Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IA 615



98 Ia 615

89. Auszug aus dem Urteil vom 20. September 1972 i.S. Schumacher und
Mitbeteiligte gegen den Stadtrat von Zürich, die Bärengasse Immobilien
AG und den Regierungsrat des Kantons Zürich Regeste

    Art. 85 lit. a OG;politische Stimmberechtigung; Schutz des Bürgers
vor unzulässiger Beeinflussung der demokratischen Willensbildung

    1.  Unter bestimmten Voraussetzungen hat der Bürger Mängel bei der
Vorbereitung eines Urnengangs sofort mit den ihm zur Verfügung stehenden
Rechtsbehelfen zu rügen (Bestätigung der Rechtsprechung); Erw. 2.

    2.  Verfassungsmässiger Schutz der demokratischen
Willensbildung. Kriterien für den Entscheid darüber, ob der Bürger
durch die behördliche Erläuterung einer Abstimmungsvorlage, durch private
Veröffentlichungen oder durch die Presse in unzulässiger Weise beeinflusst
worden ist; Erw. 4.

Sachverhalt

    A.- Im Hinblick auf den geplanten Neubau eines privaten Geschäftshauses
auf dem Areal zwischen Talacker, Bärengasse und Talstrasse befassten
sich die zuständigen Behörden der Stadt Zürich mit der Frage, ob
und gegebenenfalls wie die als Baudenkmäler wertvollen Häuser "Zum
Schanzenhof", "Zur Weltkugel" und "Zur Arch" an der Bärengasse 18, 20 und
22 erhalten werden könnten. Auf Empfehlung der städtischen Kommission für
Denkmalpflege einigte sich der Stadtrat mit den Grundeigentümern Hans
C. Bodmer und Peter Bodmer im Oktober 1969 dahin, dass diese der Stadt
Zürich die Häuser "Zum Schanzenhof" und "Zur Weltkugel" samt fester Zugehör
unentgeltlich abtreten sollten unter der Bedingung, dass die Stadt die
beiden Bauten auf ihre Kosten vom bisherigen Standort an der Bärengasse auf
den gegenüberliegenden Basteiplatz verschiebe, um es den Grundeigentümern
auf diese Weise zu ermöglichen, die Parzellen neu zu überbauen. Der
Schenkungsvertrag vom 27. Oktober 1969 sah ferner den Abbruch des Hauses
"Zur Arch" (Bärengasse 18) vor. Die Parteien kamen sodann überein, dass die
erwähnte Verschiebung bis spätestens 31. Oktober 1970 zu erfolgen habe,
dass sich diese Frist jedoch bis 30 Tage nach rechtskräftiger Erteilung
einer Baubewilligung für die fraglichen Grundstücke verlängere.

    Mit Vertrag vom 16. Dezember 1970 übernahm die Bärengasse Immobilien
AG als neue Eigentümerin die erwähnte Schenkungsverpflichtung. Die
entsprechende Vereinbarung mit der Stadt Zürich sah jedoch vor,
dass die Verschiebung der beiden Häuser "Zum Schanzenhof" und "Zur
Weltkugel" bis spätestens 1. Juli 1971 zu erfolgen habe und dass die
Schenkungsverpflichtung dahinfalle, wenn die Verschiebung der beiden
Gebäude "aus irgendeinem Grunde" nicht zustande kommen sollte.

    B.- Am 21. Oktober 1970 bewilligte der Gemeinderat von Zürich den
für die Verschiebung der beiden Häuser sowie für die Unterkellerung und
Instandstellung am neuen Standort erforderlichen Kredit von 1,9 Millionen
Franken. Gegen diesen Beschluss wurde das Referendum ergriffen. In der
Folge setzte der Stadtrat den Urnengang auf den 14. März 1971 an.

