Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IB 120



98 Ib 120

18. Auszug aus dem Urteil vom 24. März 1972 i.S. Einwohnergemeinde
Bremgarten und Konsorten gegen Aargauisches Elektrizitätswerk, Kanton
Aargau und Eidg. Departement des Innern. Regeste

    Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die
Forstpolizei und Vollziehungsverordnung dazu (FPolG; FPolV); Bundesgesetz
über den Natur-und Heimatschutz (NHG); Rodung in einer Schutzwaldung.

    1.  Kreis der nach Art. 12 NHG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
legitimierten Vereinigungen (Erw. 1).

    2.  Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 2).

    3.  Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen nach Art. 26
FPolV und Art. 3 NHG beim Entscheid über die Bewilligung der Rodung
(Erw. 4 a und b).

    4.  Wo innerhalb des Regulierungsperimeters zum Ersatz für eine Rodung
aufgeforstet werden soll, ist Ermessensfrage (Erw. 4 c).

Sachverhalt

                   Auszug aus dem Sachverhalt:

    A.- Der Kanton Aargau erliess am 15. Oktober/14.  Dezember 1969
das Reusstalgesetz. § 1 nennt als dessen Zweck, die Gemeinden Aristau,
Hermetschwil, Jonen, Merenschwand, Mühlau, Oberlunkhofen, Rottenschwil und
Unterlunkhofen vor Überschwemmungen durch die Reuss und deren Seitenbäche
zu schützen, sie zu entwässern und soweit erforderlich zu meliorieren.

    Der Bund sicherte durch Bundesbeschluss vom 10. März 1971 dem Kanton
Aargau einen Bundesbeitrag von 30% der tatsächlichen Kosten - nach Abzug
des Kostenbeitrages des Kraftwerkes Bremgarten-Zufikon - zu.

    Im Zusammenhang mit der Reussmelioration soll das Kraftwerk
Bremgarten-Zufikon neu gebaut werden. Das bisherige Kraftwerk, das aus
der Frühzeit der Elektrizitätswirtschaft stammt, wird in einem Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 11. Januar 1972 als baufällig
bezeichnet. Gegen die Erteilung der Konzession für das neue Kraftwerk
hatten sich starke Widerstände in der Bevölkerung geregt. Hauptträger der
Opposition ist der Reusstalbund, Aargauische Vereinigung zum Schutze der
Fluss- und Seelandschaften. Trotz der Opposition wurde die Konzession für
die Wasserkraftnutzung der Reuss am 23. November 1967 mit Inkrafttreten
auf den 1. Mai 1970 vom Regierungsrat mit Genehmigung des Grossen Rates
erteilt.

    Über die Beziehungen zwischen dem Kraftwerkbau und der
Reusstalsanierung bestimmt § 10 des Reusstalgesetzes:

    "1 Das Kraftwerk Bremgarten-Zufikon ist Bestandteil der Sanierung
der Reussebene. Die Projekte für den wasserbaulichen Teil, den
meliorationstechnischen Teil und das Kraftwerk BremgartenZufikon sind
aufeinander abgestimmt.

    2 Die Ausführung des wasserbaulichen Teils, des meliorationstechnischen
Teils und des Kraftwerkes Bremgarten-Zufikon ist zu koordinieren.

    3 Bau-, Betriebs- und Unterhaltskosten der Bauten und Anlagen, die
sowohl dem wasserbaulichen Teil als auch dem Kraftwerk Bremgarten-Zufikon
dienen, sind vom Regierungsrat nach Massgabe des Interesses auf Staat und
Kraftwerk zu verlegen. Durch diesen Kostenverteiler darf der Stromkonsument
nicht zusätzlich belastet werden."

    Die Gegner des Reusstalgesetzes führten gegen die Erteilung der
Baubewilligung für das Kraftwerk Beschwerde beim Regierungsrat und beim
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, wurden aber vom letzteren mit
Entscheid vom 11. Januar 1972 abgewiesen.

    Die Reusskorrektion oberhalb von Bremgarten und die Errichtung
des neuen Kraftwerkes bedingen teils dauernde, teils vorübergehende
Eingriffe in die Waldungen der Uferböschungen der Reuss. Der Schutz dieser
Uferwaldungen ist ein Hauptanliegen der Gegner des Kraftwerkbaus.

