Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IA 418



98 Ia 418

67. Urteil vom 28. Juni 1972 i.S. Danuser gegen Bezirksanwaltschaft Zürich
und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    1. Art. 55 BV; Meinungsäusserungsfreiheit; Art. 27 und 32 StGB;
Art. 3 und 5 zürch KV; zürch. Strafprozess.

    Recht des (Fernseh-) Journalisten, als Zeuge im Strafverfahren die
Bekanntgabe semer Informationsquellen zu verweigern? (Erw. 1-3).

    2. Persönliche Freiheit; Art. 7 zürch. KV; §134 zürch.  StPO.

    Bei Verweigerung des Zeugnisses ohne Zeugnisverweigerungsrecht ist
verfassungswidrig

    -  wann die Androhung bzw. Anordnung der Beugehaft wegen Verletzung
des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit? (Erw. 4 a, b);

    - nicht die Androhung der Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB
(Erw.4 c).

Sachverhalt

    A.- a) Am 26. September 1971 entwichen während einer Aktion der
sogenannten Heimkampagne aus der Arbeitserziehungsanstalt Uitikon
17 Zöglinge. Vier der Entwichenen konnten am 4. Oktober festgenommen
werden; die übrigen wurden bis zum 9. Oktober 1971 von Mitgliedern und
Sympathisanten der Heimkampagne beherbergt. Die Bezirksanwaltschaft
Zürich eröffnete gegen die an der Flucht "beteiligten" Drittpersonen ein
Strafverfahren wegen Gefangenenbefreiung und Begünstigung.

    b) Am 8. Oktober 1971 strahlte das Fernsehen der deutschen und
rätoromanischen Schweiz über diese Angelegenheit einen sechsminütigen
Film mit einem Interview aus, an dem sich einige der entflohenen
Zöglinge beteiligten, deren Aufenthaltsort damals noch unbekannt
war. Verantworlicher Leiter der Sendung war Dr. Hanspeter Danuser.
Regierungsrat Dr. Bachmann hatte den Film vor der Sendung gesehen und sich
für ein Interview zur Verfügung gestellt. Auch der Bezirksanwaltschaft
war der Streifen gezeigt worden.

    c) Dr. Danuser wurde im Strafverfahren von Polizei und
Bezirksanwaltschaft vernommen. Er erklärte, am 5. Oktober 1971 angefragt
worden zu sein, ob das Fernsehen an Filmmaterial über die entwichenen
Zöglinge interessiert sei, auf welches Angebot er unter bestimmten
Bedingungen eingegangen sei. Er gab den Strafverfolgungsbehörden über die
Angelegenheit Auskunft, weigerte sich aber zu sagen, wer die Verbindung
zwischen ihm und den Zöglingen hergestellt und wer bei der Aufnahme des
Films als Kameramann mitgewirkt hatte.

    B.- Am 3. Januar 1972 erliess die Bezirksanwaltschaft Zürich gegen
Dr. Danuser die folgende Verfügung:

    "1. Dr. Hanspeter Danuser wird aufgefordert, bis spätestens 17. Januar
1972, 1400 Uhr, die Namen der zwei Personen bekanntzugeben, die mit ihm
bezüglich der Sendung der "Antenne" vom 8. Oktober 1971, 1900 Uhr, über
aus der Arbeitserziehungsanstalt Uitikon entwichene Zöglinge Kontakt
hatten, bzw. an den betreffenden Aufnahmen beteiligt waren.

    2. Kommt Dr. Danuser dieser Aufforderung nicht nach, so wird er -
nach nochmaliger Einvernahme am 17. Januar 1972, 1400 Uhr - in Anwendung
von § 134 StPO für maximal 24 Stunden in Beugehaft gesetzt.

    3. Ist Dr. Danuser auch nach Ablauf dieser Haft nicht bereit, gemäss §
128 StPO als Zeuge auszusagen, so wird er anschliessend dem Strafrichter
wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292
StGB überwiesen."

    Einen Rekurs der Generaldirektion der Schweiz. Radio- und
Fernsehgesellschaft im Namen Dr. Danusers wies die Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich am 15. Februar 1972 ab.