    In der "Abstimmungs-Vorlage" vom 7. Januar 1971 empfahl der Stadtrat
den Stimmbürgern, dem erwähnten Kreditbeschluss zuzustimmen. Er legte
eingehend die dafür sprechenden Gründe dar und führte unter anderem
aus, eine Unterschutzstellung der Häuser am bisherigen Standort
wäre wirtschaftlich untragbar, da die Grundeigentümer erhebliche
Entschädigungsforderungen geltend zu machen vermöchten. Dabei berief er
sich insbesondere auf ein Gutachten, in dem von Entschädigungsansprüchen
in der Höhe von 3,5 Millionen Franken gesprochen wird, und fügte bei,
dass die Grundeigentümer sogar solche im Betrage von rund 15 Millionen
Franken für angemessen und durchsetzbar hielten. Der Stadtrat wies sodann
auch auf die Nachteile der vorgeschlagenen Lösung hin (Schmälerung des
Basteiplatzes um die Gebäudefläche von 235,5 m2; Notwendigkeit, einige
Bäume zu fällen), erklärte sich jedoch überzeugt, dass die Vorteile des
vorgeschlagenen Vorgehens gegenüber den Nachteilen überwögen.

    Mit Schreiben vom 12. Februar 1971 ersuchte Rechtsanwalt Dr. Peter
Albrecht den Stadtrat, ihm Einblick in das erwähnte Gutachten zu geben. Der
Vorstand des Bauamtes II, Stadtrat Edwin Frech, lehnte dieses Begehren
jedoch am 17. Februar 1971 unter Hinweis auf das Amtgeheimnis ab und fügte
bei, dem Gutachten komme im übrigen für die Abstimmung keine Bedeutung zu.

    Bereits am 27. Januar 1971 hatte Rechtsanwalt Dr. Peter Albrecht bei
der kantonalen Baudirektion eine Aufsichtsbeschwerde gegen den Stadtrat von
Zürich eingereicht, in welcher er unter anderem beantragte, den Abbruch
der Häuser Bärengasse 18, 20 und 22 zu untersagen, eventuell ein bis zum
14. März 1971 befristetes Abbruchverbot auszusprechen. Mit einlässlich
begründetem Entscheid vom 18. Februar 1971 gab der Regierungsrat jedoch
der Beschwerde keine Folge. Dabei führte er unter anderem folgendes aus
(S. 5 Ziff. 8 lit. b):

    "Würde, entsprechend dem Hauptantrag des Beschwerdeführers,
wenigstens die Häuserzeile an der Bärengasse, bestehend aus den Häusern
"Zum Schanzenhof", "Zur Weltkugel" und "Zur Arch" erhalten, so müsste
zwischen den alten Gebäuden und den projektierten wuchtigen Neubauten
ein Grünstreifen vorgesehen werden. Das Restareal würde es in diesem
Fall nicht mehr erlauben, die reduzierte Grundflächenausnützung durch
Erhöhung der Gebäudehöhe zu kompensieren, da eine Hochhausüberbauung vor
allem an polizeilichen Hindernissen scheitern müsste. Die benachbarten
Häuser auf der Nordseite würden nämlich durch den Schattenwurf eines
Hochhauses in unzumutbarem Umfang beeinträchtigt, da keine genügenden
Abstände eingehalten werden könnten. Aber auch in architektonischer und
städtebaulicher Hinsicht vermöchte diese Lösung nicht zu befriedigen, da
das Strassenbild und auch das Quartierbild beeinträchtigt würden. Erweist
sich aber eine Kompensation in ausnützungsmässiger Hinsicht als nicht
durchführbar, so wäre mit einer Entschädigungsforderung seitens der
Grundeigentümerin von gegen 30 Millionen Franken zu rechnen. Auch diese
Lösung müsste somit aus finanziellen Gründen scheitern."

    Die genannte Entschädigungsforderung von 30 Millionen Franken wurde
hierauf auch in der Presse erwähnt. Dies bewog Rechtsanwalt Dr. Peter
Albrecht, in einer an den Regierungsrat und an den Stadtrat gerichteten
Eingabe vom 8. März 1971 zu verlangen, dass die entsprechenden
Ausführungen öffentlich widerrufen würden. Der Regierungsrat lehnte
dieses Ansinnen jedoch mit Schreiben vom 11. März 1971 ab mit dem Hinweis,
dass er an den Ausführungen im erwähnten Entscheid vom 18. Februar 1971
vollumfänglich festhalte.