    Zum Schutze der Uferwaldungen wurden in Art. 4 des
Subventionsbeschlusses des Bundes folgende Bestimmungen aufgenommen:

    "1. Die Rodungen sind auf das unbedingt Notwendige zu beschränken und
durch flächengleiche Aufforstungen im Regulierungsperimeter zu ersetzen.

    2. In den beteiligten Gemeinden sind im Rahmen des Gesamtperimeters
Waldperimeter auszuscheiden, in denen die Rodungen und die
Ersatzaufforstungen festgelegt werden. Für die Ersatzaufforstungen sind
frühzeitig die erforderlichen Flächen zu reservieren.

    3. ..."

    Der Reussflusslauf gilt als eine Landschaft, deren Erhaltung von
nationaler Bedeutung ist; die Uferwälder sind Schutzwaldungen im Sinne
von Art. 3 Abs. 2 des BG betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über
die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 (FPolG).

    B.- Das Eidg. Departement des Innern (EDI) bewilligte am 24. November
1971 "generell" die im Zusammenhang mit der Reusstalmelioration
erforderlichen Rodungen im Ausmass von "ungefähr 30 ha". Es hielt fest,
die Rodungen seien auf das unbedingt Notwendige zu beschränken und durch
flächengleiche Aufforstungen im Regulierungsperimeter - wenn möglich in
der Reussebene - zu ersetzen. Gleichzeitig erteilte es die Bewilligung,
in einer ersten Etappe 12'850 m2 Wald zu roden.

    C.- Gegen diese Verfügung des EDI führen die Einwohnergemeinde
Bremgarten, der Reusstalbund sowie eine Anzahl regionaler und
gesamtschweizerischer Verbände Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Gemeinde Bremgarten beruht auf
einem entsprechenden Beschluss der Gemeindeversammlung. Es werden darin
folgende Begehren gestellt:

    "Die Rodungsbewilligung des Eidg. Departements des Innern sei aus
Gründen des Natur- und Heimatschutzes nach Massgabe des bezüglichen BG
vom 1. Juli 1966 zu verweigern.

    Sollte die Rodungsbewilligung geschützt werden, sei nach Massgabe
der Subventionsverhandlungen über das Reusstalgesetz im Nationalrat der
am Reussufer gerodete Wald wieder in der Uferzone aufzuforsten.

    Als Mindestforderung sei das Inkrafttreten der Rodungsbewilligung
zeitlich soweit zu verschieben, bis über die Initiative 'Freie Reuss'
rechtskräftig entschieden ist."

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Reusstalbundes, die
sich inhaltlich mit den Verwaltungsgerichtsbeschwerden der weiteren
beschwerdeführenden regionalen und gesamtschweizerischen Verbände deckt,
rügt im wesentlichen folgendes:

    Das Verfahren vor dem EDI sei mangelhaft und in Verletzung der
Richtlinien des Schweiz. Forstvereins für Rodungsgesuche durchgeführt
worden. Insbesondere fehlten ein Zeitplan für die Rodung und
genaue Angaben über die Rodungsflächen und die als Ersatz geplanten
Aufforstungsflächen.

    Als Ersatz für die Rodung der ersten Etappe solle ganz am Rande des
Rodungsperimeters in der "Nüeschhau/Besenweid" aufgeforstet werden. Dies
widerspreche aber der Verschärfung der Rodungsbestimmungen, die der
Nationalrabeschlossen habe (StenBull NR 1971, 178/79).

    Auch weitere Aufforstungen in der "Nüeschhau/Besenweid" entsprächen
nicht dem Willen des Gesetzgebers bzw. des Bundesbeschlusses. Vorgängig
der Erteilung irgendeiner Rodungsbewilligung müsse ein Gesamtplan erstellt
werden. Nur ein Gesamtplan gewährleiste die Respektierung der Vorschriften
des Bundesbeschlusses. Er müsste die gesamten Wiederaufforstungsflächen
bezeichnen und auch die Rodungen für den meliorationstechnischen Teil
aufführen. Bis jetzt seien aber nicht einmal die zu rodenden Flächen
endgültig bestimmt.

    Die bewilligten Rodungen verletzten Art. 26 FPolV, denn ein
"gewichtiges, das Interesse an der Waldhaltung überwiegendes Bedürfnis
für die Rodung" fehle. Das Interesse an der ungeschmälerten Erhaltung
der Reusslandschaft wiege wesentlich schwerer als das Interesse an der
Errichtung des Kraftwerkes.

