Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 839



97 I 839

119. Urteil vom 22. September 1971 i.S. Müller-Gilliers gegen Verwaltung
des Bezirksgefängnisses Zürich und Bezirksanwaltschaft Zürich. Regeste

    Persönliche Freiheit; Untersuchungshaft.

    1.  Begriff der persönlichen Freiheit (Erw. 3).

    2.  Grundsätzliches über die Zulässigkeit von Freiheitsbeschränkungen
der Untersuchungsgefangenen (Erw. 4 und 5).

    3.  Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 6).

    4.  Das den Untersuchungsgefangenen des Bezirksgefängnisses Zürich
auferlegte Verbot des direkten Bezugs einer beliebigen Zeitung und
des Gebrauchs eines eigenen Transistorradios verstösst nicht gegen das
Grundrecht der persönlichen Freiheit (Erw. 8).

Sachverhalt

    A.- Der seit 24. April 1971 im Bezirksgefängnis Zürich inhaftierte
Untersuchungsgefangene Fernand Müller-Gilliers richtete am 29. April
1971 eine Eingabe an die Bezirksanwaltschaft Zürich, in welcher er sich
über den Vollzug der Untersuchungshaft beschwerte. Er machte geltend,
die Gefängnisverwaltung zwinge Untersuchungshäftlinge zur Arbeit,
untersage ihnen, tagsüber das Bett zu benutzen und gebe ihnen keine
Gelegenheit zu einem ausreichenden täglichen Spaziergang. Ferner rügte
er, die Gefängnisverwaltung habe ihm zu Unrecht untersagt, eine Zeitung
seiner Wahl zu abonnieren, im Verlaufe einer Woche mehr als 80 Zigaretten
zu rauchen und in seiner Zelle einen Radioempfänger zu benutzen. Weiter
brachte er vor, die Besuchszeit sei in unzulässiger Weise auf 15 Minuten
beschränkt worden. Schliesslich beanstandete er, dass das elektrische
Licht in den Zellen bereits um 20.30 Uhr abgeschaltet werde.

    Mit Beschluss vom 5. Mai 1971 wies die Bezirksanwaltschaft Zürich
den Rekurs ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, die
angefochtenen Freiheitsbeschränkungen beständen zum Teil überhaupt nicht
und entsprächen zum andern Teil den Vorschriften der Verordnung über die
Bezirksgefängnisse vom 7. Februar 1963 (GefängnisVO), weshalb kein Anlass
zum Einschreiten bestehe. Im Hinblick auf bestimmte Reformbestrebungen
sah die Bezirksanwaltschaft jedoch davon ab, dem Beschwerdeführer die
Verfahrenskosten aufzuerlegen.

    B.- Fernand Müller-Gilliers führt staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 4 BV und der persönlichen Freiheit (Art. 7 KV). Er
beantragt, die angefochtene Verfügung vom 5. Mai 1971 teilweise aufzuheben
und die Bezirksanwaltschaft anzuweisen, ihm den Bezug der Neuen Zürcher
Zeitung sowie die Benutzung eines Transistorradios zu gestatten und das
elektrische Licht in seiner Zelle erst um 22.30 Uhr abzuschalten. Die
Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachfolgenden
Erwägungen.

    C.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich beantragt die Abweisung der
Beschwerde und verweist in ihren Gegenbemerkungen auf eine gleichzeitig
vorgelegte Stellungnahme der Gefängnisverwaltung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4 BV und
der persönlichen Freiheit sind erst gegen letztinstanzliche kantonale
Entscheidungen zulässig (Art. 86 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 87
OG). Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 29. April 1971 war als Rekurs
gegen Anordnungen der Gefängnisverwaltung von der Bezirksanwaltschaft zu
beurteilen (§ 58 Abs. 1 lit. a GefängnisVO). Deren Entscheid vom 5. Mai
1971 war kantonal letztinstanzlich (§ 58 Abs. 3 GefängnisVO). Auf die
vorliegende Beschwerde ist daher einzutreten, und zwar auch insoweit,
als der Beschwerdeführer mehr als die Aufhebung des angefochtenen Urteils
verlangt, denn der verfassungsmässige Zustand könnte in der Tat nur durch
eine dem Beschwerdeantrag entsprechende Weisung an die Bezirksanwaltschaft
wiederhergestellt werden, falls sich die erhobenen Verfassungsrügen als
begründet erweisen sollten (vgl. BGE 97 I 225/6, 96 I 355, 95 I 242).

