Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 685



97 I 685

99. Auszug aus dem Urteil vom 29. Oktober 1971 i.S. Bürgerrat der Stadt
Basel und Müller gegen Eidg. Justiz- und Polizeidepartement. Regeste

    Erleichterte Einbürgerung (Art. 27 BüG).

    Das Kind erwirbt das Kantons- und Gemeindebürgerrecht, das die Mutter
besitzt oder zuletzt besass; der Geburtsort des Kindes oder dessen Wohnort
zurzeit des Einbürgerungsgesuches fallen ausser Betracht, ebenso der
Bürgerort der Adoptiveltern. Hat die Mutter nacheinander verschiedene
Kantons- und Gemeindebürgerrechte besessen, ist das bestehende oder
zuletzt besessene allein massgeblich.

Sachverhalt

    Am 4. Dezember 1954 gebar Adelheid Vogt, von Schönenberg und Rifferswil
(Kanton Zürich), Tochter der Anna Maria Steinmann, ausserehelich
den Sohn Kurt. Dieser erwarb das schweizerische Bürgerrecht seiner
Mutter. Diese heiratete im Jahre 1955 den Vater des Kindes, einen
deutschen Staatsangehörigen namens Helmut Stannek. Sie behielt ihr
Schweizerbürgerrecht bei, Kurt dagegen wurde deutscher Staatsangehöriger;
er erhielt den Geschlechtsnamen seines Vaters. Nach der Scheidung dieser
Ehe kam Kurt Stannek zu den Pflegeeltern Walter und Maria Müller-Vogt
nach Stäfa, welche ihn im Jahre 1960 adoptierten. Seither lebt Kurt bei
ihnen. Die leibliche Mutter des Kindes heiratete im selben Jahr Christian
Hans Küng; sie wurde damit Bürgerin von Mels und von Mels-Weisstannen
(Kanton St. Gallen). Diese Ehe wurde am 16. November 1961 geschieden. Am
4. Juli 1969 verheiratete sich Adelheid Vogt in dritter Ehe mit René Thomas
Meyer; sie wurde Bürgerin des Kantons Basel-Stadt und der Stadt Basel.

    Auf Begehren der Adoptiveltern Müller vom 4. Dezember 1968 um
erleichterte Einbürgerung ihres Adoptivsohnes Kurt in der Gemeinde
Stäfa und nachdem die Voraussetzungen der erleichterten Einbürgerung
geprüft sowie die Interessierten angehört worden waren, verfügte
das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) am 15. Juli 1971 die
erleichterte Einbürgerung von Kurt Müller in das Bürgerrecht des Kantons
Basel-Stadt und der Stadt Basel. Es stützte sich dabei auf Art. 27 des BG
vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts
(BüG).

    Gegen diese Verfügung erhebt der Bürgerrat der Stadt Basel für die
Bürgergemeinde Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er beantragt die Aufhebung
der angefochtenen Verfügung, soweit damit Kurt Müller das Bürgerrecht
der Stadt Basel erwirbt.

    Zur Vernehmlassung aufgefordert, schliessen sich die Adoptiveltern von
Kurt Müller der Ansicht des Beschwerdeführers an. Sie beantragen, Kurt
Müller sei in das Bürgerrecht der Gemeinden Schönenberg und Rifferswil
aufzunehmen, das er schon bei Geburt besessen habe. Natürlich wären sie
auch einverstanden, wenn er das Bürgerrecht von Stäfa erwerben könnte.

    Das EJPD beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuales).

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 27 Abs. 1 BüG können Kinder einer gebürtigen Schweizerin,
die wenigstens 10 Jahre in der Schweiz gelebt haben, erleichtert
eingebürgert werden, wenn sie in der Schweiz wohnen und das Gesuch vor
Vollendung des 22. Lebensjahres stellen. Kurt Müller (ehemals Vogt, dann
Stannek) ist Kind einer gebürtigen Schweizerin. Seine Mutter war von Geburt
an Bürgerin von Schönenberg und Rifferswil; sie wurde durch Heirat Bürgerin
von Mels und Mels-Weisstannen; in dritter Ehe ist sie heute Bürgerin
der Stadt Basel. Kurt ist in der Schweiz (als Bürger von Schönenberg und
Rifferswil) geboren. Nachdem er deutscher Staatsangehöriger geworden war
und in Deutschland gelebt hatte, wohnt er seit 1958 bei seinen Pflege-,
heute Adoptiveltern, in der Schweiz. Er ersuchte um die erleichterte
Einbürgerung, als er das 14. Altersjahr vollendet hatte. Die Erhebungen
über seine Person sind günstig ausgefallen. Er erfüllt mithin alle
Voraussetzungen der erleichterten Einbürgerung nach Art. 27 Abs. 1 BüG.

    Nach Art. 27 Abs. 2 BüG erwirbt das Kind, das im erleichterten
Verfahren nach Art. 27 Abs. 1 eingebürgert wird, das Kantons- und
Gemeindebürgerrecht, das die Mutter besitzt oder zuletzt besass, und damit
das Schweizerbürgerrecht. Die Mutter des Gesuchstellers lebt. Aufgrund
ihrer gegenwärtigen Ehe mit René Thomas Meyer ist sie Bürgerin des Kantons
und der Stadt Basel. In Anwendung der Bestimmung des Art. 27 Abs. 2 BüG
hat das EJPD Kurt Müller daher im Kanton Basel-Stadt und in der Stadt
Basel eingebürgert. Die Bürgergemeinde der Stadt Basel ficht diese
Anwendung des Art. 27 BüG an. Im folgenden ist daher zu untersuchen,
ob das, was der Beschwerdeführer gegen die Anwendung des Art. 27 BüG
vorbringt, zu einer anderen Lösung führe. Die Frage ist gemäss Art. 104
lit. a OG frei zu prüfen.

