Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IA 602



98 Ia 602

88. Urteil vom 29. November 1972 i.S. Aschwanden gegen Appellationsgericht
(als Verwaltungsgericht), den Regierungsrat und den Grossen Rat des
Kantons Basel-Stadt. Regeste

    Stimmrecht. Ständeratswahl im Kanton Basel-Stadt. Behördliche
Informationspflicht und Stimmgeheimnis.

    1.  Wird eine Wahlbeschwerde statt vom Grossen Rat vom Regierungsrat
erledigt, so kann dadurch nicht die von Gesetzes wegen ausgeschlossene
Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts als Rechtsmittelinstanz begründet
werden (Erw. 1).

    2.  Unrichtige Rechtsmittelbelehrung als unverschuldetes Hindernis
im Sinne von Art. 35 OG (Erw. 4).

    3.  Umfang der Informationspflicht der Behörde über die eingegangenen
Wahlvorschläge (Erw. 9).

    4.  Verletzung des Stimmgeheimnisses durch unzulänglich eingerichtete
Wahllokale (Erw. 10 a und b).

Sachverhalt

    A.- Am 29., 30. und 31. Oktober 1971 fand im Kanton Basel-Stadt die
Wahl des Abgeordneten in den Ständerat statt. Einziger vorgeschlagener
Kandidat war der bisherige Dr. Willi Wenk, welcher mit starkem
Mehr wiedergewählt wurde. Die in Basel stimmberechtigte Hedwig
Aschwanden reichte am 3. November 1971 beim Regierungsrat des Kantons
Basel-Stadt eine Wahleinsprache ein mit dem Antrag, die Wahl ungültig
zu erklären. Sie machte eine Verletzung des Wahlgeheimnisses sowie der
behördlichen Informationspflicht gegenüber den Stimmbürgern geltend,
weil die Stimmbürger im Wahllokal Wettsteinschulhaus ihr Wahlrecht
nicht hätten geheim ausüben können und weil der Wahlvorschlag nicht in
genügender Form bekanntgegeben worden sei. Am 16. November 1971 wies der
Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt die Einsprache ab. Der betreffende
Regierungsratsbeschluss wurde mit einer Begründung, die den nachstehenden
rechtlichen Erwägungen zu entnehmen ist, Fräulein Aschwanden in Form
eines Briefes mitgeteilt.

    B.- Mit Beschluss vom 16. November 1971 beantragte der Regierungsrat
dem Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt, die Ständeratswahl zu
validieren. In seinem Bericht an den Grossen Rat stellte er fest. dass von
148'585 Stimmberechtigten sich 62'811 an der Wahl beteiligten. Bei 41'716
eingelegten gültigen Stimmzetteln betrage das absolute Mehr 20'859. Gewählt
sei mit 34'571 Stimmen der bisherige Vertreter des Kantons Basel-Stadt,
Herr Dr. Willi Wenk. Weiter wurde erwähnt, dass eine Einsprache von
Fräulein H. Aschwanden eingereicht worden sei, die der Regierungsrat in
seiner Sitzung vom 16. November 1971 als unbegründet abgewiesen habe.

    Mit Beschluss des Grossen Rates vom 18. November 1971 wurde die
Ständeratswahl entsprechend dem regierungsrätlichen Antrag als validiert
erklärt.

    C.- Hedwig Aschwanden wollte den Regierungsratsbeschluss vom
16. November 1971, mit welchem ihre Wahleinsprache abgewiesen wurde,
anfechten. Auf ihre Anfrage hin teilte ihr der Staatsschreiber des
Kantons Basel-Stadt schriftlich mit, dass gemäss § 16 des Gesetzes über
die Verwaltungsrechtspflege gegen den betreffenden Regierungsratsbeschluss
innert 7 Tagen ab Zustellung der Rekurs an das Verwaltungsgericht ergriffen
werden könne und dass spätestens innert 14 Tagen eine schriftliche
Rekursbegründung einzureichen sei.

    D.- Mit Eingabe vom 22. November 1971 reichte Hedwig Aschwanden beim
Appellationsgericht als Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt einen
begründeten Rekurs ein. Sie beantragte, dass das Abstimmungsresultat
vom 29., 30., 31. Oktober 1971 wegen Verletzung des Wahlgeheimnisses und
Verletzung der Informationspflicht ungültig erklärt und eine neue Wahl
durchgeführt werde.

