Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 878



97 I 878

126. Urteil vom 8. Dezember 1971 i.S. Ernst Böhlen AG gegen Eidg. Finanz-
und Zolldepartement. Regeste

    Art. 99 lit. h OG. Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen die Verweigerung von Beiträgen, auf die das Bundesrecht keinen
Anspruch einräumt.

    1.  Begriff des "Bundesrechts". Verordnungen ohne allgemein
verpflichtenden Inhalt (Verwaltungsverordnungen) fallen nicht darunter
(Erw. 1).

    2.  Die Verweigerung von Beiträgen des Bundes für den Transport von
Kartoffeln kann nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden
(Erw. 2).

Sachverhalt

    Die Firma Ernst Böhlen AG liess in den Monaten Oktober und
November 1970 mit der Eisenbahn von verschiedenen Stationen der Ost-
und Westschweiz in 27 Sendungen 448 771 kg Speisekartoffeln der Ernte
1970 nach Langenthal kommen. Am 31. Dezember 1970 ersuchte sie die
Alkoholverwaltung, ihr für diese Sendungen Frachtbeiträge von insgesamt
Fr. 2 720.28 auszurichten. Die Alkoholverwaltung lehnte das Begehren
ab mit der Begründung, dass nach ihren Weisungen vom 22. Oktober 1970
keine Transportbeiträge für Sendungen nach Überschussgebieten gewährt
werden. Die von der Gesuchstellerin hiegegen erhobene Beschwerde wurde
vom Eidg. Finanz- und Zolldepartement am 9. August 1971 abgewiesen.
Diesen Entscheid ficht die Firma gemäss Rechtsmittelbelehrung mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 99 lit. h OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
unzulässig "gegen die Bewilligung oder Verweigerung von Beiträgen...,
auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt". Im vorliegenden Fall
ist demnach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur zulässig, wenn das
Bundesrecht einen Anspruch auf die in Frage stehenden Frachtbeiträge
einräumt.

    Wie in einem Meinungsaustausch zwischen Bundesgericht und
Bundesrat i.S. Paul Kocher festgestellt wurde, fallen unter den Begriff
"Bundesrecht" ("législation fédérale") im Sinne von Art. 99 lit. h OG
die Bundesgesetze und die von der Bundesversammlung erlassenen allgemein
verbindlichen Beschlüsse sowie die Rechtsverordnungen des Bundesrates,
seiner Departemente und ihrer Dienstabteilungen, nicht aber blosse
Verwaltungsverordnungen, d.h. Verordnungen ohne allgemein verpflichtenden
Inhalt.

    Nach Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 12. März 1948 über die
Rechtskraft der Bereinigten Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen
für die Jahre 1848-1947 und über die neue Reihe der Sammlung sind
Dienstabteilungen der Departemente zum Erlass allgemein verpflichtender
Vorschriften nur noch dann zuständig, wenn ein Bundesgesetz oder
ein Bundesbeschluss das vorsieht. Übrigens sind von Dienstabteilungen
ausgehende Verfügungen allgemein verpflichtenden Inhalts für den Bürger
nur verbindlich, wenn sie in der Gesetzessammlung veröffentlicht sind
(Art. 9 in Verbindung mit Art. 4 lit. g desselben Gesetzes).

Erwägung 2

    2.- Die von der Alkoholverwaltung alljährlich erlassenen Weisungen
über die Ausrichtung von Beiträgen für den Transport von Kartoffeln
der betreffenden Ernte stellen keine Rechtsverordnungen dar. Ein
Bundesgesetz oder ein Bundesbeschluss, in welchem die Zuständigkeit der
Alkoholverwaltung zum Erlass allgemein verpflichtender Vorschriften über
die Gewährung solcher Beiträge vorgesehen wäre, besteht nicht. Auch
dem Alkoholgesetz vom 21. Juni 1932 lässt sich eine Ermächtigung
der Alkoholverwaltung hiezu nicht entnehmen. Die genannten Weisungen
werden denn auch nicht in der Gesetzessammlung veröffentlicht. Sind sie
demnach als blosse Verwaltungsverordnungen zu betrachten, so kann nicht
angenommen werden, dass sie im Sinne von Art. 99 lit. h OG einen Anspruch
auf Beiträge gewähren.

    Eine Rechtsverordnung ist dagegen der BRB vom 7. Juli 1967
über die Verwertung der Kartoffelernten (AS 1967, 1041), auf den die
Alkoholverwaltung ihre einschlägigen Weisungen stützt. Er ermächtigt diese
Dienstabteilung allerdings, Beiträge für den Transport von Kartoffeln zu
gewähren (Art. 2 lit. a). Aber er schreibt nicht vor, dass solche Beiträge
gewährt werden müssen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Auch
aus ihm lässt sich daher ein Anspruch auf Beiträge für den Transport von
Kartoffeln nicht ableiten.

    Das Alkoholgesetz begründet ebenfalls keinen solchen Anspruch. Es
erwähnt in Art. 24 Abs. 2 (Fassung gemäss BG vom 25. Oktober 1949) die
Gewährung von Frachtbeiträgen als eine der Massnahmen, durch welche die
brennlose Verwertung der Kartoffeln (und der anderen Brennereirohstoffe)
zu fördern ist, doch sagt es nicht, dass unter bestimmten Voraussetzungen
Beiträge gewährt werden müssen.

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher im vorliegenden Fall
nach Art. 99 lit. h OG nicht zulässig. Die Beurteilung der Beschwerde der
Firma Ernst Böhlen AG fällt in die Zuständigkeit des Bundesrates. Das ist
auch die Auffassung der Eidg. Justizabteilung, wie sich im durchgeführten
Meinungsaustausch ergeben hat.

Entscheid:

             Demnach beschliesst das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird dem Bundesrat übergeben.