    Das geplante Flusskraftwerk sei heutzutage nicht mehr
wirtschaftlich. Vor allem aber werde bestritten, dass es einen wichtigen
Bestandteil der Reusstalmelioration darstelle. Der Hochwasserschutz könne
ohne Kraftwerkbau durch Verstärkung und Erhöhung der heute bestehenden
Dämme und die Erhaltung der Feuchtbiotope durch Beibehaltung des Stausees
des heutigen Kraftwerkes Zufikon gewährleistet werden. Dazu wären lediglich
Rodungen im Umfange von etwa 1 ha notwendig.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau, das Aaargauische
Elektrizitätswerk und das Eidgenössische Departement des Innern beantragen
Abweisung der Beschwerde.

    Die Eidg. Natur- und Heimatschutzkommission beschloss am 24. November
1971, sie stelle sich "einhellig hinter die Gesamtlösung", auch wenn
grössere Waldrodungen nicht zu umgehen seien. Wesentlich sei die
Wiederaufforstung innerhalb des Regulierungsperimeters.

    E.- Eine Abordnung des Bundesgerichts nahm am 14. März 1972 in
Bremgarten einen Augenschein vor.

    In einem Schreiben vom 21. März 1972 erklärte das EDI, mit seiner
Verfügung vom 24. November 1971 habe es die Rodung von 30 ha Wald
bewilligt. Die Freigabe einzelner Rodungsetappen sei im Rahmen der im
Bundesbeschluss vom 10. März 1971 verankerten Überwachung der Vorschriften
betr. Rodungen und Aufforstungen zu verstehen. Gegen die Freigabe der
folgenden Rodungsetappen könne keine Verwaltungsgerichtsbeschwerde mehr
geführt werden.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 12 NHG sind ausser den durch eine Verfügung direkt
berührten Personen auch die Gemeinden und die gesamtschweizerischen
Vereinigungen, "die sich statutengemäss dem Natur- und Heimatschutz oder
verwandten, rein ideellen Zielen widmen", zur Beschwerde legitimiert. Die
Beschwerdelegitimation der Gemeinde Bremgarten ist somit ohne weiteres
zu bejahen (vgl. BGE 98 I b 15 E. 1a).

    Regionale Vereinigungen sind nicht zur Beschwerde legitimiert. Die
Beschwerdelegitimation des Reusstalbundes, der sich ausdrücklich als
"Aargauische Vereinigung zum Schutze der Fluss- und Seelandschaften"
bezeichnet, und des Kantonalverbandes Aargau des Touristenvereins "Die
Naturfreunde" muss deshalb verneint werden.

    Die Beschwerdelegitimation soll grundsätzlich nur solchen
gesamtschweizerischen Vereinigungen zukommen, die sich hauptsächlich dem
Natur- und Heimatschutz oder verwandten, rein ideellen Zwecken widmen. Die
beiläufige Erwähnung des Natur-und Heimatschutzes oder verwandter,
rein ideeller Zwecke in den Statuten einer gesamtschweizerischen
Sportvereinigung legitimiert diese Vereinigung deshalb nicht ohne weiteres
zur Beschwerdeführung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 NHG. Eine gewisse
Beschränkung der Beschwerdelegitimation drängt sich schon deshalb auf, weil
die entscheidende Behörde nach Möglichkeit die beschwerdeberechtigten
Vereinigungen über Verfügungen orientieren sollte, die Anlass zu
einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 12 NHG geben könnten;
denn bevor eine beschwerdeberechtigte Vereinigung von der Verfügung
Kenntnis nehmen konnte, läuft ihr gegenüber keine Anfechtungsfrist. Diese
Orientierung kann aber nur dann alle beschwerdeberechtigten Vereinigungen
erfassen, wenn deren Kreis überblickbar bleibt. Eine weite Auslegung
von Art. 12 Abs. 1 NHG wäre deshalb der Rechtssicherheit abträglich
(vgl. BGE 96 I 691). Der Schweizerische Kanuverband, der Verband
Schweizerischer Wasserfahrvereine, der Satus-Wasserfahrerverband der
Schweiz, der Schweizerische Fischerei-Verband sowie der Schweizerische
Pontonier-Fahrverein verfolgen im wesentlichen sportliche Ziele. Den Natur-
und Heimatschutz pflegen sie im Rahmen dieser sportlichen Ziele. Da ihnen
somit die Beschwerdelegitimation im vorliegenden Falle fehlt, kann auf
ihre Beschwerden nicht eingetreten werden.

