Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 706



97 I 706

102. Auszug aus dem Urteil vom 15. Oktober 1971 i.S. Kanton Graubünden
gegen Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg AG. Regeste

    Bundesgesetz über die Nationalstrassen vom 8. März 1960.

    Die Kosten von Schutzmassnahmen beim Zusammentreffen des Telefonkabels
einer neu erstellten Nationalstrasse mit einer bereits bestehenden
Hochspannungsleitung gehen entsprechend der Regel von Art. 45 Abs. 1
NSG, die jener von Art. 17 ElG vorgeht, vollumfänglich zu Lasten des
Nationalstrassenbaus.

Sachverhalt

                      Aus dem Sachverhalt:

    A.- Werden eine Hochspannungsleitung und eine Schwachstromleitung
parallel geführt oder kreuzen sie sich, dann kann bei Eintritt eines
Erdschlusses auf der Hochspannungsleitung eine Beeinflussung der
Schwachstromleitung erfolgen, indem der durch die Erde zurückfliessende
Strom eine Spannung in die Schwachstromleitung induziert. Nach den Regeln
des Comité Consultatif International Télégraphique et Téléphonique
(CCITT) darf die induzierte Spannung im Erdschlussfall 430 V nicht
überschreiten. Dazu sind Schutzvorrichtungen an der Schwachstromleitung
erforderlich.

    B.- Der Kanton Graubünden liess als Bauherr und Eigentümer in
die Nationalstrasse N 13 das für den Betrieb der Strasse notwendige
Telephonkabel (im folgenden kurz NT-Kabel genannt) einlegen. Diese
Schwachstromleitung verläuft über gewisse Strecken in verschiedenen
Abständen parallel zur 380 kV-Leitung Soazza-Sils, welche der
Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg AG gehört. An einzelnen Stellen
kreuzen sich NT-Kabel und Hochspannungsleitung.

    C.- Mit verwaltungsrechtlicher Klage vom 14. Mai 1970 stellte
der Kanton Graubünden das Begehren, die Elektrizitätsgesellschaft
Laufenburg AG sei zu verurteilen, zwei Drittel der Mehrkosten für die
Schutzmassnahmen gegen die induktive Fremdbeeinflussung des NT-Kabels
durch die Hochspannungsleitung der Beklagten zu bezahlen, d.h. für die
Teilstrecke Tunnel San Bernardino Fr. 66'000.-- und für die Teilstrecke
San Bernardino Nord-Rütibrücke Fr. 89'908.--, zusammen Fr. 155'908.--
nebst Zins zu 5% seit dem 27. Januar 1970.

    Dieses Begehren stützt sich auf die in Art. 17 Abs. 4 Ziff. 1 ElG
enthaltene Regel für die Kostenverteilung beim Zusammentreffen von
Starkstromleitungen mit öffentlichen Schwachstromleitungen, welche lautet:

    "Wenn öffentliche und bahndienstliche Schwachstromleitungen einzeln
oder zusammen mit einer andern elektrischen Leitung zusammentreffen, fallen
2/3 der Kosten zu Lasten der letztern und 1/3 zu Lasten der erstern."

    D.- Die Beklagte beantragt, die Klage sei abzuweisen.  Nach ihrer
Auffassung kommt Art. 45 Abs. 1 NSG zur Anwendung, der folgenden Wortlaut
hat:

    "Beeinträchtigt eine neue Nationalstrasse bestehende Verkehrswege,
Leitungen und ähnliche Anlagen oder beeinträchtigen neue derartige Anlagen
eine bestehende Nationalstrasse, so fallen die Kosten aller Massnahmen, die
zur Behebung der Beeinträchtigung erforderlich sind, auf die neue Anlage."