    Im Vorfeld der Volksabstimmung vom 14. März 1971 erschien eine
Broschüre mit dem Titel "Sollen die Zürcher(innen) dieses Geschenk
annehmen?", in welcher der "Arbeitsausschuss der Stiftung Zürcher Wohn-
und Gartenmuseum auf dem Basteiplatz (in Gründung)" für die Vorlage
warb. Das 23 Seiten umfassende Heft enthielt - neben fotografischen
Aufnahmen - vor allem Stellungnahmen der Stadträte Dr. Heinrich Burkhardt
und Edwin Frech. Der letztere bezeichnete die Vorlage als "realistisch"
mit der Begründung, eine Unterschutzstellung der ganzen Häusergruppe an
der Bärengasse hätte eine "in die Millionen gehende" Entschädigungspflicht
zur Folge, wobei die Stadt nicht einmal Eigentümerin der fraglichen Bauten
würde. Im redaktionellen Teil der Broschüre (S. 15) war sodann von einer
Entschädigung von rund 40 Millionen Franken die Rede.

    C.- Am 14. März 1971 wurde die Vorlage des Stadtrats auf Verschiebung
der Häuser mit 87 918 Ja gegen 56 605 Nein angenommen.

    Bereits am 16. März 1971 erhob Andres Bachmann, Mitunterzeichner einer
Volksinitiative zur Erhaltung der Bärengasse-Häuser, beim Bundesgericht
eine "dringliche staatsrechtliche Beschwerde". Darin beanstandete er eine
"Rechtsverweigerung bzw. Rechtsverzögerung" seitens des Regierungsrats des
Kantons Zürich und beantragte, den Abbruch des Hauses Bärengasse 18 ("Zur
Arch") bis zum Entscheid über die erwähnte Volksinitiative zu untersagen.
Nachdem der Präsident der staatsrechtlichen Kammer das mit der Beschwerde
verbundene Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen am 31. März 1971
abgewiesen hatte, liess Bachmann seine Beschwerde durch Rechtsanwalt Dr.
Peter Albrecht zurückziehen.

    Mit Eingabe vom 2. und 5. April 1971 erhoben Andres Bachmann
und die Rechtsanwälte Dr. Peter Albrecht und Franz Schumacher beim
Bezirksrat Zürich Rekurs gegen das Abstimmungsergebnis vom 14. März
1971. Neben der Aufhebung des fraglichen Gemeindebeschlusses beantragten
die Beschwerdeführer, die Verschiebung der Häuser Bärengasse 20 und 22
sowie den Abbruch des Hauses Bärengasse 18 im Sinne einer vorsorglichen
Massnahme vorläufig zu verbieten. Dieses Begehren wiesen der Bezirksrat
und - auf Rekurs hin - der Regierungsrat des Kantons Zürich ab. Auf eine
dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde trat das Bundesgericht am
14. April 1971 mangels Legitimation der Beschwerdeführer nicht ein. Den
Abstimmungsrekurs wies der Bezirksrat in der Folge am 24. Juni 1971 ab.

    Diesen Entscheid zogen die Rekurrenten und drei andere Stimmbürger
an den Regierungsrat des Kantons Zürich weiter mit den Anträgen,
den Gemeindebeschluss vom 14. März 1971 aufzuheben, eventuell die
Wiederholung der Gemeindeabstimmung anzuordnen. Ferner verlangten die
Rekurrenten Einsicht in die Verträge über die Schenkung an die Stadt
Zürich, in die Expertise über die Entschädigungsfrage sowie in die
Baubewilligung und in die Pläne für die Neuüberbauung der Grundstücke an
der Bärengasse. In materieller Hinsicht machten sie hauptsächlich geltend,
die Stimmberechtigten seien durch die in der Weisung des Stadtrats
enthaltenen Angaben über die Höhe einer allfälligen Entschädigung an
die Grundeigentümerin wie auch durch die vor der Abstimmung bekannt
gewordene Stellungnahme des Regierungsrats zu dieser Frage irregeführt
worden, weshalb das Abstimmungsergebnis nicht dem tatsächlichen Willen
der Stimmberechtigten entspreche.