    Dagegen sind die Aqua Viva, Nationale Aktionsgemeinschaft zur Erhaltung
der Flüsse und Seen, und der Rheinaubund, Schweiz. Arbeitsgemeinschaft
für Natur und Heimat, zur Beschwerde legitimiert. Sie können auch eine
Verletzung der Forstgesetzgebung rügen (BGE 96 I 502, 691).

Erwägung 2

    2.- Die angefochtene Verfügung des EDI enthält

    -  eine "generelle" Bewilligung für die im Zusammenhang mit der
Reussmelioration (wasserbaulicher Teil) erforderlichen Rodungen im Ausmass
von ungefähr 30 ha;

    - die Bewilligung einer ersten Rodungsetappe über 12'850 m2 mit
Anweisung, wo die Ersatzaufforstungen durchzuführen sind;

    - Anweisungen für das Vorgehen bei den weiteren Rodungsetappen.

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist im Rahmen von Art. 97 ff. OG
nur zulässig gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwG. Ziff. 6 und
7 des angefochtenen Entscheides über die erste Rodungsetappe und die
im Zusammenhang damit erforderliche Ersatzaufforstung bilden solche
Verfügungen, denn sie begründen das Recht, zu roden, und die Pflicht,
aufzuforsten. Aber auch die "generelle" Rodungsbewilligung für ungefähr
30 ha Wald, die sich auf das Gesamtprojekt bezieht, muss zusammen mit
den damit verbundenen Anweisungen für das Vorgehen bei den nächsten
Rodungsetappen als solche Verfügung qualifiziert werden. Zwar begründet
sie im Unterschied zur Bewilligung für die erste Rodungsetappe nicht
ein Recht, zu roden, oder eine Pflicht, aufzuforsten. Diese Rechte
und Pflichten können bezüglich der restlichen Rodung erst begründet
werden, wenn Rodungs- und Aufforstungsflächen genau bekannt sind und
sich die Notwendigkeit der Rodung beurteilen lässt, was vorläufig nicht
zutrifft. Mit ihrer generellen Rodungsbewilligung stellt die Vorinstanz
hingegen im Sinne von Art. 25 VwG fest, dass Rodungen von ungefähr
30 ha, soweit sie für das Gesamtprojekt unbedingt notwendig sind, im
öffentlichen Interesse liegen. Zu den Verfügungen im Sinne von Art. 5
VwG zählen aber auch Feststellungsverfügungen. Sowohl die generelle
Rodungsbewilligung und die mit ihr verbundenen Anordnungen als auch die
Bewilligung für die erste Rodungsetappe können demnach grundsätzlich mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Da der angefochtene
Entscheid von einem Departement des Bundesrates ausgeht und keine der
in Art. 99 bis 102 OG aufgezählten Ausnahmen auf den vorliegenden Fall
zutrifft, sind die Beschwerden der Gemeinde Bremgarten, der Aqua Viva
und des Rheinaubundes nach Art. 98 lit. b OG zulässig. Im Zusammenhang
mit dem Entscheid über die generelle Rodungsbewilligung sind die auf das
Gesamtprojekt als solches bezüglichen Argumente der Beschwerdeführer zu
prüfen. Über sie wird hier endgültig entschieden. Dagegen steht es den
Beschwerdeführern frei, die Bewilligungen der weiteren Rodungsetappen
mit speziell die jeweils in Frage stehende Etappe betreffenden Argumenten
anzufechten.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerden könnten nur gutgeheissen werden, wenn dargetan
wäre, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt oder auf
einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhaltes beruht (Art. 104 lit. a und b OG).

