Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 530



97 I 530

73. Auszug an dem Urteil vom 17. September 1971 i.S. Piu-Azzaro gegen
Regierungsrat des Kantons Zürich. Regeste

    Fremdenpolizeirecht; Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung.

    Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Art. 100 lit. b Ziff.
3/Art. 97 f. OG; Art. 11 des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien
über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz vom
10. August 1964 (Erw. 1).

    Voraussetzung des Anspruchs eines italienischen Arbeitnehmers auf
Vorzugsbehandlung; Art. 10 f. des Abkommens/Art. 9 Abs. 2 ANAG (Erw. 2).

    Verhalten, das im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG "Anlass zu
schweren Klagen" gibt. Wie ist diese Bestimmung im Falle eines aus dem
Abkommen privilegierten Ausländers auszulegen? (Erw. 3 b und c).

    Die fremdenpolizeiliche Massnahme muss verhältnismässig sein und nach
den Umständen angemessen erscheinen (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- In der Absicht, die Aufenthaltsbedingungen der italienischen
Arbeitskräfte in der Schweiz zu verbessern und ihnen die gleiche
Behandlung wie den Schweizerbürgern hinsichtlich der Arbeitsbedingungen zu
gewährleisten (Abs. 3 des Ingresses) wurde am 10. August 1964 zwischen
der Schweiz und Italien ein Abkommen über die Auswanderung italienischer
Arbeitskräfte nach der Schweiz abgeschlossen.

    Art. 10 Ziff. 1 und Art. 11 dieses Abkommens, das am 15. März 1965
von der Bundesversammlung genehmigt und am 22. April 1965 in Kraft gesetzt
wurde (AS 1965 S. 397 und 399), lauten wie folgt:

    "Artikel 10 Einreise- und Aufenthaltsbedingungen

    1. Für die Einreise und den Aufenthalt der italienischen
Arbeitskräfte gelten die Vorschriften der schweizerischen Gesetzgebung
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, die Erklärung vom 5. Mai
1934 über die Anwendung des Niederlassungs- und Konsularvertrages vom
22. Juli 1868 zwischen der Schweiz und Italien und der Ratsbeschluss der
Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 30. Oktober
1953/7. Dezember 1956 über die Regelung der Beschäftigung von Angehörigen
der Mitgliedstaaten, übernommen von der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung.

    2. ..."

    "Artikel 11

    Arbeitskräfte mit fünfjährigem Aufenthalt in der Schweiz

    1. Italienische Arbeitskräfte geniessen nach einem ordnungsgemässen
und ununterbrochenen Aufenthalt von wenigstens fünf Jahren folgende
Vorzugsbehandlung:

    a) Sie haben Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für
ihre Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz. Falls die Gültigkeitsdauer des
Passes ausreicht, erfolgt die Verlängerung für zwei aufeinanderfolgende
Zeitspannen von je zwei Jahren und anschliessend zum drittenmal für die
bis zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung notwendige Frist.

    b) Sie erhalten in jedem Kanton die Bewilligung für den Stellenwechsel
und für die Ausübung eines andern Berufes als unselbständig Erwerbende.

    2. Falls sich in der Gegend im ganzen Wirtschaftszweig, in welchem der
Arbeitnehmer beschäftigt ist, eine schwere Arbeitslosigkeit ausbreitet,
kann die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für die Tätigkeit am
bisherigen Arbeitsplatz oder die Bewilligung für einen Stellenwechsel
verweigert werden. Doch wird in diesem Falle dem Arbeitnehmer die
Bewilligung für die Tätigkeit als unselbständig Erwerbender in einem
andern, nicht von Arbeitslosigkeit betroffenen Beruf erteilt.

    3. Die schweizerischen Vorschriften, welche die Zulassung ausländischer
Arbeitskräfte aus zwingenden Gründen des Landesinteresses einschränken,
bleiben vorbehalten."

    B.- Der Beschwerdeführer Giuseppe Piu, 1941, ist im September 1961 in
die Schweiz eingereist. Zuerst war er bei der Holka-Auto Union Verkaufs AG
in Schlieren als Hilfsarbeiter beschäftigt. Im September 1962 wechselte er
mit Bewilligung der Fremdenpolizei des Kantons Zürich den Arbeitsplatz. Er
trat als Auto-Hilfsmechaniker in den Dienst der Automobilwerke Franz AG
in Zürich. Am 16. Mai 1969 wurde er von dieser Arbeitgeberin fristlos
entlassen. Seit dem 1. Juni 1969 arbeitet er als angelernter Mechaniker
bei der Firma Eschler, Urania Accessoires, in Zürich.

