Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IA 73



98 Ia 73

12. Auszug aus dem Urteil vom 2. Februar 1972 i.S. Kellermüller und
Mitbeteiligte gegen Zürich, Kantonsrat Regeste

    Art. 4 BV, Art. 85 lit. a OG; rechtliches Gehör; politische
Stimmberechtigung, Pressefreiheit, Beeinflussung einer kantonalen
Volksabstimmung durch Presse und Fernsehen.

    1.  Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Verfahren über eine
Einsprache gegen eine kantonale Volksabstimmung (Erw. 2).

    2.  Grundsätzliches zum Entscheid darüber, ob im Vorfeld einer
Volksabstimmung die Presse oder Radio und Fernsehen in unzulässiger Weise
auf die freie Willensbildung der Stimmbürger eingewirkt haben (Erw. 3).

    3.  Unter welchen Voraussetzungen besteht von Bundesrechts wegen ein
Anspruch auf Nachzählung eines Abstimmungsergebnisses? (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Am 6. Juni 1971 fand im Kanton Zürich eine Volksabstimmung
statt. Gegenstand des Urnengangs bildeten sechs kantonale Vorlagen,
darunter das Gesetz über den Beitritt des Kantons Zürich zum Konkordat
über die Schulkoordination und das Gesetz über die Verlegung des
Schuljahrbeginns und die Dauer der Schulpflicht. Für sämtliche sechs
Vorlagen wurde ein einziger Stimmzettel ausgegeben. Das Gesetz über
den Beitritt zum Schulkonkordat wurde mit grosser Mehrheit angenommen
(215'045 Ja; 84'957 Nein). Die Abstimmung über das Gesetz betreffend
die Verlegung des Schuljahrbeginns, das den Herbstschulbeginn vorsieht,
zeitigte das folgende Ergebnis:

    Annehmende Stimmen: 152'081

    Verwerfende Stimmen: 151'948

    Ungültige Stimmen: 79

    Leere Stimmen: 20'206

    Die Vorlage wurde demnach mit einem Mehr von bloss 133 Stimmen
angenommen.

    Gegen dieses Abstimmungsergebnis erhoben Hans Kellermüller und
sieben weitere Stimmbürger beim Kantonsrat Einsprache. Sie bezweifelten,
dass das Abstimmungsergebnis richtig ermittelt worden sei und verlangten
eine Nachzählung. Sodann rügten sie, dass in Wahlbüros der Stadt Zürich
Minderjährige bei der Zählung mitgewirkt hätten. Endlich machten sie
geltend, die Stimmberechtigten seien durch Presse und Fernsehen in
unzulässiger Weise beeinflusst worden; deshalb sei für den Fall, dass
die Überprüfung des Abstimmungsergebnisses die Annahme des Gesetzes über
die Verlegung des Schuljahrbeginns bestätigen sollte, die Abstimmung
aufzuheben und zu wiederholen.

    Mit Bericht und Antrag vom 19. August 1971 beschloss das Büro
des Kantonsrats mit Mehrheitsentscheid, dem Rat die Gutheissung des
Nachzählungsbegehrens, im übrigen aber die Abweisung der Einsprache
zu empfehlen. Eine Minderheit des Büros beantragte, sowohl das
Nachzählungsbegehren als auch die Einsprache als solche abzuweisen.