    C.- Dr. Danuser führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Begehren um
Aufhebung des Entscheids der Staatsanwaltschaft und der Verfügung. der
Bezirksanwaltschaft. Gestützt auf Art. 55 BV, Art. 3, 5 und 7 der
zürcherischen Kantonsverfassung macht er geltend, er sei in seiner
Meinungsäusserungsfreiheit, der Betätigungsfreiheit als Journalist und in
der persönlichen Freiheit beeinträchtigt worden. Zudem sei der Grundsatz
der Proportionalität bei staatlichen Eingriffen verletzt und die Zürcher
Strafprozessordnung willkürlich ausgelegt worden. Die Staatsanwaltschaft
beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) § 128 zürch. StPO verpflichtet jedermann zum Zeugnis vor der
Untersuchungsbehörde unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen. Die
Ausnahmen sind in den §§ 129-131 umschrieben. Für Journalisten und
Mitarbeiter von Fernsehen und Radio ist ein Zeugnisverweigerungsrecht
nicht vorgesehen.

    § 134 StPO bestimmt, dass ein Zeuge, der ohne gesetzlichen Grund das
Zeugnis verweigert, nach fruchtloser Warnung bis zu vierundzwanzig Stunden
in Verhaft gesetzt wird und bei weiterer Weigerung nach vorangegangener
Androhung dem Strafrichter wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung
zu überweisen ist.

    b) Der angefochtene Entscheid entspricht in allen Teilen
diesen Vorschriften. Die Rüge ihrer willkürlichen Auslegung
ist von vornherein unbegründet. Da der Beschwerdeführer
sich weigerte als Zeuge auszusagen, ohne dass ihm ein
Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, kann nach den Bestimmungen der StPO
BeugehaftundBestrafungwegenUngehorsamsangedrohtwerden.

    Dass die angeführten Bestimmungen der Zürcher StPO auf ihn nicht
anwendbar sein sollen, möchte der Beschwerdeführer offenbar daraus
ableiten, dass er durch das journalistische Berufsgeheimnis und
auch durch die Richtlinien seiner Arbeitgeberin, der Schweiz. Radio-
und Fernsehgesellschaft, verpflichtet sei, die Quelle vertraulicher
Informationen nicht preiszugeben.

    Weder dienstvertragliche Pflichten noch der Ehrenkodex einer
Berufsorganisation können die grundsätzliche Zeugenpflicht einschränken
oder gleichsam einen aussergesetzlichen Zeugnisverweigerungsgrund schaffen
(vgl. BGE 83 IV 61 f., 92 I 396 f.). Solche Bindungen mögen bei der
nachträglichen Beurteilung einer unberechtigten Zeugnisverweigerung von
Belang sein, ändern aber nichts an der Pflicht zur Aussage.

    Der gegenteilige Schluss lässt sich auch nicht aus Art. 32 StGB ziehen.
Nach dieser Bestimmung ist eine Tat, die das Gesetz oder eine Amts- oder
Berufspflicht gebietet, kein Verbrechen oder Vergehen. Art. 32 umschreibt
einen Rechtfertigungsgrund und bezieht sich nicht auf die gesetzliche
Pflicht zur Zeugenaussage; man hat denn auch richtigerweise aus dieser
Vorschrift nie abgeleitet, eine berufliche Geheimhaltungspflicht berechtige
von vornherein zur Zeugnisverweigerung. Sogar wenn die berufliche
Geheimhaltungspflicht im StGB selber (vgl. Art. 321) oder in einem
andern Bundesgesetz (z.B. Bankengesetz Art. 47 lit. b) aufgestellt ist,
bricht die gesetzliche Zeugenpflicht in der Regel das Geheimhaltungsgebot
(vgl. Ziff. 3 von Art. 321 StGB sowie zum Bankengesetz BGE 96 I 749); es
ist Sache des Prozessrechts, den Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts zu
bestimmen. Die Schaffung eines Zeugnisverweigerungsrechts des Journalisten
im Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968
(VwG Art. 16 Abs. 3) bezieht sich nur auf das Verwaltungsverfahren des
Bundes und verpflichtet die kantonalen Instanzen nicht, ihre prozessualen
Bestimmungen zu ändern oder auf dem Wege der Auslegung in analoger Weise
die Aussageverweigerung zu gestatten.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer behauptet, die angefochtene Verfügung
verstosse gegen Art. 55 BV und gegen die Meinungsäusserungsfreiheit.

    a) Art. 55 BV gewährleistet die Pressefreiheit. In der Rechtsprechung
des Bundesgerichts wurde anerkannt, dass es sich dabei um einen
Teilbereich einer umfassenden Meinungsäusserungsfreiheit handelt, die
als ungeschriebenes Grundrecht der Bundesverfassung zu gelten hat (BGE 96
I 592, 224, 91 I 485). Dieses Grundrecht der Meinungsäusserungsfreiheit
gilt auch für Fernsehmitarbeiter, ohne dass hier allgemein die analoge
Anwendbarkeit presserechtlicher Vorschriften auf Radio und Fernsehen
untersucht zu werden braucht. Der vom Beschwerdeführer noch angerufene
Art. 3 KV gewährleistet ebenfalls das Recht zur Meinungsäusserung. Da
diese kantonale Verfassungsbestimmung keinen weitergehenden Schutz gewährt
als das ungeschriebene Grundrecht der Bundesverfassung, kann ihr beim
heutigen Stand der Rechtsprechung keine selbständige Bedeutung mehr
zukommen (vgl. BGE 93 I 137 E. 3).

    b) Das allgemeine Recht zur freien Meinungsäusserung besagt
nichts darüber, ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen ein
Journalist oder Fernsehmitarbeiter als Zeuge in einem Strafverfahren
seine Informationsquelle zu verschweigen berechtigt ist. Ein
verfassungsrechtlicher Anspruch auf Verschweigen der Informationsquelle
lässt sich aus dem Anspruch auf freie Meinungsäusserung nicht
herleiten. Das von den Organisationen der Journalisten seit einiger
Zeit geforderte Recht auf Geheimhaltung ihrer Auskunftspersonen (zur
Grundsatzfrage: Max NEF, GUT, CORDEY, alle in ZStR 1969, resp. S. 113
ff., 160 ff., 139 ff.) lässt sich nur unter Abwägung der einander
gegenüberstehenden Interessen für bestimmte Verfahrensordnungen
gesetzlich umschreiben, wie das im VwG geschehen ist. Auch in der
Bundesrepublik Deutschland, wo der sogenannte Informantenschutz in
zunehmendem Masse Anerkennung findet, wird er nicht unmittelbar aus
der Verfassung abgeleitet, sondern bedarf der gesetzlichen Umschreibung
(vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 20 S. 216, 25 S. 305;
Archiv für Presserecht, Sonderheft Rechtsprechung 1945-1956 S. 73, auch
Übersicht über die Rechtsprechung 1970 S. 161/162). Aus der Pressefreiheit
oder der Meinungsäusserungsfreiheit kann nicht ein allgemeines
Zeugnisverweigerungsrecht abgeleitet werden; denn die gewährleisteten
Grundrechte sind durch die Zeugenpflicht nicht direkt berührt. Ob die
publizistische Auswertung geheimer Informationsquellen gegenüber der
Abklärung bestimmter Sachverhalte höher einzustufen ist und ob deswegen die
Geheimhaltung der Auskunftspersonen im Strafverfahren zulässig sein soll,
ist eine Frage, deren Lösung nicht dem Verfassungsrecht entnommen werden
kann, sondern vom zuständigen Gesetzgeber zu treffen ist. Dadurch, dass die
Zürcher StPO - wie übrigens auch die Strafprozessordnung anderer Kantone
und das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege - dem Journalisten
oder Fernsehmitarbeiter kein Zeugnisverweigerungsrecht zum Schutze des
Informanten einräumt, wird weder Art. 55 BV noch das ungeschriebene Recht
auf freie Meinungsäusserung verletzt.

    c) Art. 27 StGB, der ein Problem bundesgesetzlich ordnet, über welches
früher unmittelbar auf Grund von Art. 55 BV entschieden wurde (BGE 70 IV
24), vermag zur Begründung des geforderten Rechts auf Verschweigen der
Informationsquelle nichts beizutragen. Nach dieser Bestimmung kann bei
einem reinen Pressedelikt, d.h. wenn sich die strafbare Handlung in dem
Presseerzeugnis erschöpft, der Name des Verfassers verschwiegen werden; der
verantwortlich zeichnende Redaktor ist dann als Täter strafbar. Aus dieser
Sonderordnung, die mit einer Übernahme der strafrechtlichen Verantwortung
verbunden ist, lässt sich keine Einschränkung der Zeugenpflicht des
Journalisten bei einem gewöhnlichen, kein Pressedelikt betreffenden
Strafverfahren ableiten (vgl. hiezu U. WEBER, Betrachtungen zur Stellung
periodischer Druckschriften im Strafprozess, Diss. Bern 1971 S. 106
ff.). Der naheliegende Umkehrschluss führt vielmehr zum Ergebnis, dass
ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 27 StGB die durch dessen Ziff. 3
Abs. 3 aufgehobene Aussagepflicht besteht, sofern nicht dass kantonale
Recht eine weitergehende Befugnis zur Verweigerung von Aussagen einräumt
(SCHULTZ, Das Problem einer Sonderstellung der Presse im Strafverfahren,
in "Arbeiten zur Rechtsvergleichung", Heft 29, Frankfurt 1966, S. 25 ff.).

Erwägung 3

    3.- Art 5 KV, auf den sich der Beschwerdeführer noch beruft, enthält
ausser dem Verbot der Todesstrafe und der Kettenstrafe den programmatischen
Satz: "Das Strafrecht ist nach humanen Grundsätzen zu gestalten". Inwiefern
diese Bestimmung durch die angefochtene Verfügung verletzt sein soll,
wird in der Beschwerde nicht dargelegt. Mangels einer den Anforderungen
von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG entsprechenden Begründung ist auf den Vorwurf
eines Vertosses gegen Art. 5 KV nicht einzutreten.

Erwägung 4

    4.- Schliesslich rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der
persönlichen Freiheit durch die angedrohte Beugehaft und die angedrohte
Bestrafung wegen Ungehorsams.

    a) Art. 7 zürch. KV gewährleistet die persönliche Freiheit. Nach der
neuern Praxis des Bundesgerichts gehört die Garantie der persönlichen
Freiheit zum ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes (BGE 97 I 45
mit Hinweisen). Entsprechende Garantien in den Kantonsverfassungen haben
somit keine selbständige Bedeutung mehr, sofern sie nicht weiter gehen
als die bundesrechtliche Gewährleistung. Der Beschwerdeführer behauptet
nicht, dass dies für Art. 7 KV zutreffe. Zu prüfen ist daher bloss, ob
der angefochtene Entscheid vor dem ungeschriebenen Grundrecht des Bundes
standhält (BGE 97 I 49).

    b) § 134 StPO schreibt vor, dass ein Zeuge, der ohne gesetzlichen
Grund das Zeugnis verweigert, nach fruchtloser Warnung "vorläufig bis zu
vierundzwanzig Stunden" in Haft gesetzt wird. Trotz der Wendung "vorläufig"
ist eine Verlängerung oder Wiederholung der Massnahme nicht vorgesehen. Für
die im angefochtenen Entscheid angedrohte Massnahme der Beugehaft bis
höchstens 24 Stunden besteht also eine klare gesetzliche Grundlage.

    Zu untersuchen bleibt, ob der vorgesehene Eingriff in die persönliche
Freiheit verhältnismässig ist. Diese Prüfung geschieht grundsätzlich frei
(BGE 97 I 52 und 844).

