Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 736



97 I 736

107. Urteil vom 17. Dezember 1971 i.S. Fridlin gegen Bundesamt für
Industrie, Gewerbe und Arbeit. Regeste

    Arbeitsgesetz: Unterstellung unter die Vorschriften über industrielle
Betriebe (Art. 5 ArG).

    1.  Welche Arbeitnehmer fallen für die in Art. 5 Abs. 2 lit. a ArG
genannte Mindestzahl in Betracht? (Erw. 1 und 3).

    2.  Stellt das maschinelle Abpacken oder Abfüllen von Ware eine
Behandlung von Gütern im Sinne von Art. 5 Abs. 2 ArG dar? (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- J. Carl Fridlin betreibt in Zug in zwei unmittelbar nebeneinander
liegenden Gebäuden eine Gewürzmühle. In einem dieser Gebäude sind Mühlen
(Zimtmühle, Kräutermühlen, Mischer etc.), im andern Abfüllmaschinen
installiert.

    Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) unterstellte
die Gewürzmühle Fridlins am 2. Juni 1971 gestützt auf Art. 5 Abs. 1 und
Abs. 2 lit. a des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 (ArG) den besonderen
Vorschriften dieses Gesetzes über industrielle Betriebe. Zur Begründung
seiner Verfügung führte es aus: "Beim Mahlen und Abfüllen von Gewürzen
werden die Arbeitsweise und die Arbeitsorganisation durch Maschinen,
andere technische Einrichtungen sowie durch serienmässige Verrichtungen
bestimmt und mehr als sechs Arbeitnehmer beschäftigt." B. - Mit der
vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 2. Juli beantragt Fridlin,
die Unterstellungsverfügung des BIGA aufzuheben, allenfalls die Sache
zur ergänzenden materiellen Abklärung an das BIGA zurückzuweisen. Er
führt aus, sein Betrieb sei arbeitsrechtlich in drei Einzelbetriebe
gegliedert: den kaufmännischen Betrieb, den Gewürzmühlebetrieb und den
Abpackbetrieb. Die vom BIGA verfügte Unterstellung unter die Vorschriften
des Arbeitsgesetzes über industrielle Betriebe würde voraussetzen, dass
sowohl der Gewürzmühlebetrieb wie auch der davon getrennte Abpackbetrieb
je für sich allein sämtliche Merkmale eines industriellen Betriebes
im Sinne von Art. 5 Abs. 2 ArG aufwiesen. Dies treffe nicht zu. Im
Gewürzmühlebetrieb einerseits seien statt der gesetzlichen Mindestzahl
von sechs bloss zwei Arbeitnehmer an den Mühlen und zwei, ausnahmsweise
drei in Lager und Spedition tätig. Der Abpackbetrieb anderseits diene
weder der Herstellung noch der Verarbeitung oder Behandlung von Gütern im
Sinne von Art. 5 Abs. 2 ArG. Einer bis zwei der dort eingesetzten fünf
Arbeitnehmer beschäftigten sich mit der Lagerhaltung. "Abendfrauen"
würden nur in Stosszeiten beigezogen. Die räumliche Trennung der beiden
ganz verschieden gearteten Betriebsteile hebe das arbeitsrechtliche
Interesse an einem Sonderschutz auf.

    C.- Das BIGA beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Als industrielle Betriebe im Sinne des Arbeitsgesetzes gelten
nach Art. 5 Abs. 2 lit. a ArG Betriebe mit fester Anlage von dauerndem
Charakter für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern,
sofern die Arbeitsweise oder die Arbeitsorganisation durch Maschinen oder
andere technische Einrichtungen oder durch serienmässige Verrichtungen
bestimmt und für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern
wenigstens sechs Arbeitnehmer beschäftigt werden.

    Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, die beiden räumlich
voneinander getrennten Teile seines Betriebes, Mühle und Abpackerei,
könnten nur dann gemäss Art. 5 Abs. 2 lit. a ArG den Sondervorschriften
des Arbeitsgesetzes für industrielle Betriebe unterstellt werden, wenn
jeder von ihnen für sich allein sämtliche Voraussetzungen dazu erfüllen,
insbesondere auch mindestens sechs Arbeitnehmer aufweisen würde.
Seine Ansicht, Mühle und Abpackerei seien in diesem Zusammenhang als
Einzelbetriebe zu qualifizieren, lässt sich vor dem Arbeitsgesetz nicht
halten. Die Arbeitnehmer von Mühle und Abpackerei haben denselben
Arbeitgeber: den Beschwerdeführer. Nach der Begriffsumschreibung in
Art. 1 Abs. 2 ArG gehören sie somit zum selben Betrieb. Mühle und
Abpackerei sind demnach rechtlich auch im vorliegenden Zusammenhang
nur Teile des einen Betrieb im Sinne des Arbeitsgesetzes bildenden
gesamten Unternehmens des Beschwerdeführers. Die Bestimmung von Art. 6
FV, wonach ungleichartige industrielle Betriebe eines Fabrikinhabers,
die für sich allein die Bedingungen für die Anwendung des Fabrikgesetzes
nicht erfüllten, als Ganzes angesehen wurden, sofern sie, wenn auch nur
teilweise, füreinander arbeiteten, findet sich zwar in dieser Form weder
im Arbeitsgesetz noch in den Verordnungen dazu. Aus dem Schweigen von
Gesetz und Verordnung darf aber jedenfalls geschlossen werden, dass nach
der geltenden Arbeitsgesetzgebung ungleichartige Betriebsteile nicht, wie
der Beschwerdeführer offenbar meint, nur dann als ein Ganzes angesehen
werden dürfen, wenn sie ausschliesslich füreinander arbeiten. Dass
Mühle und Abpackerei wenigstens teilweise füreinander arbeiten, ist
unbestritten. Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung I zum Arbeitsgesetz (ArV
I) fallen für die in Art. 5 Abs. 2 lit. a ArG angesetzte Mindestzahl alle
Arbeitnehmer in Betracht, die in den industriellen Teilen des Betriebes
beschäftigt werden, auch wenn sich die Betriebsteile in verschiedenen,
aber benachbarten politischen Gemeinden befinden. Nichts lässt darauf
schliessen, diese Regelung sei gesetzwidrig. Bei der Prüfung der Frage,
ob der Betrieb des Beschwerdeführers die gesetzliche Mindestzahl von sechs
Arbeitnehmern für die Unterstellung aufweist, fallen demnach unter der
Voraussetzung, dass Mühle und Abpackerei industriellen Charakter haben,
sowohl die in der Mühle als auch die in der Abpackerei mit Herstellung,
Verarbeitung oder Behandlung von Gütern beschäftigten Arbeitnehmer in
Betracht, denn Mühle und Abpackerei befinden sich sogar in derselben
politischen Gemeinde und sind in zwei unmittelbar nebeneinanderliegenden
Gebäuden untergebracht.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer bestreitet den industriellen Charakter der
Abpackerei. Er ist der Ansicht, das maschinelle Abfüllen oder Abpacken
von Ware könne weder als Herstellung noch als Verarbeitung oder Behandlung
von Gütern im Sinne von Art. 5 Abs. 2 ArG qualifiziert werden.

    Unbestreitbar werden in der Abpackerei Güter weder hergestellt
noch verarbeitet. Was unter Behandlung von Gütern im Sinne von Art. 5
Abs. 2 ArG zu verstehen ist, sagen weder das Arbeitsgesetz selbst noch
die Verordnungen dazu. Eine allzu weite Auslegung verbietet sich, da
sie dazu führen müsste, dass entgegen dem Sinn und Zweck des Gesetzes
reine Dienstleistungen als industrielle Tätigkeiten qualifiziert würden
(vgl. Kommentar HUG zu Art. 5 ArG N. 7). Hingegen erscheint es jedenfalls
gerechtfertigt, der Praxis der Vorinstanz folgend, das maschinelle
Abfüllen von Ware als Behandlung von Gütern im Sinne von Art. 5 Abs. 2
ArG zu qualifizieren (vgl. Arbeitsrecht und Arbeitslosenversicherung,
Mitteilungsblatt des BIGA 1968, S. 29 ff.). In der Abpackerei werden
Produkte mittels Fläschchen-Abfüllanlagen und anderen Abfüllmaschinen
verpackt. Durch dieses sogenannte Detaillieren wird zwar das Produkt selbst
nicht verändert. Statt hingegen in Säcken zu 100 oder 50 kg. steht es
nach Abschluss dieses maschinellen Vorgangs in den vom Konsum benötigten
kleinen Quantitäten bereit. Wirtschaftlich ist es damit, wie die Vorinstanz
zutreffend bemerkt, zu einem anderen Gute geworden. Industriellen
Charakter weist somit nicht nur, wie der Beschwerdeführer meint, die
Mühle, sondern auch die Abpackerei auf, werden doch überdies nach der
unbestrittenen Feststellung der Vorinstanz auch hier Arbeitsweise und
Arbeitsorganisation durch Maschinen und zum Teil auch durch serienmässige
Verrichtungen bestimmt.

Erwägung 3

    3.- Es bleibt somit lediglich zu prüfen, ob der Betrieb des
Beschwerdeführers die für eine Unterstellung nach Art. 5 Abs. 2 lit. a ArG
erforderliche Mindestzahl von sechs Arbeitnehmern aufweise. Zur Ermittlung
der massgebenden Arbeitnehmerzahl sind dabei, wie bereits erwähnt,
Mühle und Abpackerei zusammenzufassen. Die Feststellung der Vorinstanz,
dass bei Anerkennung des industriellen Charakters der Abpackerei in
beiden Betriebsteilen zusammen mindestens sechs Arbeitnehmer im Sinne
von Art. 5 Abs. 2 lit. a ArG und Art. 12 ArV I beschäftigt sind, wird vom
Beschwerdeführer nicht bestritten. Damit sind aber im vorliegenden Falle
sämtliche Voraussetzungen zur Unterstellung nach Art. 5 Abs. 2 lit. a
ArG erfüllt. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.