Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IA 311



98 Ia 311

49. Auszug aus dem Urteil vom 8. März 1972 i.S. Helm gegen Trans-Chemie
AG und Justizkommission des Kantons Zug. Regeste

    Deutsch-schweizerisches Vollstreckungsabkommen vom 2. November 1929.

    Art. 2 Ziff. 3: Begriff der "vorbehaltlosen" Einlassung auf den
Rechtsstreit.

Sachverhalt

                      Aus dem Sachverhalt:

    A.- Die in Hamburg domizilierte Firma Karl O. Helm reichte gegen
die in Zug ansässige Trans-Chemie AG vor dem Landgericht Hamburg wegen
Nichterfüllung eines Kaufvertrages eine Schadenersatzklage ein; sie
stützte sich dabei auf eine entsprechende Gerichtsstandsklausel, die
sie mit der Beklagten vereinbart haben wollte. Die Trans-Chemie AG erhob
die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, wobei sie sich darauf berief,
dass die (in einer Auftragsbestätigung enthaltene) Gerichtsstandsklausel
der Gültigkeit entbehre, da zwischen den Parteien gar kein Vertrag
zustandegekommen sei. Das Landgericht Hamburg verwarf die Einrede der
örtlichen Unzuständigkeit durch ein Zwischenurteil vom 26. März 1968. Die
Trans-Chemie AG erhob gegen dieses ZwischenurteilBerufung, welche das
Hanseatische Oberlandesgericht am 14. März 1969 abwies. Eine hiegegen
eingelegte Revision wurde vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 15. April
1970 verworfen.

    In der Folge verurteilte das Landgericht Hamburg die Trans-Chemie
am 26. August 1970 zur Zahlung von DM 101'820.26 nebst Zinsen. Gegen
dieses Urteil legte die Beklagte beim Hanseatischen Oberlandesgericht
Berufung ein, zog sie indessen später wieder zurück, so dass das Urteil
des Landgerichtes Hamburg vom 26. August 1970 in Rechtskraft erwuchs.

    B.- Gestüzt auf das Urteil des Landgerichtes Hamburg leitete die Firma
Karl O. Helm für den zugesprochenen Betrag gegen die Trans-Chemie AG in
Zug eine Betreibung ein. Auf erhobenen Rechtsvorschlag hin verlangte die
Gläubigerin definitive Rechtsöffnung, welche vom Rechtsöffnungsrichter
des Kantons Zug mit Entscheid vom 6. Februar 1971 verweigert wurde. Eine
hiegegen von der Firma Karl O. Helm erhobene Beschwerde wies die
Justizkommission des Kantons Zug am 7. Januar 1971 ab.

    C.- Gegen den Entscheid der Justizkommission führt die Gläubigerin
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des deutsch-schweizerischen
Staatsvertrages über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von
gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2. November 1929.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Art. 2 Ziff. 3 des
Abkommens, wonach, in Verbindung mit Art. 6, das Urteil des einen Staates
im andern Staat zu vollstrecken ist, "wenn der Beklagte sich vorbehaltlos
auf den Rechtsstreit eingelassen hatte". Auch diese Voraussetzung ist
nicht erfüllt. Da die Trans-Chemie schon zu Beginn des Prozesses formell
die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhoben und das diese Einrede
verwerfende Zwischenurteil mit allen zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln
(erfolglos) angefochten hatte, kann von einer vorbehaltlosen Einlassung
offensichtlich keine Rede sein; dass die Beklagte vorsichtshalber auch
materiell zum Klagebegehren Stellung nahm, ändert daran nichts.

    Die von der Beschwerdeführerin hiegegen erhobenen Einwände sind
unbehelflich. Entgegen ihrer Auffassung war es nicht notwendig, dass die
Trans-Chemie neben der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit auch noch
einen die Vollstreckung des Urteils betreffenden Vorbehalt anbrachte.
Ein solcher Vorbehalt wäre nur erforderlich gewesen, wenn die Beklagte
auf eine formelle Unzuständigkeitseinrede verzichtet oder die Einrede
später zurückgezogen hätte, was nicht zutrifft (BGE 60 I 132 f., 63 I
17 ff.). Auch aus dem von der Beschwerdeführerin erwähnten BGE 96 I
596, der eine entsprechende Klausel des italienisch-schweizerischen
Vollstreckungsabkommens betrifft, ergibt sich nichts anderes. Dass
die formelle Einrede der Unzuständigkeit in jedem Falle genügt,
geht im übrigen klar aus dem Sitzungsprotokoll zu Art. 2 Ziff. 3
des deutsch-schweizerischen Abkommens hervor, wo festgestellt wird:
"Ein,Vorbehalt'des Beklagten im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht
nur dann vor, wenn er die formelle Einrede der Unzuständigkeit erhoben
hat. Es genügt vielmehr, wenn er in den Fällen, in denen nach dem Rechte
des Urteilsstaates die Zuständigkeit des Prozessgerichts begründet ist,
vor der Einlassung zu erkennen gibt, dass er sich dem Verfahren nur für
den Urteilsstaat unterwerfe und einer Durchführung des Urteils in dem
andern Staate widerspreche" (BBl, 1929, III, S. 535).

    Dass die Beklagte einen im Laufe des Verfahrens ergangenen
Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichtes Hamburg vom 14. April
1969 nicht angefochten und die ihr darin auferlegten Prozesskosten
am 14. Mai 1969 bezahlt hat, kann, entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin, nicht als vorbehaltlose Einlassung bzw. als Verzicht
auf die Unzuständigkeitseinrede angesehen werden. Schliesslich war
es auch nicht notwendig, dass die Trans-Chemie beim Rückzug der gegen
das Haupturteil des Landgerichtes Hamburg eingelegten Berufung nochmals
einen die Zuständigkeit oder die Vollstreckbarkeit betreffenden Vorbehalt
anbrachte, nachdem sie zu Beginn des Prozesses die Zuständigkeit formell
bestritten und diese Einrede nie zurückgezogen hatte.