    Mit Beschluss vom 30. August 1971 folgte der Kantonsrat der
Minderheit seines Büros und wies Nachzählungsbegehren und Einsprache
ab. Er stellte fest, zur Begründung des Nachzählungsgesuchs würden
keine bestimmt wahrgenommenen Verfahrensmängel genannt. Im Interesse
der Rechtssicherheit sei von der Vermutung auszugehen, dass die
protokollierten Abstimmungsergebnisse richtig seien, solange nicht
glaubhaft gemacht werde, dass "bestimmte gesetzwidrige Tatbestände"
vorlägen. Dass die Abstimmung äusserst knapp ausgegangen sei, erfordere
für sich allein noch keine amtliche Nachprüfung der Einzelergebnisse. -
Nach der einschlägigen Gesetzgebung dürfe der Präsident des Wahlbüros
zur Ermittlung der Abstimmungsergebnisse Hilfskräfte beiziehen, die nicht
stimmberechtigt zu sein brauchten. Der Mitwirkung fähiger Minderjähriger
habe demnach nichts entgegen gestanden. Endlich sei es in einer direkten
Demokratie nichts Aussergewöhnliches, wenn sich die politischen Parteien
und andere interessierte Organisationen mit Hilfe der Massenmedien am
Abstimmungsfeldzug beteiligten. Die Kritik am Vorgehen der am Ausgang
des Urnengangs interessierten Gruppen sei daher nicht geeignet,
die Aufhebung der angefochtenen Abstimmung als geboten erscheinen zu
lassen. Eine unzulässige Beeinflussung der Stimmbürger könne nur in
behördlichen Handlungen erblickt werden, die den Rahmen einer sachlichen
Aufklärung sprengten. Die Einsprecher behaupteten jedoch nicht, dass sich
die Behörden in unzulässiger Weise für die Vorlage eingesetzt hätten,
weshalb die Einsprache abzuweisen sei. - Mit Beschluss vom gleichen Tag
erwahrte der Kantonsrat sodann das Abstimmungsergebnis.>

    B.- Hans Kellermüller und sechs weitere Stimmbürger führen
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV und ihrer
politischen Stimmberechtigung (Art. 85 lit. a OG). Sie beantragen,
die Volksabstimmung vom 6. Juni 1971 betreffend das Gesetz über die
Verlegung des Schuljahrbeginns und die Dauer der Schulpflicht sowie die
erwähnten Beschlüsse des Kantonsrats vom 30. August 1971 aufzuheben. Die
Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachfolgenden
Erwägungen.

    C.- Der Kantonsrat beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, sie seien in
ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil ihre Einsprache
den Mitgliedern des Kantonsrats nur auszugsweise zur Kenntnis gebracht
worden sei. Der Kantonsrat wendet dagegen ein, sämtliche Akten hätten
jedem Ratsmitglied zur Einsicht offen gestanden.

    Der Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör bestimmt sich
in kantonalen Angelegenheiten in erster Linie nach dem kantonalen
Recht. Erweist sich indessen die kantonale Ordnung als ungenügend, so
greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Regeln zur Sicherung des
rechtlichen Gehörs Platz (BGE 96 I 620, Erw. 2). Ob der bundesrechtliche
Gehörsanspruch verletzt ist, prüft das Bundesgericht frei (BGE 96 I 527
Erw. 2 mit Verweisungen).

    Nach § 19 lit. c des Gesetzes über die Organisation und die
Geschäftsordnung des zürcherischen Kantonsrates vom 20. November 1932
(Organisationsgesetz) werden die Ergebnisse der Volksabstimmungen
vom Kantonsrat erwahrt. Gemäss § 131 des Gesetzes über die Wahlen und
Abstimmungen vom 4. Dezember 1955 (Wahlgesetz) hat der Kantonsrat sodann
auch über Einsprachen gegen kantonale Abstimmungen zu entscheiden. Dabei
handelt er als Organ der Verfassungs- bzw. Verwaltungsrechtspflege
(Z. GIACOMETTI, Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, S. 340;
V. PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und Volksabstimmungen,
Diss. Zürich 1945, S. 229). Er ist demnach gehalten, den Beteiligten das
rechtliche Gehör zu gewähren. Wie er dieser Verpflichtung im einzelnen
nachzukommen hat, ergibt sich indessen weder aus dem Wahlnoch aus dem
Organisationsgesetz. Zu prüfen bleibt daher bloss, ob das Vorgehen des
Kantonsrats im vorliegenden Fall den bundesrechtlichen Gehörsanspruch
der Beschwerdeführer verletzte.

