begriffes Warenmuster findet sich in
der Vollziehungsverordnung I zum PVG (VV I).

    aa)  In der VV I vom 23. Dezember 1955 (AS 1956 S. 13) hiess es in
Art. 35 Abs. 1 (inhaltlich übereinstimmend mit Art. 32 Abs. 1 der VV I
vom 15. August 1939, BS 7 S. 786):

    "Die Taxe der Warenmuster ist anwendbar auf die zur Bemusterung
im Handelsverkehr dienenden Sendungen, sowie auf nicht zur Bemusterung
bestimmte Warensendungen von geringem Handels- und Verkaufswert."

    bb)  Durch BRB vom 1. März 1966 (AS 1966 S. 488) wurde der
zweite Teilsatz von Art. 35 Abs. 1 gestrichen und damit die frühere
Gleichstellung der Warensendungen von geringem Handels- und Verkaufswert
mit den Warenmustern aufge hoben.

    cc)  In der neuen VV I vom 1. September 1967 (AS 1967 S. 1419) lautete
die Vorschrift über die Anwendung der Warenmuster-Taxe in Art. 46 Abs. 1:

    "Die Taxe für Warenmuster ist nur auf unverschlossene Sendungen
anwendbar, die der kostenlosen Bemusterung im Handelsverkehr dienen."

    (Die Vorschrift, dass die Sendungen unverschlossen sein müssten,
befand sich bis 1966 im Gesetz; sie wurde dort gestrichen und in die VV
I übernommen.)

    dd)  Durch BRB vom 12. Mai 1971 wurde Art. 46 Abs. 1 VV I neu gefasst
(AS 1971 S. 683):

    "Als Warenmuster gelten unverschlossene Sendungen mit Warenproben
oder Teilen einer Ware, die vom Hersteller oder Verkäufer oder ihren
Vertretern zur kostenlosen Bemusterung der zum Kauf angebotenen Ware
aufgegeben werden."

    B.- a) Die Firmen Gebrüder Ackermann AG, Entlebuch, und Beyeler AG,
Lenzburg, sind Versandunternehmen der Textilbranche. Sie verschicken an
Interessenten Musterhefte, die über die Produkte orientieren und dem Kunden
erlauben, die für ihn in Frage kommenden Artikel auszuwählen und auf dem
Korrespondenzweg zu bestellen. Die Kunden schicken die Musterkataloge
nach Gebrauch an die Versandgeschäfte zurück.

    Die Musterhefte der Firma Gebrüder Ackermann AG enthalten neben
gedruckten Beschreibungen und Preisangaben sowie farbigen Abbildungen
der zum Verkauf angebotenen Kleidungsstücke auch kleine in den Text
eingeklebte Muster von Stoffen und Strickwolle. - Die Musterhefte der
Beyeler AG bestehen aus einer Kollektion von Garnmustern mit kurzen
Angaben über die Eigenschaften der offerierten Garne.

    b) Bis 1970 wurde für diese Musterhefte sowohl auf dem Versandweg
(von der Firma zu den Kunden) als auch auf dem Rücksendungsweg (von den
Kunden an die Firma) die Taxe für Warenmuster angewendet. Am 10. Juni 1970
teilte die Postbetriebsabteilung der Firma Gebrüder Ackermann AG mit,
durch den BRB vom 1. März 1966 sei Art. 35 Abs. 1 der VV I abgeändert
und der Warenmusterbegriff eingeschränkt worden; demzufolge müssten nun
die Rücksendungen von Musterheften an die Beschwerdeführerin zur Brief-
oder Pakettaxe frankiert sein, es liege auf dem Rückweg keine Bemusterung
mehr vor, sondern es handle sich um ganz gewöhnliche Warensendungen.

