Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 98 IA 163



98 Ia 163

23. Auszug aus dem Urteil vom 29. März 1972 i.S. X. & Co. AG gegen Kanton
Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Regeste

    Art. 4 BV; Art. 2 Üb. Best. BV; Handänderungsabgabe.

    Art. 7 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über die Handänderungs- und
Pfandrechtsabgaben vom 15. November 1970 (Besteuerung der anlässlich
eines Grundstückerwerbs mitveräusserten Zugehör) verstösst weder gegen
Art. 4 BV noch gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts.

Sachverhalt

    A.- Nach Art. 1 des bernischen Gesetzes betreffend die Handänderungs-
und Pfandrechtsabgaben vom 15. November 1970 (HPAG) wird beim Erwerb eines
Grundstücks eine kantonale Abgabe erhoben, die 1,5%, jedoch mindestens
Fr. 20.- beträgt (Art. 6 HPAG) und aufgrund der Gegenleistung für den
Grundstückerwerb bemessen wird (Art. 7 Abs. 1 HPAG). Diese besteht "aus
allen vermögenswerten Leistungen, die der Erwerber dem Veräusserer oder
Dritten für das Grundstück, einschliesslich der Zugehör, zu erbringen hat".

    B.- Mit Sacheinlagevertrag vom 27. März 1971 übertrug die
Kommanditgesellschaft X. & Co. der zu gründenden Aktiengesellschaft X. &
Co. AG Aktiven und Passiven, darunter ein Grundstück zum Übernahmewert
von Fr. 591'000.--, sowie Maschinen, Werkzeuge und Mobiliar als Zugehör
im Wert von Fr. 737'000.--. Die gestützt auf Art. 7 Abs. 1 HPAG erhobene
Handänderungsabgabe betrug demnach Fr. 19'921.-- (Fr. 8'866.50 für das
Grundstück + Fr. 11'054.50 für die Zugehör).

    Die X. & Co. AG erhob gegen diese Veranlagung Einsprache mit der
Begründung, die Abgabe dürfe nur vom Wert des Grundstücks, nicht aber
von jenem der Zugehör erhoben werden. Ihre Einsprache wurde jedoch vom
Grundbuchamt, von der Justizdirektion des Kantons Bern und mit Urteil
vom 13. Dezember 1971 letztinstanzlich vom Verwaltungsgericht des Kantons
Bern abgewiesen.

    C.- Die X. & Co. AG führt staatsrechtliche Beschwerde.  Sie rügt eine
Verletzung von Art. 4 BV und von Art. 2 Üb. Best. BV und beantragt,
den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben.
Die Begründung dieses Antrags ergibt sich, soweit wesentlich, aus den
nachfolgenden Erwägungen.

    D.- Verwaltungsgericht und Justizdirektion des Kantons Bern beantragen
die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass die Handänderungsabgabe
nicht nur vom Wert des übertragenen Grundstücks, sondern auch von jenem
der mitübertragenen Zugehör erhoben wurde. - Die angefochtene Veranlagung
entspricht der Vorschrift von Art. 7 Abs. 1 HPAG. Die Beschwerdeführerin
behauptet denn auch nicht, die kantonalen Behörden hätten das Gesetz
in verfassungswidriger Weise angewendet. Sie macht vielmehr geltend,
die Bestimmung von Art. 7 Abs. 1 HPAG sei verfassungswidrig.

    Die Frist zur Anfechtung des HPAG ist zwar längst abgelaufen. Nach
ständiger Rechtsprechung kann jedoch die Verfassungswidrigkeit
einer allgemeinen Norm noch im Anschluss an eine darauf gestützte
Anwendungsverfügung gerügt werden. Erweist sich dieser Vorwurf als
begründet, so führt dies freilich nicht zur Aufhebung der angefochtenen
Vorschrift, sondern bloss zur Kassation des angefochtenen Entscheids
(BGE 97 I 334 Erw. 3 und dort angeführte Urteile).