    Die Bestimmungen der §§ 137 ff. des Wahlgesetzes, die das
Einspracheverfahren regeln, enthalten keine Vorschriften darüber, wie die
vom Kantonsrat zu beurteilenden Abstimmungseinsprachen nach ihrem Eingang
zu behandeln sind. Das Gesetz sieht lediglich vor, dass die Vernehmlassung
des zuständigen Wahlbüros einzuholen ist (§ 137 Abs. 1 Satz 2). Nach §
40 des Organisationsgesetzes ist der Kantonsrat jedoch ermächtigt,
jedes Geschäft einer Kommission zur Prüfung und Antragstellung zu
überweisen. Wie sich aus der Vernehmlassung des Kantonsrats ergibt, werden
Abstimmungseinsprachen dem Ratsbüro zum Bericht und Antrag übermittelt. Im
Einspracheverfahren nach §§ 137 ff. des Wahlgesetzes kommt demnach dem
Büro des Kantonsrats die Stellung einer Kommission im Sinne von § 40 des
Organisationsgesetzes zu, deren Bericht den Ratsmitgliedern in der Regel
gedruckt zugestellt wird (§ 47 Abs. 1 des Geschäftsreglements für den
Kantonsrat vom 26. Juni 1933). Auch im vorliegenden Fall beschloss der
Kantonsrat unbestrittenermassen gestützt auf einen Bericht seines Büros
(Bericht und Antrag Nr. 1770 vom 19. August 1971). Damit verletzte
er den bundesrechtlichen Gehörsanspruch der Beschwerdeführer nicht. Der
Kantonsrat ist in erster Linie Gesetzgeber und amtet nur in Ausnahmefällen
als Organ der Rechtspflege. Seine Organisation ist deshalb vorab auf
die Bedürfnisse der Gesetzgebung ausgerichtet. Ist er ausnahmsweise
als richterliche Behörde tätig, so dürfen an die entsprechenden
Verfahrensvorschriften unter dem Gesichtswinkel des bundesrechtlichen
Gehörsanspruchs keine hohen Anforderungen gestellt werden. Dies gilt
namentlich für das Einspracheverfahren gemäss §§ 137 ff. des Wahlgesetzes,
das kein eigentliches Parteiverfahren darstellt. Unter dem Blickwinkel
des Art. 4 BV genügt es, wenn die wesentlichen Vorbringen und Begehren
der Einsprecher aus dem Bericht des Büros hervorgehen und Gewähr dafür
besteht, dass jedes Ratsmitglied sämtliche Aktenstücke einsehen kann
(BGE 91 I 277). Die Beschwerdeführer behaupten nicht, das Büro habe die
Ratsmitglieder nicht über die in der Einsprache enthaltenen wesentlichen
Vorbringen orientiert und in diesem Zusammenhang massgebende Gesichtspunkte
unberücksichtigt gelassen, sondern sie beanstanden bloss, dass das Büro
nicht jedem Ratsmitglied vom Wortlaut der Einsprache Kenntnis gab. Diese
Rüge ist jedoch nach dem Gesagten nicht geeignet, den Vorwurf einer
Gehörsverweigerung zu begründen.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung der Volksabstimmung
über den Herbstschulbeginn mit der Begründung, das Ergebnis entspreche
infolge einer unzulässigen Beeinflussung durch Presse und Fernsehen nicht
dem wirklichen Willen der Stimmbürger.

    a) Unter welchen Voraussetzungen das Ergebnis einer kantonalen
Volksabstimmung aufzuheben ist, ergibt sich in erster Linie aus
dem kantonalen Recht. Nach § 138 des zürcherischen Wahlgesetzes ist
eine Abstimmung als ungültig zu erklären, "wenn erhebliche Fehler
festgestellt worden sind". Was darunter im einzelnen zu verstehen ist,
wird im Gesetz nicht näher ausgeführt und ist deshalb durch Auslegung
zu ermitteln. Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete
Stimmrecht gibt dem Bürger unter anderem Anspruch darauf, dass kein
Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der
Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt (BGE 97
I 662/3 mit Verweisungen). Stellt das Bundesgericht in dieser Hinsicht
Unregelmässigkeiten fest, die das Abstimmungsergebnis beeinflusst haben
können, so hebt es die betreffende Abstimmung auf. Dabei verlangt es
nicht, dass der Stimmbürger den Nachweis dafür erbringe, dass die gerügten
Unregelmässigkeiten das Abstimmungsergebnis tatsächlich beeinflusst haben;
es entspricht dem Begehren um Aufhebung der Abstimmung vielmehr schon dann,
wenn die tatsächlichen Begebenheiten eine unzulässige Beeinflussung als
möglich erscheinen lassen (vgl. BGE 93 I 535 oben). Ob dies zutrifft,
entscheidet es mit freier Kognition; die Sachverhaltsfeststellungen der
kantonalen Behörden überprüft es indessen nur unter dem beschränkten
Gesichtswinkel der Willkür (BGE 97 I 663 Erw. 3).

