Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 V 134



97 V 134

35. Urteil vom 14. September 1971 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Thurgau
gegen Neumeyer und Neumeyer gegen Ausgleichskasse des Kantons Thurgau
und Rekurskommission des Kantons Thurgau für die AHV Regeste

    Art. 105 Abs. 2 OG.

    Trotz der beschränkten Überprüfungsbefugnis gilt im Rahmen dieser
Bestimmung die Untersuchungsmaxime.

    Art. 5 Abs. 2 AHVG.

    Grundsätzliches zur Abgrenzung der selbständigen von der
unselbständigen Erwerbstätigkeit. Der Handelsagent übt in derRegel eine
unselbständige Erwerbstätigkeit aus. Bestätigung der Praxis.

Sachverhalt

    A.- Fritz Neumeyer beschäftigte in seiner Generalvertriebsstelle für
Metzgereiartikel verschiedene Mitarbeiter. Eine Arbeitgeberkontrolle ergab,
dass er über die Entgelte mehrerer Mitarbeiter mit der Ausgleichskasse
nicht abgerechnet hatte. Mit Nachzahlungsverfügung vom 24. November
1969 verhielt ihn daher die Ausgleichskasse des Kantons Thurgau zur
Entrichtung der entsprechenden paritätischen Beiträge für die Jahre 1964
bis 1968. Fritz Neumeyer anerkannte diese Verfügung teilweise; bezüglich
Ernst Käch, Walter Lenz und August Senn vertrat er jedoch die Auffassung,
bei diesen handle es sich um selbständigerwerbende Agenten, für die er
keine Beiträge zu bezahlen habe.

    B.- Daher liess Fritz Neumeyer gegen die Nachzahlungsverfügung
Beschwerde erheben.

    Die Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Alters- und
Hinterlassenen-Versicherung qualifizierte Ernst Käch und Walter Lenz
als Unselbständigerwerbende und wies die Beschwerde bezüglich dieser
beiden Versicherten ab. August Senn wurde von der Rekurskommission für
die Zeit vom 1. Januar 1965 bis 30. September 1967 bezüglich seiner
Agententätigkeit und für den Zeitraum 1. Oktober 1967 bis 31. Dezember
1968 hinsichtlich seines Service- und Reparaturdienstes für die
Generalvertriebsstelle als Unselbständigerwerbender bezeichnet. Dagegen
anerkannte ihn die Vorinstanz mit Bezug auf seine Tätigkeit aus
der Vereinbarung vom 3. September 1967 über die Durchführung einer
Betriebsstudie für die Zeit vom 1. Oktober 1967 bis 1. Oktober 1968 als
Selbständigerwerbenden. In diesem Sinn entschied die Rekurskommission am
30. September 1970, wobei sie gleichzeitig die Ausgleichskasse aufforderte,
eine neue Beitragsabrechnung zu erstellen.

    C.- Mit ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die
Ausgleichskasse die vollumfängliche Wiederherstellung ihrer Verfügung,
weil August Senn auch hinsichtlich seiner Funktionen aus der
Betriebsstudien-Vereinbarung unselbständigerwerbend sei.

    Auch Fritz Neumeyer lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit
dem Antrag, Ernst Käch, Walter Lenz und August Senn seien bezüglich
ihrer Tätigkeit für seinen Generalvertrieb als Selbständigerwerbende
anzuerkennen. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den
rechtlichen Erwägungen zurückzukommen sein. Ferner wird die Abweisung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Ausgleichskasse beantragt.

    Von den zur Vernehmlassung aufgeforderten drei Betroffenen äusserte
sich Lenz überhaupt nicht, Käch enthielt sich einer materiellen
Stellungnahme und August Senn, der die Neumeyer AG am 1. Januar 1970
aufgekauft hatte, vertrat mit Bestimmtheit die Auffassung, dass er als
Selbständigerwerbender zu behandeln sei.

