Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IA 395



98 Ia 395

64. Urteil vom 17. November 1972 i.S. Karl Vögele AG gegen Stadtrat von
Zug und Regierungsrat des Kantons Zug. Regeste

    Kantonale Ladenschlussvorschriften. Handels- und Gewerbefreiheit;
derogatorische Kraft des Bundesrechtes.

    1.  Staatliche Ladenschlussordnungen haben nicht Verfügungs-, sondern
Rechtssatzcharakter und sind von Amtes wegen in entsprechender Form zu
publizieren (E. 1).

    2.  Rechtsetzungskompetenzen der Kantone auf dem Gebiete des
Ladenschlusses seit dem Inkrafttreten des eidg. Arbeitsgesetzes vom
13. März 1964 (Bestätigung der neuesten Rechtsprechung) (E. 3).

    3.  Die Ladenschlussordnung der Stadt Zug, welche den Schuhgeschäften
die Schliessung während eines vollen Werktages vorschreibt, verstösst
gegen Art. 31 BV (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Das am 9. März 1950 erlassene Einführungsgesetz des Kantons Zug
zum Bundesgesetz über den unlauteren Wett bewerb (EG) bestimmt in § 7:

    "In einer Ortschaft können zwei Drittel der Geschäftsinhaber aller
oder einzelner Geschäftszweige eine bestimmte Regelung des Ladenschlusses
vorschlagen oder einer solchen zustimmen.

    Der zuständige Einwohnerrat hat diese Ordnung zu genehmigen
und verbindlich zu erklären, sofern keine öffentlichen Interessen
entgegenstehen."

    B.- Gestützt auf diese Vorschrift beschloss der Stadtrat von Zug
am 26. Oktober 1971, dass alle Schuhgeschäfte in der Stadtgemeinde Zug
jeweils am Montag grundsätzlich den ganzen Tag geschlossen zu halten
seien. Dem Beschluss lag ein entsprechendes Begehren von acht der zehn
in Zug niedergelassenen Schuhgeschäfte zugrunde. Nicht befragt und nicht
in die Regelung miteinbezogen wurden die Migros und die Nordmann AG, die
in ihren Warenhäusern ebenfalls eine Schuhabteilung führen; die Migros
schliesst ihr gesamtes Geschäft am Mittwochnachmittag, die Nordmann
AG am Montagmorgen. Der Stadtrat verpflichtete die Gesuchsteller, den
Beschluss zu veröffentlichen; die Publikation erfolgte im nichtamtlichen
Teil des kantonalen Amtsblattes vom 5. November 1971.

    C.- Die Firma Karl Vögele AG Uznach, die verschiedene Schuhgeschäfte
betreibt und am 10. März 1971 in Zug eine Filiale eröffnet hatte,
führte gegen den Beschluss des Stadtrates Beschwerde beim Regierungsrat
des Kantons Zug. Sie machte geltend, beim angefochtenen Beschluss
handle es sich um einen Rechtssatz, der als solcher ordnungsgemäss zu
publizieren sei, um Rechtskraft zu erlangen; vorliegend fehle es an einer
rechtsgenüglichen Veröffentlichung. Materiell verstosse die angeordnete
Ladenschliessung an Montagen gegen Art. 31 BV.

    Der Regierungsrat wies die Beschwerde mit Entscheid vom 18. Januar
1972 ab. Er führt aus, der Stadtrat habe durch den angefochtenen Beschluss
keinen Rechtssatz erlassen, sondern eine Gesetzesbestimmung vollzogen;
die Ladenschlussordnung richte sich nicht an unbestimmt viele Personen,
sondern bloss an den geschlossenen Kreis aller Geschäftsinhaber der
Schuhbranche. Der Einwand der mangelnden amtlichen Publikation sei
daher nicht stichhaltig. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
(BGE 91 I 98 ff.) sei es vor Art. 31 BV zulässig, während einer
bestimmten Zeitspanne an Werktagen die Schliessung der Ladengeschäfte
vorzuschreiben, um den Ladeninhabern und dem Personal die nötige Freizeit
zu verschaffen. Der Beschluss des Stadtrates verstosse auch nicht gegen das
Gebot der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen. Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtes könnten Warenhäuser nicht verhalten werden, ihren
Betrieb abteilungsweise zu schliessen, da ein Warenhaus als ein Ganzes
betrachtet werden müsse. Die Schuhabteilungen der Migros und der Nordmann
AG seien im Rahmen dieser Betriebe nur unbedeutende Nebenabteilungen,
die bei der Festlegung der Ladenschlussordnung ausser Betracht fielen.

