Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IA 239



98 Ia 239

35. Urteil vom 10. Mai 1972 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich. Regeste

    Staatsrechtliche Beschwerde. Art. 87 OG.

    Der Entscheid, mit welchem der Rekurs gegen die Einstellung einer
Strafuntersuchung gutgeheissen wird, ist ein Zwischenentscheid, der für
den Betroffenen keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat
(Bestätigung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügung vom 30. Juli 1971 stellte die Bezirksanwaltschaft
Zürich eine gegen X. wegen Veruntreuung und ungetreuer Geschäftsführung
geführte Strafuntersuchung ein. Am 10. November 1971 erfuhr X., dass
inzwischen ein von der Geschädigten gegen die Einstellungsverfügung
erhobener Rekurs von der Staatsanwaltschaft Zürich gutgeheissen worden war.
Auf seine Anfrage hin bestätigte ihm die Staatsanwaltschaft mit Schreiben
vom 16. November 1971, dass ihre Rekurskommission mit Beschluss vom
7. Oktober 1971 den gegen die Einstellungsverfügung der Bezirksanwaltschaft
vom 30. Juli 1971 erhobenen Rekurs gutgeheissen habe. Im Interesse der
Wahrheitsfindung sei gemäss ständiger Praxis davon abgesehen worden,
die Rekursschrift dem Rekursgegner zur Stellungnahme vorzulegen. Die
für den Rekursgegner bestimmte Ausfertigung des Rekursentscheides sei
der Bezirksanwaltschaft Zürich zur Aushändigung im geeigneten Zeitpunkt
überwiesen worden.

    B.- X. führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung seines
Anspruches auf rechtliches Gehör, welcher nach § 406 der Zürcher
Strafprozessordnung (StPO) darin bestehe, dass der Rekurs - stelle er sich
nicht sofort als unstatthaft oder unbegründet dar - der Gegenpartei zur
Beantwortung mitzuteilen sei. Er beantragt unter anderem die Aufhebung
des Entscheides der Rekurskommission der Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich vom 7. Oktober 1971.

    C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Nach Art. 87 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
von Art. 4 BV erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen
letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen
einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben.

    Zwischenentscheide sind Entscheide, die das kantonale Verfahren
nicht abschliessen. Das trifft auch zu für den Entscheid, mit welchem
ein Rekurs gegen die Einstellung einer Strafuntersuchung gutgeheissen
wird. Denn die Gutheissung des Rekurses hat zur Folge, dass die
eingestellte Strafuntersuchung weitergeführt wird (STRÄULI, Komm. zu
§ 402 Ziff. 2 StPO N 3 Abs. 2). Der Rekursgegner wird wiederum zum
Angeschuldigten, übrigens nicht anders, als wenn gegen ihn aufgrund der
im Rekurs vorgebrachten Tatsachen eine neue Strafuntersuchung eingeleitet
würde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist darin kein
nicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 87 OG zu sehen. Der
Beurteilung der Schuldfrage wird dadurch nicht vorgegriffen. Dem
Beschuldigten bleiben alle Verteidigungsmittel gewahrt. Sollte es zu
einem verurteilenden Enderkenntnis kommen, so steht die staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV zur Rüge aller Verletzungen
kantonalen Verfahrensrechts offen (BGE 68 I 169, nicht publiziertes Urteil
vom 24. November 1971 i.S. H.). Die Voraussetzungen von Art. 87 OG sind
somit nicht erfüllt. Auf die Beschwerde kann nicht eingetreten werden.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.