    Zur Abklärung der Frage, ob die verlangten Rodungen im Sinne von Art. 4
Ziff. 1 des Subventionsbeschlusses vom 10. März 1971 unbedingt notwendig
sind, hat das Oberforstinspektorat einen Augenschein durchgeführt. Es
besteht keine bundesrechtliche Pflicht, über einen solchen Augenschein
ein Protokoll zu erstellen (vgl. Art. 19 VwG, Art. 55 und 56 BZP). An die
Richtlinien des Schweizerischen Forstvereins ist das EDI nicht gebunden. Im
vorliegenden Falle waren im übrigen dermassen eingehende Beratungen des
gesamten Reussprojektes vorausgegangen, dass dem EDI sicher nicht eine
ungenügende Abklärung des Sachverhaltes vorgeworfen werden kann, wenn es
auf Grund des Augenscheins und der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen
zum Schlusse kam, die Rodung der 12'850 m2 in unmittelbarer Nähe des
neuen Kraftwerkes sei unbedingt notwendig und die im Zusammenhang mit
der Reusstalmelioration erforderlichen Rodungen insgesamt erfolgten im
öffentlichen Interesse. Da die Ersatzaufforstung für die erste Rodung im
Regulierungsperimeter liegt - wenn auch unmittelbar an dessen Grenze -,
bestand auch keine Pflicht, näher abzuklären, ob es eventuell noch andere
geeignete Aufforstungsflächen näher bei der Reuss gäbe, die schon bei
der ersten Wiederaufforstungsetappe verwendet werden könnten.

    Die Beschwerdeführer rügen, dass noch kein Gesamtplan hinsichtlich
der zu rodenden und wieder aufzuforstenden Flächen vorliegt. Sie führen
aber keine Vorschrift des Bundesrechts an, wonach ein solcher Gesamtplan
vorgängig der Bewilligung einer ersten Rodungsetappe erstellt werden
müsste. Wohl mag die Erstellung eines solchen Gesamtplanes wünschenswert
sein, doch sind Fragen der blossen Zweckmässigkeit der Überprüfung durch
das Bundesgericht entzogen. Insbesondere kann keine Pflicht zur Erstellung
eines Gesamtplans aus Art. 25 ter FPolV abgeleitet werden. Art. 25 ter
FPolV ist lediglich von Bedeutung für die Bestimmung der Zuständigkeit
zur Beurteilung von Rodungsgesuchen (vgl. Art. 50 Abs. 2 FPolG, Fassung
vom 18. März 1971, sowie Art. 25 bis und 25 ter FPolV).

    Die Rüge der unrichtigen und unvollständigen Feststellung des
Sachverhaltes dringt somit nicht durch.

Erwägung 4

    4.- Eine Verletzung von Bundesrecht wird unter vier Gesichtspunkten
gerügt:

    -  Verletzt sei Art. 26 Abs. 1 FPolV; denn für den Bau des Kraftwerks
und die damit zusammenhängenden Rodungen fehle ein überwiegendes
öffentliches Interesse.

    - Verletzt sei das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz vom
1. Juli 1966; denn die Reusslandschaft sei eine Landschaft von nationalem
Interesse, deren ungeschmälerte Erhaltung oder grösstmögliche Schonung
durch Art. 6 dieses Bundesgesetzes geboten sei.

    - Verletzt sei Art. 4 Ziff. 1 des Bundesbeschlusses vom 10. März
1971 über die Zusicherung eines Bundesbeitrages an die Reusskorrektur
und die Melioration der Reusslandschaft; denn die Wiederaufforstung am
äussersten Rande des Regulierungsperimeters, 700 m vom Reussufer entfernt,
widerspreche dem Sinn und Geist dieser Bestimmung.

    - Es verletze die Rechtsgleichheit, dass für das Kraftwerk
Bremgarten-Zufikon eine Rodungsbewilligung erteilt werde, während für
ein Waldbad bei Bremgarten eine Rodungsbewilligung verweigert worden sei.

    a) Die Interessenabwägung nach Art. 26 FPolV ist grundsätzlich
Rechtsfrage. Verwaltungsbehörden und Bundesgericht haben sich dabei leiten
zu lassen von Art. 31 FPolG, Art. 26 FPolV und Art. 3 NHG (BGE 96 I 506).

    Doch kann das Bundesgericht die Interessenabwägung der
Verwaltungsinstanzen nur insoweit überprüfen, als diesen Instanzen
nach vorausgegangenen, rechtskräftig gewordenen Entscheiden noch ein
Entscheidungsspielraum bleibt.

