Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IA 266



98 Ia 266

41. Auszug aus dem Urteil vom 12. Juli 1972 i.S. Jakob Huber & Cie AG
gegen Gemeinde Würenlos und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Regeste

    Art. 4 BV; Willkür, Rechtsgleichheit.

    Auslegung und Tragweite einer Vereinbarung zwischen einer Gemeinde
und einem Privaten, wonach das Wasser zum "Normaltarif" geliefert
werde. Die Einführung eines progressiven Wasserzinstarifs ist vor Art. 4
BV grundsätzlich zulässig.

Sachverhalt

                      Aus dem Sachverhalt:

    A. - Jakob Huber entschloss sich 1954, in Würenlos eine
Kleinapparatefirma zu erstellen. Am 28. Juni 1954 traf er mit dem
Gemeinderat Würenlos eine - in der Folge auch von der Gemeindeversammlung
genehmigte - Vereinbarung über die Erschliessung des für die geplante
Industrieanlage erforderlichen Landes. Ziff. 3 der Vereinbarung lautete:

    "Die Gemeinde liefert durch ihre Werke:

    a) das Trinkwasser zum Normaltarif.

    b) die Elektrizität zum Tarif des AEW für Grossverbraucher." Unter
Bezugnahme auf Ziff. 3a der Vereinbarung verfügte der Gemeinderat am
19. Oktober 1956:

    "... Entsprechend der bisherigen Praxis und dem Beschluss des
Gemeinderates vom 19. Juli 1951 kommt für Grossverbraucher folgender
Wasserzins in Berechnung:

    Für die ersten 500 m3: 25 Cts per m3

    501 bis 2500 m3: 15 Cts per m3

    2501 bis 5000 m3: 12 Cts per m3

    5001 und mehr m3: 10 Cts per m3

    Am 24. Juni 1966 wurden diese Ansätze, unter Beibehaltung des
degressiven Verlaufes, allgemein erhöht, was von der Firma Jakob Huber &
Cie AG widerspruchslos hingenommen wurde.

    Am 9. Februar 1968 erliess die Gemeindeversammlung ein neues
Wasserversorgungsreglement, welches ein früheres Reglement von 1945
ersetzte. Gleichzeitig legte der Gemeinderat für den Wasserbezug einen
neuen Tarif fest; er wurde durch die Gemeindeversammlung genehmigt und
trat am 1. April 1968 in Kraft. Der Wasserzins setzt sich nunmehr zusammen
aus einer jährlichen Grundtaxe sowie einem Konsumpreis pro m 3 Wasser
von jährlich:

    45 Rp. für die ersten 50 m3

    50 Rp. für die weiteren 50,1 bis 150 m3

    55 Rp. für die weiteren 150,1 bis 300 m3

    60 Rp. für die weiteren 300,1 bis 1000 m3

    65 Rp. für die weiteren 1000,1 bis 2500 m3

    75 Rp. für den Bezug über 2500,1 m3 hinaus.

    B.- Die Firma Jakob Huber & Cie AG weigerte sich in der Folge, die
aufgrund des neuen, progressiven Tarifs ausgestellte Wasserzinsrechnung
zu bezahlen. Sie erhob gegen eine Verfügung des Gemeinderates, mit der sie
zur Zahlung aufgefordert wurde, Beschwerde, welche jedoch vom aargauischen
Regierungsrat und letztinstanzlich auch vom Verwaltungsgericht des Kantons
Aargau abgewiesen wurde.

    C.- Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 23.  November 1971
führt die Firma Jakob Huber & Cie AG staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 4 BV.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, u.a. aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Nach der Vereinbarung vom 28. Juni 1954 liefert die
Gemeinde der Beschwerdeführerin durch ihre Werke das Trinkwasser "zum
Normaltarif". Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, sie sei aufgrund
dieser Vertragsbestimmung berechtigt, das Wasser stets zu dem normalen
Tarifzu beziehen, wie er 1954 galt. Einer solchen Behauptung, welche die
Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren zumindest sinngemäss vorgebracht
hatte, vor Bundesgericht aber fallen liess, wäre von vornherein der Boden
dadurch entzogen, dass die Beschwerdeführerin selber die 1966 erfolgte
Tariferhöhung akzeptiert und die entsprechenden Rechnungen beglichen
hat. Die Gemeindekanzlei Würenlos hat zudem der Beschwerdeführerin im
Januar 1967 mitgeteilt, dass der 1966 erhöhte Tarif vermutlich nur kurze
Zeit gelten werde, da der Gemeindeversammlung nächstens ein neuer Tarif
zur Genehmigung vorgelegt werde. Auch auf diese Mitteilung hin hat sich
die Beschwerdeführerin offenbar nicht auf den Standpunkt gestellt, für
sie gelte ein gleichbleibender Sondertarif.