    Eine gleichlautende Verfügung ging am 7. Juli 1970 an die Beyeler AG

    c) Die beiden Versandgeschäfte fochten die Verfügungen der
Postbetriebsabteilung bei der Generaldirektion der PTT an. Diese wies am
30. Juni 1971 die beiden Beschwerden ab und bestätigte die Verfügungen
der Postbetriebsabteilung unter Verzicht auf einen Taxnachbezug. Die
beiden Entscheide enthalten den Hinweis, dass auf den 1. Juli 1971 eine
Neufassung des Art. 46 VV I in Kraft trete, welche den Warenmusterbegriff
im Sinne der angefochtenen Verfügungen eindeutig definiere.

    d) Die beiden betroffenen Firmen reichten gegen die Entscheidungen
der Generaldirektion PTT beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ein mit dem Antrag, die Beschwerdeentscheide der Generaldirektion der
PTT vom 30. Juni 1971 und die Verfügungen der Postbetriebsabteilung vom
10. Juni 1970 bzw. 7. Juli 1970 seien aufzuheben und es sei festzustellen,
dass auf die an die Beschwerdeführerinnen zurückgehenden Sendungen von
Musterkatalogen die Taxe für Warenmuster anzuwenden sei.

    e) Die Generaldirektion PTT beantragt, es sei auf die beiden
Beschwerden nicht einzutreten, eventuell seien die Beschwerden abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- ...

Erwägung 2

    2.- Der Begriff "Drucksache", der im PVG nicht definiert ist, wird
in Art. 51 VV I (vom 1. September 1967) folgendermassen umschrieben
(AS 1967 S. 1420):

    "Als gewöhnliche Drucksachen im Sinne von Art. 17 des
Postverkehrsgesetzes gelten:

    a)  einen Text oder eine Abbildung ergebende Abdrucke auf
Papier oder papierähnlichen Stoffen, die in einem Hoch-, Tief- oder
Flachdruckverfahren mit den im graphischen Gewerbe hiefür gebräuchlichen
Maschinen hergestellt sind. Der Absender hat nötigenfalls den Nachweis
über das Herstellungsverfahren zu leisten;

    b)  die mit Kopierapparaten und -maschinen hergestellten
Vervielfältigungen, sofern wenigstens 20 Sendungen mit vollkommen gleichen
Abzügen gleichzeitig am Schalter aufgegeben werden;

    c)  Abdrucke, die auf der Anwendung verschiedener mechanischer
Vervielfältigungsverfahren beruhen, sofern die unter a und b vorgesehenen
Bedingungen erfüllt sind;

    d)  Photographien, auch solche in Alben, und Lichtpausen."

    Nach dieser Vollzugsvorschrift ist die Anwendung der Drucksachentaxe
auf gedruckte oder irgendwie vervielfältigte Texte und Abbildungen
beschränkt. Weder aus dem Wort "Drucksache" noch aus der eher etwas über
den allgemeinen Sprachgebrauch hinausgehenden Definition im zitierten
Art. 51 VV I lässt sich ableiten, dass Kataloge, welche kleine Warenproben
enthalten, noch unter den Begriff der Drucksache zu subsumieren
sind. Die früher in der VV I vom 23. Dezember 1955 vorgesehenen
Mischsendungen (Art. 38), welche gemischte Sendungen mit Warenmustern
und Drucksachen bis zu einem Gesamtgewicht von 500 g betrafen, wurden
der Warenmuster-Taxe unterstellt. Nichts spricht dafür, dass jetzt nach
der Aufhebung der Bestimmung über Mischsendungen auf Musterkataloge die
Drucksachentaxe anwendbar sein soll. Auf die äussere Form (Buch, Heft) kann
nicht abgestellt werden, sonst käme auf flache Warenmuster, die sich in
Bücher oder Hefte einfügen lassen, eine andere Taxe zur Anwendung als auf
Warenproben, bei denen diese direkte Verbindung mit gedrucktem Text oder
Abbildungen nicht möglich ist. Auch eine Regelung, nach welcher die Taxe
gemäss dem überwiegenden gewichtsmässigen oder volumenmässigen Anteil der
Warenmuster bzw. des Gedruckten an der Sendung zu bestimmen wäre, dürfte
kaum befriedigend sein und lässt sich auf jeden Fall nicht aus dem PVG oder
der VV I ableiten. Es erscheint als durchaus folgerichtig, jede Sendung,
die ausser Drucksachen auch Warenmuster enthält, als Warenmuster-Sendung
zu behandeln und die entsprechende Taxe zur Anwendung zu bringen.