    Am 23. November 1971 schrieb der vorsitzende Präsident des
Appellationsgerichts Basel Hedwig Aschwanden, dass das von ihr ergriffene
Rechtsmittel aussichtslos sei. In dem Schreiben legte er unter Hinweis
auf die massgebenden Bestimmungen von Verwaltungsrechtspflegegesetz und
Wahlgesetz dar, dass und weshalb das Verwaltungsgericht zur Behandlung
ihres Rekurses nicht zuständig sei. Es wurde ihr erklärt, dass ohne ihren
Gegenbericht bis zum 30. November 1971 angenommen werde, dass sie im
Interesse der Vermeidung von Kosten auf ein förmliches Urteil verzichte.
Hedwig Aschwanden hielt jedoch an ihrem Rekurs fest. Am 16. Dezember 1971
fällte das Verwaltungsgericht den Nichteintretensentscheid. Er wurde -
wie schon im Schreiben des Präsidenten vom 23. November 1971 dargelegt
- damit begründet, dass der Beurteilung des Verwaltungsgerichts nur
solche Verfügungen des Regierungsrats unterlägen, welche eine materielle
Erledigung des behandelten Geschäfts enthalten oder auf Nichteintreten
lauten. Die Validierung der Ständeratswahl sei Sache des Grossen Rates. Die
Vorkehrungen des Regierungsrats auf diesem Gebiete dienten bloss der
Vorbereitung der Beschlussfassung des Grossen Rates und enthielten
keine materielle Erledigung des Geschäftes. Eine Anfechtung des in
Frage stehenden Regierungsratsbeschlusses beim Verwaltungsgericht sei
daher ausgeschlossen. Hedwig Aschwanden wurde eine Gerichtsgebühr von Fr.
100.-- auferlegt, weil sie trotz des Hinweises auf die Aussichtslosigkeit
des Rekurses an diesem festgehalten habe.

    E.- Hedwig Aschwanden hat im Anschluss an den Entscheid des
Verwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1971 mit Eingabe vom 3. Januar
1972 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung ihrer politischen
Rechte als Stimmbürgerin sowie des Art. 4 BV erhoben. Sie beantragt,
zu berücksichtigen, dass ihr aus der falschen Rechtsmittelbelehrung
durch die kantonale Instanz kein Nachteil erwachsen dürfe und dass die
daraus entstandenen Kosten dem Verwaltungsgericht anzulasten seien. Dem
Verwaltungsgericht wird ein gesetzwidriges Verhalten vorgeworfen, weil
es ihre Rechtsmitteleingabe nicht unverzüglich an die zuständige Instanz
weitergeleitet habe. Zur Sache selbst wiederholt die Beschwerdeführerin
ihre im kantonalen Verfahren vorgebrachten Rügen der Verletzung des
Wahlgeheimnisses und der behördlichen Informationspflicht gegenüber den
Stimmbürgern und beantragt, die Ständeratswahl ungültig zu erklären. Zudem
sei der Regierngsrat zu verpflichten, in den Wahllokalen für die Wahrung
der geheimen Stimmabgabe zu sorgen; auch sei ihr Recht auf Information
zu schützen. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit nötig,
aus den nachstehenden Erwägungen.

    F.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt beantragt
unter Verzicht auf Gegenbemerkungen die Abweisung der Beschwerde.
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt hat sich nicht vernehmen lassen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach § 10 des baselstädtischen Gesetzes über die
Verwaltungsrechtspflege vom 14. Juni 1928 (VRPG) unterliegen der
Beurteilung des Verwaltungsgerichts grundsätzlich nur die Verfügungen
des Regierungsrats, welche eine materielle Erledigung des behandelten
Geschäftes enthalten oder auf Nichteintreten lauten. § 27 Abs. 2 der
Kantonsverfassung (KV) bestimmt, dass die Untersuchung der Gültigkeit
der Abstimmungen sowie der Wahl der Abgeordneten in den Ständerat vom
Regierungsrat vorgenommen wird und dass der Bericht darüber dem Grossen
Rate zum Entscheid vorzulegen ist. Die §§ 26 und 29 des kantonalen Gesetzes
betreffend die Wahlen und Abstimmungen vom 9. März 1911 (WG) wiederholen
im wesentlichen diese Verfassungsvorschrift und bestimmen präzisierend
weiter, dass die Einsprachen gegen kantonale Wahlen dem Regierungsrat
einzureichen sind, der sie an die Behörde weiterleitet, die über die
Gültigkeit der Wahl zu entscheiden hat. Demnach wird eine Einsprache gegen
die Ständeratswahl nicht vom Regierungsrat erledigt. Zuständig dazu ist
der Grosse Rat, der die Wahl validiert.