    Die Rekurrenten erhielten Gelegenheit, in die fraglichen
Schenkungsverträge und in das umstrittene Gutachten Einsicht zu nehmen
und sich dazu zu äussern. Hierauf wies der Regierungsrat den Rekurs am 10.
Februar 1972 ab.

    D.- Rechtsanwalt Franz Schumacher und die fünf am kantonalen Verfahren
beteiligten Stimmbürger führen gegen den Entscheid des Regierungsrates
des Kantons Zürich vom 10. Februar 1972 staatsrechtliche Beschwerde
wegen Verletzung ihres Stimmrechts (Art. 85 lit. a OG). Sie stellen
folgende Anträge:

    "1. Es sei der angefochtene Beschluss des Zürcher Regierungsrats
aufzuheben,

    2. Es sei der Gemeindebeschluss über die Verschiebung der Häuser
Bärengasse 20 und 22 auf dem Basteiplatz vom 14. März 1971 aufzuheben."

    E.- Der Stadtrat von Zürich und der Regierungsrat des Kantons Zürich
beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Den gleichen Antrag stellt auch
die zur Vernehmlassung aufgeforderte Bärengasse Immobilien AG.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach der Rechtsprechung verwirkt ein Stimmberechtigter das Recht
zur Anfechtung einer Abstimmung, wenn er es unterlässt, Fehler bei der
Vorbereitung des Urnengangs sofort durch Einsprache oder Beschwerde
zu rügen, damit der Mangel noch vor der Abstimmung behoben werden
kann und diese nicht wiederholt zu werden braucht (BGE 97 I 30 mit
Verweisungen). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass dem Bürger ein
sofortiges Handeln nach den Umständen zugemutet werden darf (BGE 89 I 87
mit Hinweis auf zwei unveröffentlichte Urteile).

    Im vorliegenden Fall ist zum mindesten einer der Beschwerdeführer -
Rechtsanwalt Dr. Peter Albrecht - vor der fraglichen Abstimmung tätig
geworden, indem er einerseits Einsicht in das vom Stadtrat erwähnte
Expertengutachten und anderseits den Widerruf der behördlichen Ausführungen
über die angeblichen Entschädigungsansprüche der Grundeigentümer in der
Höhe von rund 30 Millionen Franken verlangte. Ob darin eine rechtzeitige
Anfechtung der Abstimmungsvorlage im soeben umschriebenen Sinn erblickt
werden kann, ist fraglich, zumal die Beschwerdeführer die ablehnende
behördliche Stellungnahme zu den erwähnten Begehren auf dem Rechtsweg
hätten anfechten können. Wie es sich damit verhält, mag indessen - ähnlich
wie im Urteil 89 I 442/3 - dahingestellt bleiben, da sich die Beschwerde
aufgrund der nachstehenden Erwägungen ohnehin als unbegründet erweist.

Erwägung 3

    3.- Im kantonalen Verfahren machten die Beschwerdeführer geltend,
der Stadtrat habe die Stimmberechtigten irregeführt, indem er in der
Weisung behauptet habe, die Unterschutzstellung der beiden Häuser "Zum
Schanzenhof" und "Zur Weltkugel" löse eine Entschädigungspflicht des
Gemeinwesens für den Betrag von 3,5 bis 15 Millionen Franken aus. Der
Regierungsrat erklärte diese Rüge unter Hinweis auf die in Erw. 2 erwähnte
Rechtsprechung für verwirkt, da sie von den Beschwerdeführern nicht vor
der Abstimmung erhoben worden sei. Die Beschwerdeführer beanstanden
diese Betrachtungsweise, ohne jedoch ausdrücklich aus diesem Grunde die
Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu verlangen. Ob die fragliche
bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Verwirkung des Beschwerderechts ohne
weiteres auch im kantonalen Rekursverfahren in Abstimmungsangelegenheiten
zu beachten ist, wie der Regierungsrat anzunehmen scheint, braucht indessen
im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, denn der Regierungsrat
hat die von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen materiell geprüft und
den Rekurs im Dispositiv ausdrücklich abgewiesen.