    Dadurch, dass die Generaldirektion PTT die Musterkataloge der Firma
Gebrüder Ackermann AG nicht als Drucksachen behandelte, wurde somit
nicht Bundesrecht verletzt. Die Firma selber hat übrigens offenbar bis
zu diesem Streit über die Taxe für die Rücksendung von Warenmustern die
Warenmuster-Qualität ihrer Kataloge nie bezweifelt.

Erwägung 3

    3.- a) Der seit dem 1. Juli 1971 in Kraft stehende Art.  46 Abs. 1
VV I bestimmt, dass die Taxe für Warenmuster nur auf Sendungen zur
Anwendung kommen soll, "die vom Hersteller oder Verkäufer oder ihren
Vertretern zur kostenlosen Bemusterung der zum Kauf angebotenen Ware
aufgegeben werden". Damit ist die Anwendung der Warenmuster-Taxe auf
Rücksendungen von Musterkatalogen durch den Kunden an den Verkäufer
ausgeschlossen. Die zuvor zwischen den Beschwerdeführerinnen einerseits und
der PTT anderseits streitige Frage wurde in der Neufassung von Art. 46 VV
I bewusst geregelt. Zu prüfen bleibt, ob diese Regelung mit dem Gesetz
im Einklang steht oder ob der Bundesrat durch diese Einschränkung der
Anwendbarkeit der Warenmuster-Taxe die ihm eingeräumte Befugnis zum Erlass
von Vollzugsvorschriften überschritten hat (vgl. BGE 94 I 88 E. 1 und
396 ff., SALADIN in ZBl 1966 S. 194).

    b) Gemäss Art. 67 PVG sind die zum Vollzug des Gesetzes erforderlichen
Vorschriften vom Bundesrat zu erlassen. In Art. 68 PVG wird bestimmt,
dass der Bundesrat die im Gesetz festgesetzten Taxen herabsetzen und
inbezug auf Gewichtssätze und Entfernungsstufen Erleichterungen gewähren
kann. In der frühern Fassung von Art. 68 PVG, die bis 1967 galt, wurde
noch ausdrücklich gesagt, eine Änderung im entgegengesetzten Sinne (also
zu Lasten der Postbenützer) könne nur auf dem Gesetzesweg erfolgen. Dieser
Satz wurde bei der Revision von 1966 gestrichen, "weil selbstverständlich"
(BBl 1966 I 1088). Art. 13 lit. g des BG über die Organisation der Post-,
Telephon- und Telegraphenbetriebe in der Fassung vom 19. Dezember 1969
weist heute die Kompetenz, die Inlandtaxen für Briefe, Postkarten,
Warenmuster etc. festzusetzen, ausdrücklich der Bundesversammlung zu.

    c) Da eine gesetzliche Definition des Warenmusters fehlt, drängte
es sich auf, im Rahmen der Vollzugsvorschriften eine Umschreibung zu
schaffen. Mit Formulierungen wie "zur Bemusterung im Handelsverkehr
dienende Sendungen" (VV I 1955) oder "Sendungen, die der kostenlosen
Bemusterung im Handelsverkehr dienen" (VV I 1967) wird entsprechend dem
allgemeinen Sinn, den das Wort Warenmuster hat, zum Ausdruck gebracht,
dass es sich bei diesen Sendungen um Warenproben handelt, die nicht
wegen ihres Verbrauchswertes zugestellt werden, sondern als Muster, um
dem Kunden die Beurteilung der offerierten Ware zu ermöglichen und den
Entschluss zum Kauf zu erleichtern.

    In einer ersten Phase, die bis 1966 dauerte, wurde die Anwendbarkeit
der Warenmuster-Taxe deutlich über die eigentlichen Mustersendungen hinaus
ausgedehnt auf Warensendungen von geringem Handels- und Verkaufswert. Diese
Ausdehnung wurde durch den BRB vom 1. März 1966 aufgehoben (Streichung
des Teilsatzes in Art. 35 Abs. 1 VV I 1955). Seither ist die Anwendung der
Warenmuster-Taxe klar beschränkt auf Warensendungen, die der Bemusterung
dienen.