    Der Beschwerdeführer ist zwar während der Rechtshängigkeit
der vorliegenden Beschwerde aus der Untersuchungshaft entlassen
worden; sein aktuelles praktisches Interesse an der Überprüfung des
angefochtenen Entscheids ist demnach dahingefallen. Dieser Umstand
hindert das Bundesgericht jedoch nicht, die erhobenen Rügen materiell
zu beurteilen, denn der Beschwerdeführer beanstandet ein Verhalten der
Gefängnisverwaltung, das sich jederzeit wiederholen kann und wirft Fragen
auf, deren Beantwortung von grundsätzlicher Bedeutung ist (vgl. BGE 96
I 553 Erw. 1 mit Verweisungen).

Erwägung 2

    2.- § 32 Abs. 1 GefängnisVO schreibt vor, dass das elektrische Licht
in den Zellen um 20.30 abzuschalten ist; vorbehalten bleiben besondere
Weisungen der Justizdirektion. Gemäss § 48 Abs. 2 GefängnisVO können
die Gefangenen nach einer Haftdauer von einer Woche einmal wöchentlich
eine von der Gefängnisverwaltung abonnierte Zeitung oder Zeitschrift
beziehen. § 49 Abs. 3 GefängnisVO untersagt den Gefangenen den Gebrauch
eines eigenen Radioempfängers.

    Der Beschwerdeführer bringt vor, die erwähnten Bestimmungen
der GefängnisVO verletzten - soweit sie auf Untersuchungshäftlinge
angewendet würden - die Garantie der persönlichen Freiheit (Art. 7
KV) und seien darüberhinaus gesetzwidrig, zumal § 76 Abs. 3 der
zürcherischen Strafprozessordnung (StPO) ausdrücklich vorschreibe, dass
die Untersuchungsgefangenen in ihrer Freiheit nicht mehr eingeschränkt
werden dürften, als es der Zweck der Verhaftung erfordere. Diese Rügen
fallen sachlich zusammen (vgl. unten Erw. 4) und sind daher im folgenden
gemeinsam zu behandeln.

Erwägung 3

    3.- Die Garantie der persönlichen Freiheit gehört dem ungeschriebenen
Verfassungsrecht des Bundes an (BGE 97 I 49 Erw. 2 mit Hinweisen auf
frühere Urteile). Die entsprechenden Gewährleistungen in den kantonalen
Verfassungen haben demnach keine selbständige Bedeutung, sofern sie
nicht weiter gehen als das Bundesrecht. Dass dies für Art. 7 KV zutreffe,
behauptet der Beschwerdeführer mit Recht nicht. Soweit er die Garantie
der persönlichen Freiheit anruft, bleibt somit bloss zu prüfen, ob der
angefochtene Entscheid vor dem ungeschriebenen Verfassungsrecht des
Bundes standhält.

    Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts garantiert das
Grundrecht der persönlichen Freiheit nicht bloss das Recht auf freie
Bewegung und körperliche Unversehrtheit, sondern es schützt den Bürger auch
in der ihm eigenen Fähigkeit, eine bestimmte tatsächliche Begebenheit zu
würdigen und danach zu handeln; es gewährleistet als verfassungsrechtlicher
Leitgrundsatz ferner alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der
Persönlichkeitsentfaltung des Menschen darstellen und bietet auf diese
Weise einen umfassenden Grundrechtsschutz, der sich auf den Inhalt und
Umfang der übrigen verfassungsmässigen Freiheitsrechte entscheidend
auswirkt (BGE 97 I 49/50). Es schützt den Bürger somit auch in seiner
Freiheit, über seine Lebensweise zu entscheiden, insbesondere seine
Freizeit zu gestalten, Beziehungen zu seinen Mitmenschen anzuknüpfen und
sich Kenntnis über das Geschehen in seiner näheren und weiteren Umgebung
zu verschaffen.

