Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 653



97 I 653

94. Auszug aus dem Urteil vom 17. November 1971 i.S. Schönenberger gegen
Polizeirichteramt der Stadt Zürich und Obergericht des Kantons Zürich.
Regeste

    Handels- und Gewerbefreiheit, gesteigerter Gemeingebrauch, Taxigewerbe.

    Handels- und Gewerbefreiheit und Benützung des öffentlichen Bodens
im allgemeinen (Erw. 5 a).

    Bewilligung zum Führen eines Taxibetriebes. Unterscheidung von
Bewilligungen, deren Inhaber die auf öffentlichem Boden zur Verfügung
stehenden Standplätze benützen dürfen, und Bewilligungen, deren
Inhaber hievon ausgeschlossen sind. Voraussetzungen, unter denen diese
Unterscheidung mit Art. 4 und 31 BV vereinbar ist (Erw. 5 b).

Sachverhalt

    A.- Die Taxiverordnung der Stadt Zürich (= TaV) bestimmt in Art. 1,
dass das Führen eines Taxibetriebes bewilligungspflichtig ist und
unterscheidet zwei Betriebsbewilligungen: Die Betriebsbewilligung A gibt
dem Inhaber das Recht, eine bestimmte Anzahl von A-Taxi auf städtischen
Standplätzen aufzustellen, während die Betriebsbewilligung B kein Recht
zur Benützung städtischer Standplätze verleiht.

    Gemäss Art. 5 legt der Stadtrat unter Berücksichtigung des
Bedürfnisses und der verkehrspolizeilichen Anforderungen sowie nach
Anhören der interessierten Kreise die Anzahl der A-Taxi fest; sie beträgt
mindestens 250. In den Art. 37-40 sind besondere Betriebsvorschriften
für A-Taxi enthalten; vor allem werden die Pflicht zum Betrieb
von Standplatztelephonen und die Beförderungspflicht im Stadtgebiet
geregelt. Bewilligungen für B-Taxi dürfen nach Art. 23 nur erteilt werden,
wenn der Betriebsinhaber den Nachweis erbringt, dass für diese Fahrzeuge
private Standplätze und geeignete Abstellplätze vorhanden sind.

    B. - Edmund Schönenberger stellte am 3. August 1969 einen als B-Taxi
bewilligten Personenwagen auf einem städtischen Taxistandplatz zum Zwecke
des Angebots von Fahrten auf. Er wurde deswegen durch Einzelrichterurteil
vom 8. Mai 1970 wegen Übertretung der TaV mit einer Busse von Fr. 20.-
bestraft. Die gegen dieses Urteil eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde
wies das Obergericht des Kantons Zürich am 10. Dezember 1970 ab.

    C.- Gegen das Urteil des Obergerichts erhob Edmund Schönenberger
staatsrechtliche Beschwerde. Er stellt den Antrag, die Bestrafung
wegen Verletzung der Taxiverordnung sei aufzuheben, und macht neben
Verweigerung des rechtlichen Gehörs geltend, die Taxiverordnung ermangle
einer gesetzlichen Grundlage und verstosse mit der Zweiteilung in A-
und B-Bewilligungen gegen Art. 4 und Art. 31 BV.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, inbezug auf die Rüge der
Verletzung der Art. 4 und 31 BV aus folgenden.

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Zu prüfen bleibt, ob der Inhalt der getroffenen Ordnung gegen
Art. 4 und 31 BV verstosse. Da die Handels- und Gewerbefreiheit auch die
Gleichbehandlung der Gewerbegenossen gewährleistet (BGE 90 I 162 E. 2, 91
I 104 E. 2 a, 96 I 701 E. 1), kommt der Berufung des Beschwerdeführers auf
Art. 4 BV keine selbständige Bedeutung zu. Ferner hat sich die Prüfung der
Verfassungsmässigkeit der TaV auf die auf den Beschwerdeführer angewendeten
Bestimmungen zu beschränken (BGE 96 I 566 E. 2 und dort angeführte frühere
Urteile), d.h. auf die Vorschriften über die Zuteilung der städtischen
Standplätze an die A-Taxis und über den damit verbundenen Ausschluss der
B-Taxis von der Benützung dieser Standplätze.

    a) Das Parkieren eines Taxi auf öffentlichem Grund zum Anwerben
von Kunden ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gesteigerter
Gemeingebrauch (BGE 81 I 18 ff., nicht veröffentl. Urteil vom 6.
November 1963 i.S. Hasler c. Verwaltungsgericht des Kt. Bern). Diese
den gewöhnlichen Gemeingebrauch übersteigende Art der Benutzung einer
öffentlichen Sache ist bewilligungspflichtig. Das Bundesgericht hat stets
angenommen, dass Art. 31 BV keinen Anspruch auf Benützung öffentlichen
Bodens für gewerbliche Zwecke gebe und diese Benützung daher dem
Wirkungsbereich der Handels- und Gewerbefreiheit entzogen sei (BGE 81
I 18/19 und dort angeführte frühere Urteile; zustimmend BURCKHARDT,
Komm. der BV S. 243, NEF, SJK 622 a; ablehnend MARTI, Die Handels- und
Gewerbefreiheit S. 141, SALADIN, Grundrechte im Wandel S. 250/52). Die
Folgerungen, die das Bundesgericht hieraus für die Bewilligungspflicht
gezogen hat, sind allerdings praktisch von geringer Bedeutung; denn die
Bewilligung darf nicht willkürlich verweigert werden und der Grundsatz
der Rechtsgleichheit ist zu beachten; auch wurden gewerbepolitische
Erwägungen wiederholt als unzulässig bezeichnet (BGE 53 I 19, 77 I
287). Ist Art. 31 BV grundsätzlich nicht anwendbar, so hat dies immerhin
zur Folge, dass die Anordnungen kantonaler Behörden über die Benützung
öffentlichen Bodens für gewerbliche Zwecke vom Bundesgericht nicht frei,
sondern nur aus dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV zu überprüfen sind.
Dieser Unterschied ist aber im vorliegenden Falle nicht von Belang,
weil die angefochtene Regelung auch einer freien Prüfung standhält. Die
Frage, ob die erwähnte Kritik an der bisherigen Rechtsprechung Anlass zu
einer Änderung gibt oder ob das Verbot der Willkür und rechtsungleichen
Behandlung die sachgerechte Regelung der Benützung öffentlichen Bodens
hinreichend gewährleistet, braucht hier nicht entschieden zu werden.

    b) Auf dem Gebiet der Stadt Zürich sind, wie der Stadtrat in seiner
Vernehmlassung ausführt, 1100 Taxifahrzeuge eingesetzt, von denen 260 mit
einer A-Bewilligung versehen sind und daher auf den rund 70 städtischen
Standplätzen aufgestellt werden dürfen. Die Zuteilung dieser Standplätze
an eine beschränkte Zahl von Taxihaltern verschafft denselben eine
gewisse Vorzugsstellung und beeinflusst die Wettbewerbsverhältnisse. Die
Gleichbehandlung aller Taxihalter liesse sich auf zwei Wegen erreichen.
Entweder könnten sämtliche Standplätze auf öffentlichem Grund aufgehoben
und von allen Taxihaltern der Nachweis privater Standplätze verlangt
werden, oder aber die Benützung der vorhandenen städtischen Standplätze
wäre jedem Taxihalter zu gestatten, d.h. die Unterscheidung zwischen A-
und B-Bewilligungen zu beseitigen.

    aa) Die erste Lösung hätte zur Folge, dass an wichtigen Punkten
in der Innerstadt sowie in unmittelbarer Nähe von Bahnhöfen kaum noch
wartende Taxis zu finden wären, da private Standplätze sich in diesen
Gebieten nicht schaffen liessen. Eine solche Regelung widerspräche
dem öffentlichen Interesse; denn gerade im Geschäftszentrum und an den
Bahnhöfen besteht ein besonderes Bedürfnis nach Taxis. Diesem Bedürfnis,
dort ohne Schwierigkeiten Taxis zu finden, entspricht das Bestehen
besonderer Taxistandplätze an geeigneten Stellen. Anderseits sind das
Umherfahren von Taxis zur Kundenwerbung und das Einsteigen auf der
Verkehrsfläche belebter Strassen unerwünscht. Aus diesen Gründen fällt
ein Verzicht auf feste Taxistandplätze ausser Betracht.