    d) Bis 1970 wurde auch von seiten der PTT nie ein Unterschied zwischen
der Mustersendung an den Kunden und der Rücksendung gemacht. Diese
Praxis wurde hinterher damit begründet, dass eben bis 1966 auch andere
Warensendungen von geringem Wert, nicht nur die der Bemusterung dienenden
Sendungen, gemäss ausdrücklicher Vorschrift zur Warenmuster-Taxe befördert
worden seien; seit der Änderung der VV I durch den BRB vom 1. März 1966
aber sei der Begriff des Warenmusters in der VV I auf Mustersendungen
vom Verkäufer an den Kunden limitiert, denn nur auf diesem Wege diene
die Warenprobe der Bemusterung. Mit dieser Argumentation wird 1970 ein
neues Kriterium als massgebend bezeichnet; für die Anwendbarkeit der
Warenmuster-Taxe soll nicht mehr ausschliesslich die Beschaffenheit
und die Zweckbestimmung des Inhaltes massgebend sein, sondern es soll
entscheidend darauf ankommen, ob die konkrete Sendung an einen Kunden
geht oder ob es sich um eine Rücksendung handelt. Diese Einschränkung der
Warenmuster-Taxe auf entsprechende Sendungen an Kunden unter Ausschluss
der Rücksendung lässt sich nicht aus der Änderung der VV I durch den BRB
vom 1. März 1966 ableiten. Mit der Streichung des Teilsatzes über die
Anwendung der Warenmuster-Taxe auf andere Sendungen von geringem Wert
wollte man offensichtlich jene bisher unter Art. 35 Abs. 1 VV I fallenden
Warensendungen, die mit Handelsverkehr und Bemusterung nichts zu tun
haben, vom Anwendungsbereich dieser günstigen Taxe ausschliessen. Dass der
Bundesrat mit jener Änderung auch die Rücksendung eigentlicher Warenmuster
an das Versandgeschäft von der Warenmuster-Taxe habe ausnehmen wollen,
ist durch nichts belegt. Hätte man auch diese ganz andersartige und
praktisch wichtige Einschränkung herbeiführen wollen, so hätte dies im BRB
vom 1. März 1966 oder spätestens in der neuen VV I vom 1. September 1967
deutlich zum Ausdruck gebracht werden können, wie dies jetzt durch den BRB
vom 12. Mai 1971 geschehen ist. Ein wichtiges Indiz gegen die Behauptung,
man habe den Begriff des Warenmusters schon immer nur als Mustersendung
vom Verkäufer an den Kunden verstanden, ist die Tatsache, dass die Organe
der PTT weder nach dem Inkrafttreten des BRB vom 1. März 1966 noch bei
der Einführung der neuen VV I vom 1. September 1967 die Taxberechnung
für die Rücksendung von Musterkatalogen änderten. Wenn auch heute über
Sinn und Bedeutung der frühern Fassungen der einschlägigen Bestimmungen
der VV I nicht zu entscheiden ist, so zeigt der Rückblick doch, dass die
Organe der PTT den Begriff des Warenmusters bis 1970 so interpretiert
haben, wie ihn die Beschwerdeführerinnen jetzt verstanden wissen wollen,
nämlich als Bezeichnung des Inhaltes, nicht als Umschreibung des Zwecks
der konkreten Sendung.

    e) In diesem Verfahren ist zu entscheiden, ob der Begriff des
Warenmusters, wie er im PVG verwendet wird, durch den Bundesrat in der
Vollziehungsverordnung so abgegrenzt werden darf, dass die Rücksendung
eines Warenmusters nicht unter die Warenmuster-Taxe fällt.