Erwägung 4

    4.- Nach § 138 des zürcherischen Gesetzes über die Wahlen und
Abstimmungen vom 4. Dezember 1955 ist eine Wahl oder Abstimmung als
ungültig zu erklären und die Wiederholung anzuordnen, "wenn erhebliche
Fehler festgestellt worden sind". Was darunter im einzelnen zu verstehen
ist, braucht nicht näher untersucht zu werden, denn der Bürger hat bereits
von Verfassungs wegen Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis
anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und
unverfälscht zum Ausdruck bringt (BGE 98 Ia 78 Erw. 3a mit Verweisungen).
Stellt das Bundesgericht in dieser Hinsicht Unregelmässigkeiten fest,
die das Abstimmungsergebnis beeinflusst haben können, so hebt es die
betreffende Abstimmung auf. Dabei verlangt es nicht, dass der Stimmbürger
den Nachweis dafür erbringe, dass die gerügten Unregelmässigkeiten
das Abstimmungsergebnis tatsächlich beeinflusst haben; es entspricht
dem Begehren um Aufhebung der Abstimmung vielmehr schon dann, wenn die
tatsächlichen Begebenheiten eine unzulässige Beeinflussung als möglich
erscheinen lassen (vgl. BGE 93 I 535 oben). Ob dies zutrifft, entscheidet
es mit freier Kognition; die Sachverhaltsfeststellungen der kantonalen
Behörden überprüft es indessen nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel
der Willkür (BGE 98 Ia 78 Erw. 3a, 97 I 663 Erw. 3).

    Die Beschwerdeführer machen geltend, die Zürcher Stimmbürger seien im
Vorfeld der Abstimmung vom 14. März 1971 in dreifacher Hinsicht irregeführt
worden: Sie beanstanden in diesem Zusammenhang zunächst die Ausführungen
des Stadtrats in der "Abstimmungs-Vorlage" vom 7. Januar 1971; sodann
bemängeln sie die Stellungnahmen der Stadträte Dr. Heinrich Burkhardt und
Edwin Frech in der erwähnten Broschüre "Sollen die Zürcher(innen) dieses
Geschenk annehmen?"; schliesslich bringen sie vor, ein Teil der Presse
habe gestützt auf den regierungsrätlichen Entscheid vom 18. Februar 1971
zu Unrecht von Entschädigungsforderungen der Grundeigentümer im Betrag
von rund 30 Millionen Franken gesprochen und damit die Stimmbürger über
die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen eines Verzichts auf die
Verschiebung der Bärengasse-Häuser getäuscht.

    a) Nach der Rechtsprechung ist eine unzulässige Beeinflussung
des Stimmbürgers unter anderem dann anzunehmen, wenn die Behörden dem
Bürger in der Erläuterung der Vorlage ein falsches Bild von Zweck und
Tragweite der Volksbefragung geben und damit ihre Pflicht zur sachlichen
Information verletzen (BGE 98 Ia 78/9 mit Verweisungen und Hinweisen
auf die Rechtslehre). Enthält eine Botschaft jedoch Würdigungen von
Ermessensfragen, so kann darin keine Verfassungsverletzung erblickt werden,
denn es ist Sache des Bürgers, sich insoweit eine eigene Meinung zu bilden
(vgl. BGE 93 I 440 lit. c). Weiter darf sich die Behörde ohne weiteres
darauf beschränken, in der Erläuterung einer Abstimmungsvorlage jene Gründe
darzulegen, die für die Mehrheit des Gesetzgebers bestimmend waren, der den
fraglichen, der Volksabstimmung unterliegenden Beschluss gefasst hat (vgl.
BGE 93 I 339 Erw. 2b; unveröffentlichtes Urteil vom 23. Dezember 1970 i.S.
Zimmermann, Erw. 5). Von Verfassungs wegen kann demnach nicht verlangt
werden, dass bei der Abfassung des behördlichen Berichts zuhanden der
Stimmbürger alle möglichen Gesichtspunkte berücksichtigt und sämtliche
Einwendungen, die gegen die fragliche Vorlage vorgebracht werden können,
erwähnt werden. Die zur Erläuterung einer Abstimmungsvorlage verpflichtete
Behörde hat sich in diesem Zusammenhang vielmehr eine gewisse Zurückhaltung
aufzuerlegen, um nicht den Anschein einer unzulässigen Beeinflussung
der Stimmbürger zu erwecken (Urteil vom 23. Dezember 1970 i.S. Vischer,
Erw. 7a, abgedruckt in Zbl. 72/1971 S. 426).