    Von dieser Ordnung geht zu Recht auch der auf Nichteintreten
lautende Entscheid des Verwaltungsgerichts aus. Das Verwaltungsgericht
verkennt jedoch, dass der Regierungsrat im Falle der Beschwerdeführerin
offensichtlich doch über die Wahleinsprache entschieden hat. Durch
Regierungsratsbeschluss vom 16. November 1971 - welcher der
Beschwerdeführerin zwar in Form eines Briefes mitgeteilt wurde, was
aber nicht ändert, dass es sich um einen Entscheid handelt - wurde
entschieden, dass die Wahleinsprache abgewiesen werde. Dem entspricht
der Beschluss des Regierungsrats vom gleichen Tag, womit dem Grossen
Rat über die Ständeratswahl Bericht erstattet und deren Validierung
beantragt wurde. Die Wahleinsprache der Beschwerdeführerin wird darin dem
Grossen Rat nicht zum Entscheid unterbreitet, sondern es wird nurmehr
daraufhingewiesen, dass eine Einsprache von Fräulein H. Aschwanden
fristgemäss eingereicht worden sei und dass der Regierungsrat diese
Einsprache in seiner Sitzung vom 16. November 1971 als unbegründet
abgewiesen habe. Demgemäss hat auch der Grosse Rat die Ständeratswahl
validiert, ohne die Einsprache selbst beurteilt zu haben. Die Tatsache,
dass der Regierungsrat über die Wahleinsprache der Beschwerdeführerin
materiell entschied - was wohl erklärt, weshalb der Staatsschreiber diese
auf den Rechtsmittelweg an das Verwaltungsgericht wies -, vermag jedoch
die nach dem Gesetz ausgeschlossene Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts
nicht zu begründen. Die Beschwerdeführerin behauptet denn auch mit Recht
nicht, dass dieses auf ihren Rekurs hätte eintreten müssen.

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin sieht eine Verletzung von Art. 4 BV
darin, dass das Verwaltungsgericht ihren Rekurs nicht unverzüglich an
die zuständige Instanz weiterleitete, wie es seine gesetzliche Pflicht
gewesen wäre. Die gesetzlichen Vorschriften, welche ein solches Vorgehen
vorschreiben sollten, werden jedoch nicht genannt. Der Beschwerde fehlt
es insoweit an der nach Art. 90 OG erforderlichen Begründung, weshalb
auf die Rüge nicht einzutreten ist.

Erwägung 3

    3.- Der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1971
wird mit der staatsrechtlichen Beschwerde insoweit angefochten, als der
Beschwerdeführerin eine Gerichtsgebühr von Fr. 100.-- auferlegt wird,
weil sie trotz Hinweises auf die Aussichtslosigkeit des Rekurses an
diesem festhielt.