    Wie andere verfassungsmässig gewährleistete Freiheitsrechte
ist indessen auch die Garantie der persönlichen Freiheit bestimmten
Beschränkungen unterworfen. Eingriffe sind jedoch grundsätzlich nur
zulässig, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen und verhältnismässig
sind; sie dürfen das Grundrecht weder völlig unterdrücken noch seines
Gehaltes als fundamentale Institution unserer Rechtsordnung entleeren
(BGE 97 I 50 mit Verweisungen). Droht indessen eine unmittelbare,
direkte und schwere Gefährdung oder Störung der öffentlichen Ordnung,
Sicherheit, Sittlichkeit oder Gesundheit, so sind verhältnismässige
Freiheitsbeschränkungen auch bloss gestützt auf die allgemeine
Polizeiklausel zulässig (vgl. BGE 91 I 326/7, 92 I 30 ff. Erw. 5).

Erwägung 4

    4.- Auch der Untersuchungsgefangene kann sich grundsätzlich auf
die Garantie der persönlichen Freiheit im soeben umschriebenen Sinne
berufen. Er steht jedoch in einem sog. besonderen Gewaltsverhältnis zum
Staat und hat deshalb bestimmte Freiheitsbeschränkungen in Kauf zu nehmen
(vgl. unten Erw. 5). Diese bedürfen - im Gegensatz zur Begründung des
Gewaltverhältnisses als solchen - keiner ausdrücklichen gesetzlichen
Grundlage (BGE 97 I 52). Ihre Zulässigkeit hängt demnach entscheidend
davon ab, ob sie verhältnismässig sind d.h. nicht weiter gehen, als es das
Gewaltverhältnis erfordert. Der Beschwerdeführer, der die Rechtmässigkeit
seiner Verhaftung nicht bestreitet, beruft sich in diesem Zusammenhang auf
§ 76 Abs. 3 StPO, wonach der Untersuchungsgefangene in seiner Freiheit
nicht mehr eingeschränkt werden darf, als es der Zweck der Verhaftung
erfordert. Nach Wortlaut und Sinn verpflichtet diese Bestimmung
die zuständigen Behörden, den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu
beachten, wie er sich bereits aus der Verfassung ergibt. Die Rüge des
Beschwerdeführers, die angefochtenen Freiheitsbeschränkungen verstiessen
gegen die genannte Vorschrift der Strafprozessordnung, fällt demnach mit
dem Vorwurf zusammen, der angefochtene Entscheid verletze die Garantie
der persönlichen Freiheit.

Erwägung 5

    5.- Ihrem Zweck entsprechend (vgl. BGE 97 I 52/3 mit Hinweisen
auf Rechtsprechung und Lehre) erheischt die Untersuchungshaft zunächst
eine Beschränkung der Beziehungen zur Aussenwelt, und zwar - entgegen
der Ansicht des Beschwerdeführers - auch dann, wenn die Verhaftung
ausschliesslich wegen Fluchtgefahr erfolgt ist (LÖWE-ROSENBERG-DÜNNEBIER,
Die Strafprozessordnung, 21. Aufl., Berlin 1967, Ergänzungsband, S. 203
Ziff. 2). Weitere Freiheitsbeschränkungen rechtfertigen sich sodann im
Interesse einer vernünftigen Gefängnisordnung (BGE 97 I 53). Im Gegensatz
zum BG über die Bundesstrafrechtspflege (Art. 48 Abs. 1) ist davon in der
zürcherischen Strafprozessordnung zwar nicht ausdrücklich die Rede. Dass
solche Eingriffe zulässig sind, erscheint jedoch als selbstverständlich
und wird im übrigen vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Aus praktischen
Gründen hat der Untersuchungsgefangene somit auch Freiheitsbeschränkungen
auf sich zu nehmen, die mit dem Zweck der Untersuchungshaft in keinem
unmittelbaren Zusammenhang stehen. So wünschenswert es auch immer ist,
beim Vollzug der Untersuchungshaft die Besonderheiten des Einzelfalles zu
berücksichtigen, so unerlässlich ist es doch anderseits, für jene Belange,
die für eine vernünftige Anstaltsordnung wesentlich sind, einheitliche
und von allen Gefangenen zu beachtende Regeln aufzustellen. Lässt es
sich nicht vermeiden, Straf- und Untersuchungsgefangene in der gleichen
Anstalt unterzubringen, so ist jedoch streng darauf zu achten, dass dem
verschiedenen Haftzweck auch beim Vollzug Rechnung getragen wird (vgl. BGE
97 I 53). Untersuchungs- und Strafgefangene müssen voneinander getrennt
bleiben, wie es in Ziff. 85/1 der "Règles minima pour le traitement des
détenus" der Vereinigten Nationen (vgl. BGE 97 I 54 Erw. 4) ausdrücklich
gefordert wird und übrigens auch im zürcherischen Recht vorgesehen ist
(§ 76 StPO und § 59 GefängnisVO).