Erwägung 3

    3.- a) Das Verwaltungsgericht bezeichnet die bernische
Handänderungsabgabe als sog. Gemengsteuer d.h. als Steuer, die in
Verbindung mit einer Grundbuchgebühr erhoben wird (vgl. ERNST BLUMENSTEIN,
System des Steuerrechts, 3. Aufl., S. 7 und 167/8). Diese Ansicht findet
ihre Stütze in Art. 1 HPAG, wird in der Rechtslehre geteilt (H. HUBER,
Bundesrechtliche Schranken im Grundstückabgaberecht, ZBGR 49/1968, S. 69;
WILLY MEIER, Die bernische Handänderungs- und Pfandrechtsabgabe, Diss. Bern
1946, S. 26) und von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet. Ferner ist
unbestritten, dass die mit Sacheinlagevertrag übertragenen Maschinen,
Werkzeuge und Mobilien im Grundbuch angemerkte Zugehör des Grundstücks
darstellen und dass sich die Verfügung über dieses auch auf die Zugehör
bezog (Art. 644 Abs. 1 ZGB).

    b) Wie die Beschwerdeführerin mit Recht ausführt, kann der Eigentümer
der Hauptsache über die in seinem Eigentum stehende Zugehör - sei es
mit oder ohne Aufhebung des Zugehörverhältnisses - in den Formen des
Fahrnisrechts verfügen (MEIER-HAYOZ, N. 42 zu Art. 644/5 ZGB mit Hinweisen
auf Rechtsprechung und Lehre). Ebenso ist richtig, dass in solchen Fällen
keine Handänderungsabgabe verfällt, sofern die Verfügung über Zugehör
nicht anlässlich einer Veräusserung des Grundstücks erfolgt. Entgegen
der Ansicht der Beschwerdeführerin ergibt sich daraus jedoch nicht, dass
Art. 7 Abs. 1 HPAG gegen Art. 4 BV verstösst. Wird beim Grundstückserwerb
eine Handänderungsabgabe erhoben, so lässt sich sachlich rechtfertigen, im
Falle der Veräusserung eines Grundstücks mit Zugehör auch die Gegenleistung
für diese mit der Abgabe zu belasten, zumal sich die Verfügung über das
Grundstück in der Regel auch auf die Zugehör bezieht (Art. 644 Abs. 1
ZGB) und zwischen Hauptsache und Zugehör diesfalls ein besonders enger
wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Wie ohne Willkür angenommen werden
kann, folgt die Zugehör grundsätzlich auch steuerrechtlich der Hauptsache
(E. BLUMENSTEIN, aaO, S. 197/8; MEIER-HAYOZ, N. 62 zu Art. 644/5 ZGB;
ZBl 53/1952, S. 494 f.). Die angefochtene Ordnung verhindert, dass
der erwähnte wirtschaftliche Zusammenhang auseinandergerissen wird
und trifft daher keine rechtlichen Unterscheidungen, für die sich in
den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen kein vernünftiger Grund
finden lässt (BGE 96 I 56, 66 Erw. 2, 143, 456). Zu Unrecht macht die
Beschwerdeführerin demnach geltend, die steuerliche Nichterfassung einer
sowohl formell als auch materiell von der Veräusserung des Grundstücks
losgelösten Verfügung über Zugehör führe zu einer rechtsungleichen
und daher verfassungswidrigen Behandlung (vgl. dazu auch WILLY MEIER,
aaO, S. 54 und 128), denn dem erwähnten wirtschaftlichen Zusammenhang
zwischen Hauptsache und Zugehör kommt diesfalls nach dem Willen des
zur Veräusserung befugten Eigentümers geringere Bedeutung zu. Dass die
Zugehör anlässlich ihrer Veräusserung mit dem Grundstück nach den Regeln
zur Verhinderung einer interkantonalen Doppelbesteuerung (Art. 46 Abs. 2
BV) der Steuerhoheit des Belegenheitskantons untersteht (BGE 68 I 143;
LOCHER, Doppelbesteuerung, § 7 I A 2), ändert daran nichts.

    Ähnliche Überlegungen rechtfertigen sich im übrigen auch für die
steuerrechtliche Behandlung der Übertragung eines Bau- oder Quellenrechts,
wo die Handänderungsabgabe bloss dann erhoben wird, wenn die Servituten
als selbständige und dauernde Rechte ins Grundbuch aufgenommen worden sind
(Art. 4 lit. b HPAG).

    c) Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, es stehe dem
Abgabepflichtigen frei, die Zugehör vertraglich nach Belieben zu
bewerten und damit die Höhe der Abgabe zu beeinflussen. Wenn der
Grundbuchverwalter die Zugehör sodann gemäss Art. 7 Abs. 6 HPAG nach
Ermessen zu bewerten habe, so führe dies zu Willkür, rechtsungleicher
Behandlung und Zufälligkeiten, weshalb die angefochtene Bestimmung auch
unter diesem Gesichtswinkel gegen Art. 4 BV verstosse.