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Kläger möchte die Kostentragung für Schutzmassnahmen beim
Zusammentreffen des NT-Kabels mit Hochspannungsleitungen nach Art. 17 ElG
geregelt wissen, während die Beklagte geltend macht, für das NT-Kabel
als Bestandteil der Nationalstrasse gelte Art. 45 NSG. Zunächst ist zu
prüfen, ob der zu beurteilende Sachverhalt sich unter beide angerufenen
Bestimmungen subsumieren lässt.

    a) Art. 17 ElG bezieht sich ausdrücklich auf die technischen
Sicherungsmassnahmen, die beim Zusammentreffen von Starkstromleitungen
und Schwachstromleitungen erforderlich sind, und regelt die
Kostenverteilung. Bei der abstrakten Beurteilung der Subsumtionsfrage
ist davon auszugehen, dass die Schutzvorkehren, an deren Kosten der
Kläger von der Beklagten einen Beitrag verlangt, eine öffentliche
Schwachstromleitung - nämlich das NT-Kabel - betreffen und dass sie,
soweit es hier um die Beitragspflicht geht, durch das Zusammentreffen
mit der Starkstromleitung der Beklagten notwendig waren. Der Sachverhalt
entspricht der in Art. 17 Abs. 4 Ziff. 1 ElG umschriebenen Situation. -
Nach dieser Kostenverteilungsregel ist es unerheblich, welche der in Frage
stehenden Leitungen zuerst vorhanden war und an welcher Schutzvorrichtungen
oder Änderungen anzubringen sind; die öffentliche Schwachstromleitung
ist stets nur mit einem Drittel der Kosten zu belasten, die restlichen
zwei Drittel sind von der andern Leitung zu übernehmen.

    b) Art. 45 NSG regelt die Kostentragung für Massnahmen zur Behebung
von Beeinträchtigungen zwischen einer Nationalstrasse einerseits und
andern Verkehrswegen, Leitungen oder ähnlichen Anlagen anderseits.

    Erste Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf
den vorliegenden Sachverhalt ist, dass das NT-Kabel als Bestandteil
zur Nationalstrasse gehört; denn nur unter dieser Annahme stellt die
Beeinträchtigung des NT-Kabels eine Beeinträchtigung der Nationalstrasse
dar. Gemäss Art. 6 NSG gehören zu den Nationalstrassen neben dem
Strassenkörper, "alle Anlagen, die zur technisch richtigen Ausgestaltung
der Strassen erforderlich sind". In der beispielsweisen Aufzählung
solcher Anlagen sind die Einrichtungen für den Betrieb der Strassen
ausdrücklich erwähnt. Zu den für den Betrieb einer Nationalstrasse
notwendigen Einrichtungen gehört eine separate Telephonanlage mit
Rufsäulen. Diese Telephonanlage wird wie alle andern Bestandteile
der Strasse vom zuständigen Kanton als Bauherr in Auftrag gegeben
und im Rahmen des gesamten Bauvorganges erstellt. Das NT-Kabel dient
ausschliesslich den Bedürfnissen des Betriebs der Nationalstrasse. Auf
Grund dieser Feststellungen ist davon auszugehen, dass das NT-Kabel zur
Nationalstrasse gehört. Die mehr beiläufige Bestreitung dieser Tatsache
durch den Kläger erweist sich als unbegründet. Die Beeinträchtigung des
NT-Kabels stellt daher eine Beeinträchtigung der Nationalstrasse dar.

    Art. 45 NSG statuiert für die gegenseitige Beeinträchtigung von
Nationalstrassen und Leitungen eine Art Prioritätsprivileg: Die neue
Anlage, welche die Notwendigkeit von Schutzmassnahmen auslöst, soll
die Kosten der Vorkehren tragen, die zur Behebung der Beeinträchtigung
notwendig sind. - Diese Prioritätsregel kommt allerdings sprachlich in
Art. 45 NSG nur unvollkommen zum Ausdruck. Die beiden häufigsten Fälle
werden erwähnt:

    aa)  Beeinträchtigt eine neue Nationalstrasse eine bestehende Leitung,
so gehen die Schutzmassnahmen auf Kosten der Nationalstrasse.

    bb)  Beeinträchtigt eine neue Leitung eine bestehende Nationalstrasse,
so gehen die Schutzmassnahmen auf Kosten der Leitung.

    Zwei weniger naheliegende Varianten gegenseitiger Beeinträchtigung
werden im Gesetzestext nicht erwähnt:

    cc)  Eine bestehende Leitung kann - wie im vorliegenden Fall - die
neue Nationalstrasse beeinträchtigen.

    dd)  Eine bestehende Nationalstrasse kann eine neue Leitung
beeinträchtigen (z.B. Leitung muss beim Kreuzen höher geführt werden).