    Die Beschwerdeführerin behauptet hingegen, mit der Vereinbarung,
dass das Wasser zum Normaltarif geliefert werde, habe die Gemeinde sie im
Verhältnis zu anderen Wasserverbrauchern begünstigen wollen. Sie macht
geltend, wenn mit dem in der Vereinbarung enthaltenen Hinweis auf den
Normaltarif bloss hätte gesagt sein wollen, es sei der jeweilige Tarif
des Wasserreglements massgebend, so hätte diese Vertragsbestimmung keinen
Sinn gehabt, da es überflüssig gewesen wäre, eine solche Regelung in die
Vereinbarung aufzunehmen. Das mag zunächst einigermassen einleuchten. Nach
dem Wasserversorgungsreglement von 1945 wurde der Wasserzins für den
gewöhnlichen Hausgebrauch, für Landwirtschaft und Gartenbau pauschal
festgelegt, für gewerbliche Anlagen dagegen unter Verwendung eines
Wassermessers. Unter besonderen Umständen stand es dem Gemeinderat
nach § 12 frei, zu entscheiden, ob Pauschal- oder Zählertarif anzuwenden
sei. "Unter besonderen Umständen" konnte also der Gemeinderat einen anderen
Tarif als anwendbar erklären, als er für einen bestimmten Wasserverbraucher
normalerweise nach dem Reglement galt. Es ist sehr wohl denkbar, dass
mit der Vertragsbestimmung Ziff. 3 zum Ausdruck gebracht werden wollte,
im Falle der Beschwerdeführerin werde nicht vom Tarif abgewichen, wie
er nach dem Reglement normalerweise für sie galt. Verhielt es sich
so, was durchaus möglich ist, so war es nicht überflüssig, sondern
sinnvoll, im Vertrag auf den Normaltarif hinzuweisen in der Meinung,
es solle für die Beschwerdeführerin der Wassertarif massgebend sein,
wie er allgemein im Reglement für gewerbliche Betriebe vorgesehen
war (Zählertarif). Wenn die Vertragsparteien eine Begünstigung der
Beschwerdeführerin im Verhältnis zu den anderen Wasserverbrauchern
beabsichtigt hätten, so müsste das vernünftigerweise im Vertragstext
irgendwie zum Ausdruck kommen. Das Verwaltungsgericht verfiel nicht in
Willkür, wenn es die zwischen Gemeinde und Beschwerdeführerin geschlossene
Vereinbarung nach dem gleichen Prinzip auslegte, das für die Anwendung
privater Verträge gilt, nämlich nach demVertrauensprinzip. Nach Treu
und Glauben im Verkehr kann die Klausel, das Trinkwasser werde zum
Normaltarif geliefert, mit haltbaren Gründen dahin ausgelegt werden,
die Beschwerdeführerin könne das Wasser nach dem jeweiligen Tarif des
Wasserreglements beziehen. Ein "Normaltarif", auf den in der Vereinbarung
verwiesen wird, ist nach allgemeinem Sprachgebrauch gerade das Gegenteil
eines von der Beschwerdeführerin beanspruchten Spezialtarifs, und sie
hat denn auch nicht geltend gemacht, dass sie je eine bessere Stellung
gegenüber Abonnenten mit vergleichbarem Wasserverbrauch gehabt hätte. Wie
das Verwaltungsgericht ausführte, wäre es zudem nicht vorstellbar, dass
sich die Gemeinde auf unbestimmte Zeit hätte verpflichten wollen, das
Wasser zu einem günstigen Sondertarif zu liefern. Bei dieser Sachlage
kann nicht gesagt werden, die Gemeinde habe mit der Anwendung des neuen
Wassertarifs von 1968 auf die Beschwerdeführerin den Grundsatz von Treu
und Glaubenverletzt. Dass ihr 1954 von einer Behörde, die zu einer solchen
Erklärung zuständig gewesen wäre, die Zusicherung der Aufrechterhaltung
eines bestimmten Tarifs oder einer bestimmten Tarifgestaltung gegeben
worden wäre, durfte das Verwaltungsgericht ohne Willkür ausschliessen.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, ein Verstoss gegen
Art. 4 BV läge selbst dann vor, wenn die "unglaubwürdige Behauptung"
des Verwaltungsgerichts, die Gemeinde habe nur Wasserlieferungen "zum
Normaltarif", also keine Begünstigung, sondern bloss Gleichbehandlung
mit Kleinbezügern versprechen wollen, zuträfe. Sie kritisiert in diesem
Zusammenhang den angefochtenen Entscheid in appellatorischer Weise, ohne
zu behaupten oder gar darzutun, dass und inwiefern er verfassungswidrig
wäre. Es stellt sich deshalb ernstlich die Frage, ob in diesem Punkt im
Hinblick auf Art. 90 OG auf die Beschwerde einzutreten ist. Die Frage
kann offen bleiben, da sich die Beschwerde auch insoweit als unbegründet
erweist.