    Das Bundesamt für Sozialversicherung beschränkt sich auf den Hinweis,
dass es den Ausführungen der Ausgleichskasse beipflichte, und stellt den
Antrag, deren Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei gutzuheissen.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Es sind keine Versicherungsleistungen streitig, weshalb das
Eidg. Versicherungsgericht nur zu prüfen hat, ob der vorinstanzliche
Richter Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung
mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

    Obschon der Sachverhalt im Sinn des Art. 105 Abs. 2 OG
nur beschränkt überprüfbar ist, gilt in diesem Rahmen doch die
Untersuchungsmaxime. Demnach darf sich das Gericht nicht auf die von den
Parteien vorgebrachten tatbeständlichen Einwände beschränken, sondern
es hat von Amtes wegen den gesamten rechtserheblichen Sachverhalt gemäss
Art. 105 Abs. 2 OG zu überprüfen. Immerhin darf der Richter in der Regel
voraussetzen, dass die Parteien auf wirkliche oder vermeintliche Fehler in
der vorinstanzlichen Feststellung des Sachverhalts ausdrücklich hinweisen
(nicht publiziertes Urteil vom 10. März 1971 i.S. Kolb).

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 5 Abs. 2 AHVG und der entsprechenden Praxis ist im
allgemeinen als unselbständigerwerbend zu betrachten, wer auf bestimmte
oder unbestimmte Zeit für einen Arbeitgeber tätig wird und von diesem
in wirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig
ist. Das Fehlen des Unternehmerrisikos ist dabei in der Regel von
wesentlicher Bedeutung. Die unselbständige Erwerbstätigkeit ist nicht
an einen Dienstvertrag gebunden. Gemäss Art. 9 Abs. 1 AHVG gilt dagegen
als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit "jedes Einkommen,
das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit
darstellt". Praxisgemäss ist insbesondere als selbständigerwerbend zu
betrachten, wer - ohne massgebend fremden Direktiven unterworfen zu sein
- nach Art des freien Unternehmers ein eigenes Geschäft führt oder als
gleichberechtigter Partner an einem solchen beteiligt ist (vgl. EVGE 1966
S. 205). Im übrigen beurteilt sich nicht nach zivilrechtlichen Kriterien,
ob im Einzelfall selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit
ausgeübt wird. Die zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen allenfalls
gewisse Anhaltspunkte für die ahv-rechtliche Qualifikation eines
Arbeitsverhältnisses zu bieten, ohne jedoch hierfür entscheidend zu sein
(ZAK 1967 S. 473).

    In ständiger Rechtsprechung hat das Eidg. Versicherungsgericht
festgestellt, dass es für die Beurteilung, ob ein Handelsvertreter
selbständig- oder unselbständigerwerbend sei, nicht darauf ankommt, ob
er dem Bundesgesetz über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden
unterstellt oder ob sein Arbeitsverhältnis durch einen Agenturvertrag
im obligationenrechtlichen Sinn geregelt sei. Es hat erkannt, dass
die Vertreter im allgemeinen weitgehend frei sind, wie sie ihre Zeit
einteilen und ihre Arbeit gestalten wollen, aber selten wirtschaftliche
Risiken wie ein Unternehmer zu tragen haben. Das Gericht ist zum Schluss
gelangt, dass Handelsvertreter mit Rücksicht auf die Art ihrer Tätigkeit
und die Arbeitsbedingungen nur in seltenen Ausnahmefällen ahv-rechtlich
als selbständigerwerbend betrachtet werden können. Es hat insbesondere
hinsichtlich der Handelsagenten erklärt, dass diese ahv-rechtlich in der
Regel zu den Unselbständigerwerbenden gehören, vor allem deshalb, weil
sich ihre ökonomischen Risiken meistens in der Abhängigkeit ihres Entgeltes
vom persönlichen Arbeitserfolg erschöpfen; diese sind nur dann als Risiken
eines Selbständigerwerbenden zu bewerten, wenn beträchtliche Investitionen
oder Angestelltenlöhne zu tragen sind. Das Gericht hat sich stets gegen
die Auffassung gewandt, bei Vorliegen eines Agenturverhältnisses sei
immer auf selbständige Erwerbstätigkeit zu erkennen.

    Ob das Arbeitsentgelt eines Agenten (oder eines gewöhnlichen
Handelsreisenden) Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger
Erwerbstätigkeit im Sinn des AHVG darstellt, ist in jedem einzelnen
Fall nach der Gesamtheit der Umstände zu beurteilen. Obschon auf
Grund der Erfahrungen bei einem Handelsvertreter vermutet wird, er sei
unselbständigerwerbend, so gibt es doch Umstände, die in Sonderfällen auf
selbständige Erwerbstätigkeit schliessen lassen (ZAK 1967 S. 473 und dort
zitierte Urteile).