    Die von den Beschwerdeführern beanstandeten Ausführungen in der
"Abstimmungs-Vorlage" vom 7. Januar 1971 (S. 5) lauten wie folgt:

    "Eine Expertise ergab, dass sogar bei einer weitreichenden baulichen
Kompensation trotz ihrer negativen sachlichen Beurteilung mit einem
Entschädigungsanspruch von mindestens 3,5 Millionen Franken gerechnet
werden müsste. Die Grundeigentümer sind sogar überzeugt, in diesem Falle
eine Schadenersatzforderung von rund 15 Millionen Franken gerichtlich
durchsetzen zu können."

    Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, der Beweis für
das Bestehen der erwähnten Schadenersatzforderung sei nicht erbracht
worden. Damit ist indessen nicht dargetan, dass die entsprechenden
Ausführungen in der "Abstimmungs-Vorlage" tatsächlich unrichtig waren,
zumal dies auch in der Beschwerdeschrift nicht ausdrücklich behauptet
wird. Mit der Rüge, die Entschädigungspflicht des Gemeinwesens sei
nicht erwiesen gewesen, lässt sich der Vorwurf der verfassungswidrigen
Irreführung der Stimmbürger seitens der zürcherischen Behörden jedenfalls
nicht begründen.

    Die Beschwerdeführer bringen sodann vor allem vor, die in der
"Abstimmungs-Vorlage" erwähnte Expertise von Architekt Hans Michel komme zu
einem falschen Ergebnis. Allein auch damit dringen sie nicht durch. Wohl
lässt sich über die Schlussfolgerungen des fraglichen Gutachtens vom 26.
Januar 1970 streiten, zumal es die massgebenden rechtlichen Gesichtspunkte
unberücksichtigt lässt. Auch die Beschwerdeführer können indessen nicht
bestreiten, dass der erwähnten Expertise insoweit Bedeutung zukam,
als sie die von den Behörden zu treffende Wahl unter den verschiedenen
theoretisch möglichen Lösungen beeinflusste. Der Stadtrat wies in der
"Abstimmungs-Vorlage" denn auch ausdrücklich auf diesen Umstand hin,
weshalb ihm in diesem Zusammenhang nicht vorgeworfen werden kann, er habe
die Stimmbürger unrichtig orientiert. Die Vorbringen der Beschwerdeführer
zum erwähnten Gutachten dienen im Grunde genommen nicht dazu, eine
behördliche Irreführung der Stimmbürger glaubhaft zu machen, sondern
bezwecken, die Angemessenheit und Zweckmässigkeit der Abstimmungsvorlage
als solcher in Frage zu stellen. Zu dieser Rüge sind die Beschwerdeführer
jedoch im vorliegenden Verfahren nicht legitimiert (vgl. BGE 89 I 442
Erw. 2).