    aa) Vorweg ist zu klären, ob Beugehaft allgemein als Zwangsmittel gegen
widerspenstige Zeugen dem Verhältnismässigkeitsprinzip entspricht. Obschon
verschiedene kantonale Prozessordnungen darauf verzichten und sich mit
der nachträglichen Bestrafung des nicht aussagenden Zeugen begnügen (so
StPO Basel-Stadt § 43, Aargau § 96), erscheint doch die Beugehaft, die
auch im Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934
in Art. 88 (bis 24 Stunden) vorgesehen ist, nicht von vornherein als
unverhältnismässiger und daher verfassungswidriger Eingriff in die
persönliche Freiheit. Je nach der Schwere der abzuklärenden Straftat
und der mutmasslichen Bedeutung der verweigerten Aussagen lässt sich die
Zwangshaft unter Umständen rechtfertigen. Das öffentliche Interesse an
der Aussage muss jedoch so erheblich sein, dass ein zeitlich beschränkter
Freiheitsentzug als Zwangsmittel vertretbar und nicht unverhältnismässig
ist. Die Anordnung der Beugehaft in jedem Straffall und gegenüber jedem die
Aussage verweigernden Zeugen - wie dies § 134 zürch. StPO nach dem Wortlaut
nicht nur ermöglicht, sondern vorschreibt - ist in dieser allgemeinen Form
vor dem Grundrecht der persönlichen Freiheit nicht haltbar. Beugehaft
ist verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie im konkreten Fall den
Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht verletzt. Nichts anderes gilt,
wenn es sich bei dem Zeugen um einen Journalisten handelt. Der von NEF
(ZStR 1969 S. 138) geforderte generelle Verzicht auf die Anwendung von
Zwangsmitteln gegenüber die Aussagen verweigernden Journalisten lässt sich
unter diesem Gesichtswinkel nicht rechtfertigen. Auch die Aussage eines
Journalisten kann für ein bestimmtes Strafverfahren sehr wichtig sein,
sodass dann die Anwendung der Beugehaft im öffentlichen Interesse eine
hinreichende Begründung findet.

    bb) Ist somit die Beugehaft nicht grundsätzlich verfassungswidrig,
so muss untersucht werden, ob ihre Anwendung bzw. Androhung im konkreten
Fall im Rahmen der Verhältnismässigkeit bleibt.

    Eine erste Schranke gegen eine so einschneidende Massnahme kann sich
aus der Geringfügigkeit der zu untersuchenden Straftat ergeben. Wenn
für den Täter keine Freiheitsstrafe in Frage kommt, wird die Anwendung
der Beugehaft auf den Zeugen in der Regel ausser Betracht fallen. In der
Untersuchung gegen die am Entweichen von Uitikoner Zöglingen beteiligten
Personen geht es um die Abklärung von Handlungen, die gegebenenfalls
nach Art. 305 (Begünstigung) oder Art. 310 StGB (Gefangenenbefreiung,
vgl. BGE 96 IV 72) mit Gefängnisstrafen bis zu 3 Jahren zu ahnden
sind. Die Art und Schwere der abzuklärenden Delikte schliesst somit
Beugehaft nicht schon von vornherein aus. Vergleichsweise sei immerhin
erwähnt, dass strafprozessuale Eingriffe in das Post-, Telephon- und
Telegrammgeheimnis (gemäss Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968, AS 1969
1117) nur in Strafuntersuchungen wegen eines Verbrechens, d.h. eines mit
Zuchthaus als Höchststrafe bedrohten Deliktes zulässig sind (abgesehen von
den Delikten gegen den Staat, die Landesverteidigung und die Wehrkraft
des Landes). Ob der Freiheitsentzug als Zwangsmittel gegen einen Zeugen
in Verfahren soll eingesetzt werden dürfen, in denen das Post-, Telephon-
und Telegrammgeheimnis von den Strafverfolgungsorganen zu respektieren ist,
braucht hier nicht entschieden zu werden, da die Beugehaft im konkreten
Fall schon aus einem andern Grunde als unverhältnissmässig erscheint.

    Steht die Art des abzuklärenden Deliktes der Beugehaft nicht entgegen,
so bleibt als zweite Schranke im Sinne der Verhältnismässigkeit das
Erfordernis, dass das Zwangsmittel nur eingesetzt werden darf, wenn die
einigermassen begründete Erwartung besteht, dass der sich weigernde Zeuge
Angaben machen kann, die für die Strafverfolgung von erheblicher Bedeutung
sind. Als möglicher Inhalt einer Aussage von erheblicher Bedeutung kommen
insbesondere Angaben in Frage, die zur Entdeckung von Tätern führen
oder eine für die Beurteilung wesentliche Abklärung der deliktischen
Handlungen erlauben.