    D.- Die Karl Vögele AG führt staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 4 und 31 BV mit dem Antrag, der Entscheid des
Regierungsrates und die vom Stadtrat Zug erlassene Ladenschlussordnung für
die Schuhgeschäfte seien aufzuheben. Zur Begründung wird geltend gemacht,
bei der angefochtenen Ladenschlussordnung handle es sich, entgegen der
Auffassung des Regierungsrates, nicht um eine Verfügung, sondern um einen
Rechtssatz, und ihre Inkraftsetzung ohne amtliche Publikation sei daher
willkürlich. Übrigens müssten auch Verfügungen ordnungsgemäss eröffnet
werden; daran fehle es, weil der Beschwerdeführerin die neue Ordnung nicht
durch die Behörde, sondern durch den Inhaber eines Schuhgeschäftes eröffnet
worden sei. Die angefochtene Ladenschlussordnung verstosse sodann gegen
die Handels- und Gewerbefreiheit. Die angeordnete Ladenschliessung an
Montagen sei durch kein schützenswertes öffentliches Interesse gedeckt;
sie diene nur dem Bestreben einzelner Geschäftsinhaber, sich vor der
Konkurrenz anderer Geschäfte zu schützen, deren Inhaber nicht ebenfalls
zu gewissen Zeiten schliessen wollten. Nach der neuesten Rechtsprechung
des Bundesgerichts seien die Kantone nicht mehr befugt, Vorschriften zum
Schutz solcher Arbeitnehmer zu erlassen, welche dem eidg. Arbeitsgesetz
vom 13. März 1964 unterstünden. Ob eine Ladenschlussordnung auch dazu
dienen könne, den Ladeninhabern die nötige Freizeit zu verschaffen, sei
fraglich. Es sei deren eigene Sache, zu entscheiden, wieviel Freizeit
sie sich gönnen wollten. Dass die vorliegende Ladenschlussordnung
dem letzterwähnten Zweck diene, behaupte der Regierungsrat zu Recht
nicht. Nur in wenigen der in Zug niedergelassenen Betriebe arbeiteten die
Ladeninhaber selber mit. In den meisten Fällen stünden die Geschäftsleiter
im Angestelltenverhältnis und seien daher dem eidg. Arbeitsgesetz
unterstellt. Es gebe in Zug keinen Einmannbetrieb, der lediglich vom
Geschäftsinhaber geführt werde. Die Geschäftsinhaber könnten sich daher
die Fünftagewoche gönnen, ohne den Laden an einem Werktag schliessen
zu müssen. Der Regierungsrat habe im übrigen in keiner Weise dargetan,
weshalb nur die Inhaber und das Personal der Schuhgeschäfte einen ganzen
freien Werktag benötigten, während für die meisten andern Detailgeschäfte
nur ein halber freier Werktag vorgeschrieben sei. Es sei auch unzulässig,
den freien Werktag für alle Geschäfte auf den selben Tag festzulegen.

    Schliesslich verletze die angefochtene Ordnung das Gebot der
Gleichbehandlung der Gewerbegenossen, da die Regelung auf die Nordmann
AG und die Migros, die ebenfalls Schuhe verkauften, nicht anwendbar sei.