    Im vorliegenden Falle war vorgängig der Konzessionserteilung an
das Aargauische Elektrizitätswerk ein Einspracheverfahren durchgeführt
worden, bei dem alle sich auf Art. 22 des Bundesgesetzes über die
Nutzbarmachung der Wasserkräfte (Wahrung der Schönheiten der Natur)
stützenden Einwendungen geltend gemacht werden konnten. Der Regierungsrat
hat sich seinerzeit bemüht, die Interessen des Kraftwerkes mit den
Interessen an der Gesamtmelioration der Reussebene zu koordinieren. Er
hat zu diesem Zweck eine besondere Fachkommission eingesetzt, die die
Belange des Natur- und Heimatschutzes eingehend prüfte. Dem Kraftwerk
wurden in der Konzession entsprechende Auflagen hinsichtlich Uferschutz
und Geländeschutz gemacht. Doch war die Kantonsregierung nur zuständig,
der Konzessionärin Zusicherungen hinsichtlich der Rodungen der Ufergehölze
zu machen, soweit dieselben noch keine Schutzwaldungen darstellten. Da
diese Uferwaldungen inzwischen Schutzwaldungen geworden sind, sind für
Rodungen von über 30 a ausschliesslich die Bundesbehörden zuständig. Die
Erteilung der Wasserrechtskonzession durch den Regierungsrat steht deshalb
der freien Interessenabwägung durch die forstpolizeilichen Instanzen des
Bundes und durch das Bundesgericht nicht entgegen.

    Dagegen ist bedeutsam, dass sowohl der aargauische Gesetzgeber als auch
die Bundesversammlung festgestellt haben, das Kraftwerk sei Bestandteil der
Sanierung der Reussebene. Dementsprechend sind auch die für das Kraftwerk
unbedingt notwendigen Rodungen Massnahmen zur Sanierung der Reussebene
und liegen insofern im öffentlichen Interesse. In der Botschaft zum
Subventionsbeschluss der Bundesversammlung (BBl 1970 II 403) wird über
die Bedeutung des Kraftwerkes folgendes ausgeführt:

    "Das Aargauische Elektrizitätswerk (AEW) will anstelle des bestehenden
alten Kraftwerkes Bremgarten-Zufikon ein neues, grösseres bauen, um
die jährliche Energieerzeugung von 12 auf rund 100 Millionen kWh zu
steigern. Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen haben ergeben, dass sich
im Zusammenhang mit der Melioration der Reussebene ein Neubau der Anlage
sehr wohl rechtfertigen lässt. Den Ausschlag für die Konzessionserteilung
gibt aber die Tatsache, dass der Bau dieses Werkes die Ausführung
der Reussebenemelioration im Interesse der Landwirtschaft wesentlich
erleichtert. Die vom AEW vorgesehenen Bauten und Anlagen, insbesondere
Dämme, Kanäle und Pumpwerke, dienen gleichzeitig dem Hochwasserschutz,
und sie verbilligen den wasserbaulichen Teil des Sanierungsprojektes
um rund 4,6 Millionen Franken. In bezug auf die Vorflutverhältnisse
ist festzuhalten, dass sie nur dank dem Kraftwerkbau so saniert werden
können, dass die Reusslandschaft nicht beeinträchtigt wird. Ein im
Jahre 1961 erstelltes reines Entwässerungsprojekt trug den Wünschen des
Naturschutzes zu wenig Rechnung. Es musste dann eine Verständigungslösung
gesucht werden. Diese liegt nun in dem Gesamtprojekt vor, das nur
in Verbindung mit dem Kraftwerkbau gleichzeitig die Interessen der
Entwässerung und Melioration der Reussebene, des Hochwasserschutzes
und des Landschaftsschutzes in bestmöglicher Weise zu berücksichtigen
erlaubt. Der Kraftwerkbau kann daher füglich als Bestandteil des ganzen
Sanierungswerkes bezeichnet werden."

    In der Vernehmlassung des EDI wird erklärt, dass der Aufstau der
Reuss von der heutigen Kote 375,5 m auf die Kote 380 m für die Kontrolle
der Grundwasserhaltung und den Weiterbestand der Naturschutzzonen nach
der Durchführung der Reusskorrektion unbedingt erforderlich sei. Der
Flachsee bei Unterlunkhofen habe auch grosse Bedeutung für die Erhaltung
der Vogelwelt. Durch die Verweigerung der Rodungen würden die Interessen
des Naturschutzes nicht etwa gewahrt, sondern geschmälert. Die äusserst
reichhaltigen Ried- und Auengebiete würden in ihrer ökologischen
Grundlage bedroht, wenn nicht aufgestaut würde. Nach Ansicht der
kantonalen Instanzen und der Bundesbehörden, der allerdings von den
Beschwerdeführern widersprochen wird, besteht also im vorliegenden
Falle kein Interessengegensatz zwischen den Anliegen des Natur- und
Umweltschutzes einerseits und den Bedürfnissen der Technik und der
Elektrizitätswirtschaft anderseits.