Erwägung 3

    3.- Fritz Neumeyer macht zunächst geltend, die Vorinstanz habe
"das Problem der Beweislastverteilung ... falsch resp. umgekehrt
gehandhabt". Der materielle Inhalt der von ihm mit Ernst Käch, Walter
Lenz und August Senn abgeschlossenen Agenturverträge weise eindeutig auf
selbständige Tätigkeit dieser Versicherten hin, "weshalb die Beweislast,
dass trotz dieses Vertragsverhältnisses aus dem Geschäftsablauf eine
unselbständige Tätigkeit angenommen werden müsse, einzig und allein
bei der Rekursbehörde liegt. Grundsätzlich gilt der Vertrag, und die
Scheinnatur eines Vertragsverhältnisses muss anhand konkreter Tatsachen
durch die Steuerbehörde bewiesen werden."

    Dieser Stellungnahme ist entgegenzuhalten, dass - wie bereits
erwähnt - im Sozialversicherungsprozess das Untersuchungsprinzip gilt
und demzufolge den Parteien keine Beweisführungslast obliegt, sondern
der Sachverhalt vom letztinstanzlichen Richter im Rahmen des Art. 105
Abs. 2 OG von Amtes wegen festzustellen bzw. zu überprüfen ist. Sodann
ist zu beachten, dass ein Agenturvertrag kein wesentliches Kriterium für
die ahv-rechtliche Beurteilung der auf einem solchen Vertrag beruhenden
Erwerbstätigkeit bildet, weshalb es heute primär gar nicht darum geht,
abzuklären, ob wirklich ein Agenturvertrag im obligationenrechtlichen Sinn
vorliegt. Vielmehr ist nach den gesamten tatsächlichen Umständen zu prüfen,
ob beitragsrechtlich selbständige oder unselbständige Tätigkeit gegeben
ist... 4. - Die Zusammenarbeit zwischen Neumeyer einerseits sowie Käch,
Lenz und Senn anderseits beruhte von 1964 bis 1968 unbestrittenermassen
auf einer in allen drei Fällen gleichlautenden, als "Agenturvertrag"
bezeichneten Vereinbarung. Ob es sich dabei wirklich vollumfänglich um
einen Agenturvertrag im Sinn des OR handelt, braucht nicht näher geprüft
zu werden, weil seine zivilrechtliche Natur für die beitragsrechtliche
Beurteilung der Erwerbstätigkeit jener drei Personen nicht wesentlich
ist. Erheblich ist vielmehr, ob der Vertragsinhalt nach den unter Erwägung
2 dargelegten Kriterien überwiegend wahrscheinlich auf unselbständige
oder selbständige Erwerbstätigkeit hinweist. Die Ausführungen der
Vorinstanz entsprechen Gesetz und Praxis. Ergänzend ist - unter spezieller
Berücksichtigung der Einwände des Beschwerdeführers Neumeyer - zu einzelnen
Vertragsbestimmungen folgendes zu bemerken:

    Nach Ziffer 3 des Vertrages hat der Agent, der für den Maschinenservice
angefordert wird, "zur entsprechenden technischen Ausbildung, gegen
entsprechende Entlöhnung Hand zu bieten". Hier ist unklar, ob diese
"Entlöhnung" von Neumeyer oder vom Kunden ausgerichtet wird. Im ersten
Fall würde es sich auf diesem Teilgebiet eindeutig um unselbständige,
durch die angefochtene Nachzahlungsverfügung erfasste Erwerbstätigkeit,
im zweiten Fall wohl um selbständige Erwerbstätigkeit handeln. Sofern
solche "Entlöhnungen" von Kunden ausgerichtet worden sind, hätte die
Verwaltung von Amtes wegen für deren Erfassung zu sorgen, soweit dies
noch nicht geschehen ist.

    Ziffer 4 erlaubt dem Agenten, frei über seine Zeit zu verfügen und
"anderweitige Vertretungen und Arbeiten" zu übernehmen. Dies sagt für
sich allein wenig aus zur Frage, ob selbständige oder unselbständige
Tätigkeit im ahv-rechtlichen Sinn gegeben ist. Auch ein dienstvertraglich
angestellter Handelsreisender könnte sich ähnliche Klauseln ausbedingen.