    E.- Der Regierungsrat des Kantons Zug und der Stadtrat Zug beantragen
Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die vom Stadtrat Zug am 26. Oktober 1971 beschlossene
Ladenschlussordnung für die Schuhgeschäfte erfüllt die Merkmale eines
Rechtssatzes. Wenn auch gemäss § 7 EG eine solche Ordnung nur erlassen
werden darf, wenn zwei Drittel der betroffenen Geschäftsinhaber ihr
zustimmen, so handelt es sich doch um eine von der Gemeindebehörde
ausgehende Regelung. Sie gilt sodann nicht nur für die derzeitigen
Geschäfte, sondern auch für allfällige neue Schuhgeschäfte, die in
Zug eröffnet werden, und sie enthält eine Verhaltensvorschrift nicht
bloss für die jetzigen und künftigen Betriebsinhaber, sondern darüber
hinaus für alle weiteren Personen, denen zu irgendeinem Zeitpunkt die
Geschäftsleitung obliegt. Die getroffene Anordnung erweist sich damit
klarerweise als generellabstrakte, d.h. als rechtssatzmässige Norm. Das
Bundesgericht hat denn auch seit jeher Ladenschlussordnungen Gesetzes-
oder Verordnungscharakter zuerkannt, gleichgültig, ob sie auf Antrag
von interessierten Geschäftsinhabern ergangen waren oder nicht (BGE 97
I 513 E. 3, 89 I 30; nicht publ. Entscheid vom 17.12.1952 i.S. Jenny &
Kons. gegen Stadt Chur, E. 1; IMBODEN, Verwaltungsrechtsprechung, 4. A.,
Bd. I, Nr. 212, IV). Die gegenteilige Auffassung der kantonalen Behörden,
wonach es sich bei der fraglichen Ladenschlussordnung um eine blosse
Verfügung handle, die nur den derzeit betroffenen Geschäftsinhabern
zu eröffnen und von diesen selber dem weiteren Publikum bekanntzugeben
sei, ist nicht haltbar. Der Stadtrat Zug war vielmehr verpflichtet, die
Ladenschlussordnung von Amtes wegen in der Form zu publizieren, welche
in der Stadtgemeinde Zug für Gemeindegesetze und allgemeinverbindliche
Reglemente vorgesehen ist. Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene
Frage, ob die neue Ordnung mangels genügender Publikation unverbindlich
war, kann indessen dahingestellt bleiben. Da der staatsrechtlichen
Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt wurde und die angefochtene
Regelung wegen inhaltlicher Verfassungswidrigkeit ohnehin aufgehoben
werden muss, besteht kein aktuelles Interesse mehr, darüber zu befinden,
ob die Ladenschlussordnung auch ohne amtliche Publikation hätte in Kraft
treten können.

Erwägung 2

    2.- Art. 31 BV gewährleistet die Handels- und Gewerbefreiheit, behält
aber in Abs. 2 kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und
Gewerbe vor. Wie das Bundesgericht in BGE 97 I 504 ff. klargestellt hat,
umfasst dieser Vorbehalt nicht nur rein polizeiliche Massnahmen, sondern
auch solche sozialen oder sozialpolitischen Charakters. Untersagt sind
den Kantonen hingegen wirtschaftspolitische Massnahmen, d.h. solche,
die einen Eingriff in die freie Konkurrenz bezwecken. In jedem Fall
muss der Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit auf gesetzlicher
Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und dem Grundsatz
der Verhältnismässigkeit entsprechen; ausserdem ist das Gebot der
Gleichbehandlung der Gewerbegenossen zu beachten.