    Der Kläger stellt sich auf den Standpunkt, dass der vom Wortlaut
des Gesetzes nicht ausdrücklich erfasste Fall einer Beeinträchtigung der
Nationalstrasse durch eine bestehende Leitung nicht unter Art. 45 Abs. 1
NSG zu subsumieren sei. Danach käme die Prioritätsregel nur unvollständig
zur Anwendung; für die unter lit. cc und dd umschriebenen Varianten würde
sie nicht gelten.

    Ausser dem Wortlaut des Gesetzes (vor allem in der deutschen und
in der italienischen Fassung) lässt sich für eine solche Beschränkung
der Prioritätsregel kein Argument anführen. In der Botschaft des
Bundesrates zum NSG (BBl 1959 II 129 f.) wurde gesagt, dass in diesen
Fällen einer gegenseitigen Beeinträchtigung die Kostenverteilung unter
Gleichstellung der sich tangierenden Anlagen nach dem "Verursacherprinzip"
erfolgen solle, womit nach dem Zusammenhang der hier als Prioritätsregel
bezeichnete Vorrang der bestehenden Anlage gemeint ist (aaO insbes. S. 130
oben). Der Wortlaut von Art. 45 NSG gab im Parlament zu keinen Erörterungen
Anlass. Schon in Art. 25 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 hat
der Gesetzgeber für die Frage der Kostenverteilung in analogen Situationen
ein "Prioritätsprivileg" statuiert. Nirgends findet sich im Gesetz oder in
den Materialien ein Anhaltspunkt dafür, dass durch die Formulierung von
Art. 45 Abs. 1 NSG einzelne Fälle einer gegenseitigen Beeinträchtigung
von der Regel der Kostentragung durch die neue Anlage ausgenommen werden
sollten. Es ist auch kein sachlicher Grund für eine solche Ausnahme
ersichtlich. Die Vorschriften in Art. 45 Abs. 2 und Art. 46 NSG über
die Kostenverteilung bei neuen Anschlussbauwerken und bei Änderung
bestehender Kreuzungen beziehen sich auf eine spezielle Interessenlage
und sind für die hier zu entscheidende Frage ohne Belang. Geht man davon
aus, dass beim Zusammentreffen einer neuen Hochspannungsleitung mit einer
bestehenden Nationalstrasse - nach dem Wortlaut von Art. 45 Abs. 1 NSG
- die Kosten der zum Schutze des bestehenden NT-Kabels erforderlichen
Vorkehren vollständig der neuen Leitung zu belasten sind, so erscheint
es als offensichtlich nicht folgerichtig, im umgekehrten (vom Wortlaut
des Gesetzes nicht ausdrücklich erfassten) Falle - Beeinträchtigung
der neuen Nationalstrasse durch eine bestehende Hochspannungsleitung
- die in Art. 45 NSG enthaltene allgemeine Regel nicht anzuwenden,
sondern den Eigentümer der bestehenden Leitung teilweise mit dnn Kosten
zu belasten. Es besteht kein Anlass, den letztgenannten Sachverhalt nur
deswegen von dem in Art. 45 NSG umschriebenen Prinzip auszunehmen, weil
der Gesetzeswortlaut auf ihn nicht genau zutrifft. Sinngemäss muss auch
darauf Art. 45 NSG anwendbar sein.

    Der französische Gesetzestext enthält übrigens die im deutschen
(und im italienischen) Text durch die Worte "neu" und "bestehend"
bewirkte Einschränkung auf zwei Varianten, wobei immer die neue Anlage
die bestehende Anlage beeinträchtigt, nicht, sondern umschreibt die
Prioritätsregel allgemeiner:

    "Si une route nationale porte atteinte à des voies de communication,
conduites ou autres installations analogues, ou si elle subit une atteinte
par le fait de l'établissement de tels ouvrages, les frais de toutes les
mesures nécessaires pour supprimer l'atteinte sont à la charge de celui
qui exécute les nouveaux travaux."

    Wenn auch die Wendung "établissement de tels ouvrages" als
Errichtung neuer Werke verstanden werden kann, so geht doch die
Formulierung als ganzes unverkennbar in der Richtung einer unbeschränkten
Geltung der Prioritätsregel für alle Fälle einer solchen gegenseitigen
Beeinträchtigung. Die französische Fassung gibt damit den Sinn, welchen
die Vorschrift vernünftigerweise haben muss, am besten wieder.