    Nach der Rechtsprechung ist eine unzulässige Beeinflussung des
Stimmbürgers unter anderem dann anzunehmen, wenn die Behörden dem Bürger in
der Erläuterung der Vorlage ein falsches Bild von Zweck und Tragweite der
Volksbefragung geben und damit ihre Pflicht zur sachlichen Information
verletzen (vgl. BGE 93 I 439 Erw. 2, 89 I 443 Erw. 6 mit Hinweisen,
ferner das Urteil vom 23. Dezember 1970 i.S. Vischer, Erw. 7, abgedruckt
in ZBl 72/1971, S. 425 ff., sowie W.

STAUFFACHER, Die Stellung der Behörden im Wahl- und Abstimmungskampf, ZBl
68/1967, S. 361 ff., 385 ff.). Bei der Beurteilung einer Wahlbeschwerde
hat das Bundesgericht ferner anerkannt, dass unter Umständen auch eine
private Beeinflussung des Stimmbürgers gegen die Verfassung verstossen kann
(unveröffentlichtes Urteil vom 3. Februar 1939 i.S. Thomann teilweise
wiedergegeben in ZBl 40/1939, S. 249 ff.; vgl. auch PICENONI, aaO,
S. 85 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen auch in einer privaten
Beeinflussung einer Sachabstimmung eine Verletzung der politischen
Stimmberechtigung erblickt werden kann, hat das Bundesgericht bisher
nicht ausdrücklich entschieden. - Die Beschwerdeführer behaupten nicht,
die Abstimmungsvorlage über den Schuljahrbeginn sei im "Beleuchtenden
Bericht" des Regierungsrats in unsachlicher Weise dargestellt worden. Sie
rügen vielmehr eine "private" unzulässige Beeinflussung der Stimmbürger
mit der Begründung, ein Teil der Presse und das Fernsehen hätten einseitig
zugunsten der Vorlage Partei ergriffen und damit den Ausgang der Abstimmung
entscheidend beeinflusst.

    b) Es ist unbestritten, dass die Presse den Gegnern des
Herbstschulbeginns nur beschränkt zur Verfügung stand, da sich die
politischen Parteien und die ihnen nahestehenden Zeitungen zugunsten der
Vorlage aussprachen. Diese Tatsache genügt jedoch nicht, um eine Aufhebung
des Abstimmungsergebnisses zu rechtfertigen. Es entspricht dem Wesen der
Demokratie, dass nicht alle politischen Gruppen über gleich starke private
Einflussmöglichkeiten verfügen. Die Beschwerdeführer behaupten übrigens
nicht, dass es ihnen verwehrt gewesen sei, in der politischen Presse
zur umstrittenen Vorlage Stellung zu nehmen. Sie anerkennen vielmehr
ausdrücklich, dass sie auch in mehreren, für den Herbstschulbeginn
eintretenden Zeitungen zum Wort gekommen sind, wobei die entsprechenden
Einsendungen freilich nur in geringerem Umfang berücksichtigt wurden als
jene der Befürworter der Vorlage.

    Die demokratische Willensbildung ist unter anderem dadurch
gekennzeichnet, dass die miteinander im Wettstreit stehenden
Interessengruppen und Parteien ihre Anliegen und Meinungen ungehindert
einer breiten Öffentlichkeit kundgeben können. Das Recht des Bürgers zur
freien Meinungsäusserung bildet eine Voraussetzung der Demokratie (BGE
96 I 224). Vermag sich der Bürger dabei der Presse zu bedienen, so steht
seine Meinungsäusserung unter dem Schutz der in Art. 55 BV verankerten
Pressefreiheit, die als Freiheitsrecht eine Erscheinungsform der dem
ungeschriebenen Verfassungsrecht angehörenden Meinungsäusserungsfreiheit
darstellt (vgl. BGE 96 I 224 und 592 Erw. 6 sowie zum Schutzobjekt der
Pressefreiheit insbesondere P. SALADIN, Grundrechte im Wandel, S. 48
ff.). Angesichts der Vielfalt von Zeitungen folgt daraus ohne weiteres,
dass eine einseitige Darstellung einer Abstimmungsvorlage in der Presse
grundsätzlich selbst dann keine Kassation der Abstimmung zu rechtfertigen
vermag, wenn es als möglich erscheint, dass die Darstellung den Ausgang der
Abstimmung beeinflusst hat, denn die Zahl der voneinander unabhängigen
und den verschiedensten Interessengruppen nahestehenden Zeitungen
bietet hinreichende Gewähr dafür, dass für eine wirksame Gegendarstellung
genügend Raum bleibt. Meinungsäusserungsfreiheit und Pressefreiheit bilden
tragende Grundlagen der schweizerischen Demokratie, die dem Bürger zutraut,
zwischen den verschiedenen gegensätzlichen Auffassungen zu unterscheiden,
unter den Meinungen auszuwählen, Übertreibungen als solche zu erkennen und
vernunftgemäss zu entscheiden. Hierzu ist der Bürger in der Regel bereits
gestützt auf eine sachliche Erläuterung der fraglichen Abstimmungsvorlage
durch die Behörden ohne weiteres in der Lage.