Erwägung 3

    3.- Die kantonalen und kommunalen Ladenschlussvorschriften verfolgen
herkömmlicherweise einen doppelten Zweck. Sie dienen zunächst der
öffentlichen Ordnung, nämlich der Wahrung der Nacht- und Sonntagsruhe,
und sind insoweit rein polizeilicher Natur. Darüber hinaus aber soll
durch die Beschränkung der Öffnungszeit mittelbar auch die Arbeitszeit
der im Verkaufsbetrieb tätigen Personen, insbesondere des angestellten
Personals, beeinflusst werden. Das Bundesgericht hat in langjähriger
Rechtsprechung derartige Regelungen als mit Art. 31 BV grundsätzlich
vereinbar bezeichnet (BGE 97 I 502 E. 3 mit Hinweisen auf frühere
Entscheide). Mit dem Inkrafttreten des eidgenössischen Arbeitsgesetzes
vom 13. März 1964 (ArG) hat sich indessen die Rechtslage geändert. Durch
dieses Bundesgesetz wurde der Arbeitnehmerschutz in bestimmten Bereichen
einheitlich und abschliessend geordnet. Die Kantone sind nicht mehr
befugt, Vorschriften zum Schutze solcher Arbeitnehmer zu erlassen,
welche dem ArG unterstellt sind, und in Art. 73 Abs. 1 lit. a ArG
werden denn auch kantonale Vorschriften, welche vom ArG geregelte
Sachgebiete betreffen, ausdrücklich als aufgehoben erklärt (BGE 97 I
503/4; AUBERT, Komm. zu Art. 71-73 ArG, N. 19 ff). Zu den durch das
ArG geschützten Arbeitnehmern gehört grundsätzlich auch das Personal
der Verkaufsgeschäfte. Es hat, sofern mehr als fünf Tage in der Woche
gearbeitet wird, Anspruch auf einen freien Halbtag wöchentlich (Art. 21
Abs. 1 ArG), und die Höchstarbeitszeit je Woche beträgt 50 Stunden (bzw. 46
Stunden für das Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels;
Art. 9 ArG). Mit dem Schutz des Personals lassen sich daher kantonale
und kommunale Ladenschlussvorschriften seit dem Inkrafttreten des ArG
nicht mehr begründen, und soweit sie einen dahingehenden Zweck verfolgen,
verstossen sie gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechtes. Daraus
folgt jedoch nicht, dass den Kantonen auf dem Gebiet des Ladenschlusses
keine Rechtsetzungskompetenzen mehr zustünden. In Art. 71 lit. c ArG
werden u.a. kantonale "Polizeivorschriften... über die Sonntagsruhe
und über die Öffnungszeiten" von Detailverkaufsbetrieben ausdrücklich
vorbehalten. Innerhalb der durch Art. 31 BV gesetzten Schranken können
die Kantone nach wie vor aus Gründen der öffentlichen Ruhe und Ordnung
vorschreiben, dass Ladengeschäfte am Abend sowie an Sonn- und Feiertagen
zu schliessen sind (BGE 97 I 503 E. 3 b). Neben diesem rein polizeilichen
Zweck dürfen kantonale Ladenschlussvorschriften im Rahmen von Art. 31 BV
auch öffentliche Interessen sozialen Charakters verfolgen, sofern damit
nicht in ein durch das ArG geregeltes Sachgebiet eingegriffen wird. Als
zulässiges Motiv erscheint insbesondere der Schutz derjenigen Personen,
die ebenfalls im Verkaufsbetrieb tätig sind, aber nicht dem ArG unterstehen
(Ladeninhaber, deren Familienangehörige, leitende Angestellte, vgl. Art. 3
lit. d und Art. 4 ArG). Zu dieser Gruppe gehören in der Regel auch die
Filialleiter der Detailhandelsunternehmen (ZWAHLEN, Komm. zu Art. 3 ArG,
N. 14). An welche Schranken die Kantone dabei gebunden sind, bleibt noch
zu prüfen.

Erwägung 4

    4.- Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses des Stadtrates
wurde lediglich angeführt, dass der neuen Ladenschlussordnung keine
öffentlichen Interessen entgegenstünden. Auch in der dem Bundesgericht
eingereichten Vernehmlassung vertritt der Stadtrat die Auffassung,
er habe nicht zu begründen, welches öffentliche Interesse für die
streitige Beschränkung spreche, sondern es genüge, festzustellen,
dass kein entgegenstehendes öffentliches Interesse vorliege. Diese
Auffassung entspricht zwar dem Wortlaut von § 7 EG, doch lässt sie sich
verfassungsrechtlich nicht halten. Wie jeder Eingriff in die Freiheit des
Einzelnen muss auch ein Eingriff in die Handels-und Gewerbefreiheit - und
um einen solchen handelt es sich hier - auf einem positiven öffentlichen
Interesse beruhen; das blosse Fehlen entgegenstehender öffentlicher
Interessen genügt keineswegs. Die Frage, welchem öffentlichen Zweck die
vorliegend angefochtene Ladenschlussordnung überhaupt dient, wurde auch
im Beschwerdeentscheid des Regierungsrates nicht näher untersucht. Der
Regierungsrat verwies lediglich in allgemeiner Weise auf die - die
Rechtslage vor Inkrafttreten des ArG betreffende - Rechtsprechung
des Bundesgerichtes, wonach Ladenschlussvorschriften, welche den
Ladeninhabern und dem Personal die nötige Freizeit verschaffen wollten,
vor Art. 31 BV zulässig seien. Offenbar ging er stillschweigend davon
aus, dass die angefochtene Ordnung zumindest teilweise dem Schutz des
Personals diene. Insoweit verstösst sein Entscheid nach dem Gesagten
gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, den die
Beschwerdeführerin neben Art. 4 und 31 BV sinngemäss ebenfalls angerufen
hat.