    Nach § 30 Abs. 1 VRPG werden in der Regel weder Gerichtsgebühren
erhoben noch Parteientschädigungen zugesprochen. Nach Abs. 2 Satz 1
dieser Bestimmung, und auf diese stützt sich das Verwaltungsgericht im
angefochtenen Entscheid, kann jedoch das Gericht ausnahmsweise einem
Rekurrenteneine Gerichtsgebührbis zumBetrage vonFr. 1'000.-- auferlegen,
wenn unter anderem die Art der Prozessführung dies rechtfertigt. Wohl wurde
der Beschwerdeführerin vom Präsidenten des Appellationsgerichts dargelegt,
dass und weshalb ihr Rekurs aussichtslos sei. Nachdem sie aber im Besitze
eines Schreibens des Staatsschreibers, der den Regierungsratsentscheid
mitunterzeichnet hatte, war, worin sie auf den Rechtsweg an das
Verwaltungsgericht gewiesen wurde, kann ihr kein Vorwurf gemacht
werden, wenn sie auf einem förmlichen Entscheid des Verwaltungsgerichts
beharrte. Unter diesen Umständen ist es aber schlechthin unhaltbar und
verstösst damit gegen Art. 4 BV, ihr eine tadelnswerte Prozessführung,
welche die ausnahmsweise Auflage einer Gerichtsgebühr rechtfertigen würde,
zur Last zu legen. Satz 2 des Dispositivs des Verwaltungsgerichtsentscheids
vom 16. Dezember 1971, worin der Beschwerdeführerin eine Gerichtsgebühr
von Fr. 100.-- auferlegt wird, ist daher aufzuheben.

Erwägung 4

    4.- Soweit die staatsrechtliche Beschwerde das Wahlverfahren rügt und
sich gegen den die Wahleinsprache abweisenden Entscheid des Regierungsrats
vom 16. November 1971 richtet, ist sie verspätet. Die dreissigtägige
Beschwerdefrist des Art. 89 OG, die mit der offenbar am 17. November 1971
erfolgten Zustellung des Regierungsratsentscheids zu laufen begann, ist
unbenutzt verstrichen. Nach Art. 35 OG kann jedoch die Wiederherstellung
einer versäumten Frist gewährt werden, wenn der Gesuchsteller durch ein
unverschuldetes Hindernis davon abgehalten worden ist, innert Frist zu
handeln. Als unverschuldetes Hindernis im Sinne dieser Vorschrift anerkennt
die bundesgerichtliche Rechtsprechung auch eine von der zuständigen Behörde
erteilte unrichtige Rechtsmittelbelehrung, sofern der Betroffene sich
nach den Umständen darauf verlassen durfte (BGE 96 II 72, 94 I 284 je mit
Verweisungen). Dass der Staatsschreiber des Kantons Basel-Stadt zuständig
ist, eine Belehrung über das gegen einen Regierungsratsentscheid zu
ergreifende Rechtsmittel zu erteilen, steht ausser Zweifel. Es ist deshalb
bloss zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin darauf vertrauen durfte. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts kann eine Partei sich dann
nicht auf ihren guten Glauben berufen bzw. sich nicht auf die ihr erteilte
Rechtsmittelbelehrung verlassen, wenn sie die Voraussetzungen des in Frage
stehenden Rechtsmittels tatsächlich kannte, sodass sie durch die falsche
Belehrung nicht irregeführt werden konnte, oder wenn die Unrichtigkeit
der Belehrung für sie ohne weiteres erkennbar war (BGE 96 II 72, 94
I 284 je mit Verweisungen). Das ist hier anzunehmen von dem Zeitpunkt
an, da die Beschwerdeführerin durch das Schreiben des Präsidenten des
Verwaltungsgerichts von der Rechtslage Kenntnis erhielt. Auch wenn
es an sich verständlich ist, dass sie angesichts der schriftlichen
Rechtsmittelbelehrung des Staatsschreibers auf einem förmlichen Entscheid
des Verwaltungsgerichts beharrte, so musste ihr dieses Schreiben dennoch
allen Anlass geben, die Richtigkeit der ihr erteilten Rechtsmittelbelehrung
zumindest in Zweifel zu ziehen. Eine Wiederherstellung kann deshalb nur für
die Zeit gewährt werden, da die Beschwerdeführerin noch nicht im Besitze
des Schreibens des Verwaltungsgerichtspräsidenten vom 23. November
1971 war. Wird aufgrund der Akten angenommen, die Beschwerdeführerin
habe dieses am darauffolgenden Tag, dem 24. November 1971, erhalten, so
endigte die 30tägige Beschwerdefrist am 10. Januar 1972 (Gerichtsferien vom
18. Dezember bis und mit 1. Januar, 8./9. Januar 1972 Samstag/Sonntag). Die
Beschwerdeeingabe vom 3. Januar 1972 ist somit rechtzeitig.