Erwägung 3

    3.- Der Wortlaut des Art. 27 BüG ist klar: Das Kind erwirbt das
Bürgerrecht, das die Mutter besitzt oder zuletzt besass. Es kommt bei
der erleichterten Einbürgerung nach Art. 27 BüG alles auf die Abstammung
der Mutter, auf ihr Kantons- und Gemeindebürgerrecht an (vgl. hierzu
Botschaft zum BüG, BBl 1951 II 700); dies im Unterschied zum ordentlichen
Einbürgerungsverfahren, wo die Einbürgerung an einem beliebigen Ort
stattfinden kann (Art. 12 BüG), oder auch zur Wiedereinbürgerung, die in
jenes Kantons- und Gemeindebürgerrecht erfolgt, das der Gesuchsteller
zuletzt besessen hat (Art. 24 BüG). Wenn der Beschwerdeführer aus dem
Wortlaut und dem Sinn des Art. 27 BüG etwas anderes ableiten will,
geht er fehl. Die ratio legis dieser Gesetzesbestimmung schliesst in
unmissverständlicher Weise aus, dass auf ein anderes Kriterium als auf
das Bürgerrecht der Mutter abgestellt wird. Der Geburtsort des Kindes oder
dessen Wohnort zurzeit des Einbürgerungsgesuches fallen ausser Betracht.
Ausgeschlossen ist auch, an den Bürgerort der Adoptiveltern anzuknüpfen;
die Kindesannahme hat auf den Erwerb oder den Verlust des Bürgerrechtes
nach geltendem Recht keine Wirkung (Art. 7 BüG; vgl. jedoch de lege ferenda
die Botschaft des Bundesrates vom 12. Mai 1971 über die Änderung des ZGB
[Adoption und Art. 321 ZGB], BBl 1971 I 1270).

    Es kann sich lediglich fragen, was zu geschehen hat, wenn die Mutter
- wie hier - nacheinander verschiedene Kantons- und Gemeindebürgerrechte
besass. Der Gesetzgeber hat diese Frage eindeutig beantwortet. Er knüpft
in Art. 27 Abs. 2 BüG an das Bürgerrecht an, das die Mutter "besitzt
oder zuletzt besass". Das kann nur heissen, dass für die erleichterte
Einbürgerung eines Kindes in einem Fall, wie dem vorliegenden, das im
Augenblick der Einbürgerung bestehende Bürgerrecht der Mutter allein
massgeblich ist. Alle andern "möglichen" und unter Umständen auch
vernünftigen Lösungen scheiden einfach aus. Diese Ordnung entspricht dem
traditionellen Prinzip der Einheit des Bürgerrechts (BGE 69 I 142 f.),
das u.a. auch in den Art. 32 Abs. 1 und 33 BüG zum Ausdruck kommt. Wohl
wäre eine andere Regelung möglich. In den Vorarbeiten zum BüG sind denn
auch andere Lösungen erwogen worden (vgl. Entwurf und Bericht zu einem
BüG von Dr. M. Ruth, Art. 26, S. 139, und von Dr. J. Meyer, Art. 21,
S. 154 f., beide aus dem Jahre 1949); Gesetz wurden sie nicht.

    Es entspricht demnach vollends der geltenden Ordnung, dass Kurt Müller
durch erleichterte Einbürgerung das Bürgerrecht erwirbt, das seine Mutter
zurzeit besitzt.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, diese starre Anwendung
der geltenden Ordnung führe zu keinem vernünftigen Ergebnis. Es sei daher
nur bei jenen Gemeindebürgerrechten anzuknüpfen, welche dem Kind eine
echte Beziehung zur neuen Heimat verschaffen könnten. Dieser Einwand ist
unbehelflich. Das Gesetz sieht keine Ausnahmen vor, die ein Abweichen
von der in Art. 27 BüG vorgesehenen Regel erlauben würden.

    An diesem Ergebnis kann auch nichts ändern, dass Kurt Müller bei
seiner Geburt Bürger von Schönenberg und Rifferswil war (Art. 1 lit. b
BüG). Diese Tatsache wäre bei einer Wiedereinbürgerung nach Art. 18
ff. BüG massgebend, weil dabei an das Bürgerrecht angeknüpft wird, das
der Gesuchsteller zuletzt besessen hat (Art. 24 BüG). Kurt Müller kann
jedoch nicht nach Art. 18 ff. BüG wiedereingebürgert werden, da für ihn
keine der in den Art. 19, 20, 21, 22 und 23 BüG abschliessend aufgezählten
Voraussetzungen zutrifft.

    Das Einbürgerungsverfahren nach den Bestimmungen der Art. 26
ff. ist mithin das Richtige. Die Verfügung, durch welche Kurt Müller
im erleichterten Verfahren und in Anwendung von Art. 27 BüG im Kanton
Basel-Stadt und in der Stadt Basel eingebürgert wird, verletzt Bundesrecht
nicht. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen.