Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IA 637



98 Ia 637

91. Urteil vom 31. Oktober 1972 i.S. Bebi und Mitbeteiligte gegen den
Grossen Rat des Kantons Aargau. Regeste

    Initiativrecht. Art. 26 der aarg. KV.

    1.  Nach aarg. Recht kann die Gesetzesinitiative nur ein Gesetz im
materiellen Sinn zum Gegenstand haben (Erw. 3 b).

    2.  Ein Volksbegehren, das den Widerruf einer Kraftwerkkonzession und
damit einen Verwaltungsakt vorsieht, ist augenscheinlich verfassungswidrig
und der Volksabstimmung nicht zu unterbreiten (Erw. 3 c ff.).

Sachverhalt

    A.- Am 16. Mai 1965 nahmen die Stimmbürger des Kantons Aargau das
ihnen durch Volksbegehren unterbreitete Gesetz über die Freie Reuss an. Es
enthält eine einzige materielle Bestimmung (§ 1), die lautet:

    "Die Reuss von Bremgarten (Au) bis zur Einmündung in die Aare ist von
neuen energiewirtschaftlichen Anlagen frei zu halten. Durch Modernisierung
bestehender Kraftwerke darf das Landschaftsbild nicht beeinträchtigt
werden."

    Für die Sanierung der Reussebene, d.h. des Gebietes flussaufwärts
oberhalb Bremgarten bis Mühlau, war von einer vom kantonalen Baudepartement
eingesetzten Fachkommission eine Lösung vorgeschlagen worden, nach welcher
das für die Erhaltung schützenswerter Pflanzen und Kleintiere unerlässliche
Stauwehr des überalterten Kraftwerks Bremgarten - Zufikon durch ein
neues Wehr ersetzt und in Verbindung damit auch ein neues Kraftwerk
erstellt werden sollte. Der Regierungsrat des Kantons Aargau verlieh
in der Folge am 23. November 1967 dem Aargauischen Elektrizitätswerk
(AEW) die entsprechende Konzession, welche am 10. September 1968 vom
Grossen Rat genehmigt wurde. Nach Art. 2 der Konzessionsbestimmungen
ist das Kraftwerk Bremgarten - Zufikon ein Bestandteil der Sanierung
der Reussebene; die Projekte für Kraftwerk, wasserbaulichen und
meliorationstechnischen Teil sind aufeinander abgestimmt und deren
Ausführung miteinander zu koordinieren. Diese Bestimmung ist im
wesentlichen wiedergegeben in § 10 des vom Grossen Rat am 15. Oktober
1969 beschlossenen Gesetzes über den Hochwasserschutz, die Entwässerung
und die Bodenverbesserungen im Gebiet der Reussebene (Reusstalgesetz),
welches die geplante Reussebenesanierung in grossen Zügen festhält und die
dafür erforderlichen Kredite bewilligt. Nachdem das Volk dieses Gesetz am
14. Dezember 1969 angenommen hatte, setzte der Regierungsrat die Konzession
auf den 1. Mai 1970 in Kraft. Ein Volksbegehren für den Erlass eines neuen
Reusstalgesetzes (erste Reusstalinitiative), das eine andere Konzeption
der Sanierung der Reussebene anstrebte, jeden Kraftwerkneubau in diesem
Gebiet und damit auch denjenigen von Bremgarten - Zufikon verbieten
wollte, wurde am 15. November 1970 verworfen. Das Kraftwerk Bremgarten
- Zufikon ist, nachdem im Jahre 1971 eine Bundessubvention zugesichert,
die Baubewilligung und die erforderliche Rodungsbewilligung erteilt worden
waren, heute im Bau.

    B.- Am 10. Dezember 1971 reichte der Reusstalbund ein neues
Volksbegehren ein, mit welchem die Abänderung des Gesetzes über die Freie
Reuss vom 16. Mai 1965 verlangt wurde (zweite Reusstalinitiative). Die
Initiative lautet:

    "I.

    § 1 des Gesetzes über die Freie Reuss soll neu wie folgt lauten:
Der aargauische Reussflusslauf, von der Kantonsgrenze bis zur Einmündung
in die Aare, ist von neuen energiewirtschaftlichen Anlagen frei zu
halten. Durch Veränderung oder Modernisierung bestehender Kraftwerke dürfen
das Landschaftsbild, der heutige Flusswasserstand und die bestehenden
Grundwasserverhältnisse nicht beeinträchtigt werden.

    II.

    1) Diese Abänderung tritt nach Annahme durch das Volk in Kraft.

    2) Die vom Grossen Rat und Regierungsrat dem Aargauischen
Elektrizitätswerk (AEW) erteilte Konzession für den Neubau des Kraftwerkes
Bremgarten-Zufikon ist aufgehoben.

    Der Regierungsrat des Kantons Aargau hielt das Volksbegehren in
verschiedener Hinsicht für verfassungswidrig und beantragte in seiner
Botschaft vom 24. Januar 1972 an den Grossen Rat, ihm keine Folge zu geben.
Der Grosse Rat schloss sich der Auffassung des Regierungsrats an und
beschloss am 25. April 1972, die Initiative der Volksabstimmung nicht
zu unterstellen.

    C.- Rudolf Bebi, Hans Heinrich Bebi und 39 Mitbeteiligte führen
staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss
des Grossen Rates des Kantons Aargau vom 25. April 1972 aufzuheben.
Sie bestreiten die Verfassungswidrigkeit des Volksbegehrens, das zu Unrecht
den Stimmbürgern nicht unterbreitet werde. Die Begründung der Beschwerde
ist, soweit nötig, den nachstehenden Erwägungen zu entnehmen.

    D.- Der Grosse Rat des Kantons Aargau hat sich mit dem Antrag auf
Abweisung der Beschwerde vernehmen lassen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführer machen geltend, es sei verfassungswidrig,
dass das Volksbegehren auf Abänderung des Gesetzes über die Freie Reuss
der Volksabstimmung nicht unterstellt werde. Damit rügen sie sinngemäss
eine Verletzung der politischen Stimmberechtigung (Art. 85 lit. a
OG). Hierzu sind sie als aargauische Stimmbürger legitimiert (BGE 97 I
832 mit Verweisungen).

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 26 Abs. 1 der aargauischen Staatsverfassung (KV) haben
5000 stimmberechtigte Bürger das Recht, den Erlass, die Abänderung oder
die Aufhebung eines Gesetzes zu verlangen. Abs. 2 und 3 lauten:

    "Jedes dem Grossen Rat zugehende Initiativbegehren ist zuerst auf
seine Verfassungsmässigkeit zu prüfen.

    Wenn ein Begehren augenscheinlich gegen die Verfassung verstösst,
so soll demselben keine Folge gegeben werden."

    Die Beschwerdeführer wenden sich mit Recht nicht ernstlich gegen
die dem Grossen Rat zustehende Überprüfungsbefugnis. Ist doch nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts die Behörde, die nach dem
kantonalen Recht zur Anordnung der Volksabstimmung über Verfassungs-
oder Gesetzesinitiativen berufen ist, selbst ohne besondere gesetzliche
Grundlage befugt, neben dem Vorliegen der formellen Voraussetzungen für
das Zustandekommen der Initiative auch deren materielle Rechtmässigkeit
zu prüfen und die Vorlegung an das Volk zu verweigern, wenn sich
die Initiative als inhaltlich rechtswidrig erweist (BGE 96 I 646 mit
Verweisungen). Angesichts dieses Grundsatzes kann man sich dagegen mit
dem Regierungsrat und dem Grossen Rat fragen, ob die Volksabstimmung
nicht schon dann verweigert werden kann, wenn ein Volksbegehren
verfassungswidrig, der Mangel aber nicht augenscheinlich ist. Es besteht
indessen kein Grund, vom Wortlaut des Art. 26 Abs. 3 KV abzuweichen. Schon
mit Rücksicht auf den Umstand, dass eine politische Behörde und nicht eine
richterliche Instanz über die Verfassungsmässigkeit eines Volksbegehrens
zu befinden hat, rechtfertigt es sich, die Überprüfungsbefugnis auf die
Feststellung von Verfassungswidrigkeiten zu beschränken, die klar auf
der Hand liegen. Es steht auch im Sinne des demokratischen Gedankens
und entspricht insbesondere Art. 16 KV, wonach die Ausübung der unter
anderem in Art. 26 KV bezeichneten Volksrechte möglichst erleichtert
werden soll, wenn ein Initiativbegehren nur im Falle offensichtlicher
Verfassungswidrigkeit der Volksabstimmung nicht unterbreitet wird. Ein
entscheidender Nachteil für die Stimmbürger ist darin nicht zu
sehen, dass man sie über eine Initiative, deren Verfassungswidrigkeit
zwar mit einiger Gewissheit anzunehmen ist, sich dennoch aussprechen
lässt. Wer sich durch den Volksbeschluss verletzt glaubt, kann dagegen
immer noch den Verfassungsrichter anrufen (vgl. W. WELTI, Die Prüfung
der Gesetzesinitiativen auf ihre Rechtmässigkeit im Kanton Aargau, in
Aargauisches Beamtenblatt 1957 S. 117 f.). Es ist deshalb davon auszugehen,
dass nur die offensichtliche bzw. augenscheinliche Verfassungswidrigkeit
eines Volksbegehrens den Grossen Rat des Kantons Aargau berechtigt,
dieses dem Volk nicht zur Abstimmung vorzulegen. Diese Auffassung liegt
auch dem angefochtenen Beschluss zugrunde.

Erwägung 3

    3.- Der Grosse Rat hält die in Frage stehende zweite Reusstalinitiative
in verschiedener Hinsicht für verfassungswidrig, wie dies in
der regierungsrätlichen Bostchaft ausführlich dargetan ist. Eine
augenscheinliche Verfassungswidrigkeit liegt nach seiner Ansicht vor
allem darin, dass Ziff. II der Initiative, worin die Aufhebung der dem
AEW erteilten Konzession für das Kraftwerk Bremgarten - Zufikon bestimmt
wird, gegen die verfassungsmässige Kompetenzordnung verstosse, insbesondere
aber einen individuellen Verwaltungsakt vorsehe, der nach Art. 26 KV nicht
Gegenstand eines Volksbegehrens sein könne. Die Beschwerdeführer stellen
sich dagegen auf den Standpunkt, dass die aargauische Verfassung dem Volk
nicht verwehre, eine erteilte Konzession zu entziehen. Sie bestreiten
insbesondere, dass bloss ein Gesetz im materiellen Sinne und damit kein
Verwaltungsakt Gegenstand eines Volksbegehrens sein könne. Wie es sich
damit verhält, ist durch Auslegung des kantonalen Verfassungsrechts zu
ermitteln. Dabei steht dem Bundesgericht die freie Prüfung zu, wobei es
sich nur insoweit Zurückhaltung auferlegt, als es sich in ausgesprochenen
Zweifelsfällen der von der obersten kantonalen Behörde vertretenen
Auslegung anschliesst (BGE 97 I 824).

    a) Die aargauische Verfassung sagt nichts über die Zuständigkeit zum
Widerruf einer erteilten Wasserrechtskonzession, und dem Gesetzesrecht
kann nicht eindeutig entnommen werden, ob der Regierungsrat oder der
Grosse Rat dazu befugt ist. Läge die Kompetenz beim Grossen Rat, was in
analoger Anwendung von § 29 Abs. 1 des kantonalen Gewässerschutzgesetzes
vom 22. März 1954 allenfalls geschlossen werden könnte, so wäre die
Möglichkeit, durch Volksinitiative einen Konzessionswiderruf zu verlangen,
nicht von vorneherein zu verneinen. Kann doch in verschiedenen Kantonen die
Volksinitiative mehr oder weniger alles zum Gegenstand haben, was in die
Kompetenz der gesetzgebenden Behörde fällt (vgl. die Zusammenstellung bei
HEINRICH BÜELER, Die Entwicklung und Geltendmachung des Schweizerischen
Volks-Initiativrechtes, Diss. Zürich 1925 S. 106 f.). Es ist deshalb in
erster Linie zu prüfen, was nach der aargauischen Verfassung Inhalt einer
Gesetzesinitiative sein kann.

    b) Nach Art, 26 Abs. 1 KV können die Bürger

    "den Erlass, die Abänderung oder die Aufhebung eines Gesetzes
verlangen".

    Der Begriff des Gesetzes kann im materiellen oder formellen
Sinne verstanden werden. Das Gesetz im materiellen Sinn ist der
Erlass der gesetzgebenden Behörde, welcher generellabstrakte Normen
enthält, d.h. der Rechtssetzungserlass. Unter Gesetz im formellen Sinn
dagegen sind alle Erlasse zu verstehen, die in die Zuständigkeit der
gesetzgebenden Behörde fallen und im Gesetzgebungsverfahren ergehen,
also auch die rechtsanwendenden Akte im Rahmen ihrer Regierungs- und
Verwaltungstätigkeit. Welchen Gesetzesbegriff Art. 26 Abs. 1 KV meint,
lässt sich aufgrund dieser Vorschrift allein nicht feststellen. Zu
ihrer Auslegung sind deshalb weitere Bestimmungen der aargauischen
Verfassung heranzuziehen. Erheblich ist in diesem Zusammenhang
Art. 25 KV, welcher das Referendumsrecht regelt. Art. 25 Abs. 1 KV
zählt die der Genehmigung des Volkes zu unterstellenden Erlasse auf
und unterscheidet dabei, abgesehen von Verfassungsänderungen, Gesetze
(lit. a) und Beschlüsse (lit. b - e). Der Beschluss ist die Form für
die Akte des Grossen Rats, welche rechtsanwendender Natur sind, wie
insbesondere Verwaltungsverfügungen. Demnach ist hier unter Gesetz nur der
generell-abstrakte Rechtssetzungserlass, das Gesetz im materiellen Sinne,
zu verstehen. Hat somit der Verfassungsgesetzgeber bei der Festlegung
des Umfangs des Referendumsrechts in Art. 25 Abs. 1 KV den Begriff
des Gesetzes im materiellen Sinn verwendet, so leuchtet nicht ein,
weshalb er dies nicht auch im Zusammenhang mit dem Initiativrecht in
Art. 26 Abs. 1 KV getan haben sollte. Unter dem Gesichtspunkt sowohl der
äussern wie der innern Systematik der Verfassung ist auszuschliessen,
dass er bei Referendumsrecht und Initiativrecht von zwei verschiedenen
Vorstellungen vom Gesetz ausging. Die Bestimmungen von Art. 25 und 26 KV
stehen nebeneinander. Zudem betreffen sie dem Inhalte nach das Gleiche,
nämlich das Mitwirkungsrecht des Volkes bei der Gesetzgebung, dessen
Ausgestaltung in der einen wie in der andern Richtung vernünftigerweise
nur ein und derselbe Gesetzesbegriff zugrundeliegen kann. Hätte der
Verfassungsgesetzgeber das Initiativrecht für Beschlüsse, die in die
Zuständigkeit des Grossen Rates fallen, zulassen wollen, so hätte er sie
wie in Art. 25 KV auch ausdrücklich erwähnt. Es ist daher anzunehmen,
dass Art. 26 KV als Gegenstand der Gesetzesinitiative allein Gesetze im
materiellen Sinn, d.h. generell-abstrakte Rechtssetzungserlasse vorsieht.
Diese Auffassung teilen die Autoren, welche sich mit dem Initiativrecht
in der Schweiz befassen. Sie legen Art. 26 KV im gleichen Sinne aus und
führen den Kanton Aargau unterjenen Kantonen auf, die das Initiativrecht
auf die gesetzgebenden Akte beschränken und die Beschlüsse und namentlich
Verwaltungsakte davon ausnehmen (GIACOMETTI, Das Staatsrecht der
Schweizerischen Kantone, Zürich 1941, S. 536 N. 49; ALBERT KELLER, Das
Volksinitiativrecht nach den Schweizerischen Kantonsverfassungen, Diss.
Zürich 1889, S. 109, HEINRICH BÜELER, aaO S. 106 f. und Anm. 261, WILHELM
RUPPERT, Die Unterscheidung von Verfassungs- und Gesetzesinitiative
in den schweizerischen Kantonen, Diss. Zürich 1933, S. 17 und N. 20;
WALTER WELTI, aaO S. 117). Die Richtigkeit dieser Auslegung zeigt
sich auch beim Blick auf die Verfassungen anderer Kantone. In den
Verfassungen der Kantone, welche die Volksinitiative nicht nur für
rechtssetzende Erlasse, sondern auch für alle oder einen Teil der in die
Zuständigkeit der gesetzgebenden Behörde fallenden Beschlüsse zulassen,
sind diese ausdrücklich daneben erwähnt, womit auch hier der Begriff des
Gesetzes im materiellen Sinne zugrundeliegt (so ZH Art. 29, BE Art. 9,
Uri § 48, OW Art. 63, NW Art. 54, Zug § 35, SO Art. 18 KV u.a.m.).
Mit Art. 28ter KV FR, der - entsprechend der Regelung der aargauischen
Verfassung - im Unterschied zu Art. 28bis, welcher dem Referendum Gesetz
und Dekret unterstellt, nur von Gesetz spricht, wollte der freiburgische
Verfassungsgesetzgeber das Initiativrecht auf Gesetze im materiellen Sinne
beschränkt haben (vgl. BGE 89 I 375 Erw. 3a). Was die Beschwerdeführer
zur Unterstützung ihrer Behauptung, nach Wortlaut und Sinn von Art. 26
der aargauischen KV sei die Verwaltungsinitiative zugelassen, vorbringen,
vermag denn auch in keiner Weise zu überzeugen. Wenn sie meinen, Art. 26
KV verwende den Begriff des Gesetzes im Sinne einer Abgrenzung gegenüber
der Verfassung, so schlösse dies jedenfalls dessen gleichzeitige Bedeutung
als rechtssetzender Erlass im Gegensatz zum Beschluss als der Form für die
rechtsanwendenden Erlasse des Grossen Rates nicht aus. Es besteht unter
keinem Gesichtspunkt ein Anlass zu bezweifeln, dass Art. 26 Abs. 1 KV als
Gegenstand der Gesetzesinitiative einzig Gesetze im materiellen Sinne bzw.
generell-abstrakte Rechtssetzungserlasse zulässt.

    c) Ziff. II/2 des Volksbegehrens sieht die Aufhebung der dem
AEW erteilten Konzession für den Neubau des Kraftwerkes Bremgarten -
Zufikon und damit die Vornahme eines individuellen Verwaltungsaktes vor.
Vergeblich behaupten die Beschwerdeführer, dieser Satz stelle bloss eine
authentische Interpretation von Ziff. I der Initiative dar in dem Sinne,
dass als Folge dieser Vorschrift unter anderem auch die Konzession des
Kraftwerkes Bremgarten - Zufikon dahinfallen werde. Ziff. II/2 sagt
unmissverständlich, dass der Widerruf der Konzession unmittelbar
verfügt und nicht der Konzessionsbehörde überlassen wird. Die
Vermutung liegt sogar nahe, dass die ganze Initiative überhaupt nur die
Verhinderung dieses Kraftwerkneubaus im Auge hat. Sind doch, wie in der
regierungsrätlichen Botschaft vermerkt und von den Beschwerdeführern
nie bestritten worden ist, auf der verhältnismässig kurzen Strecke des
Reussflusslaufes auf aargauischem Gebiet andere Wasserkraftwerke ausser
demjenigen von Bremgarten - Zufikon kaum denkbar, sodass die der Form
nach zwar allgemein gehaltene Bestimmung von Ziff. I wohl einzig auf den
Widerruf dieser Konzession hinzielt. An der Sache vorbei geht der weitere
Einwand der Beschwerdeführer, wenn schon der individuell-konkrete Satz,
dass das Kraftwerk Bremgarten - Zufikon Bestandteil der Sanierung der
Reussebene ist, Inhalt eines Gesetzes sein könne (§ 10 Reusstalgesetz),
so müsse er auch auf dem Wege der Gesetzesinitiative rückgängig gemacht
werden können. Ziff. II/2 der Initiative schlägt nicht eine entsprechende
gegenteilige Vorschrift vor, als deren Folge erst die Konzession von der
zuständigen Behörde zu widerrufen wäre, sondern bereits die Verfügung des
Widerrufs selbst. Auch die Erteilung der Konzession erfolgte nicht durch
§ 10 des Reusstalgesetzes, sondern durch den von dieser gesetzlichen
Regelung unabhängigen Verleihungsakt des Regierungsrates. Ziff. II/2
der Initiative hat offensichtlich einen individuellen Verwaltungsakt
zum Inhalt und verstösst damit klar gegen Art. 26 Abs. 1 KV, der die
Gesetzesinitiative nur für rechtssetzende Erlasse zulässt.

Erwägung 4

    4.- Weder hinsichtlich der rechtlichen Natur des vorgeschlagenen
Widerrufs der Konzession noch mit bezug auf den Sinn von Art. 26 Abs. 1
KV besteht irgend ein Zweifel, der es rechtfertigen würde, das Begehren
dennoch der Volksabstimmung zu unterbreiten. Wohl soll nach Art. 16 KV
die Geltendmachung bestimmter Volksrechte und darunter der Initiative
möglichst erleichtert werden. Dieser Grundstaz findet aber seine Schranke
an Art. 26 Abs. 3 KV, wonach einem augenscheinlich verfassungswidrigen
Volksbegehren keine Folge gegeben werden soll. Und an die Verfassung ist
im Rechtsstaat auch das Volk als Gesetzgeber gebunden.

Erwägung 5

    5.- Es stellt sich die Frage, ob die augenscheinliche
Verfassungswidrigkeit von Ziff. II/2 des Vorschlages dem Grossen Rat die
Befugnis gab, dem ganzen Initiativbegehren keine Folge zu geben oder ob er
nicht wenigstens dessen ersten Teil - sofern Ziff. I als verfassungsmässig
angesehen werden kann - zur Abstimmung hätte bringen müssen. Aus dem
Initiativrecht lässt sich nicht allgemein ein Anspruch der Stimmbürger
darauf ableiten, dass ihnen die zuständige Behörde den verfassungsmässigen
Teil eines im übrigen verfassungswidrigen Volksbegehrens unterbreitet, doch
kann sich unter Umständen ein solcher je nach der Art des eingereichten
Vorschlages ergeben (BGE 61 I 337 ff.; KONRAD KELLER, Probleme des
Initiativrechts, in Rechtsprobleme von Stadtgemeinden, Zürich 1961,
S. 49 f.). Wie es sich damit im vorliegenden Falle verhält, braucht
jedoch nicht entschieden zu werden, da der angefochtene Grossratsbeschluss
in dieser Hinsicht nicht beanstandet wird. Indem die Beschwerdeführer
nicht verlangen, dass wenigstens über Ziff. I der Initiative abgestimmt
werde, geben sie übrigens zu erkennen, dass ohne den in Ziff. II/2
enthaltenen Vorschlag, die Konzession für das Kraftwerk Bremgarten -
Zufikon zu widerrufen, die Initiative wenig Sinn mehr hat. Aus den
gesamten Umständen ist zu schliessen, dass die Initiative einzig die
Verhinderung des Kraftwerkneubaus Bremgarten - Zufikon bezweckte und dass
daher der Vorschlag ohne den unmittelbaren Konzessionswiderruf dem Willen
der Initianten nicht mehr entspräche und wohl gar nicht zustandegekommen
wäre, was die Nichtunterbreitung der ganzen Initiative rechtfertigen würde.

Erwägung 6

    6.- Wenn der Grosse Rat im Jahre 1970 die erste Reusstalinitiative,
welche den Widerruf der Konzession für das Kraftwerk Bremgarten - Zufikon
allerdings nicht unmittelbar verlangte, diesen jedoch zur Folge gehabt
hätte, der Volksabstimmung unterbreitete, so musste er deswegen noch
nicht auch der zweiten Initiative Folge geben. Abgesehen davon, dass
jener Vorschlag von allgemeiner Tragweite war, könnte selbst die damalige
Unterbreitung eines augenscheinlich verfassungswidrigen Volksbegehrens
den Grossen Rat nicht hindern, in Erkenntnis der verfassungsrechtlichen
Lage nunmehr einen andern Standpunkt einzunehmen. Eine Verletzung der
Rechtsgleichheit, welche die Beschwerdeführer sinngemäss geltend machen,
kann ihm nicht vorgeworfen werden.

    Brauchte der Grosse Rat dem Volksbegehren schon aus den dargelegten
Gründen keine Folge zu geben, so kann die Beschwerde abgewiesen
werden, ohne dass auf die weiteren streitigen Fragen von dessen
Verfassungsmässigkeit einzugehen ist.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.