    Somit ergibt sich, dass der hier zu beurteilende Fall einer
gegenseitigen Beeinträchtigung grundsätzlich auch unter Art. 45 Abs. 1
NSG subsumiert werden kann.

Erwägung 3

    3.- Art. 17 Abs. 3 und 4 ElG und Art. 45 NSG enthalten zwei Regelungen
der Kostenverteilung, die sich gegenseitig ausschliessen. Entweder sind
die Kosten der Schutzmassnahmen gemäss Art. 17 ElG ohne Rücksicht auf die
Priorität der einen Anlage im Verhältnis von 1/3 zu 2/3 zu verteilen oder
die Gesamtkosten gehen gemäss Art. 45 NSG zu Lasten des neuen Werkes. Eine
gleichzeitige, kombinierte Anwendung der beiden Bestimmungen auf den
gleichen Sachverhalt ist nicht möglich. Es bleibt zu prüfen, welcher
Vorschrift der Vorrang einzuräumen ist.

    a) Die Frage des Verhältnisses von Art. 17 ElG zu Art. 45 NSG ist in
keiner Weise dadurch präjudiziert, dass in Erw. 2 der Schluss gezogen
wurde, der vorliegende Fall einer Beeinträchtigung des neuen NT-Kabels
durch eine bestehende Hochspannungsleitung lasse sich sinngemäss unter
das in Art. 45 NSG statuierte Prioritätsprivileg subsumieren. Kommt dem
Art. 17 ElG gegenüber Art. 45 NSG der Vorrang zu, so bedeutet dies, dass
alle sowohl unter Art. 17 ElG als auch unter Art. 45 NSG subsumierbaren
Sachverhalte gemäss den Vorschriften von Art. 17 ElG zu beurteilen sind;
nicht nur im vorliegenden Fall einer möglichen Beeinträchtigung des
NT-Kabels durch eine bestehende Hochspannungsleitung, sondern auch im
Falle einer gleichartigen Beeinträchtigung eines bestehenden NT-Kabels
durch eine neue Hochspannungsleitung käme bei Annahme eines Vorrangs von
Art. 17 ElG die Kostenverteilungsregel dieser Vorschriften zur Anwendung,
das Nationalstrassenunternehmen hätte - ohne Rücksicht auf die Priorität -
stets einen Drittel der Kosten solcher Schutzvorkehren zu bezahlen, der
Eigentümer der Hochspannungsleitung die restlichen zwei Drittel. Gebührt
hingegen dem Art. 45 NSG der Vorrang, so gilt für alle diese Fälle einer
gegenseitigen Beeinträchtigung zwischen Starkstromleitung und NT-Kabel
das erwähnte Prioritätsprivileg.

    b) Wie das Bundesgericht im Urteil i.S. Eidgenossenschaft c. Kanton
Aargau vom 10. Juli 1970 dargelegt hat (BGE 96 I 490), kann das Verhältnis
des ElG zum NSG nicht auf Grund formaler Regeln über den Vorrang des neuern
Gesetzes oder den Vorrang des Spezialgesetzes bestimmt werden. Was dort zu
dieser Frage ausgeführt wurde, gilt auch im vorliegenden Falle: Das ElG
und das NSG sind in ihrem Verhältnis zueinander beide teils allgemeine,
teils spezielle Gesetze. Art. 45 Abs. 1 NSG betrifft Leitungen und
Anlagen aller Art und ist insofern eine lex generalis; er regelt jedoch
nur die Fälle der Beeinträchtigung, welche zwischen einer solchen Anlage
und einer Nationalstrasse auftreten können und ist insofern eine auf
die Nationalstrassen zugeschnittene lex specialis. Art. 17 ElG befasst
sich ausschliesslich mit dem Zusammentreffen von Starkstromleitungen und
Schwachstromleitungen und ist in diesem Sinne eine lex specialis; dagegen
bezieht er sich nicht speziell auf die Situation beim Nationalstrassenbau,
sondern regelt die Frage des Zusammentreffens von elektrischen Leitungen
ganz allgemein, und ist insofern eine lex generalis. Auf Grund der
sinngemässen Auslegung der beiden Vorschriften ist eine der Interessenlage
angemessene, den Wertungen des Gesetzgebers entsprechende Lösung zu suchen.