    Unzulässig, weil mit Wesen und Zweck der Untersuchungshaft nicht
vereinbar und für eine vernünftige Gefängnisordnung nicht erforderlich,
sind Freiheitsbeschränkungen mit Strafcharakter, sofern sie nicht
Disziplinarmassnahmen darstellen. Daran ändert nichts, dass die
Untersuchungshaft unter bestimmten Voraussetzungen von Gesetzes wegen
auf Freiheitsstrafen anzurechnen ist (Art. 69 StGB; BGE 97 I 53). Weiter
dürfen Untersuchungsgefangene während ihrer Inhaftierung nicht zur
Arbeit gezwungen werden (BGE 97 I 52 ff.). Schliesslich sind auch
jene Freiheitsbeschränkungen verfassungswidrig, die darauf abzielen,
den Untersuchungsgefangenen zum Eingeständnis der ihm vorgeworfenen
Verfehlungen zu nötigen.

Erwägung 6

    6.- Im Gegensatz zur Beurteilung der gesetzlichen Grundlage, wo die
Kognition von der Schwere der umstrittenen Freiheitsbeschränkung abhängt
(BGE 97 I 51/2 mit Verweisungen), prüft das Bundesgericht grundsätzlich
frei, ob Eingriffe in die persönliche Freiheit verhältnismässig sind
(vgl. BGE 97 I 52 Erw. 4 b).

    Richtet sich die Beschwerde jedoch gegen Freiheitsbeschränkungen,
die dem Untersuchungsgefangenen im Interesse der Anstaltsordnung auferlegt
werden, so rechtfertigt sich eine gewisse Zurückhaltung, denn der Entscheid
hängt wesentlich von den Verhältnissen im betreffenden Gefängnis,
insbesondere von den verfügbaren personellen und finanziellen Mitteln
ab und wird zudem - wenn auch nur in geringem Masse - von den örtlichen
Gebräuchen beeinflusst. Es ist nicht Sache des Verfassungsgerichts, eine
einheitliche gesamtschweizerische Gefängnisordnung zu schaffen. Seine
Aufgabe ist vielmehr darauf beschränkt, die Untersuchungsgefangenen
insoweit vor übermässigen und daher verfassungswidrigen Eingriffen in
die Garantie der persönlichen Freiheit zu schützen.

    In ähnlicher Weise ist Zurückhaltung geboten, wenn es über die
Verhältnismässigkeit von Freiheitsbeschränkungen zu entscheiden gilt,
die den Untersuchungsgefangenen mit Rücksicht auf den Zweck der
Untersuchungshaft auferlegt werden. Welche Massnahmen im Einzelfall
zulässig sind, hängt ebenfalls wesentlich von der Grösse, Lage
und Organisation der betreffenden Anstalt ab. Es rechtfertigt sich
daher, den Gefängnisverwaltungen und Aufsichtsbehörden einen gewissen
Beurteilungsspielraum zuzugestehen.

Erwägung 7

    7.- Der Beschwerdeführer macht geltend, das elektrische Licht in den
Zellen des Bezirkgsgefängnisses Zürich werde zu früh ausgeschaltet.