    Vom rein abstrakten logischen Standpunkt aus, ist die Argumentation
der Generaldirektion PTT vertretbar: Man könnte die Warenmuster-Taxe im
Postverkehr auf Sendungen an Kunden unter Ausschluss der Rücksendung
beschränken. Ob sachliche Gründe der Tarifgestaltung für eine solche
Differenzierung sprechen, kann an dieser Stelle offen bleiben. - Es
geht hier nicht darum, die Haltbarkeit einer neuen Umschreibung des
Warenmuster-Begriffes in abstracto zu prüfen, sondern es ist festzustellen,
ob der Bundesrat auf dem Verordnungsweg im Rahmen des geltenden PVG diese
neue Abgrenzung des Warenmuster-Begriffs vornehmen durfte. Die Schöpfer
des PVG gingen historisch gesehen eindeutig von einem weitern, auch die
Rücksendung von Warenproben umfassenden Warenmuster-Begriff aus. Das
ergibt sich aus der langjährigen Praxis der PTT. Noch in der Botschaft
des Bundesrates zur Revision des PVG vom 6. Juni 1966, in welcher
Ausführungen über die Belastung der Post mit solchen Sendungen gemacht
wurden zur Begründung einer Erhöhung der Taxsätze, wird mit keinem Wort
darauf hingewiesen, dass für Rücksendungen von Warenmustern inskünftig die
ordentlichen Brief- oder Pakettaxen zu bezahlen seien (BBl 1966 I 1072 f).
Über die kurz vorher vorgenommene Beschränkung des Warenmuster-Begriffs
im BRB vom 1. März 1966 heisst es, der Bundesrat habe in Anlehnung an die
internationalen Postvorschriften verfügt, "dass nur noch der eigentlichen
Bemusterung dienende Gegenstände zur Warenmustertaxe aufgegeben werden
können". Dieser Satz in Verbindung mit der Weiterführung der bisherigen
Taxberechnung bei Muster-Rücksendungen bestätigt, dass man zu jener Zeit
nicht daran dachte, Rücksendungen von der Warenmuster-Taxe auszuschliessen.

    Auch in den ausführlichen Vorschriften, welche auf internationaler
Ebene über die Warenmuster bestanden, bevor der Weltpostkongress 1969 in
Tokio die Kategorie der Warenmuster im Weltpostvertrag aufhob (BBl 1970 II
769), findet sich keine Einschränkung des Warenmuster-Begriffs nach der
wirtschaftlichen Funktion von Absender und Empfänger: Im Weltpostvertrag
von 1957 (Ottawa) wurde im Fehlen eines Handelswertes das entscheidende
Merkmal des Warenmusters gesehen (Art. 49 Ziff. 10). Eine Beschränkung
der Warenmuster-Taxe auf Sendungen vom Verkäufer an den Kunden lässt sich
diesen internationalen Regeln nicht entnehmen.

    f) Die herkömmliche und durch die langjährige Praxis der Post
bestärkte Auffassung, auf eine der Bemusterung dienende Warenprobe komme
auch bei der Rücksendung die Warenmuster-Taxe zur Anwendung, steht mit
einer unvoreingenommenen Auslegung des Wortes "Warenmuster" keineswegs
in Widerspruch. Die Bezeichnung "Warenmuster" weist auf die Art und
Zweckbestimmung des Gegenstandes hin. Musterkataloge, Mustersammlungen,
der Bemusterung dienende Warenproben fallen unter diesen Begriff. Eine
Beschränkung auf die dem Angebot an den Kunden dienende Sendung ergibt
sich aus dem Wort nicht. Die jetzt von der Generaldirektion PTT vertretene
Auffassung, beim Warenmuster handle es sich begrifflich um eine Sendung,
deren Inhalt in der Regel beim Kunden bleibe, stimmt insofern mit dem
Sprachgebrauch nicht überein, als Musterhefte, Musterbücher (z.B. Tapeten,
Stoffe, Papier usw.), Musterkataloge, Musterkollektionen (z.B. Bodenbeläge,
Leder usw.) - auch nach Auffassung der PTT - typische Warenmuster sind,
aber nach allgemeiner Übung als Eigentum des Verkäufers oder seines
Vertreters dem einzelnen Kunden nur temporär zur Verfügung gestellt
werden. Daneben gibt es auch Warenmuster, die beim Kunden bleiben,
weil er das Produkt ausprobieren oder die Möglichkeit haben soll, die
Übereinstimmung der spätern Lieferung mit dem Muster zu prüfen. Der in
Deutschland heute gebräuchliche Begriff "Warenprobe" bezeichnet vielleicht
eher diese zweite Art von Warenmustern. Der im PVG verwendete Ausdruck
Warenmuster umfasst nach dem eindeutigen Sprachgebrauch auch Musterbücher
und Musterkollektionen, die im allgemeinen nicht beim Kunden bleiben,
sondern an den Verkäufer retourniert werden. Aus dem Warenmuster-Begriff
lässt sich somit kein Ausschluss der Rücksendung von der Warenmuster-Taxe
ableiten.