    Allein auch diese Rüge ist unbegründet. Nach Art. 7 Abs. 1 HPAG
wird die Abgabe aufgrund der Gegenleistung für den Grundstückerwerb
bemessen. Diese besteht "aus allen vermögenswerten Leistungen, die der
Erwerber dem Veräusserer oder Dritten für das Grundstück, einschliesslich
der Zugehör, zu erbringen hat". Daraus ergibt sich, dass für die Bemessung
der Abgabe nicht allein auf den vereinbarten Übernahmepreis, sondern auch
auf den Wert - bei Grundstücken mindestens auf den amtlichen Wert (Art. 7
Abs. 4 HPAG) - der übertragenen Sache abzustellen ist (vgl. W. MEIER,
aaO, S. 125; E. BLUMENSTEIN, aaO, S. 236/7). Der freien Bestimmung der
Gegenleistung sind mithin Grenzen gesetzt. Ferner ist selbstverständlich,
dass Übernahmepreis für das Grundstück und Entgelt für die mitübertragene
Zugehör im öffentlich beurkundeten Vertrag wahrheitsgetreu anzugeben sind.
Unlautere Machenschaften, wie sie die Beschwerdeführerin in diesem
Zusammenhang befürchtet, wären offensichtlich unzulässig und allenfalls
sogar strafbar. - Wenn der Grundbuchverwalter - was im vorliegenden Fall
unterbleiben konnte - die Abgabe, d.h. die massgebende Gegenleistung
mangels einer schlüssigen Parteiabrede nach Ermessen zu bestimmen
hat (Art. 7 Abs. 6 HPAG), so führt dies entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin nicht notwendigerweise zu einem unhaltbaren Ergebnis.

    Der Grundbuchverwalter hat nicht willkürlich d.h. nach Belieben,
sondern nach pflichtgemässem Ermessen zu entscheiden und dabei
insbesondere dem Wert der Gegenleistung Rechnung zu tragen und das
Gebot der rechtsgleichen Behandlung zu beachten. Dass die massgebende
Gegenleistung unter Umständen auch ermessensweise festzulegen ist, lässt
die angefochtene fiskalische Belastung der Übertragung von Zugehör somit
nicht als verfassungswidrig erscheinen.

    d) Die Beschwerdeführerin bringt ferner vor, dass bei der
grundbuchlichen Behandlung von Grundstücken einerseits und von Zugehör
anderseits hinsichtlich Aufwand, Verantwortung, Interesse der Parteien
und Kosten wesentliche Unterschiede beständen. Es sei deshalb willkürlich,
bei der Bemessung der Abgabe für Zugehör die gleichen Ansätze anzuwenden
wie für die Übertragung von Grundstücken.

    Diese Rüge wird durch keine besonderen Vorbringen begründet, so dass
sich fragt, ob überhaupt darauf eingetreten werden kann (vgl. Art. 90
Abs. 1 lit. b OG). Wie es sich damit verhält, braucht indessen nicht
entschieden zu werden, denn könnte der Hinweis auf die beiden Urteile 82
I 281 ff. und 92 I 5 ff. als genügende Begründung gelten, so vermöchte
die Beschwerdeführerin damit nicht durchzudringen. Wohl erkannte das
Bundesgericht in den erwähnten Entscheiden, es verstosse gegen Art. 4 BV,
für die Eintragung eines Grundpfandrechts die gleiche Gebühr (berechnet von
der Pfandsumme) zu erheben wie beim Eigentumsübergang (berechnet vom Wert
des Grundstücks), und es halte gleichermassen nicht vor der Verfassung
stand, für die grundbuchliche Vormerkung der Miete eine wesentlich
andere Gebühr zu erheben als für die Vormerkung anderer persönlicher
Rechte. Allein die in den genannten Urteilen enthaltenen Erwägungen können
nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Wird ein Grundstück
mit Zugehör veräussert, so findet sowohl hinsichtlich des Grundstücks wie
auch der Zugehör ein Eigentumsübergang statt. Bereits aus diesem Grund
erscheint es zumindest nicht als unhaltbar, von Grundstück und Zugehör
die nämliche Abgabe zu erheben. Dazu kommt, dass - wie aus Art. 1 Abs. 2
HPAG und aus der gesamten Ausgestaltung der Abgabe zu schliessen ist - die
bernische Handänderungsabgabe in erster Linie Steuercharakter hat und der
damit verbundenen Eintragungsgebühr nur untergeordnete Bedeutung zukommt.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführerin rügt endlich eine Verletzung von
Art. 2 Üb. Best. BV mit der Begründung, eine nach den Umständen nicht
mehr verhältnismässige Abgabe für die Übertragung von Zugehör erschwere
deren Anmerkung im Grundbuch und verstosse daher gegen den Grundsatz der
derogatorischen Kraft des Bundesrechts.