    Ob die Grundeigentümerin eine Entschädigungsforderung wegen
materieller Enteignung hätte geltend machen können, wenn auf die
Verschiebung der beiden fraglichen Häuser verzichtet worden wäre, hatten
die zürcherischen Behörden im übrigen aufgrund einer Prüfung von zwei
Vorfragen zu beurteilen. Zunächst war abzuklären, welcher Gebäudeabstand
für den Fall eines Neubaus der Grundeigentümerin hätte verlangt werden
müssen, um die als Baudenkmäler geschnützten Häuser "Zum Schanzenhof" und
"Zur Weltkugel" angemessen zur Geltung zu bringen. Sodann war zu prüfen,
inwieweit die sich daraus ergebende Beschränkung der möglichen Ausnutzung
durch Höherbaumöglichkeiten hätte ausgeglichen werden können. Entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführer waren die Behörden durchaus befugt,
diese Fragen im Rahmen einer Erläuterung der Abstimmungsvorlage anders
zu beurteilen als die Beschwerdeführer, umso mehr als sich für die
behördliche Betrachtungsweise - wie im angefochtenen Entscheid dargelegt -
beachtliche Gründe anführen lassen. Nach den Akten kann nämlich ohne
weiteres angenommen werden, dass in jedem Fall mit beträchtlichen
Entschädigungsforderungen der Grundeigentümerin hätte gerechnet werden
müssen und dass diese mindestens nicht von vorneherein unbegründet
gewesen wären. Wohl hätte der Stadtrat darauf verzichten können, die zu
erwartenden Entschädigungsansprüche zu beziffern. Er hätte sich damit
jedoch dem Vorwurf ausgesetzt, den Stimmbürger insoweit im Ungewissen
zu lassen. Die entsprechenden Ausführungen in der "Abstimmungs-Vorlage"
erscheinen als wohlabgewogen und rechtfertigen keinesfalls den Vorwurf
einer Irreführung der Stimmbürger. Dazu kommt, dass der Stadtrat
ausdrücklich auch auf die Nachteile der zur Annahme empfohlenen Lösung
hinwies. Soweit die Beschwerdeführer die behördliche Erläuterung der
Abstimmungsvorlage beanstanden, erweist sich ihre Beschwerde daher als
unbegründet.

    b) Was die erwähnte Broschüre "Sollen die Zürcher(innen) dieses
Geschenk annehmen?" betrifft, so üben die Beschwerdeführer in erster
Linie Kritik an den darin enthaltenen Stellungnahmen der Stadträte Dr.
Heinrich Burkhardt und Edwin Frech. Auch damit ist indessen eine
unzulässige Beeinflussung der Stimmbürger nicht dargetan. Nichts hindert
ein Behördemitglied, an einem Abstimmungsfeldzug teilzunehmen und
von dem ihm als Bürger zustehenden Recht auf freie Meinungsäusserung
Gebrauch zu machen, soweit dies nicht mit verwerflichen Mitteln,
z.B. unter Verwendung öffentlicher Gelder, irreführender Angaben
usw., erfolgt (BGE 89 I 443/4 Erw. 6 mit Verweisungen). Stadtrat
Edwin Frech führte in der erwähnten Veröffentlichung (S. 7) aus, eine
Unterschutzstellung der ganzen Häusergruppe an der Bärengasse hätte
"eine in die Millionen gehende Entschädigungspflicht" des Gemeinwesens
zur Folge. Damit gab er in abgekürzter Form die Schlussfolgerungen der
behördlichen "Abstimmungs-Vorlage" wieder, weshalb in seinem Vorgehen
nach dem Gesagten zum vorneherein keine unzulässige Beeinflussung der
Stimmbürger erblickt werden kann. Ähnliches gilt für die Stellungnahme
von Stadtrat Dr. Heinrich Burkhardt.

    Die Beschwerdeführer bringen weiter vor, die erwähnte Broschüre habe
in raffinierter Weise den Eindruck einer amtlichen Publikation erwecken
wollen, da ihre äussere Aufmachung in auffallender Weise mit jener von
verschiedenen, in jüngster Zeit erschienenen amtlichen Drucksachen
übereinstimme. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wie der
Regierungsrat im angefochtenen Entscheid mit Recht ausführt, unterschied
sich die fragliche Broschüre in ihrer ganzen äusseren Erscheinung deutlich
von den amtlichen Weisungen zu Abstimmungsvorlagen. Auf Seite 2 trug sie
zudem den deutlichen Vermerk "Zusammengestellt und herausgegeben vom
Arbeitsausschuss der Stiftung Zürcher Wohn- und Gartenmuseum auf dem
Basteiplatz (in Gründung)" und kennzeichnete sich damit eindeutig als
private Veröffentlichung.

