Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 680



97 I 680

98. Auszug aus dem Urteil vom 13. Oktober 1971 i.S. Caspar und Hoffmann
gegen Jäggi und Gerichtspräsident von Solothurn-Lebern. Regeste

    Art. 86 Abs. 2 und Art. 87 OG.

    Die Bewilligung des Arrests (Arrestbefehl, Art. 272 SchKG) ist ein
Endentscheid im Sinne des Art. 87 OG (Erw. 2).

    Ein kantonales Rechtsmittel, vor dessen Durchführung die
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV gegen den
Arrestbefehl nach Art. 86 Abs. 2 und Art. 87 OG unzulässig ist, bildet

    -  die Arrestaufhebungsklage (Art. 279 Abs. 2 SchKG), mit der der
Schuldner den Arrestgrund bestreiten kann (Erw. 3 a);

    - nicht die Arrestprosequierung (Art. 278 SchKG), in der der Schuldner
Bestand, Fälligkeit und Höhe der Arrestforderung bestreiten kann;
er kann daher mit einer unmittelbar gegen den Arrestbefehl gerichteten
staatsrechtlichen Beschwerde geltend machen, die diesem zugrunde liegende
Annahme, der Gläubiger habe eine verfallene Forderung glaubhaft gemacht,
sei willkürlich und verletze Art. 4 BV (Änderung der Rechtsprechung;
Erw. 3 b).

Sachverhalt

                      Aus dem Sachverhalt:

    Die in Deutschland wohnhaften G. Caspar und M. Hoffmann erwarben durch
Tauschvertrag vom 12. Dezember 1969 von der Einwohnergemeinde Solothurn das
112 a Bauland umfassende Grundstück Nr. 3943 in Solothurn zu Miteigentum
und verpflichteten sich dabei, die Architekturarbeiten zu den Ansätzen
des SIA an X. Jäggi zu übertragen. Nachdem sie Jäggi mitgeteilt hatten,
dass sie die Architekturarbeiten anderweitig vergeben hätten, erhob
Jäggi am 27. Januar 1971 beim Richteramt Solothurn-Lebern mündlich Klage
"betr. Feststellung, Erfüllung, ev. Schadenersatz" gegen Caspar und
Hoffmann. Ferner erwirkte er am 24. Februar 1971 beim Präsidenten des
gleichen Gerichts gestützt auf Art. 271 Ziff. 4 SchKG für eine Forderung
von Fr. 350'000.-- einen Arrest auf dem erwähnten Grundstück. Caspar
und Hoffmann erhoben neben einer Arrestaufhebungsklage, die sie in der
Folge wieder zurückzogen, staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag
auf Aufhebung des Arrestbefehls. Sie werfen dem Gerichtspräsidenten als
Verletzung des Art. 4 BV vor, er habe willkürlich angenommen, dass Jäggi
eine fällige Forderung von Fr. 350'000.-- gegen sie glaubhaft gemacht
habe. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde ein aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- In BGE 94 I 368 E. 3 hat das Bundesgericht festgestellt, der
Entscheid über provisorische Rechtsöffnung sei im Verhältnis zu den
Urteilen über die Forderungsklage (Art. 79 SchKG) oder Aberkennungsklage
(Art. 83 Abs. 2 SchKG) ein Endentscheid, weil das Rechtsöffnungs- und
das Zivilprozessverfahren ihrem Gegenstand nach derart verschieden seien,
dass es nicht angehe, sie als eine Einheit zu betrachten, innerhalb welcher
der Rechtsöffnungsentscheid einen blossen Zwischenentscheid darstellen
würde. Sodann hat es in BGE 95 I 256 E. 3 entschieden, der Entscheid,
mit dem der Rechtsvorschlag in der Wechselbetreibung bewilligt wird
(Art. 182 SchKG), stelle einen Endentscheid dar, denn die Geltendmachung
des Anspruchs des Gläubigers im ordentlichen Zivilprozess (Art. 186 SchKG)
sei keine Fortsetzung des Betreibungs- und Rechtsvorschlagsverfahrens. Die
in diesen Urteilen angestellten Erwägungen, auf die im einzelnen
verwiesen wird, führen dazu, die Arrestbewilligung (Art. 272 SchKG)
im Verhältnis zum Urteil über die Klage auf Anerkennung der Forderung
(Art. 278 SchKG) nicht als Zwischenentscheid zu betrachten. Der Arrest
ist eine Sicherungsmassnahme rein betreibungsrechtlicher Natur, die dazu
dient, eine spätere Pfändung zu ermöglichen (JAEGER, N. 6 zu Art. 271
SchKG; BLUMENSTEIN, Handbuch S. 827; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und
Konkurs 2. A. Bd. II S. 200). Die Arrestprosequierungsklage ist keine
betreibungsrechtliche, sondern eine selbständige zivilrechtliche
Klage (FRITZCHE, aaO S. 244). Sie "steht mit dem Arrest inhaltlich
in keinem Zusammenhang" (BGE 95 II 206 E. 2) und unterscheidet sich -
wie die Aberkennungsklage - in keiner wesentlichen Beziehung von einem
Forderungsstreit, der mit keinem Betreibungsverfahren zusammenhängt. Die
Selbständigkeit des Arrestbewilligungsverfahrens folgt auch daraus, dass
der Arrest auch bewilligt werden kann für eine Forderung, die bereits
durch rechtskräftiges Urteil festgestellt ist. Arrestbewilligungs-
und Arrestprosequierungsverfahren sind somit getrennte Verfahren mit
verschiedenen Zielen; ersteres dient der betreibungsrechtlichen Sicherung
einer Forderung, letzteres der Abklärung ihres Bestandes. Der Entscheid,
mit dem der Arrest bewilligt wird, ist demnach ein Endentscheid im Sinne
des Art. 87 OG.

Erwägung 3

    3.- Da in BGE 82 I 81 und den dort angeführten Urteilen i.S. Repal
SA und Lamalex SA vom 27. Januar bzw. 19. Mai 1954 angenommen wurde, der
Arrestbefehl sei kein letztinstanzlicher Entscheid im Sinne der Art. 86
Abs. 2 und Art. 87 OG, solange der in der Arrestprosequierungsbetreibung
erhobene Rechtsvorschlag nicht durch definitive Rechtsöffnung oder durch
ein letztinstanzliches Urteil über die Arrestforderung beseitigt sei, ist
weiter zu prüfen, ob und inwiefern der Arrestbefehl als letztinstanzlich
zu gelten hat. Dabei ist wiederum von den Erwägungen auszugehen, die
das Bundesgericht vor einigen Jahren veranlasst haben, in Änderung
seiner Rechtsprechung der Forderungs- und Aberkennungsklage gegenüber
der provisorischen Rechtsöffnung und der Klage gemäss Art. 186 SchKG
gegenüber der Bewilligung des Rechtsvorschlags in der Wechselbetreibung
den Charakter von Rechtsmitteln im Sinne von Art. 86 Abs. 2 OG abzusprechen
(BGE 94 I 371 E. 4 und 95 I 255 E. 2, 3).

    a) Gegen den Arrestbefehl findet weder Berufung noch Beschwerde statt
(Art. 279 Abs. 1 SchKG). Zulässig ist einzig die Arrestaufhebungsklage,
mit welcher der Schuldner jedoch nur den Arrestgrund bestreiten
kann (Art. 279 Abs. 2 SchKG). Da es sich dabei um eine Frage des
Betreibungsrechtes handelt, unterliegt das letztinstanzliche Urteil im
Arrestaufhebungsprozess weder der Berufung noch der zivilrechtlichen
Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht (BGE 81 II 83/84), sondern
kann bei diesem nur mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten
werden. Der Arrestaufhebungsprozess setzt inbezug auf das Vorliegen des
Arrestgrundes das Arrestbewilligungsverfahren fort und bildet mit ihm eine
Einheit, welche die Arrestaufhebungsklage als Rechtsmittel gegenüber dem
Arrestbefehl erscheinen lässt. Bei Streit über den Arrestgrund bildet
daher für den Schuldner erst das Urteil, mit dem die letzte kantonale
Instanz die Arrestaufhebungsklage abweist, einen letztinstanzlichen
Arrestbewilligungsentscheid.

    b) Die Beschwerdeführer bestreiten mit der vorliegenden Beschwerde
nicht den Arrestgrund, sondern Bestand, Fälligkeit und Höhe der
Arrestforderung. Der Entscheid hierüber ist der Arrestprosequierung
gemäss Art. 278 SchKG vorbehalten. Da, wie in Erw. 2 dargelegt wurde,
Arrestbewilligungsverfahren einerseits und Arrestprosequierungsverfahren
anderseits ihrer Natur und ihrem Gegenstand nach ebenso verschieden
sind wie die provisorische Rechtsöffnung und der im Anschluss daran
eingeleitete Forderungs- oder Aberkennungsprozess, geht es nicht
an, die Arrestforderungsklage gegenüber der Arrestbewilligung als
"Rechtsmittel" im Sinne von Art. 86 Abs. 2 OG aufzufassen. Inbezug
auf die Glaubhaftigkeit der Arrestforderung und ihrer Fälligkeit
bildet das Arrestbewilligungsverfahren ein selbständiges Verfahren,
das durch den Entscheid der Arrestbehörde letztinstanzlich abgeschlossen
wird. An der hievor erwähnten Rechtsprechung, wonach im Hinblick auf das
Arrestprosequierungsverfahren gemäss Art. 278 SchKG die unmittelbar gegen
den Arrestbefehl erhobene staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
des Art. 4 BV mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht
zulässig ist, kann daher nicht festgehalten werden.

    c) Der vom Gerichtspräsidenten von Solothurn-Lebern am 24. Februar
1971 erlassene Arrestbefehl ist somit, soweit es um Bestand, Fälligkeit
und Höhe der Arrestforderung geht, ein letztinstanzlicher Endentscheid,
weshalb auf die vorliegende, gegen ihn erhobene staatsrechtliche Beschwerde
einzutreten ist.