    bb) Die Freigabe der vorhandenen Standplätze für alle Taxis würde
nach dem angefochtenen Entscheid sowie nach der Vernehmlassung des
Stadtrates von Zürich zu verkehrstechnischen Schwierigkeiten führen. Das
ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine leere Behauptung.
Dass sich die Zahl der städtischen Standplätze wesentlich vermehren
liesse, behauptet der Beschwerdeführer selber nicht. Eine ins Gewicht
fallende Vergrösserung der für Taxis reservierten Parkfläche dürfte
kaum möglich sein. Zudem scheint die Zahl der vorhandenen Standplätze
den Bedürfnissen der Kunden zu genügen. Geht man aber davon aus, dass
über 1000 Taxiführer zur Benützung der 70 vorhandenen Standplätze
berechtigt sein sollen, so ist es offensichtlich, dass höchstens in
Zeiten starker Nachfrage sich die Benützung der Standplätze reibungslos
abwickeln würde, während jedes Nachlassen der Nachfrage sofort zu einem
"Kampf" um die günstigsten Standplätze führen müsste, Verkehrsstockungen
zur Folge haben könnte und Chauffeure, die keinen freien Standplatz
finden, zum Umherfahren ohne Kunden und damit zu einer zusätzlichen
unnötigen Belastung des Innerstadtverkehrs veranlassen würde. Im
Hinblick auf diese Unzukömmlichkeiten erscheint die Anpassung der Zahl
der Benützerbewilligungen an die Zahl der vorhandenen Standplätze
als sachlich begründet. Nur wenn die Bewilligung zum Betrieb eines
Taxiunternehmens nicht ohne weiteres die Bewilligung zur Benützung
der städtischen Standplätze mitumfasst, behält das Gemeinwesen die
Möglichkeit, einer "Überbelegung" der Standplätze zu begegnen, ohne die
Ausnützung des Taxigewerbes in seiner Gesamtheit unverhältnismässig
einzuschränken (vgl. BGE 79 I 339). Die Beschwerde bringt nichts
vor, was den Verdacht begründen würde, die Beschränkung der Zahl der
A-Bewilligungen sei nicht verkehrstechnisch bedingt, sondern diene einem
verkappten Konkurrenzschutz. Dass 70 Standplätze durch 260 Fahrzeuge
ausgelastet sind, erscheint glaubhaft. Der Ausschluss weiterer Bewerber
von der gesteigerten Benützung öffentlichen Bodens setzt nicht den Nachweis
voraus, dass die Freigabe der Benützung an alle Gewerbegenossen zu völlig
unhaltbaren Verhältnissen führen würde; schon die ernstliche Gefahr von
Störungen gibt dem Gemeinwesen als Eigentümer des öffentlichen Grundes
das Recht, die Zahl der Benützungsberechtigten nach dem vorhandenen Raum
zu bemessen (vgl. SALADIN aaO S. 252). Ob in der Stadt Zürich die Zahl
der A-Bewilligungen ohne ernstliche Gefahr vergrössert werden könnte,
ist hier nicht zu prüfen, denn der Beschwerdeführer verlangt keine
solche Bewilligung für sich, sondern die Erlaubnis für alle Taxiführer,
ihr Fahrzeug auf den städtischen Standplätzen aufzustellen. Da dies nach
dem Gesagten aus verkehrstechnischen Gründen nicht angeht, verstösst die
Unterscheidung zwischen A- und B-Bewilligungen weder gegen Art. 4 noch Art.
31 BV.

    Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Verhältnisse in Basel sind
nicht schlüssig. Nachdem das Appellationsgericht am 3. Oktober 1969 die
Taxiverordnung vom 19. September 1966 mangels gesetzlicher Grundlage
als verfassungswidrig erklärt hatte (BJM 1969 S. 232 ff.), führte zwar
die freie Benützung der Standplätze durch alle Taxihalter nicht zu
"chaotischen Zuständen" (Ratschlag und Entwurfzu einem Gesetz betreffend
den Betrieb von Taxis und Gesellschaftswagen im Kanton Basel-Stadt vom
30. September 1971 S. 8 f.). Das in Basel bestehende zahlenmässige
Verhältnis zwischen Taxifahrzeugen und -standplätzen ist indes nicht
bekannt. Zudem wird der jetzige Zustand der freien Standplatzbenützung
von den zuständigen Behörden offenbar als nicht befriedigend betrachtet,
sieht doch der Entwurf zum Taxigesetz in den §§ 4 und 5 die auch in andern
Städten übliche Unterscheidung zwischen A- und B-Bewilligungen wieder vor.

    c) Nach welchen Kriterien gegebenenfalls die beschränkte Zahl von
A-Bewilligungen zuzuteilen ist, braucht hier nicht geprüft zu werden. Für
die Entscheidung des vorliegenden Falles genügt die Feststellung, dass eine
sachliche Beschränkung der Zahl der Standplatzberechtigten grundsätzlich
zulässig ist.

    d) Sind die Differenzierung der Bewilligungen und der Ausschluss
der B-Taxis von der Benützung der städtischen Standplätze nicht
verfassungswidrig, so ist auch die Bestrafung des Beschwerdeführers
wegen Verletzung des Verbots, ein B-Taxi aufeinem städtischen Standplatz
aufzustellen, nicht verfassungswidrig und die Beschwerde daher abzuweisen.