    Wie das Bundesgericht wiederholt entschieden hat, beschränkt Art. 954
ZGB, welche Bestimmung die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der
Willkürrüge erwähnt, die Steuerhoheit der Kantone nicht (Urteil vom 9. März
1966 i.S. Scheller AG, Erw. 1, abgedruckt in ZBGR 48/1967, S. 158; BGE 84
I 139 Erw. 3; 82 I 284 Erw. 1 mit Hinweisen). Aus dem erwähnten Entscheid
vom 9. März 1966 ergibt sich jedoch, dass eine mit einer Grundbuchgebühr
verkoppelte kantonale Handänderungssteuer gegen die Verfassung verstösst,
wenn sie derart hoch ist, dass sie die Benützung einer Einrichtung des
Bundesrechts verunmöglicht oder ungebührlich erschwert (vgl. dazu die
Redaktionsbemerkung in ZBGR 48/1967, S. 165). Mit Recht hat die Lehre
somit gestützt auf die erwähnte Rechtsprechung angenommen, für den
Abgabepflichtigen sei in diesem Zusammenhang gleichgültig, unter welchen
rechtlichen Gesichtspunkten die verschiedenen von ihm geforderten Abgaben
erhoben würden (H. HUBER, aaO, ZBGR 49/1968, S. 85/6). Mit Rücksicht
auf die den Kantonen zustehende Freiheit bei der Ausgestaltung des
Steuersystems darf indessen nicht leichthin angenommen werden, eine
Abgabe erschwere in übermässiger Weise die Benützung eines Instituts
des Bundesprivatrechts.

    Was die bernische Handänderungsabgabe auf der Übertragung von Zugehör
anbelangt, so fällt zunächst in Betracht, dass für die Abgabepflicht
nichts darauf ankommt, ob die Zugehör im Grundbuch angemerkt ist oder
nicht. Bilden bewegliche Sachen Zugehör im Sinne von Art. 644 Abs. 2 ZGB
und werden sie zusammen mit dem Grundstück veräussert, so unterliegt
der Wert der Zugehör auch in jenen Fällen der Handänderungsabgabe,
in denen keine Anmerkung (Art. 946 Abs. 2 ZGB) erfolgt ist. Unter
dem Gesichtswinkel der fiskalischen Belastung besteht demnach kein
Grund, um von einer Anmerkung der Zugehör abzusehen. Damit ist der
Verfassungsrüge bereits weitgehend der Boden entzogen. - Würde die Abgabe
bloss auf der Übertragung angemerkter Zugehör erhoben, so könnte sodann
nicht angenommen werden, die Höhe der Abgabe (1,5% der Gegenleistung
bzw. des amtlichen Werts) erschwere die Benützung des bundesrechtlichen
Instituts der Anmerkung übermässig. Dass das Bundesgericht in dem von der
Beschwerdeführerin erwähnten Urteil 82 I 281 ff. eine bei der Eintragung
eines Grundpfandrechts erhobene Abgabe von 1,4% der Pfandsumme (gegenüber
2,5é der bernischen Pfandrechtsabgabe gemäss Art. 13 Abs. 1 HPAG) als
übermässig bezeichnet hat, hilft der Beschwerdeführerin nicht, da im
vorliegenden Fall - wie in Erw. 3 lit. d ausgeführt - andere Gesichtspunkte
massgebend sind und der genannte Entscheid zudem erkennen lässt, dass das
Bundesgericht die nämliche, beim Eigentumsübergang erhobene und vom Wert
des Grundstücks berechnete Abgabe nicht beanstandet hat. Der Abgabesatz
von 1,5% entspricht ungefähr dem schweizerischen Mittel (vgl. Übersicht
in "Die Steuern der Schweiz", III. Teil, Handänderungsabgaben, Ausgabe
1971), bewirkt keine übermässige Erschwerung der Eigentumsübertragung an
Grundstücken und Zugehör und verstösst daher nicht gegen die derogatorische
Kraft des Bundesrechts.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.