    Eine unzulässige Beeinflussung der Stimmbürger erblicken die
Beschwerdeführer endlich in dem auf Seite 15 der fraglichen Broschüre
enthaltenen Hinweis, die Erhaltung der Bärengasse-Häuser am bisherigen
Standort hätte eine Entschädigungspflicht des Gemeinwesens für den
Betrag von rund 40 Millionen Franken zur Folge. Diese Zahl war zwar
nicht schlechthin unrichtig, konnte sich aber nur auf den für die
Grundeigentümerin ungünstigsten Fall beziehen, wo die verbleibende
Restparzelle zu einem beträchtlichen Teil mit einem Bauverbot belegt
und von einer teilweisen Kompensation dieser Eigentumsbeschränkung durch
Höherbaumöglichkeiten weitgehend abgesehen worden wäre. Diese Erläuterung
liess sich jedoch der Broschüre nicht entnehmen, weshalb der auf Seite 15
enthaltene redaktionelle Hinweis auf den Umfang der Entschädigungspflicht
als ungenau und bis zu einem gewissen Grad als unrichtig bezeichnet werden
muss. Das genügt indessen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer
nicht zur Annahme, die Stimmbürger seien dadurch in einem solchen Mass
irregeführt worden, dass das Abstimmungsergebnis nicht mehr ihren wahren
Willen wiederzugeben vermöge und aus diesem Grunde aufzuheben sei. Wie das
Bundesgericht vor kurzem erkannt hat, darf eine unzulässige Beeinflussung
eines Urnengangs durch eine private Veröffentlichung nur ausnahmsweise
bejaht werden, da sich die Verwendung von falschen und irreführenden
Angaben im Abstimmungskampf, so verwerflich sie auch immer sein mag,
nicht völlig ausschliessen lässt. Von einer unzulässigen Beeinflussung der
demokratischen Willensbildung kann nur dann gesprochen werden, wenn mittels
privater Publikationen in einem so späten Zeitpunkt mit offensichtlich
unwahren und irreführenden Angaben in den Abstimmungskampf eingegriffen
wird, dass es dem Bürger nach den Umständen unmöglich ist, sich aus anderen
Quellen ein zuverlässiges Bild von den tatsächlichen Verhältnissen zu
machen, und wenn überdies keinerlei Zweifel darüber bestehen, dass die
Abstimmung dadurch erheblich beeinflusst worden ist (BGE 98 Ia 80). Diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall offensichtlich nicht erfüllt,
zumal sich der Bürger bereits aufgrund der "Abstimmungs-Vorlage" eine
eigene Meinung bilden konnte und nach den Umständen durchaus in der Lage
war, die verschiedenen, im Verlaufe des Abstimmungsfeldzuges genannten
möglichen Entschädigungsbeträge vernunftsgemäss zu würdigen.

    c) Was die von den Beschwerdeführern beanstandeten Hinweise in
der Tagespresse anbelangt, so sind ähnliche Überlegungen am Platz. Die
fraglichen Artikel erschienen vom 5. März 1971 an, d.h. unmittelbar nach
der Eröffnung des regierungsrätlichen Entscheids vom 18. Februar 1971
und mehr als eine Woche vor der Volksabstimmung. Sie berichteten
im wesentlichen über die Erwägungen des Regierungsrats und gaben in
unmissverständlicher Weise an, unter welchen Voraussetzungen die Behörde
mit einer Entschädigungsforderung in der Höhe von rund 30 Millionen Franken
rechnete. Von einer Irreführung durch die Presse kann somit nicht die Rede
sein. Den Gegnern der Vorlage blieb übrigens genügend Zeit, um eine andere
Sachdarstellung zu veröffentlichen, falls sie tatsächlich befürchteten,
die Stimmbürger könnten durch die Erwägungen des Regierungsrats verwirrt
werden.

    Die Betrachtungsweise des Regierungsrats im Entscheid vom 18. Februar
1971 war im übrigen keineswegs unrichtig. Wohl beruhte sie auf einer
Schätzung, die als solche nicht weiter erläutert wurde. Aus den Erwägungen
ergab sich jedoch klar, welche der vorgeschlagenen Lösungen nach Ansicht
des Regierungsrats zu Entschädigungsforderungen in der Höhe von rund 30
Millionen Franken führen könnte. Mit Rücksicht auf die im Urteil 98 Ia
80 aufgestellten Grundsätze ist unter diesen Umständen nicht einzusehen,
inwieweitdie demokratischeWillensbildung im vorliegenden Fall durch
Veröffentlichungen in der Tagespresse in verfassungswidriger Weise
beeinflusst worden sein soll.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.