    Freilich ist die Verwendung von falschen und irreführenden Angaben
im Abstimmungskampf verwerflich. Sie lässt sich jedoch nie völlig
ausschliessen und genügt grundsätzlich nicht, um eine Abstimmung zu
kassieren. Von einer unzulässigen Beeinflussung der demokratischen
Willensbildung kann nur dann gesprochen werden, wenn die Presse in einem
so späten Zeitpunkt mit offensichtlich unwahren und irreführenden Angaben
in den Abstimmungskampf eingreift, dass es dem Bürger nach den Umständen
unmöglich ist, sich aus anderen Quellen ein zuverlässiges Bild von den
tatsächlichen Verhältnissen zu machen, und wenn überdies keinerlei Zweifel
darüber bestehen, dass die Abstimmung dadurch entscheidend beeinflusst
worden ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so verletzt eine Erwahrung
des Abstimmungsergebnisses durch die zuständige Behörde die politischen
Rechte der Bürger. Solche Fälle sind indessen äusserst selten. Die
Erwahrungsbehörde hat mithin bei der Kassation einer Abstimmung wegen
unzulässiger Beeinflussung durch die Presse grösste Zurückhaltung zu üben.>

    Die Beschwerdeführer behaupten, ein Teil der Presse habe wenige Tage
vor der Abstimmung mittels unrichtiger Angaben über die Zahl der Kantone
mit Herbstschulbeginn und über die interkantonalen Schülerwanderungen
(Zu- und Wegzüge) in rechtswidriger Weise zugunsten der Vorlage Stellung
bezogen. Richtig ist, dass die beanstandeten Artikel erst kurz vor der
Abstimmung erschienen sind. Was die darin enthaltenen Ausführungen über
die interkantonalen Schülerwanderungen anbelangt, so lassen indessen
bereits die breiten Ausführungen in der staatsrechtlichen Beschwerde
erkennen, dass die Artikel Fragen aufwarfen, bei denen sich in Ermangelung
zuverlässiger statistischer Angaben nur schwerlich Einigkeit über den
objektiven Sachverhalt erzielen lässt. Unter diesen Umständen darf davon
ausgegangen werden, dass der Bürger die aus den unangefochtenen Zahlen über
die Bevölkerungsbewegungen in der Stadt Zürich abgeleiteten Schätzungen
der Verfasser kritisch zu würdigen vermochte und dass insoweit keine
unzulässige Beeinflussung der Willensbildung vorlag. Was die beanstandeten
Angaben über die Kantone mit Herbstschulbeginn betrifft, so war es dem
Bürger ohne weiteres möglich, sich aufgrund des "Beleuchtenden Berichts"
ein Bild von den tatsächlichen Verhältnissen zu machen. Nach den soeben
dargelegten Grundsätzen sind die Vorbringen der Beschwerdeführer
somit nicht geeignet, die angefochtene Erwahrung der Abstimmung als
verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Dass das Abstimmungsergebnis
äusserst knapp ausgefallen ist, ändert daran nichts.

    c) Die Beschwerdeführer bringen ferner vor, die Stimmbürger seien
durch eine einseitige Fernsehsendung in unzulässiger Weise beeinflusst
worden. - Der Inhalt der beanstandeten Sendung ergibt sich aus der
von den Beschwerdeführern ins Recht gelegten Besprechung in der "Neuen
Zürcher Zeitung" vom 28. Mai 1971 (Morgenausgabe Nr. 243). Es erübrigt
sich deshalb, ihre Aufzeichnung beizuziehen.