Erwägung 5

    5.- In BGE 97 I 502 ff. hat das Bundesgericht eine kantonale
Vorschrift, die dem Ladeninhaber eine halbtägige Schliessung je Woche
auferlegt, als mit Art. 31 BV und dem ArG vereinbar betrachtet. Vorliegend
beträgt die vorgeschriebene Schliessungsdauer nicht einen halben,
sondern einen ganzen Werktag. Eine derartige Regelung erweist sich als
verfassungswidrig.

    a) Selbst wenn man annimmt, der obligatorische Ladenschluss während
eines vollen Werktages bezwecke nicht den Schutz des Personals, sondern
diene lediglich dazu, die Freizeit der dem ArG nicht unterstellten
Personen sicherzustellen, so stellt sich doch die Frage, ob dadurch
nicht in unzulässiger Weise in ein durch das ArG geregeltes Sachgebiet
eingegriffen wird. Gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. b ArG beträgt die wöchentliche
Höchstarbeitszeit für das in Kleinbetrieben des Detailhandels angestellte
Personal 50 Stunden. Zwingt man den Arbeitgeber, sein Geschäft ausser
am Sonntag auch während eines ganzen Werktages zu schliessen, also
einen Fünftagebetrieb einzuführen, so besitzt er praktisch wohl kaum
mehr die Möglichkeit, sein Personal während der gemäss ArG zulässigen 50
Stunden je Woche einzusetzen. Zwar ist zu beachten, dass Öffnungszeit und
Betriebszeit nicht notwendigerweise identisch sind. Das Personal kann auch
ausserhalb der Ladenöffnungszeiten zu internen Tätigkeiten herangezogen
werden (Aufräumungsarbeiten, Auffüllen von Regalen usw.). In der Regel
werden aber solche Arbeiten täglich vor und nach der Öffnungszeit
oder zu Tageszeiten, in denen ein geringer Kundenbetrieb herrscht,
durchgeführt. Eine Beschäftigung des Personals an einem Wochentag, an dem
ein ganztägiger Ladenschluss vorgeschrieben ist, dürfte in den meisten
Fällen kaum in Frage kommen. Der obligatorische Ladenschluss während
eines ganzen Werktages hat somit mittelbar, wenigstens in der Regel, zur
Folge, dass der Ladeninhaber seinem Personal eine längere wöchentliche
Ruhezeit gewähren muss, als das ArG sie vorschreibt. Ob dies mit der vom
Bundesgesetzgeber getroffenen Regelung vereinbar ist, erscheint fraglich,
kann aber offen bleiben, da die angefochtene Ladenschlussordnung ohnehin
schon gegen Art. 31 BV verstösst (die Frage wurde beiläufig bejaht in
BGE 91 I 106; vgl. dazu aber AUBERT, Komm. zu Art. 71-73 ArG, N. 24).

    b) Um vor Art. 31 BV Bestand zu haben, muss eine Ladenschlussordnung
u.a. auf einem hinreichenden öffentlichen Interesse beruhen, wobei der
Gedanke des Personalschutzes als Motiv nicht mehr herangezogen werden
kann. Ein zulässiger öffentlicher Zweck ist jedoch, wie dargelegt,
der Schutz der dem ArG nicht unterstellten Personen (Ladeninhaber,
mitarbeitende Familienangehörige, leitende Angestellte); um ihnen die
nötige Freizeit sicherzustellen, können die Kantone einen halbtägigen
Ladenschluss je Woche vorschreiben. Ein obligatorischer Ladenschluss
während eines ganzen Werktages hielte vor Art. 31 BV nur stand, wenn man
annähme, dass für die dem ArG nicht unterstellten Personen eine längere
Freizeit notwendig ist, als sie das ArG für das Personal vorsieht. Zwar
ist der kantonale oder kommunale Gesetzgeber in der Frage, welches die
aus sozialen Gründen sicherzustellende minimale Freizeit sei, an die
Auffassung des Bundesgesetzgebers nicht unbedingt gebunden. Vorliegend
kann er sich aber über sie nicht hinwegsetzen, da ein obligatorischer
Ladenschluss während eines vollen Werktages, der sich einzig mit dem Schutz
der dem ArG nicht unterstellten Personen begründen liesse, im Hinblick
auf die im ArG für das Personal getroffene Regelung dem Grundsatz der
Verhältnismässigkeit widerspräche.