    Das schliesst nicht aus, dass zwischen einem der verschiedenen
Anliegen des Naturschutzes - der Erhaltung der Uferwaldungen - und den
übrigen Anliegen des Naturschutzes sowie den Anforderungen der Technik ein
Interessenkonflikt besteht: Ohne gewisse Rodungen der Uferwaldungen kann
das Gesamtwerk der Reussmelioration mit all seinen vielfältigen Funktionen
nicht verwirklicht werden. Dieser Konfliktssituation war sich nicht nur der
Kanton, sondern auch die Bundesversammlung voll bewusst. Dementsprechend
wurden im Plenum des Nationalrates die Bestimmungen über die zulässigen
Rodungen und den Standort der Ersatzaufforstungen gegenüber dem Entwurf des
Bundesrates noch verschärft (StenBull NR 1971, 166-179). Die Auflagen für
die Subventionsgewährung des Bundes gehen als lex specialis dem Art. 26
FPolV vor. Das eidg. Parlament hat damit selbst die Interessenabwägung
bereits vorgenommen, und zwar in dem Sinne, dass die unbedingt
notwendigen Rodungen im öffentlichen Interesse zulässig sind, sofern im
Regulierungsperimeter wieder aufgeforstet wird, dass aber weitergehende
Rodungen unzulässig sind.

    Demgegenüber glauben die Beschwerdeführer, massgebend sei vor allem
das Interesse an einer unveränderten Uferlandschaft. Sie übersehen
jedoch, dass dies nur ein Teilaspekt der gesamten Reusskorrektion und
der Melioration der Reussebene ist. Entscheidend ist, welche Lösung
gesamthaft und langfristig den öffentlichen Interessen am besten dient.
Diesbezüglich durfte das EDI nicht nur, es musste geradezu seinem Entscheid
die Interessenabwägung des Kantons Aargau und der Bundesversammlung
zugrunde legen. Das überwiegende öffentliche Interesse am Gesamtprojekt
und an den bewilligten Rodungen im Umfange von 12'850 m2, deren unbedingte
Notwendigkeit anlässlich des Augenscheins vom 14. März 1972 klar zutage
trat, ist daher zu bejahen.

    b) Auch das Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und
Heimatschutz ist nicht verletzt. Gemäss Art. 24 sexies Abs. 1 BV ist der
Natur- und Heimatschutz grundsätzlich Sache der Kantone. Der Bund ist
lediglich verpflichtet, in Erfüllung seiner Aufgaben das heimatliche
Landschafts- und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und
Kulturdenkmäler zu schonen und, wo das allgemeine Interesse überwiegt,
ungeschmälert zu erhalten. Er hat darüber hinaus die ihm in Art. 24
sexies Abs. 3 und 4 eingeräumten Befugnisse. Das BG über den Natur- und
Heimatschutz hält sich an diese Kompetenzausscheidung. Die Art. 2-11 NHG
wenden sich deshalb in erster Linie an die Bundesinstanzen, die bei der
Erfüllung von Bundesaufgaben mit den Geboten des Natur- und Heimatschutzes
in Konflikt geraten könnten. Doch kann der Bund die Erfüllung gewisser
Bundesaufgaben an die Kantone übertragen; dann sind auch die zuständigen
kantonalen Instanzen bei der Erfüllung der Bundesaufgaben an das
NHG gebunden. Bei Rodungsbewilligungen haben sich deshalb sowohl die
Bundesbehörden als auch die zuständigen kantonalen Behörden an das NHG
zu halten, und es können sowohl kantonale wie eidgenössische Entscheide
von den in Art. 12 NHG genannten gesamtschweizerischen Vereinigungen mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (BGE 96 I 691).