    Wären für die Beurteilung dieser Rüge die gleichen Grundsätze
massgebend wie für die Würdigung der erwähnten Presseartikel, so erwiese
sich der Vorwurf ohne weiteres als unbegründet. Die Einflussmöglichkeiten
des Fernsehens sind jedoch weit grösser als jene einer Zeitung,
die einer bestimmten politischen Gruppe nahesteht. Der Grund dafür
liegt einerseits im Wesen des Fernsehens selbst, dessen Sendungen den
Zuschauer unmittelbar anzusprechen vermögen, anderseits in rechtlichen
Umständen, da das Fernsehregal dem Bund zusteht, der der Schweizerischen
Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) letztmals am 27. Oktober 1964 die
Monopolkonzession zur Ausstrahlung von Fernsehsendungen erteilt hat. Das
Fernsehen ist zu einem hervorragenden Mittel sozialer Kommunikation
geworden; insbesondere die politische Sendung wirkt in hohem Masse
meinungsbildend und ist geeignet, Wahlen und Abstimmungen erheblich zu
beeinflussen. Der Gefahr des Missbrauchs kommt demnach beim Fernsehen eine
weit grössere Bedeutung zu als bei der als pluralistisch gekennzeichneten
Presse. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen der Forderung
nach Freiheit der Programmgestalter und dem schützenswerten Interesse
des Bürgers an einer möglichst objektiven und umfassenden Behandlung
der in einer Sendung aufgegriffenen Themen. Der Bundesrat hat dieser
Problematik in Art. 13 Abs. 1 der erwähnten Konzession dadurch Rechnung
getragen, dass er die SRG zur "objektiven, umfassenden und raschen
Information" verpflichtet. Das Bundesgericht hat daraus abgeleitet (BGE
97 I 734 Erw. 3), den verantwortlichen Programmgestaltern stehe in diesem
Zusammenhang ein weites Feld der Ermessensbetätigung offen. Die Diskussion
über das Verhältnis zwischen einer sog. "Radio- und Fernsehfreiheit" und
dem Schutz der politischen Rechte des Bürgers, insbesondere dem Schutz
vor unzulässiger Beeinflussung, ist in vollem Gang (vgl. vor allem die
Verhandlungen des Schweizerischen Juristentags vom 21. September 1968,
ZSR 87/1968 II S. 604 ff., sowie die nationalrätliche "Fernsehdebatte"
vom 23. Juni 1971, StenB NR 1971, S. 867 ff.). Es ist deshalb in erster
Linie Aufgabe des Verfassungs- und Gesetzgebers, klärend einzugreifen
und eine angemessene Ordnung aufzustellen. Wie immer eine allfällige
verfassungsmässige "Radio- und Fernsehfreiheit" ausgestaltet wird, so
darf sie nach dem Gesagten nicht unbesehen der Pressefreiheit bzw. der
Meinungsäusserungsfreiheit gleichgesetzt werden. Das verfassungsmässige
Recht der politischen Stimmberechtigung erheischt insbesondere eine gewisse
Zurückhaltung jener Programmgestalter, die in ihren Sendungen hängige
Abstimmungen und bevorstehende Wahlen behandeln. Auch für den Meinungskampf
am Fernsehen gilt das sich aus dem Wesen des demokratisch-freiheitlichen
Rechtsstaats ergebende Grundgebot, dass den Meinungen und Gegenmeinungen
angemessen Raum zu geben ist. Freilich steht dem Gestalter einer Sendung
auch dabei ein verhältnismässig weiter Ermessensspielraum offen. Dies
gilt insbesondere für die Auswahl der Gesprächspartner und für die
Fragestellung im Rahmen einer Diskussion. Der Gesprächsleiter hat sich
jedoch der Objektivität zu befleissigen.