    c) Das Elektrizitätsgesetz räumt den Telegraphen- und Telephonlinien
des Bundes eine Sonderstellung ein: Der Bund darf für deren Erstellung
den öffentlichen Boden unentgeltlich in Anspruch nehmen (Art. 5 ElG),
der Luftraum über Privateigentum darf für das Ziehen von Telegraphen-
und Telephondrähten entschädigungslos benützt werden, sofern der
zweckentsprechende Gebrauch des Grundstückes oder Gebäudes dadurch
nicht beeinträchtigt wird (Art. 6 ElG). Auch für die Benützung des
Gebietes von Bahngesellschaften privilegiert das Gesetz den Bund
in ähnlicher Weise. Art. 17 Abs. 4 Ziff. 1 ElG muss im Rahmen
dieser vom Gesetzgeber 1902 den öffentlichen Schwachstromleitungen
zugestandenen Sonderstellung gesehen werden. Wenn auch das NT-Kabel
als öffentliche Schwachstromleitung unter diese Vorschrift subsumiert
werden kann, so ist doch festzustellen, dass die Schöpfer des ElG an die
Kostenregelung für die Massnahmen zum Schutze der Leitungen des Telephon-
und Telegraphennetzes dachten. Die Kostenverteilung nach Art. 17 Abs. 4
Ziff. 1 ElG entspricht der Beurteilung der Interessenlage zwischen den
damals in Frage kommenden öffentlichen Schwachstromleitungen und den
andern elektrischen Leitungen. Die besondere Situation beim Bau eines
Nationalstrassennetzes konnte sich der Gesetzgeber nicht vorstellen. Die
normierte Kostenverteilung basiert nicht auf unveränderten technischen
Gegebenheiten (Verhältnis Starkstrom-Schwachstrom) - das ergibt sich
deutlich aus Art. 17 Abs. 4 Ziff. 2 ElG -, sondern ist das Ergebnis
einer schematisierten Bewertung der Interessenlage durch den damaligen
Gesetzgeber; er wollte den Ausbau des Telephon- und Telegraphennetzes
erleichtern; dass eine Schwachstromleitung zu einer Strasse gehören
und ausschliesslich dem Betrieb dieser Strasse dienen kann, war um 1900
nicht voraussehbar. Natürlich könnte und müsste wohl an sich die damals
getroffene Ordnung auch auf die Massnahmen zum Schutze des NT-Kabels
angewendet werden, sofern eine derogierende, der besondern Situation
besser angepasste Regelung fehlen würde. Aus Entstehungszeit und
sachlicher Stellung von Art. 17 ElG lässt sich aber immerhin ableiten,
dass dieser Vorschrift gegenüber einer die spezielle Interessenlage
beim Nationalstrassenbau berücksichtigenden Norm kein besonderes Gewicht
zukommen kann.

    d) Art. 45 Abs. 1 NSG statuiert für die Kosten der Behebung
von Beeinträchtigungen zwischen Nationalstrassen und andern Anlagen
(Verkehrswegen, Leitungen und ähnlichen Anlagen) die Kostenpflicht des
neuen Werkes (Prioritätsregel). Aus dem Wortlaut ergibt sich keine
Einschränkung des Begriffs "Leitungen"; auch elektrische Leitungen
(Schwach- und Starkstromleitungen) können unter diese Bestimmung fallen.

    In dem bereits erwähnten Urteil des Bundesgerichts vom 10. Juli
1970 i.S. Schweiz. Eidgenossenschaft gegen Kanton Aargau (BGE 96 I 485
ff.) wurde mit einlässlicher Begründung dargetan, dass der ausdrückliche
Vorbehalt des ElG in Art. 44 Abs. 2 NSG sich gemäss seiner Stellung im
Gesetz nur auf das Bewilligungsverfahren bei baulichen Massnahmen bezieht,
nicht aber auf die in Art. 45 NSG geregelte Kostenverteilung. Es besteht
kein Anlass, auf die dort vorgenommene Auslegung von Art. 44 Abs. 2 NSG
zurückzukommen. Auch für den vorliegenden Fall gilt, dass inbezug auf die
Kostenverteilung ein Vorbehalt des ElG fehlt und dass die ausdrücklichen
Verweisungen auf andere Gesetze in Art. 44 Abs. 2 und Art. 46 Abs. 2 NSG
(Eisenbahngestz) sowie auf die Möglichkeit abweichender Vereinbarungen in
Art. 47 NSG die Annahme verbieten, man habe auch bei Art. 45 Abs. 1 NSG
die besondern Vorschriften des ElG über die Kostenverteilung vorbehalten
wollen. Dass es im zitierten Urteil (BGE 96 I 485 ff.) um die Anwendbarkeit
von Art. 8 ElG ging, während hier Art. 17 ElG zur Diskussion steht, ist
in diesem Punkte für die Interpretation von Art. 45 NSG ohne Belang. Es
erübrigt sich, das dort Ausgeführte hier zu wiederholen. Dem ElG kann
somit nicht gestützt auf einen ausdrücklichen Vorbehalt im NSG bei Fragen
der Kostenverteilung ein Vorrang zukommen.