    Ziffer 5 ermächtigt den Agenten u.a., Mängelrügen zuhanden
Neumeyers, nicht aber Zahlungen entgegenzunehmen und Zahlungsfristen
zu gewähren, es sei denn, der Beschwerdeführer erteile hierzu eine
besondere Erlaubnis. Ferner wird die Verrechnung von Kundenzahlungen mit
Ansprüchen des Agenten aus dem Vertrag verboten. Schliesslich regelt
die Bestimmung die Versorgung der Agenten mit Mustern und Prospekten
durch Fritz Neumeyer. Gesamthaft spricht Ziffer 5 des Vertrages eher
für unselbständige Tätigkeit. Er beinhaltet ein gewisses Weisungsrecht
Neumeyers; vor allem will er diesem ein beträchtliches wirtschaftliches
Übergewicht dadurch gewährleisten, dass er dem Agenten die Verrechnung
seiner Ansprüche aus dem Agenturvertrag mit den von ihm einkassierten
Kundengeldern verbietet.

    Fritz Neumeyer beruft sich vor allem auf die in den Ziffern 7,
8 und 11 des Agenturvertrages enthaltene Klausel, wonach der Agent eine
Delcredereprovision von 5% auf dem Nettoverkaufspreis erhält und dafür bei
Zahlungsverzug des Kunden "ohne wesentliche Säumnis die erforderlichen
Rechtsschritte einzuleiten und nötigenfalls den Eigentumsvorbehalt
an den verkauften Gegenständen geltend zu machen" und, insoweit dies
erfolglos ist, den "Ausfall" selber zu übernehmen hat. Daraus darf
jedoch nicht abgeleitet werden, "dass das gesamte finanzielle Risiko
ausschliesslich bei den Agenten lag", weil diese "den vollen Ausfall zu
tragen" hätten. Wie schon die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat,
ist das vom Agenten zu übernehmende "Risiko" zum vornherein gedeckt
durch die Delcredereprovision. Nach Art. 418c Abs. 3 OR hat der Agent,
der für die Verbindlichkeiten des Kunden einstehen muss, sogar einen
gesetzlichen, unabdingbaren Anspruch auf ein angemessenes besonderes
Entgelt für diese Haftung. Dies ist mit der eigentlichen Risikotragung
eines Selbständigerwerbenden, der bei Zahlungsunfähigkeit des Kunden
einen nicht gedeckten Verlust erleidet, nicht vergleichbar. Solche
Delcrederebestimmungen haben denn auch vornehmlich den Zweck, den
Vermittler an einer seriösen und vorsichtigen Vermittlertätigkeit zu
interessieren, wobei das eigentliche Geschäftsrisiko beim Geschäftsherrn
verbleibt, der das Risiko hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit der Kunden
- allerdings pauschal und zum voraus - über die Delcredereprovision
finanziert. Für den Agenten dagegen wirkt sich das Delcredere in
Wirklichkeit nur in Form eines - vorwiegend von seiner eigenen Tüchtigkeit
und Sorgfalt abhängenden - grössern oder kleineren Arbeitserfolges aus
in der Richtung, dass er die Delcredereprovision als zusätzliche Einnahme
behalten kann oder sie zur Schadensdeckung verwenden muss.

    Ebenfalls mit dem Hinweis auf Ziffer 8 des Agenturvertrages macht Fritz
Neumeyer geltend, "dass die zurückgenommenen resp. in Anrechnung an eine
neue Maschine übernommenen Occasionsmaschinen in das alleinige Eigentum der
Agenten übergehen", womit "doch klar zum Ausdruck gebracht" werde, "dass
das ganze Eintauschgeschäft, welches bei Metzgereimaschinen, wie bei Autos,
nicht zu umgehen ist, alleinig zulasten der Agenten zu gehen hatte". Der
Occasionshandel sei aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer
Neumeyer und den Agenten vollständig ausgeschaltet gewesen. - Insoweit
diese letzte Behauptung zutrifft, läge auf dem Teilgebiet solchen
Occasionshandels offensichtlich selbständige Erwerbstätigkeit vor, wobei
es wiederum Sache der Verwaltung wäre, von Amtes wegen zu prüfen, ob das
entsprechende Einkommen beitragsrechtlich erfasst worden ist. Aus dem
Agenturvertrag selber ergibt sich diese Möglichkeit des Occasionshandels
aber nicht allgemein, sondern lediglich im Rahmen der Delcrederebestimmung
von Ziffer 8 Abs. 3, die nur so ausgelegt werden kann, dass Maschinen,
die bei Zahlungsunfähigkeit des Kunden zurückgenommen werden, ins Eigentum
jenes Agenten übergehen, der im Sinn der Delcrederebestimmung den "Ausfall"
vergüten muss.