    § 32 GefängnisVO setzt das Lichterlöschen auf 20.30 Uhr fest. Diese
Ordnung erscheint zwar ziemlich streng, und es mag durchaus zutreffen,
dass es einzelnen Gefangenen vorübergehend schwer fällt, sich daran zu
gewöhnen. Nach den Ausführungen des Gefängnisverwalters wird sie jedoch
tolerant gehandhabt (Beginn der Nachtruhe um 21.30 Uhr), nicht zuletzt
im Hinblick darauf, dass die Gefängnisverordnung insoweit abgeändert
werden soll. Unter diesen Umständen kann darin kein Verstoss gegen die
Garantie der persönlichen Freiheit erblickt werden, denn die Beschränkung
ist nicht unverhältnismässig.

Erwägung 8

    8.- Im Gegensatz zur soeben behandelten Freiheitsbeschränkung,
die den Untersuchungsgefangenen ausschliesslich mit Rücksicht auf die
Gefängnisordnung auferlegt wird, sind die übrigen, vom Beschwerdeführer
als verfassungswidrig gerügten Eingriffe (Verbot des direkten Bezugs einer
beliebigen Zeitung; Verbot des Gebrauchs eines eigenen Transistorradios)
auch dazu bestimmt, den Zweck der Untersuchungshaft zu gewährleisten.

    a) § 48 Abs. 2 GefängnisVO sieht vor, dass die Gefangenen nach
einer Haftdauer von einer Woche einmal wöchentlich eine von der
Gefängnisverwaltung abonnierte Zeitung oder Zeitschrift beziehen
dürfen. Nach den Angaben der Gefängnisverwaltung wird diese Vorschrift
im Bezirksgefängnis Zürich in der Weise gehandhabt, dass die im Verlaufe
der Woche eintreffenden 144 Zeitungen aller drei Landessprachen jeweils am
Samstag gleichmässig auf die vier Stockwerke der Anstalt verteilt werden;
im weitern darf jeder Gefangene die Zeitung "Der Sport" verlangen, die
während der ganzen Woche in 12 Exemplaren zirkuliert. Ausländer, die keine
der drei Landessprachen beherrschen, erhalten einmal wöchentlich Zeitungen,
die ihnen von den Angehörigen zugestellt werden.

    Gefängnisverwaltung und Bezirksanwaltschaft lehnen es ab, diese
Ordnung zu lockern. Sie machen geltend, die Ermächtigung zum direkten
Bezug von Zeitungen eigener Wahl, wie sie vom Beschwerdeführer verlangt
werde, gefährde den Zweck der Untersuchungshaft, zumal eine wirksame
Kontrolle und Überwachung durch die Gefängnisverwaltung aus sachlichen und
personellen Gründen nahezu ausgeschlossen sei. Die Gefahr des Zuspielens
geheimer Mitteilungen würde dadurch wesentlich erhöht, was der Kollusion
Vorschub leisten würde und geeignet wäre, eine Flucht zu erleichtern. In
diesem Zusammenhang sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass es sich
beim Bezirksgefängnis Zürich um eine grosse Anstalt handle, in der sich
durchschnittlich rund 110 Gefangene aufhielten.