Erwägung 5

    5.- Nach der verfassungsmässigen Ordnung steht der Entscheid über die
Wahleinsprachen dem Grossen Rat zu, welcher die Wahl validiert (§ 27 Abs. 2
KV, §§ 26, 29 WG; vgl. Erw. 1). Der Regierungsratsbeschluss, mit welchem
dem Grossen Rat Bericht und Antrag über die Wahl erstattet wird, ist daher
kein letztinstanzlicher kantonaler Hoheitsakt, der mit staatsrechtlicher
Beschwerde angefochten werden kann (Art. 86 Abs. 2 OG). Ein solcher liegt
erst mit dem Entscheid des Grossen Rates über die Einsprachen und die
Validierung der Wahl vor. Auch wenn im vorliegenden Fall der Regierungsrat
die Wahleinsprache der Beschwerdeführerin selbst materiell entschieden
hat, so kann der betreffende Beschluss für sich allein dennoch nicht der
staatsrechtlichen Beschwerde unterliegen. Anzufechten ist auch so in erster
Linie der Beschluss des Grossen Rates vom 18. November 1971, mit welchem
die im regierungsrätlichen Bericht erwähnte Abweisung der Wahleinsprache,
wenn nicht zum Inhalt des Validierungsbeschlusses erhoben, so zum mindesten
genehmigt wurde. In der staatsrechtlichen Beschwerde wird das Begehren
gestellt, die Ständeratswahl als ungültig zu erklären. Das kann dahin
verstanden werden, dass auch die Aufhebung des Validierungsbeschlusses des
Grossen Rats vom 18. November 1971 verlangt wird, zumal die ausdrückliche
Anfechtung auch dieses Beschlusses wohl deshalb unterblieb, weil der
Regierungsrat die Wahleinsprache entschied und der Beschwerdeführerin
zudem eine falsche Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde. Gegenstand des
Beschwerdeverfahrens ist somit auch der Validierungsbeschluss des Grossen
Rates vom 18. November 1971.

Erwägung 6

    6.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde vorliegender Art kann die
Kassation nicht bloss des letztinstanzlichen kantonalen Entscheids, sondern
auch der in Frage stehenden Wahl oder Abstimmung selbst verlangt werden.
Soweit die Beschwerdeführerin jedoch mehr beantragt als die Aufhebung der
angefochtenen Entscheide des Regierungsrats und des Grossen Rats sowie die
Kassation der Ständeratswahl, ist darauf nicht einzutreten (BGE 94 I 124,
nicht veröffentlichtes Urteil vom 6. November 1957 i.S. Stockalper E. 2).

Erwägung 7

    7.- Mit der Beschwerde wird nicht beantstandet, dass der Regierungsrat
statt des Grossen Rates über die Wahleinsprache entschied. Es ist deshalb
nicht zu prüfen, ob die angefochtenen Entscheide wegen Rechtsverweigerung
aufzuheben wären.

Erwägung 8

    8.- Die Beschwerdeführerin verlangt die Aufhebung der Ständeratswahl
mit der Begründung, dass die Stimmbürger durch die Behörde über den
Wahlvorschlag nicht hinreichend orientiert worden seien und zudem ihre
Stimme nicht hätten geheim abgeben können.

    Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete Stimmrecht gibt
dem Bürger Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird,
das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht
zum Ausdruck bringt. Der Bürger soll sein Stimmrecht völlig frei ausüben
und den Stimmzettel so ausfüllen können, wie es seinem wirklichen Willen
entspricht, was unter anderem durch geheime Stimmabgabe gewährleistet wird
(BGE 98 Ia 78, 90 I 73, je mit Verweisungen). Bei der Frage, ob diese
Grundsätze und damit das Stimmrecht verletzt sind, prüft das Bundesgericht
nicht nur die Auslegung und Anwendung des Bundesrechts und des kantonalen
Verfassungsrechts frei, sondern auch anderer kantonaler Vorschriften,
sofern diese das Stimmrecht nach Inhalt und Umfang näher normieren
(BGE 94 I 124 E. 2 mit Verweisungen). Die Sachverhaltsfeststellungen
der kantonalen Behörden dagegen prüft es nur unter dem beschränkten
Gesichtswinkel der Willkür (BGE 98 Ia 78, 97 I 663).