    Gemäss Ziffer 10 hat der Agent die durch seine Tätigkeit verursachten
Spesen selber zu tragen. Dies besagt wenig über allfällig selbständige
Erwerbstätigkeit im beitragsrechtlichen Sinn. Vor Erlass des Bundesgesetzes
über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden war wohl der grösste
Teil der Reisevertreter zur Hauptsache oder gar ausschliesslich auf
reiner Provisionsbasis angestellt. Lediglich aus Gründen des sozialen
Schutzes der dienstvertraglich beschäftigten Handelsreisenden hat dann das
erwähnte Bundesgesetz die prinzipiell gesonderte Vergütung der Reisespesen
vorgeschrieben. Ein wesentliches Indiz für ahv-rechtlich selbständige
Tätigkeit wäre nach den unter Erwägung 2 dargelegten Kriterien lediglich
dann gegeben, wenn der Agent selber eine eigentliche Verkaufsorganisation
aufgebaut hätte. Der Agenturvertrag bietet keine ausreichende Grundlage
für eine solche Annahme.

    Ziffer 12 gewährt jenem Agenten, der "an eine einzige Firma
gebunden" ist, Entschädigungen analog der Lohnzahlung des Dienstherrn
bei Verhinderung an der Arbeitsleistung gemäss Art. 335 OR. Darin liegt
ein Indiz für beitragsrechtlich unselbständige Erwerbstätigkeit.

    Zusammenfassend ist demnach in Übereinstimmung mit der Vorinstanz
festzustellen, dass der "Agenturvertrag" gesamthaft betrachtet überwiegend
auf ahv-rechtlich unselbständige Erwerbstätigkeit der Agenten Käch,
Lenz und Senn hinweist.

Erwägung 5

    5.- Indessen ist nicht allein der Wortlaut dieses Vertrages
massgebend, sondern es sind auch allfällige weitere, vom schriftlichen
Vertrag nicht erfasste Fakten zu berücksichtigen, wie sie in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde Neumeyers unter dem Titel "Praktische
Geschäftsabwicklung" vorgetragen werden.

    a) Zum Fall Käch: Es ist unbestritten, dass mit dem Abschluss des
Agenturvertrages anstelle des vorangegangenen Dienstvertrages die Stellung
Ernst Kächs gegenüber Fritz Neumeyer in mancher Beziehung freier wurde,
was aber noch nicht bedeutet, Käch habe durch diesen Vertrag ahv-rechtlich
die Stellung eines Selbständigerwerbenden erlangt. Wenn der neue Vertrag
gemäss der Behauptung Neumeyers dem Umstand Rechnung tragen sollte,
dass Ernst Käch nebenbei noch einen Fleischhandel betrieb, so fragt
es sich ahv-rechtlich lediglich, ob der Erwerb aus dem Fleischhandel
bisher beitragsmässig überhaupt und in der richtigen Form - Einkommen
aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit - erfasst worden
ist. Dies lässt sich anhand der Akten nicht entscheiden und wird allenfalls
von der Verwaltung von Amtes wegen noch zu prüfen sein.

    Erneut wird in diesem Zusammenhang auf den angeblich selbständigen,
von Neumeyer unabhängigen Occasionshandel Kächs mit Metzgereimaschinen
hingewiesen. Hier drängt sich die gleiche Überprüfung durch die
Verwaltung auf wie bezüglich des Fleischhandels. Unverständlich ist die
Behauptung Neumeyers, der Agent habe diesen Handel "gemäss Vereinbarung vom
29.5.1965... aufsein eigenes Risiko tätigen müssen". Diese Vereinbarung
sagt dazu überhaupt nichts aus, sondern bekräftigt gegenteils noch
ausdrücklich die Konkurrenzklausel, was eher gegen die Zulässigkeit eines
solchen Handels spricht.