    Hat das Bundesgericht, wie im vorliegenden Fall, darüber
zu entscheiden, ob der Stimmbürger durch eine Fernsehsendung in
unzulässiger Weise beeinflusst und damit in seinen politischen Rechten
verletzt worden ist, so steht ihm nach dem Gesagten die freie Prüfung zu
(vgl. oben lit. a). Mit Rücksicht auf den erwähnten Ermessensspielraum
der Programmgestalter und im Bewusstsein, dass absolute Objektivität
ein unerreichbares Ideal darstellt, darf indessen eine zur Kassation
der Abstimmung führende Beeinflussung der freien Willensbildung nicht
leichthin bejaht werden. Doch sind an das Verhalten des Fernsehens
strengere Anforderungen zu stellen als an jenes der Presse (vgl. oben
lit. b). Dies rechtfertigt sich insbesondere wegen der besonderen
rechtlichen Stellung des Fernsehens sowie wegen der technisch und
organisatorisch bedingten Erschwerung der Gegendarstellungsmöglichkeiten.
Immerhin kann von einer Verletzung der politischen Rechte des Stimmbürgers
nur dann gesprochen werden, wenn aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse,
deren Feststellung durch die kantonalen Behörden das Bundesgericht nur auf
Willkür hin überprüfen kann, eindeutige Anhaltspunkte für eine ins Gewicht
fallende Missachtung der soeben aufgestellten Grundsätze vorhanden sind.

    Im vorliegenden Fall reichen die Vorbringen der Beschwerdeführer
nicht aus, um eine verfassungswidrige Beeinträchtigung der demokratischen
Willensbildung durch das Fernsehen nachzuweisen. Wohl lehnte es die
Programmleitung ab, eine besondere Sendung zur Abstimmung über den
Schuljahrbeginn auszustrahlen, da sie dieses Problem im Rahmen einer
allgemein gehaltenen Sendung über die Bestrebungen zur Schulkoordination
bloss um der Aktualität willen streifen wollte. Im Verzicht auf eine
eingehende Darstellung der Ziele, wie sie vom Aktionskomitee für den
Schulbeginn im Frühjahr verfochten wurden, kann jedoch keine grobe
Missachtung der Verpflichtung zur Objektivität erblickt werden. Die Sendung
bestand aus einem Filmbericht über das kantonale Schulwesen, aus einem
Ausschnitt aus einer Passantenumfrage in Embrach, aus einem Interview mit
einem Mitglied des zürcherischen Kantonsrats, der dem Patronatskomitee
für den Herbstschulbeginn angehörte, sowie aus je einem Interview
mit einem Vertreter der BGB-Jugendfraktion über die von dieser Gruppe
eingeleitete Volksinitiative und mit Ständerat Dr. H. Hürlimann (Präsident
der Konferenz der Kantonalen Erziehungsdirektoren). Im Mittelpunkt der
Sendung stand mithin das Konkordat über die Schulkoordination, das -
wie das Abstimmungsergebnis vom 6. Juni 1971 zeigt - im Kanton Zürich
nicht besonders umstritten war, obwohl es in Art. 2 lit. d ausdrücklich
den Herbstschulbeginn vorsieht. Wenn eine ausführlichere Orientierung über
die Argumente der Befürworter des Schulbeginns im Frühjahr auch wünschbar
gewesen wäre, so erscheint die beanstandete Sendung unter diesen Umständen
dennoch nicht als derart einseitig, dass von einer verfassungswidrigen
Beeinträchtigung der demokratischen Willensbildung gesprochen werden
könnte, zumal die Beschwerdeführer nicht behaupten, in der Sendung sei
mit unwahren Angaben für den Herbstschulbeginn geworben worden. Das
Verhalten des Fernsehens bewirkte höchstens eine gewisse Verschiebung
der Schwerpunkte, wie sie im Widerstreit der Meinungen noch als angängig
angesehen werden muss. Das Begehren um Aufhebung der Abstimmung über den
Schuljahrbeginn erweist sich daher als unbegründet.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer werfen dem Kantonsrat endlich vor, er habe
zu Unrecht auf eine Nachzählung der abgegebenen Stimmen verzichtet.