    Auch wenn das Inventar der Objekte von nationaler Bedeutung
gemäss Art. 5 NHG vom Bundesrat noch nicht aufgestellt ist und
diesbezüglich erst Vorarbeiten von privaten Vereinigungen bestehen,
sind die Bundesbehörden doch schon heute an Art. 3 NHG gebunden. Sie
haben also bei der Erteilung von Rodungsbewilligungen darauf zu achten,
dass das heimatliche Landschaftsbild geschont wird und dass es dort,
wo das allgemeine Interesse überwiegt, ungeschmälert erhalten bleibt
(Art. 2 lit. b, Art. 3 NHG).

    Diese Pflicht hat weder die Bundesversammlung bei der
Subventionsgewährung noch das EDI bei der Erteilung der Rodungsbewilligung
verkannt. Wie erwähnt gehen beide davon aus, dass die Rodungen auf
das unbedingt Notwendige zu beschränken sind, um das Landschaftsbild
zu schonen. Sie glauben aber, dass das allgemeine Interesse nicht die
absolute ungeschmälerte Erhaltung des heutigen Zustandes verlangt, sondern
dass die im Interesse des Gesamtwerkes notwendigen Rodungen durchaus dem
allgemeinen Interesse entsprechen. Diese Auffassung verletzt das NHG nicht.

    c) Die Beschwerdeführer bestreiten zu Recht nicht, dass die Rodung von
12'850 m2 in der Umgebung des neuen Kraftwerkes, wie sich auch anlässlich
des Augenscheins herausgestellt hat, für dessen Bau unbedingt erforderlich
ist. Dagegen rügen sie, dass die Ersatzaufforstung am äussersten Rand
des Regulierungsperimeters erfolgen soll. Dies widerspreche dem Sinn und
Zweck der von der Bundesversammlung angenommenen Rodungsauflagen.

    Der Standort der Ersatzaufforstung innerhalb des Regulierungsperimeters
ist jedoch grundsätzlich eine Ermessensfrage. Die Handhabung des
Ermessens kann vom Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der
Ermessensüberschreitung oder des Ermessensmissbrauchs überprüft werden
(Art. 104 lit. a OG). Von einem Ermessensmissbrauch könnte höchstens
gesprochen werden, wenn ein anderer Standort - näher an der Reuss -
sich geradezu aufdrängen würde und ohne jeden sachlichen Grund nicht
gewählt worden wäre. Einen solchen andern Standort bezeichnen die
Beschwerdeführer selbst nicht. Ihre Befürchtung, es sei damit zu rechnen,
dass die Aufforstung insgesamt an die Ränder des Regulierungsperimeters
gelegt werde, ist durch nichts bewiesen. Das EDI macht im Gegenteil
geltend, mit fortschreitender Melioration werde es möglich sein, grössere
Aufforstungsgebiete nahe an der Reuss zu gewinnen. Ausserdem besteht
nach Aussagen der zuständigen Organe des Aargauischen Elektrizitätswerks
die Möglichkeit, schon die Ersatzaufforstung für die erste Rodungsetappe
näher an die Reuss zu verlegen.

    d) Eine Verletzung von Art. 4 BV (Rechtsungleichheit) erblicken die
Beschwerdeführer darin, dass die Rodungsbewilligung für das Kraftwerk
erteilt, eine Rodungsbewilligung für ein Waldbad bei Bremgarten hingegen
verweigert wurde. Doch handelt es sich hier offensichtlich um völlig
verschiedene Tatbestände. Eine Verletzung der Rechtsgleichheit liegt
deshalb nicht vor.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1.- Die Beschwerden der Einwohnergemeinde Bremgarten, der Aqua Viva,
Nationale Aktionsgemeinschaft zur Erhaltung der Flüsse und Seen, Biel,
und des Rheinaubundes, Schweiz. Arbeitsgemeinschaft für Natur und Heimat,
Schaffhausen, werden im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

    2.- Auf die Beschwerden des aargauischen Kantonalverbandes
des Touristenvereins "Die Naturfreunde", Ammerswil, des
Schweiz. Kanu-Verbandes, Nautische Sektion des TCS-Basel,
des Verbandes Schweizerischer Wasserfahrvereine, Basel, des
Satus-Wasserfahrerverbandes der Schweiz, Basel, des Reusstalbundes,
Aargauische Vereinigung zum Schutze der Fluss- und Seelandschaften,
Bremgarten, des Schweiz. Fischerei-Verbandes, Vacallo und des
Schweiz. Pontonier-Fahrvereins, Wilchingen, wird nicht eingetreten.