    Dass Ernst Käch Bürospesen und Kosten für eigenes Personal erwachsen
wären, wird nur bezüglich des Fleischhandels, nicht aber hinsichtlich
der für Fritz Neumeyer ausgeübten Agententätigkeit geltend gemacht.

    b) Zum Fall Lenz: Dieser liegt völlig analog zum Fall Käch,
wobei Walter Lenz statt eines Fleischhandels zeitweise anscheinend
einen Restaurationsbetrieb geführt hat. Nur der Vollständigkeit halber
sei auf die vorinstanzliche Feststellung verwiesen, dass Walter Lenz
(und anfänglich auch Käch) sich steuerlich als Unselbständigerwerbenden
deklariert und von Neumeyer ausgestellte Lohnausweise vorgelegt hat. Beide
hatten sich also offensichtlich als Unselbständigerwerbende betrachtet.

    c) Zum Fall Senn: Die Vorinstanz führt aus, es sei nicht
erwiesen, dass der Agenturvertrag praktisch anders angewandt worden
sei als bei Ernst Käch und Walter Lenz. An diese Feststellung ist das
Eidg. Versicherungsgericht gebunden, weil kein Grund zur Überprüfung
im Sinn von Art. 105 Abs. 2 OG besteht. Insbesondere ändert der Hinweis
darauf, dass Senn über ein eigenes Konsignationslager verfügt habe, nichts,
denn das diesbezügliche "Risiko" bestand lediglich im Rahmen der bereits
erwähnten Delcrederehaftung.

    Von diesem Agenturverhältnis ist - wie bei Ernst Käch und Walter Lenz
- der Occasionshandel auszunehmen; dessen beitragsrechtliche Bedeutung
ist von der Verwaltung gegebenenfalls noch zu prüfen. Dasselbe gilt auch
insoweit, als Senn seine frühere selbständige Erwerbstätigkeit neben dem
Agenturverhältnis mit Neumeyer anscheinend weitergeführt hat.

    Hinsichtlich der Service- und Montagevereinbarung vom 1. Januar 1965,
mit der sich Senn gegenüber Neumeyer zur Übernahme des Reparaturdienstes
für Metzgereimaschinen verpflichtet hat, besteht ebenfalls kein Anlass,
von der vorinstanzlichen Beurteilung abzuweichen. Dieses Vertragsverhältnis
liegt im wesentlichen auf der gleichen Linie wie das Agenturverhältnis,
mit dem es überdies in einem innern Zusammenhang steht. Dass August Senn,
wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde Neumeyers geschildert wird, in
einem Fall den durch fehlerhafte Montage verschuldeten Schaden selber zu
tragen hatte, vermag hieran nichts zu ändern.

    Am 3. September 1967 vereinbarten Fritz Neumeyer und August
Senn, vom 1. Oktober 1967 bis 1. Oktober 1968 eine "Betriebsstudie"
durchzuführen. Senn hatte nun - anders als bei der Delcrederehaftung gemäss
Agenturvertrag - anteilsmässig ein wirkliches Geschäftsrisiko zu tragen und
war grundsätzlich gleichberechtigter Partner Neumeyers. Wenn Fritz Neumeyer
geltend macht, im Betriebsstudienjahr habe August Senn ein kleineres
Risiko tragen müssen als unter der Herrschaft des Agenturvertrages, so
übersieht er, dass das Delcredererisiko zum vorneherein - und im Gegensatz
zum Unternehmerrisiko - durch die Delcredereprovision abgegolten worden
ist. Der Einwand der Ausgleichskasse, laut Handelsregistereintrag habe
Neumeyer sein Geschäft als Einzelfirma weitergeführt, ist unerheblich,
weil ja bekanntlich die tatsächlichen Verhältnisse und nicht deren
formelle Regelung massgebend sind. - Das Verhältnis aus dem Service- und
Montagevertrag schliesslich erfuhr durch die Betriebsstudien-Vereinbarung
keine Änderung.

Erwägung 6

    6.- Es ergibt sich somit, dass beide Verwaltungsgerichtsbeschwerden
als unbegründet abgewiesen werden müssen. Die Parteien haben die Kosten
des heutigen Verfahrens zu tragen, welche - der Bedeutung jeder der
beiden Beschwerden entsprechend - zu einem Drittel der Ausgleichskasse
und zu zwei Dritteln Fritz Neumeyer auferlegt werden. Da beide Parteien
unterlegen sind, besteht kein Anspruch auf Parteientschädigung.

Entscheid:

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden im Sinn der Erwägungen abgewiesen.

    II.  Die Kosten des heutigen Verfahrens werden zu einem Drittel der
Ausgleichskasse und zu zwei Dritteln Fritz Neumeyer auferlegt.

    III.  Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.