    e) Der Gesetzgeber hat also weder im ElG noch im NSG die spezielle
Frage der Kostentragung für solche Schutzmassnahmen am NT-Kabel bewusst
gelöst. Es ist deshalb zu prüfen, welche der beiden in Frage stehenden
Vorschriften nach Sinn und Zweck eher auf den vorliegenden Fall anwendbar
ist.

    Die Anwendung von Art. 17 Abs. 4 ElG hätte zur Folge, dass die
Eigentümer von bestehenden Starkstromleitungen an die Kosten des Schutzes
des NT-Kabels erhebliche Beiträge bezahlen müssten, obschon sie bei
Erstellung der Starkstromleitung alle notwendigen Rechte erwarben und mit
einer nachträglichen derartigen Belastung nicht rechnen mussten. Nun kann
natürlich gemäss Art. 17 Abs. 4 ElG bei jeder Starkstromleitung durch den
spätern Bau einer Schwachstromleitung hinterher eine Beitragspflicht
für Schutzmassnahmen ausgelöst werden; aber das Ausmass solcher
Parallelführungen und Kreuzungen dürfte im allgemeinen doch bescheiden
sein im Vergleich zur Situation beim Bau einer Nationalstrasse. Durch den
Nationalstrassenbau werden innert verhältnismässig kurzer Zeit über weite
Strecken Schwachstromleitungen (NT-Kabel) erstellt, deren Linienführung
durch die Strassenführung bestimmt ist. Verläuft die neue Nationalstrasse
in einem Tal, in welchem bereits eine Hochspannungsleitung vorhanden
ist, so hätte die Kostenverteilung nach Art. 17 Abs. 4 ElG zur Folge,
dass der Eigentümer der bestehenden Leitung an ein neues Werk, das im
Landesinteresse liegt, ihm aber keinerlei Vorteile bringt, erhebliche
Summen bezahlen müsste, nur weil das Vorhandensein seiner Leitung
Mehrkosten beim Nationalstrassenbau zur Folge hat.

    Diese Überlegungen zeigen, dass die Kostenverteilungsregel
von Art. 17 Abs. 4 ElG wohl der Interessenlage bei der üblichen
Errichtung von Telephon- und Telegraphenleitungen entsprechen mag,
aber der besondern Situation beim Bau der Nationalstrasse nicht
gerecht wird. Nachdem grundsätzlich jede durch die Nationalstrasse
verursachte Leitungsverlegung von den Bauherren der Nationalstrasse
zu tragen ist, selbst wenn die Leitungen seinerzeit gemäss Art. 5 ElG
ohne Entschädigung auf öffentlichem Grund errichtet wurden (BGE 96 I
485 ff.), so wäre es direkt stossend, den Eigentümer einer bestehenden
Starkstromleitung, die nicht verlegt werden muss, mit Beiträgen an Kosten
zu belasten, welche wegen des Vorhandenseins seiner Leitung beim Bau
der Nationalstrasse entstehen. Für eine Durchbrechung der in Art. 45 NSG
statuierten Prioritätsregel gerade nur inbezug auf die singuläre Frage der
Kostentragung für Schutzmassnahmen am NT-Kabel fehlt eine stichhaltige
Begründung. Die der besondern Interessenlage beim Nationalstrassenbau
angemessene Ordnung des Art. 45 NSG geht der auf den herkömmlichen
Leitungsbau zugeschnittenen Kostenverteilung gemäss Art. 17 ElG vor. Die
Klage des Kantons Graubünden ist daher abzuweisen.