    Die angefochtene Ordnung ist reichlich streng und hat für den
Untersuchungsgefangenen, der gewohnt ist, am Geschehen in der näheren
und weiteren Umgebung Anteil zu nehmen, erhebliche Einschränkungen
zur Folge. Anderseits kann nicht bestritten werden, dass eine allzu
weitreichende Lockerung den Zweck der Untersuchungshaft ernstlich in
Frage stellen und die Kontrolle unverhältnismässig erschweren würde. So
erscheint es zum vorneherein ausgeschlossen, Untersuchungsgefangene zum
Bezug beliebig vieler Zeitungen freier Wahl zu ermächtigen. Fraglich
ist dagegen, ob dem Gefangenen eine einzelne, frei gewählte und von ihm
abonnierte Zeitung vorenthalten werden darf. In diesem Zusammenhang fällt
in Betracht, dass die Gefahr der Verbreitung geheimer, den Zweck der
Untersuchungshaft gefährdender Nachrichten auch in diesem Fall besteht
und besonders in grösseren Gefängnissen nicht unterschätzt werden
darf. Dazu kommt, dass die vom Beschwerdeführer verlangte Lockerung
einen erheblichen Ausbau des Überwachungsdienstes erfordern würde
(Durchblättern der eingehenden Zeitungen), was angesichts des heutigen
Personalmangels mit grösseren Schwierigkeiten verbunden sein dürfte und
aller Voraussicht nach unverhältnismässige finanzielle Aufwendungen
des Gemeinwesens mit sich bringen würde, zumal eine Kontrolle nur
dann sinnvoll sein könnte, wenn sie qualifizierten und erfahrenen
Beamten übertragen würde. Wohl sind auch die privaten Interessen des
Untersuchungsgefangenen grundsätzlich schutzwürdig, denn auch dieser ist
unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit berechtigt, sich ein
bestimmtes Mindestmass an Nachrichten über das Geschehen ausserhalb der
Anstalt zu verschaffen. Selbst nach den erwähnten, für schweizerische
Gerichte freilich nicht bindenden "Règles minima pour le traitement des
détenus" der Vereinigten Nationen (vgl. BGE 97 I 54 Erw. 4) ist indessen
anerkannt (Ziff. 90), dass dieses Recht mit Rücksicht auf den Zweck der
Verhaftung und im Interesse einer vernünftigen Gefängnisordnung beschränkt
werden darf. In Würdigung aller Umstände erscheint die dem Beschwerdeführer
auferlegte Freiheitsbeschränkung nicht unverhältnismässig. Im Lichte
der persönlichen Freiheit hält die angefochtene Regelung des § 48 Abs. 2
GefängnisVO somit vor der Verfassung stand. Sie liegt jedoch an der Grenze
des Zulässigen, denn es dürfte sich grundsätzlich wohl ohne wesentliche
Gefährdung des Haftzweckes und der Gefängnisordnung rechtfertigen lassen,
die von der Gefängnisverwaltung abonnierten Zeitungen und Zeitschriften
häufiger als bloss einmal wöchentlich zu verteilen und auf diese Weise den
Interessen der Untersuchungsgefangenen vermehrt Rechnung zu tragen. Den
Entscheid darüber, ob sich eine solche Lockerung auch im Bezirksgefängnis
Zürich durchführen lässt, hat das Bundesgericht jedoch den zuständigen
kantonalen Behörden zu überlassen (vgl. oben Erw. 6).

    b) Zu prüfen bleibt, ob das gemäss § 49 Abs. 3 GefängnisVO
bestehende Verbot eines eigenen Radioempfängers vor der Verfassung
standhält. Bezirksanwaltschaft und Gefängnisverwaltung begründen diese
Freiheitsbeschränkung übereinstimmend damit, die Zulassung solcher
Geräte verursache übermässigen Lärm und störe dadurch die Hausordnung;
ferner könnten die Apparate in einer den Haftzweck gefährdenden Weise
verwendet werden.

    Wie die Anklagekammer des Bundesgerichts im Urteil i.S. Frauenknecht
(BGE 96 IV 45 ff.) erkannt hat, schliesst eine vernünftige Gefängnisordnung
die Zulassung privater Radioempfänger nicht zum vorneherein aus, sofern
die Gefangenen Kopfhörer verwenden. Die entsprechenden Erwägungen treffen
sinngemäss auch auf den vorliegenden Fall zu, so dass an dieser Stelle
darauf verwiesen werden kann. Würde das angefochtene generelle Verbot
bloss mit der Gefährdung der Hausordnung begründet, so hielte es daher
vor der Verfassung nicht stand, denn es wäre diesfalls offensichtlich
unverhältnismässig. Bezirksanwaltschaft und Gefängnisverwaltung
weisen jedoch nachdrücklich auf die Gefahren eines Missbrauchs hin. Sie
bringen vor, solche Geräte eigneten sich vorzüglich als Versteck für
Ausbruchswerkzeuge (kleine Sägen, Feilen u.a.m.), könnten unter Umständen
zum unbefugten Abhören von nicht für die Öffentlichkeit bestimmten
Sendungen verwendet werden und ohne grossen Aufwand auch von einem
Nichtfachmann in einen kleinen Sender umgebaut werden. Selbst strengste
Sicherheitsvorkehren und Kontrollen vermöchten solche Missbräuche nicht
zu verhindern, weshalb der Zweck der Untersuchungshaft ohne weiteres
ein generelles Verbot rechtfertige. Die Untersuchungsgefangenen würden
dadurch in ihrer persönlichen Freiheit nicht übermässig eingeschränkt,
denn im Bezirksgefängnis Zürich bestehe eine Lautsprecheranlage, die an
Sonntagen während ungefähr 4 Stunden und am Montag- und Donnerstagabend
während je ungefähr 2 Stunden in Betrieb genommen werde und den Gefangenen
seelsorgerische und unterhaltende Sendungen vermittle.

