Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 651



97 I 651

93. Auszug aus dem Urteil vom 6. Oktober 1971 i.S. Hert gegen
Regierungsrat des Kantons Solothurn. Regeste

    Berichtigung eines fehlerhaften Strassenlinienplans.

    Natur und Voraussetzungen der Berichtigung im Gegensatz zur Änderung
von Plänen. Stellung des von der Berichtigung betroffenen Grundeigentümers.
Grundsatz von Treu und Glauben.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Auf dem Strassen- und Baulinienplan von 1966 ist das Trottoir
vor der Liegenschaft der Beschwerdeführerin gleich breit eingezeichnet
wie vor dem westlich davon gelegenen Grundstück Nr. 1367, wo die Breite
mit 2,25 m angegeben ist. Doch ist der Plan insofern ungenau, als er
den Anschein erweckt, ein Trottoir von dieser Breite lasse sich ohne
Inanspruchnahme ihres Grundeigentums erstellen. Das Baudepartement hat
infolgedessen beim Ausbau der Luzernstrasse im Jahre 1970 zunächst das
Grundeigentum der Beschwerdeführerin respektiert und das Trottoir vor
ihrer Liegenschaft entgegen dem Plan von 1966 nur mit einer Breite von
1,80 m gebaut. Es hat dann aber, als 1971 eine Planänderung inbezug auf
Nachbargrundstücke notwendig wurde, auch jenen zeichnerischen Fehler des
Plans von 1966 berichtigt und in diesem klar erkennbar festgehalten,
dass und wieviel Land der Beschwerdeführerin für den Bau eines 2,25 m
breiten Trottoirs in Anspruch genommen werden muss.

    Eine derartige Planberichtigung unterscheidet sich von der Änderung
eines Plans dadurch, dass damit nicht die Anordnung, die dem früheren Plan
zugrunde lag, abgeändert, sondern vielmehr der Plan mit dieser Anordnung
in Übereinstimmung gebracht, die Anordnung nun im Plan zeichnerisch richtig
dargestellt wird. Planberichtigungen müssen grundsätzlich leichter möglich
sein als eigentliche Planänderungen, die nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung nur aus wichtigen Gründen, wie z.B. wegen erheblicher
Änderung tatsächlicher Verhältnisse, vorgenommen werden sollen (vgl. BGE 90
I 333, 94 I 346 und 350/51). Falls allerdings, wie hier, die Unrichtigkeit
einem Versehen zuzuschreiben und nicht erkennbar war, muss derjenige,
dessen Grundeigentum von der Berichtigung betroffen wird, dieser gegenüber
die gleichen Einwendungen erheben können, die ihm zugestanden hätten,
wenn der frühere Plan richtig und der damit angeordnete Eingriffin sein
Grundeigentum erkennbar gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin kann daher
gegenüber der angefochtenen Planänderung nicht nur geltend machen, sie
verstosse gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und gegen Treu und
Glauben, sondern auch, die Inanspruchnahme ihres Grundeigentums werde
nicht durch ein hinreichendes öffentliches Interesse gedeckt und verletze
daher die Eigentumsgarantie.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführerin hat im Einspracheverfahren vor dem
Regierungsrat nicht geltend gemacht, die streitige Planberichtigung
verstosse gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit oder gegen Treu und
Glauben. Das steht jedoch dem Eintreten auf diese Rüge nicht entgegen,
da neue rechtliche Vorbringen vor Bundesgericht zulässig sind, wenn die
letzte kantonale Instanz, wie hier, freie Kognition besass und das Recht
von Amtes wegen anzuwenden hatte (BGE 94 I 655 oben). Die Rüge erweist sich
indes als unbegründet. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts
hat der Bürger zwar unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV Anspruch auf
ein Treu und Glauben entsprechendes Verhalten der Verwaltungsbehörden
(BGE 94 I 520 E. 4 a, 95 I 126). Daraus lässt sich aber nicht ableiten,
dass die Behörden an unrichtige oder ungenaue Pläne gebunden seien
und sie nicht berichtigen dürfen. Selbst wenn man einen ungenauen Bau-
und Strassenlinienplan wie eine unrichtige Auskunft oder Zusicherung
der Behörde behandeln wollte, könnte sich die Beschwerdeführerin der
Berichtigung des Plans höchstens dann unter Berufung auf Treu und Glauben
widersetzen, wenn sie im Vertrauen auf ihn eine nicht wieder rückgängig
zu machende Disposition getroffen hätte (nicht veröffentlichtes Urteil
vom 25. September 1968 i.S. Meier c. Regierungsrat des Kantons Solothurn,
S. 11/12; BGE 91 I 136, 96 I 15). Das trifft hier offensichtlich nicht
zu. Die Beschwerdeführerin behauptet zwar, nach Fertigstellung des 1,80
m breiten Trottoirs "erneut entsprechend dem Plan 1966 disponiert" zu
haben, sagt aber nicht, worin diese Disposition bestand. Sie hat, wie
sie selber ausführt, ihre Liegenschaft in den Jahren 1955/56 aufgrund
früherer Pläne überbaut. Dass sie an diesen Bauten nach Inkrafttreten
des Plans von 1966 irgendwelche Änderungen vorgenommen hätte, hat sie
nie behauptet, noch enthalten die Akten Anhaltspunkte dafür.