Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IA 405



98 Ia 405

65. Auszug aus dem Urteil vom 20. September 1972 i.S. Tschudi gegen
Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Luzern, Steuerrekurskommission des
Kantons Luzern und Reformierte Landeskirche des Kantons Bern. Regeste

    Kirchensteuer; Art. 49 Abs. 6 BV.

    Kirchensteuerpflicht auswärts wohnender Personen für Grundeigentum.
Voraussetzung ist nicht die Mitgliedschaft in der betreffenden
Kirchgemeinde, sondern nur die Zugehörigkeit zur gleichen Konfession
(Bestätigung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Nach § 173 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Luzern vom 27. Mai
1946 (StG) werden die Kirchensteuern von den staatlich anerkannten
Kirchgemeinden (§ 168 StG) nur von Konfessionsangehörigen erhoben. Toni
Tschudi, der in Bern wohnt und Mitglied der Reformierten Landeskirche des
Kantons Bern ist, besitzt in Luzern ein Grundstück. Mit Verfügung des
Steueramts der Stadt Luzern vom 9. September 1970 wurde er für sein in
Luzern gelegenes Grundstück zur Kirchensteuer der Evangelisch-reformierten
Kirchgemeinde Luzern für das Jahr 1969 herangezogen. Sein nach
erfolgloser Einsprache dagegen erhobener Rekurs wurde von der
Steuerrekurskommission des Kantons Luzern am 24. Juni 1971 abgewiesen. Mit
der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 49 Abs. 6 BV
(sowie des Doppelbesteuerungsverbots) verlangt Tschudi im Hauptantrag
die Aufhebung dieses Entscheids der Steuerrekurskommission. Nach seiner
Auffassung kann die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Luzern die
Kirchensteuer von ihm nicht verlangen, weil er nicht deren Mitglied
ist. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 49 Abs. 6 BV ist niemand gehalten, Steuern zu bezahlen,
welche speziell für eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgenossenschaft,
der er nicht angehört, auferlegt werden. Das Bundesgericht hat bereits
im Jahre 1881 entschieden, dass damit die Religionsgenossenschaften in
der Besteuerung ihrer eigenen Konfessionsverwandten nicht beschränkt
würden. Dieser Verfassungssatz sei nämlich im Zusammenhang mit der in
Art. 49 Abs. 1 BV gewährleisteten Glaubens- und Gewissensfreiheit zu
verstehen und habe somit bloss die Bedeutung, dass niemand zur Bezahlung
von Steuern für Unterhaltung eines Kultus, dem er nicht angehört,
angehalten werden könne (BGE 7 S. 6). Daran hat das Bundesgericht in
ständiger Rechtsprechung festgehalten. In BGE 52 I 115 ff. führte es
präzisierend aus, dass der in Art. 49 Abs. 6 BV enthaltene Ausdruck
"Religionsgenossenschaft" nicht im technischen Sinne der Zugehörigkeit zu
einer bestimmten kirchlichen Korporation, sondern in dem weitern Sinne der
Glaubens- und Konfessionsgemeinschaft gebraucht sei, als deren Ausdruck
und Glied der besteuernde Verband erscheine. So aufgefasst stehe die
Verfassungsbestimmung auch einer Besteuerung auswärts wohnender Personen,
die wegen ihres auswärtigen Wohnsitzes nicht als Genossen, Mitglieder des
besteuernden Verbandes selbst gelten können, nicht entgegen, sobald sie nur
derselben Konfession, Glaubensgemeinschaft angehören wie dieser Verband.
Diese Auslegung des Art. 49 Abs. 6 BV überzeugt auch heute noch, und es
besteht kein Anlass, von ihr abzuweichen. Wer für einen Glaubensverband,
dessen Mitglied er nicht ist, eine Kultussteuer zu entrichten hat,
ist in seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht verletzt, solange
dieser Verband das gleiche Bekenntnis hat wie er. § 173 StG ist demnach
verfassungsmässig, und zwar ohne dass er einschränkend ausgelegt werden
müsste in dem Sinne, dass als Konfessionsangehörige nur Mitglieder der
Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Luzern gelten könnten.

Erwägung 3

    3.- Ist für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Religionsgenossenschaft im Sinne von Art. 49 Abs. 6 BV allein
das Glaubensbekenntniss massgebend, so ist unerheblich, dass die
evangelisch-reformierten Kirchen in der Schweiz in der Organisation keine
Einheit bilden; wesentlich ist allein, dass sie im Glauben eine Einheit
bilden (Verfassung des Schweiz. Kirchenbundes vom 12. Juni 1950,
I. Abschnitt, Allg. Bestimmungen; BGE 93 I 353). Als Mitglied der
Reformierten Landeskirche des Kantons Bern gehört der Beschwerdeführer
der gleichen Konfession an wie die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde
Luzern und ist damit Mitglied der gleichen Religionsgenossenschaft im
Sinne von Art. 49 Abs. 6 BV. Eine Verletzung dieser Verfassungsvorschrift
liegt somit nicht vor, wenn die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde
Luzern vom Beschwerdeführer für das in Luzern gelegene Grundstück die
Kirchensteuer verlangt.