    Ob der einzelne Bürger bei der zur Erwahrung der Abstimmungsergebnisse
zuständigen Behörde eine Nachzählung der Stimmzettel erwirken kann,
ist vorab eine Frage des kantonalen Rechts. Im Gegensatz zur Regelung
in anderen Kantonen (vgl. z.B. § 38 des bernischen Dekrets über das
Verfahren bei Volksabstimmungen und Wahlen vom 10. Mai 1921, wonach drei
stimmberechtigte Bürger durch ein "mit Begründung versehenes Gesuch"
die Nachzählung der Abstimmungsergebnisse in ihrem Wahlkreis verlangen
können) enthält das zürcherische Recht keine ausdrücklichen Bestimmungen
darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ergebnisse kantonaler
Abstimmungen nachzuprüfen sind. Über die Rüge der Beschwerdeführer ist
deshalb aufgrund von Sinn und Tragweite der vom Bundesrecht geschützten
politischen Stimmberechtigung des Bürgers zu entscheiden. Wie in Erw. 3
lit. a erwähnt, hat der Bürger einen durch die Verfassung geschützten
Anspruch darauf, dass kein Wahl- und Abstimmungsergebnis anerkannt
wird, das nicht den Willen der Wähler zuverlässig und unverfälscht
zum Ausdruck bringt. Er hat mithin ein Recht auf ordnungsgemässe und
sorgfältige Auszählung der Stimmen (vgl. W. BURCKHARDT, Die Beschwerde
betr. Ungültigkeit eidgenössischer Gesetzesabstimmungen, ZBJV 39/1903,
S. 390). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer bedeutet dies
jedoch nicht, dass ohne weiteres von Bundesrechts wegen ein Anspruch auf
Nachzählung besteht, wenn das Ergebnis des fraglichen Urnengangs knapp
ausgefallen ist. Wohl mag es als Gebot politischer Klugheit erscheinen,
in solchen Fällen von Amtes wegen eine Nachzählung anzuordnen (vgl. z.B.
Grundsätzliche Entscheidungen des Regierungsrats des Kantons Solothurn,
Heft 1/1937 Nr. 6 S. 9). Ist jedoch das Abstimmungswesen - wie im
Kanton Zürich - zweckmässig geordnet und bietet es Gewähr für eine
sorgfältige Ermittlung der Abstimmungsergebnisse, so besteht eine sich
aus dem Bundesrecht ergebende Verpflichtung zur Nachzählung bloss in
jenen Fällen, in denen der Bürger auf konkrete Anhaltspunkte für eine
fehlerhafte Auszählung oder für ein gesetzwidriges Verhalten der hiefür
zuständigen Organe hinzuweisen vermag. Ein Mehreres lässt sich aus der
verfassungsmässig gewährleisteten politischen Stimmberechtigung nicht
ableiten.

    Die Vorbringen der Beschwerdeführer, die in ihrer staatsrechtlichen
Beschwerde kein gesetzwidriges oder unsorgfältiges Verhalten der
Zählenden behaupten und - im Gegensatz zum kantonalen Verfahren - auch
die Mitwirkung nicht stimmberechtigter Personen nicht mehr beanstanden,
sondern eine angebliche Verletzung ihrer politischen Rechte bloss mit
dem Hinweis auf das äusserst knappe Abstimmungsergebnis begründen, sind
deshalb nicht geeignet, den Verzicht des Kantonsrats auf eine Nachzählung
als verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Aus der Tatsache, dass das
Büro des Kantonsrats anlässlich der Regierungsratswahlen des Jahres 1963
eine Nachzählung anordnete, vermögen die Beschwerdeführer im übrigen schon
deshalb nichts zu ihren Gunsten abzuleiten, weil diese Massnahme von Amtes
wegen ergriffen wurde. Selbst wenn man annehmen wollte, ein sehr knappes
Abstimmungsergebnis verschaffe dem Bürger von Bundesrechts wegen einen
Anspruch auf Nachzählung, was nach dem Gesagten nicht angeht, so wäre ein
Vergleich mit den erwähnten Regierungsratswahlen unbehelflich. Hat der
Bürger unter einer Anzahl Kandidaten auszuwählen und mehrere Namen auf
seinen Wahlzettel zu setzen, so schliesst die Auszählung weit erheblichere
Fehlerquellen in sich als bei der Ermittlung des Ergebnisses einer
Abstimmung, in der sich der Bürger bloss für die Ablehnung oder für die
Zustimmung zu einer Vorlage zu entscheiden hat und bei der die Auszählung
selbst dann keine wesentlichen Schwierigkeiten bereitet, wenn auf dem
gleichen Stimmzettel mehrere Vorlagen aufgeführt sind. Die Beschwerde
ist daher vollumfänglich abzuweisen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.