    Vom Beschwerdeführer wird verlangt, dass er jene (eine oder zwei)
Personen angebe, die mit dem Fernsehen Verbindung aufnahmen und den
Film über die entwichenen Zöglinge lieferten. Weder die Anfrage beim
Fernsehen noch die Herstellung und Lieferung des Films bilden eine
strafbare Handlung. Aus den Akten der Strafuntersuchung ist ersichtlich,
dass die Hersteller des Films vermummt zu dem Haus geführt wurden, in
dem sie die Filmaufnahmen machten, und dass man sie auch verhüllt wieder
wegbrachte. Die Organisatoren der Entweichung wollten also vermeiden,
dass diese Personen den Fluchtort kannten. Es ist somit anzunehmen, dass
die Personen, die an das Fernsehen herantraten und den Film lieferten, mit
der Heimkampagne keine engere Beziehung haben, als Täter von Delikten nicht
in Frage kommen dürften und auch über den Ablauf der ganzen Angelegenheit
kaum wesentliche Angaben machen können. Die Erwartung, durch die Ermittlung
der Verbindungsperson und des Kameramannes und durch deren Einvernahme
liessen sich weitere aktive Beteiligte finden, ist zwar nicht abwegig,
jedoch derart unbestimmt, dass sich die Anordnung der Beugehaft gegenüber
dem Zeugen Dr. Danuser mit dieser vagen Hoffnung auf ein positives Ergebnis
nicht begründen lässt. Überdies hat die bisherige Untersuchung ein recht
umfassendes Bild der ganzen "Aktion" ergeben. Bei dieser Sachlage ist die
Androhung und Anwendung der Beugehaft unverhältnismässig. Ziffer 2 der
von der Staatsanwaltschaft bestätigten Verfügung der Bezirksanwaltschaft
verstösst aus diesem Grunde gegen die Garantie der persönlichen Freiheit
und ist aufzuheben.

    Die Verhältnismässigkeit fehlt schon, wenn das aus der Strafverfolgung
sich ergebende, im konkreten Fall relativ geringe öffentliche Interesse
dem Rechtsgut der persönlichen Freiheit gegenübergestellt wird. Die
Frage, ob nicht wenigstens bei der Beurteilung der Proportionalität einer
Zwangsmassnahme auf der Seite des betroffenen Journalisten zusätzlich der
als Zeugnisverweigerungsgrund nicht anerkannte berufsethische Gesichtspunkt
des Schutzes geheimer Informationsquellen zu berücksichtigen ist, kann
daher offen bleiben.

    c) Nicht verfassungswidrig ist die Androhung der richterlichen
Bestrafung wegen Ungehorsams gemäss Art. 292 StGB. Die Verweigerung
des Zeugnisses ohne Zeugnisverweigerungsrecht ist nicht sanktionslos
hinzunehmen. Wenn der sofortige, nach kantonalem Recht zur Erzwingung von
Aussagen angeordnete Freiheitsentzug als unverhältnismässig erscheint,
so hat dies nicht zur Folge, dass auch die Androhung der Bestrafung
unterbleiben muss. Die nachträgliche Bestrafung durch den Richter unter
Würdigung der gesamten Umstände ist in der Regel eine wesentlich mildere
Sanktion als die Beugehaft (die Strafdrohung des Art. 292 lautet auf
Busse oder Haft); sie wird nur selten zum tatsächlichen Freiheitsentzug
führen. Da die Bestrafung des Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung in
einem Bundesgesetz vorgesehen ist, hat das Bundesgericht diese Ordnung
nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit zu überprüfen (Art. 113 Abs. 3
BV). Eine unverhältnismässig harte Strafe könnte mit den Rechtsmitteln
des Strafprozessrechts angefochten werden.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird teilweise dahin gutgeheissen, dass die Androhung
der Beugehaft im Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
vom 15. Februar 1972 aufgehoben wird; im übrigen wird die Beschwerde
abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.