Erwägung 9

    9.- Eine fehlerfreie Willensbildung setzt voraus, dass den Stimmbürgern
Abstimmungsvorlagen und Wahlvorschläge gehörig bekannt gemacht werden
(PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und Volksabstimmungen,
Diss. Zürich 1945, S. 63 ff.). Wie die Bekanntmachung zu erfolgen hat,
ergibt sich vorab aus dem kantonalen Recht. Die betreffenden kantonalen
Bestimmungen, welche den Umfang der Informationspflicht der Behörden
festlegen, sind nicht bloss Ordnungsvorschriften, sondern sie umschreiben,
wie weit ein aus der politischen Stimmberechtigung sich ergebender Anspruch
der Bürger geht.

    Der Regierungsrat hat die Rüge, der Wahlvorschlag sei den Stimmbürgern
nicht zugestellt und damit nicht gehörig bekannt gemacht worden,
unter Hinweis auf § 88 Abs. 3 WG als unbegründet erklärt. Nach dieser
Bestimmung, die unter anderem speziell für die Ständeratswahl gilt, erhält
der Stimmberechtigte nach Vorweisung des Stimmrechtsausweises vom Wahlbüro
einen leeren Stimmzettel, den er nach allfälliger Ausfüllung in die Urne
legt. Daraus schliesst der Regierungsrat, dass bei der Ständeratswahl
eine Zustellung der Wahlvorschläge nicht zu erfolgen habe - anders als
bei den Regierungsratswahlen, wo die Wahlvorschläge auf den Stimmzetteln
vorgedruckt sind, die den Wählern vor der Wahl zugestellt werden (§
72 Abs. 2, § 73 WG). Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, die
Vorschrift von § 88 Abs. 3 WG habe nicht den Sinn, dass der Wahlvorschlag
den Stimmbürgern nicht bekanntzugeben sei. Die Stimmbürger seien vielmehr
wie bei der Abstimmung über Sachvorlagen zu informieren, oder wie bei den
Regierungsratswahlen mit dem Unterschied, dass der Wahlvorschlag nicht
gleichzeitig als Stimmzettel gelte. Dem ist insoweit beizupflichten, als
der Umstand, dass bei der Ständeratswahl die Wähler erst im Wahllokal den -
leeren - Stimmzettel erhalten, nicht bedeuten kann, der Wahlvorschlag sei
ihnen vor der Wahl überhaupt nicht zur Kenntnis zu bringen. § 72 Abs. 1
WG, wonach die Wahlvorschläge vom Polizeidepartement spätestens eine Woche
vor dem Wahltage im Kantonsblatt bekanntgegeben werden, muss auch für die
Ständeratswahl gelten. Der Wahlvorschlag mit Dr. Willi Wenk als Kandidaten
wurde denn auch am 4. Oktober 1971 im Kantonslatt veröffentlicht. Eine
weitergehende Information der Stimmbürger, wie die Beschwerdeführerin
sie im Auge hat, ist im Gesetz jedoch nicht vorgesehen, und es wird
auch nicht behauptet, dass eine solche sich aus der Verfassung ergeben
müsste. Die Rüge, die Regierung habe ihre Informationspflicht gegenüber
den Stimmbürgern verletzt, erweist sich daher als unbegründet.

Erwägung 10

    10.- § 27 KV schreibt für kantonale Wahlen und Abstimmungen die
Urnenabstimmung vor. Die Verwendung von Stimmurnen garantiert, dass der
einzelne seine Stimme geheim abgeben kann. In der Verfassungsbestimmung,
welche das System der Urnenabstimmung vorsieht, liegt somit die
Gewährleistung der geheimen Stimmabgabe als verfassungsmässiges Prinzip.
Entsprechend bestimmt § 19 Abs. 1 Satz 2 WG, das Wahlbüro habe darauf zu
achten, dass die Stimmabgabe durch die Berechtigten persönlich und geheim
vor sich geht.

    Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihrem Recht aufgeheime Stimmabgabe
verletzt, weil das Wahllokal im Wettsteinschulhaus so eingerichtet
gewesen sei, dass die Mitglieder des Wahlbüros die Stimmbürger beim
Ausfüllen des Wahlzettels hätten beobachten können. Man habe nämlich
in den wie für den Schulbetrieb angeordneten Bänken schreiben müssen,
vor denen die Mitglieder des Wahlbüros gleich dem Lehrer gestanden oder
gesessen seien. Der Regierungsrat dagegen erklärt, es sei aufgrund des
Tatsachenmaterials so gut wie sicher anzunehmen, dass keine Verletzung
oder Ritzung des Wahlgeheimnisses stattgefunden habe. Die Tische seien
so angeordnet gewesen, dass der Stimmbürger auf dem Weg vom Büro zu
den Tischen resp. zur Urne den Stimmzettel, den ein Stimmbürger gerade
ausfüllte, in der Regel nicht gesehen habe, es sei denn, er habe ihn
sehen wollen. In solchen Fällen aber wären die Wahlbüros verpflichtet,
dafür Sorge zu tragen, dass die Stimmbürger den Wahlakt geheim vornehmen
könnten. Dass man zudem vom Wahlbüro aus die Stimmbürger absichtlich
beobachtet habe, sei unwahrscheinlich. Die Mitglieder und Sekretäre seien
bei jenen letzten Wahlen vollauf mit dem Abschneiden der Couvertecken, mit
dem Abstempeln der Listen und mit der Abgabe der Stimmzettel beschäftigt
gewesen. Seit Jahrzehnten habe übrigens das bisherige System keinen Anlass
zu Beanstandungen gegeben.

    a) Den kantonalen Akten ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der
Regierungsrat den von der Beschwerdeführerin behaupteten Sachverhalt näher
überprüfte. Aus dessen Ausführungen im angefochtenen Entscheid ist jedoch
zu schliessen, dass das Wahllokal im Wettsteinschulhaus so eingerichtet
war, wie es in der Einsprache dargestellt wurde. Mit dem Argument,
dass die Wähler beim Ausfüllen des Stimmzettels nur beobachten konnte,
wer wollte, und dass überdies die Mitglieder des Wahlbüros zu beschäftigt
gewesen seien, um solches zu tun, räumt der Regierungsrat ein, dass eine
Beobachtung der Wähler möglich war. Überdies wird die Behauptung der
Beschwerdeführerin, dass auch die übrigen Wahllokale gleich eingerichtet
gewesen seien, vom Regierungsrat offenbar anerkannt mit der Bemerkung, das
bisherige System habe bis anhin keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben.
Unter diesen Umständen kann jedenfalls nicht von einer Rechtsverweigerung
gegenüber der Beschwerdeführerin gesprochen werden, die der Regierungsrat
durch ungenügende Abklärung des Sachverhalts begangen haben sollte (BGE
93 I 537).