    Gegen die Zulässigkeit eines ganztägigen Ladenschlusses sprechen im
konkreten Fall noch weitere Gründe. Nach unwidersprochener Darstellung
der Beschwerdeführerin haben die meisten Detailgeschäfte der Stadt
Zug nur während eines halben Werktages zu schliessen. Es ist,
wie in der staatsrechtlichen Beschwerde zu Recht geltend gemacht
wird, kaum einzusehen, weshalb in der Schuhbranche wesentlich andere
Verhältnisse herrschen sollen, die es rechtfertigen würden, eine längere
Schliessungsdauer anzuordnen. Dass die Mehrheit der Ladenbesitzer der
Schuhbranche einen ganztägigen Ladenschluss befürwortet hat, vermag
das Vorhandensein eines hinreichenden öffentlichen Interesses an einer
solchen Regelung noch nicht darzutun; der Wille dieser Mehrheit begründet
lediglich ein privates Verbandsinteresse. Zu beachten ist weiter, dass
zwei in Zug befindliche Warenhäuser, nämlich die Nordmann AG und die
Migros, ihren Betrieb lediglich einen halben Tag je Woche zu schliessen
haben. Diese Warenhäuser, welche ebenfalls je eine Schuhabteilung
führen, sind aus der Sicht der stadtzugerischen Schuhgeschäfte direkte
Konkurrenzbetriebe (vgl. WYSS, Die Handels- und Gewerbefreiheit und die
Rechtsgleichheit, Diss. Zürich 1971, S. 22 ff, insb. S. 27). Nach dem
Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen dürfen sie daher nicht
bessergestellt werden. Eine solche Besserstellung liegt aber vor, wenn die
Warenhäuser im Gegensatz zu den Schuhgeschäften ihren Betrieb nur einen
halben Tag zu schliessen haben. Wenn auch nicht verlangt werden kann,
dass Warenhäuser gleichzeitig mit den betreffenden Fachgeschäften ihren
Betrieb abteilungsweise schliessen (BGE 88 I 236 ff; nicht publ. Urteil
vom 18.11.1964 i.S. Billeter & Kons. c. Thurgau), so ist es doch nicht
angängig, den Spezialgeschäften eine längere Schliessungsdauer aufzuerlegen
als jene, die für die Warenhäuser generell gilt. Die angefochtene
Ladenschlussordnung, welche den Schuhgeschäften die Schliessung während
eines vollen Werktages vorschreibt, verstösst daher gegen Art. 31 BV.

Erwägung 6

    6.- Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, es gehe auch
nicht an, zu verlangen, dass alle Geschäfte einer bestimmten Branche am
gleichen Tag zu schliessen hätten.

    Es trifft zu, dass der mit der Ladenschlussordnung verfolgte
öffentliche Zweck an sich auch erreicht wäre, wenn es dem einzelnen
Ladenbesitzer überlassen bliebe, an welchem Halbtag der Woche er sein
Geschäft schliessen will. Diese Wahlmöglichkeit darfnur soweit beschränkt
werden, als es aus anderweitigen Gründen des öffentlichen Interesses
notwendig erscheint. Eine gewisse Einschränkung drängt sich wohl schon
deshalb auf, um überhaupt eine staatliche Kontrolle zu ermöglichen
bzw. um diese zu erleichtern. Sodann ist nicht zu übersehen, dass eine
Übersichtlichkeit der Ladenschlussordnung auch im Interesse des Publikums
liegt. Ob und wieweit eine gleichzeitige Schliessung der Ladengeschäfte
angeordnet werden kann, hängt demnach stark von den konkreten Verhältnissen
ab; die gegeneinander abzuwägenden Interessen können auch von Branche
zu Branche verschieden sein (vgl. BGE 96 I 366 ff). Im vorliegenden
Fall braucht die Frage nicht entschieden zu werden, da die angefochtene
Ordnung ohnehin gesamthaft aufgehoben werden muss und nicht feststeht,
welche neue Regelung im Rahmen des in § 7 EG vorgesehenen Verfahrens
allenfalls zustandekommen wird. Es wäre zunächst Sache des Stadtrates,
zu prüfen, ob die Festsetzung eines einheitlichen Schliessungshalbtages
einem öffentlichen Bedürfnis entspricht.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und die vom Stadtrat Zug
am 26. Oktober 1971 beschlossene Ladenschlussordnung sowie der
Beschwerdeentscheid des Regierungsrates des Kantons Zug vom 18. Januar
1972 werden aufgehoben.