    Wenn der Gesetzgeber schon den Handel auf Grund von Warenmustern
durch eine niedrige Posttaxe begünstigen wollte, dann fehlt überdies
ein überzeugender Grund, um die zu dieser Geschäftstätigkeit gehörende
Rücksendung von Musterkollektionen von der günstigen Taxe auszuschliessen.
Ein Interesse der Post, dass das Warenmuster beim Kunden bleibt, oder eine
die höhere Taxe begründende Mehrarbeit der Post bei solchen Rücksendungen
ist nicht erkennbar.

    g) Wenn auch dem Bundesrat bei der Ausgestaltung der
Vollzugsvorschriften zum PVG ein gewisses Ermessen zukommt, so darf er
auf diesem Wege doch nicht durch eine vom Sprachgebrauch und von der
bisherigen Praxis abweichende Interpretation eines gesetzlichen Terminus
eine erhebliche Erhöhung der Posttaxen für eine ganze Kategorie von
Sendungen anordnen. Zwar wird durch Art. 46 Abs. 1 VV I in der Fassung
vom 12. Mai 1971 nicht die zahlenmässige gesetzliche Fixierung einer
Posttaxe geändert, aber es wird durch die neue restriktive Interpretation
des Begriffs "Warenmuster" in Abänderung der bis zum 30. Juni 1971
angewandten Taxberechnung für die Rücksendung von Musterheften,
Musterkatalogen usw. eine Erhöhung der Posttaxe herbeigeführt. Dieses
Vorgehen überschreitet die in Art. 67 und 68 erteilte Befugnis zum
Erlass von Vollziehungsvorschriften. Der Bundesrat konnte, wie er dies
bis 1966 getan hat, die Warenmuster-Taxe zu Gunsten der Postbenützer
extensiv auch auf andere Warensendungen zur Anwendung bringen. Es ist
ihm aber verwehrt, den gesetzlichen Warenmuster-Begriff zu Lasten der
Postbenützer in Abweichung vom Sprachgebrauch und von der langjährigen
Praxis der Postorgane einschränkend zu umschreiben. Ob der Bundesrat
in eigener Kompetenz von ihm statuierte begünstigende, über das Gesetz
hinausgehende Ausweitungen des Anwendungsbereichs einer Taxe wieder
aufheben kann, ist hier nicht zu beurteilen; denn - wie oben dargelegt
wurde - entspricht die Anwendung der Warenmuster-Taxe auf Rücksendungen
dem Gesetzestext und kann nicht als ein über das Gesetz hinausgehendes
besonderes Entgegenkommen betrachtet werden.

    h) Die im angefochtenen Art. 46 Abs. 1 VV I vorgenommene Änderung
der Auslegung des Warenmuster-Begriffs kommt praktisch einer Taxerhöhung
gleich. Nachdem die Posttaxen vom Gesetzgeber bestimmt werden, drängt
es sich auch von der sachlichen Bedeutung des Entscheides her auf,
eine im Widerspruch zur langjährigen Praxis stehende, den Postbenützer
belastende Änderung durch den Gesetzgeber vornehmen zu lassen. Der
Gesetzgeber wird dann darüber zu befinden haben, ob die Differenzierung
zwischen Hin- und Rückweg gerechtfertigt ist oder ob das finanzielle
Ziel nicht richtigerweise einfach mit einer entsprechenden Erhöhung der
Warenmuster-Taxe (ohne Ausschluss der Rücksendung) erreicht werden soll.

Erwägung 4

    4.- Da die im neuen Art. 46 Abs. 1 VV I vorgenommene Änderung der
Taxberechnung mit dem PVG nicht im Einklang steht und als Überschreitung
der Kompetenz zum Erlass von Vollzugsvorschriften zu qualifizieren ist,
sind die Beschwerden in diesem Sinne teilweise gutzuheissen.

    Es erübrigt sich, auf die Rüge der Verletzung von Art. 4 BV
einzutreten.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1.- In teilweiser Gutheissung der Beschwerden wird festgestellt,
dass auf die Rücksendung von Musterkatalogen und Musterheften an die
Beschwerdeführerinnen die Taxe für Warenmuster anzuwenden ist.

    2.- Im übrigen werden die Beschwerden abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.