    b) Die §§ 13 und 63 WG enthalten die Vorschrift, dass die zuständige
Behörde "für gehörige Einrichtung und Ausstattung der Wahllokale zu
sorgen hat". Ein wesentlicher Gesichtspunkt muss dabei die Ermöglichung
der geheimen Stimmabgabe sein. Die Urnenabstimmung, wie sie in § 27 KV
vorgeschrieben wird, nämlich die sukzessive Stimmgebung in die Urne (vgl.
GIACOMETTI, Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, Zürich 1941,
S. 249), ist dasjenige Abstimmungs- bzw. Wahlverfahren, welches eine
absolute Sicherung des Stimmgeheimnisses verbürgen will, mehr noch als eine
Stimmgebung in die Urne anlässlich einer Versammlung, da alle in einem
Raume anwesenden Bürger ihren Stimmzettel gleichzeitig ausfüllen. Die
Anforderungen an die Vorkehren, welche die geheime Stimmabgabe sichern
sollen, sind deshalb entsprechend streng zu stellen. Sind in einem
Wahllokal, wie es im Wettsteinschulhaus unbestrittenermassen der Fall
war, die Wahlzettel in den Schulbänken auszufüllen, vor denen sich die
Mitglieder des Wahlbüros aufhalten, so kann mehr oder weniger leicht
beobachtet werden, wie gestimmt wird; der Regierungsrat selbst stellt
diese Möglichkeit nicht in Abrede. Zwar kann unter solchen Umständen der
Wähler leicht schon z.B. mit der Hand den Wahlzettel, den er ausfüllt,
gegen Blicke seitens des Wahlbüros oder anderer Stimmberechtigter
abdecken. Ein solches Spiel soll dem Stimmbürger aber nicht zugemutet
werden. Es ist vielmehr am Staat, diejenigen Vorkehren zu treffen,
die eine Beobachtung der Wähler von vornherein ausschliessen. Die beste
Gewähr bieten in dieser Hinsicht sog. Isolierzellen oder mit Trennwänden
versehene Schreibpulte, wie sie in verschiedenen Kantonen von Gesetzes
wegen vorgeschrieben sind (vgl. die Zussamenstellung bei JEAN CASTELLA,
L'exercice du droit de vote, in ZSR N.F. 78 II S. 583 a; für den Kanton
Freiburg Art. 38 Abs. 3 des Gesetzes über die Ausübung der bürgerlichen
Rechte vom 15. Juli 1966). Solche oder ähnliche Einrichtungen sind nicht
mit übermässigen Umtrieben und Kosten verbunden und können dem Staat
zugemutet werden, will er nicht ein Wahlverfahren anordnen, bei welchem
die Bürger ihren Wahlzettel vor dem Urnengang zuhause ausfüllen und die
geheime Stimmabgabe auf diese Weise hinreichend gesichert ist. Sie dürfen
nicht für überflüssig gehalten werden mit der Begründung, dass bei den
gegebenen Verhältnissen eine Kontrolle der Wähler nicht denkbar sei. Die
politischen Verhältnisse können sich ändern, und im Hinblick darauf ist
das Wahlgeheimnis auch dann streng zu hüten, wenn solche Vorkommnisse
fern liegen. Entgegen der Auffassung des Regierungsrats ist deshalb nicht
wesentlich, ob im konkreten Fall eine Kontrolle der Wähler tatsächlich
stattfindet oder nicht. Ein Verstoss gegen den mit dem System der Urnenwahl
verankerten Grundsatz der geheimen Stimmabgabe liegt schon dann vor, wenn
ein Wahllokal so eingerichtet ist, dass die Wahlzettel nicht unbeobachtet
ausgefüllt werden können.

    c) Auch wenn sich die Rüge der Beschwerdeführerin, das Wahlgeheimnis
sei nicht gehörig gewahrt gewesen, als begründet erweist, so
führt dies nicht ohne weiteres zur Kassation der in Frage stehenden
Ständeratswahl. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts wird eine
Wahl nur dann kassiert, wenn die festgestellten Unregelmässigkeiten das
Wahlergebnis beeinflusst haben können (BGE 98 Ia 78, 97 I 662/3 je mit
Verweisungen). Das lässt sich im vorliegenden Fall nicht annehmen. Nach den
Ausführungen im angefochtenen Entscheid und in der Beschwerde deutet nichts
darauf hin, dass ausser der Beschwerdeführerin noch andere Stimmbürger sich
bei der Stimmabgabe kontrolliert fühlten. Bei den eingangs erwähnten Zahlen
hätten sich mehrere tausend Stimmbürger in ihrem Wahlgeheimnis verletzt
glauben müssen, damit sich das Wahlergebnis zuungunsten des Kandidaten Wenk
verschieben könnte. Dass eine derart hohe Zahl von Wählern begründeten
Anlass dazu hatten, ist bei den gegebenen Verhältnissen, da es um eine
unbestrittene Wahl ging und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die
Stimmabgabe tatsächlich kontrolliert wurde, jedoch ausgeschlossen. Die
angefochtene Wahl ist daher nicht aufzuheben. Dies ändert indessen nichts
daran, dass die beanstandete Einrichtung der Wahllokale den Anforderungen,
die sich aus dem mit der Urnenwahl verankerten Grundsatz der absolut
geheimen Stimmabgabe ergeben, nicht genügt und nach dem Gesagten
nicht beibehalten werden kann. Die Beschwerde ist deshalb, soweit sie
sich gegen den Regierungsratsbeschluss vom 16. November 1971 und den
Validierungsbeschluss des Grossen Rats vom 18. November 1971 richtet,
im Sinne der Erwägungen abzuweisen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird, soweit auf sie einzutreten ist, im
Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht
vom 16. Dezember 1971 mit Bezug auf die Kostenregelung (Disp. Satz 2)
aufgehoben.