    Im Vergleich zu den früheren Tarifen, die degressiv waren, sieht
der Tarif von 1968 eine Progression vor. Die Beschwerdeführerin macht
geltend, der neue Progressivtarif wirke sich in erster Linie zu ihren
Ungunsten aus, sie werde schlechter als die übrigen Wasserbezüger und
somit nicht "normal" behandelt. Wenn sie damit behaupten will, es sei
eine Ordnung getroffen worden, die praktisch als Sonderregelung rein zu
ihrem Nachteil aufgestellt sei, so geht ihre Argumentation fehl. Nach
dem vom Bundesgericht eingeholten Amtsbericht beziehen 6 Abonnenten -
worunter die Beschwerdeführerin - über 2500 m3 Wasser pro Jahr, wobei sie
von 2501 m3 an 75 Rp. pro m3 bezahlen. 20 Abonnenten beziehen über 2000
m3 pro Jahr und bezahlen von 1001 bis 2500 m3 65 Rp. pro m3. Ferner zeigt
sich, dass die Wasserzinseinnahmen in den niedrigen Preisklassen ähnliche
Beträge erreichen wie in den höheren. Es ist demnach nicht dargetan, dass
mit dem neuen Tarif allein die Beschwerdeführerin stärker belastet werden
sollte. Sie lässt denn auch die Frage offen, ob die Gemeinde gegenüber
einer neu zuziehenden Industrie den Progressivtarif anwenden könnte, womit
sie offenbar doch sinngemäss anerkennt, dass dies nicht unhaltbar wäre. Sie
ist indessen der Meinung, ihr gegenüber dürfe der neue Tarif der angeblich
vertraglich zugesicherten Begünstigung wegen nicht angewendet werden. Sie
nimmt damit in anderem Zusammenhang ein Argument wieder auf, das sich
bereits als nicht durchschlagend erwiesen hat. Die Beschwerdeführerin
kann nicht verlangen, dass sie günstiger behandelt wird als die anderen
Wasserbezüger, die wie sie Grossbezüger sind; sie wird anderseits
nicht schlechter behandelt als die anderen Grossbezüger der Gemeinde,
so dass unter diesem Gesichtspunkt von Willkür oder einer Verletzung
der Rechtsgleichheit nicht die Rede sein kann. Die Beschwerdeführerin
behauptet nicht, dass ein auf dem Prinzip der Progression beruhender
Wassertarif grundsätzlich Art. 4 BV widerspräche, so dass diese Frage nicht
geprüft werden muss. Es mag immerhin beigefügt werden, dass die Gemeinde
für den Übergang vom System der Degression zu jenem der Progression
sachliche Gründe anführen kann. Das Verwaltungsgericht stellte fest, in
der Gemeinde Würenlos herrsche Wasserknappheit. Die Beschwerdeführerin
bestreitet das beiläufig, ohne irgendwie darzutun, dass und weshalb die
Feststellung des Verwaltungsgerichtes unrichtig oder gar unhaltbar wäre. Es
ist demnach von der Feststellung des Verwaltungsgerichts auszugehen;
auch die Gemeinde Würenlos führt in ihrer Vernehmlassung aus, beim
Erlass des früheren Reglementes von 1945 sei noch genügend Trinkwasser
vorhanden gewesen, während es inzwischen - vor allem wegen des Bezugs
durch Grossverbraucher - knapp geworden sei. Bei diesem Stand der Dinge
lässt sich eine stärkere Belastung der Grossverbraucher rechtfertigen. Im
Gegensatz zu den Kleinbezügern sind sie in der Regel viel eher in der Lage,
ihren Wasserverbrauch durch geeignete technische Massnahmen erheblich
zu senken (z.B. Verwendung des Kühlwassers im Umlaufverfahren), und
die Einführung eines progressiven Tarifs ist an sich ein zulässiges und
taugliches Mittel, sie zu solchen Einsparungen zu veranlassen. An welche
Schranken die Gemeinde dabei gebunden ist, braucht hier nicht weiter
geprüft zu werden, da die Beschwerdeführerin, wie erwähnt, nicht rügt,
dass der dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegende Tarif schon an
sich gegen Art. 4 BV verstosse.