    Die von den kantonalen Behörden vorgebrachten Gründe reichen in der
Tat aus, um den angefochtenen Eingriff in die persönliche Freiheit als
verhältnismässig und daher zulässig erscheinen zu lassen. Erkundigungen
bei den schweizerischen PTT-Betrieben haben nämlich ergeben,

    -  dass mit gewöhnlichen, tragbaren Radio- und Fernsehgeräten unter
bestimmten Bedingungen und in beschränktem Umfang Sendungen empfangen
werden können, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind oder in
gesetzwidriger Weise von Privaten ausgestrahlt werden,

    - dass Geräte im Handel sind, die sich besonders gut zum Empfang
solcher Sendungen eignen oder eigens dafür eingerichtet sind,

    - dass auch gewöhnliche Empfangsgeräte mittels leicht vorzunehmender
und schwer feststellbarer Änderungen zum Empfang solcher Sendungen umgebaut
werden können,

    - dass in solche Apparate mit verhältnismässig geringem Aufwand
kleine Sender mit beschränkter Reichweite eingebaut werden können und
dass derartige Abänderungen auch von Fachleuten nur anlässlich einer
eingehenden Überprüfung des Geräts festgestellt werden können.

    Unter diesen Umständen erscheint es durchaus verständlich und
sachgemäss, wenn in kantonalen Gefängnisverordnungen die Benutzung von
privaten Radioempfängern ausdrücklich untersagt wird, um den Zweck der
Untersuchungshaft zu gewährleisten. Auch für diese Freiheitsbeschränkung
bestehen mithin ausreichende öffentliche Interessen, welche gegenüber
den privaten Interessen der Untersuchungsgefangenen überwiegen, so
dass darin kein unzulässiger Eingriff in die Garantie der persönlichen
Freiheit erblickt werden kann. Was die angefochtene Regelung für das
Bezirksgefängnis Zürich anbelangt, so erscheint sie umso eher mit der
Verfassung vereinbar, als die Untersuchungsgefangenen über die hauseigene
Lautsprecheranlage ausgewählte Radiosendungen anhören können. Immerhin
wäre es wünschenswert, wenn den Gefangenen vermehrt Gelegenheit zum Empfang
solcher Programme gegeben würde, ist doch nicht ohne weiteres einzusehen,
welche Unzukömmlichkeiten sich daraus ergeben könnten. Da jedoch das
allein angefochtene generelle Verbot privater Radioempfänger nicht gegen
die Verfassung verstösst und dem Vernehmen nach Reformbestrebungen im
soeben angeregten Sinne im Gange sind, besteht für das Bundesgericht als
Verfassungsgericht kein Grund zum Einschreiten.

    Aus dem Entscheid i.S. Frauenknecht (BGE 96 IV 45 ff.) vermag
der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten abzuleiten, denn die
Anklagekammer des Bundesgerichts hatte damals als Aufsichtsbehörde eine
Haftbeschwerde eines auch hinsichtlich des Haftvollzugs unmittelbar
dem Bundesrecht unterstehenden Untersuchungsgefangenen zu beurteilen
und schenkte den oben erörterten technischen Belangen keine besondere
Beachtung, nicht zuletzt weil sie darauf weder von der Bundesanwaltschaft
noch vom eidgenössischen Untersuchungsrichter aufmerksam gemacht worden
war.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.