    In den Jahren 1961-1968 wurde Giuseppe Piu elf Mal wegen kleineren
und grösseren Verkehrsregelverletzungen gebüsst oder mit einer
Administrativmassnahme belegt.

    Giuseppe Piu hat sich während seines Aufenthaltes in der Schweiz mit
der Italienerin Crocifissa Azzaro, 1936, verheiratet. Diese hatte 1960
die Aufenthaltsbewilligung erhalten. Sie arbeitete bis zum Abschluss der
Ehe im September 1965 als Hilfsarbeiterin in Zürich. Der Ehe Piu-Azzaro
ist ein Kind, Patrizia, geboren am 20. Februar 1969 in Zürich, entsprossen.

    C.- Mit Verfügung vom 14. August 1969 hat die Fremdenpolizei des
Kantons Zürich den Eheleuten Piu-Azzaro die Aufenthaltsbewilligung nicht
erneuert. Die Eheleute Piu-Azzaro wurden angewiesen, den Kanton Zürich
bis zum 15. Oktober 1969 zu verlassen.

    Den gegen diese Verfügung eingereichten Rekurs wies der Regierungsrat
des Kantons Zürich am 4. September 1970 mit der Begründung ab, Giuseppe Piu
müsse aufgrund seines Verhaltens als unerwünschter Ausländer betrachtet
werden, dessen Wegweisung geboten sei. In die Wegweisungsverfügung
werde nach konstanter Praxis seine Familie schon deshalb einbezogen,
weil Crocifissa Piu nicht erwerbstätig und daher nicht in der Lage sei,
sich selbst und Patrizia durchzubringen. Die Polizeidirektion des Kantons
Zürich wurde im selben Beschluss eingeladen, Piu und seiner Familie eine
neue Frist zur Ausreise anzusetzen.

    D.- Gegen diesen Entscheid haben die Eheleute Piu-Azzaro am 6. November
1970 staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie verlangen die Aufhebung
des angefochtenen Beschlusses.

    Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt am 10. Dezember 1970 die
Abweisung der Beschwerde; das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
empfiehlt am 8. Januar 1971 deren Gutheissung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) (Unzulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde.)

    b) In Betracht fällt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die generell
zulässig ist gegen Verfügungen, "die sich auf öffentliches Recht des
Bundes stützen" (Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 des BG vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren) und von einer letzten
kantonalen Instanz ausgehen (Art. 98 lit. g OG), was hier zutrifft.

    Art. 100 lit. b Ziffer 3 OG schliesst im Bereich des
Fremdenpolizeirechts die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus für alle
Streitsachen über die "Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf
die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt". Nun hat der Ausländer nach
dem BG vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer,
mit Abänderungen vom 8. Oktober 1948 (RSI/2 Nr. 142.20, Abkürzung:
ANAG), gerade keinen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung oder auf
die Erneuerung einer solchen (BGE 93 I 5; auch Urteil vom 14. Mai 1971
i.S. S., Erw. 1b). Art. 4 ANAG drückt das in der Weise aus, dass er den
Entscheid darüber ins freie Ermessen der Behörde verweist.

    Abweichend von diesem allgemeinen Prinzip besteht jedoch für die
italienischen Arbeitskräfte in der Schweiz ein staatsvertragliches
Sonderrecht. Dieses beruht auf dem erwähnten Abkommen zwischen der
Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach
der Schweiz. Nach Art. 11 dieses Abkommens geniessen die italienischen
Arbeitskräfte nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt
von wenigstens fünf Jahren eine Vorzugsbehandlung. Zu ihr gehört
grundsätzlich ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
für ihre Tätigkeit an ihrem bisherigen Arbeitsplatz.

    c) Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführer italienische
Arbeitskräfte sind und seit über fünf Jahren ununterbrochenen Aufenthalt in
der Schweiz haben. Damit steht ihnen grundsätzlich ein staatsvertraglich
gewährleisteter Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
zu. Das Staatsvertragsrecht, das den Italienern eine Vorzugsbehandlung
zusichert, geht dem für Ausländer sonst allgemein geltenden Landesrecht
vor (BGE 94 I 678 mit Hinweisen; AUBERT, Traité de droit constitutionnel
suisse, Bd. II, Nr. 1326/27). Ob der Aufenthalt der Beschwerdeführer
"ordnungsgemäss" war und ob sie allenfalls den staatsvertraglichen Anspruch
auf Verlängerung dieses Aufenthaltes durch ihr Verhalten verwirkt haben,
ist Aufgabe der Sachprüfung. Nur durch sie kann ermittelt werden, ob
der Anspruch, den das Abkommen bestimmten italienischen Arbeitnehmern
allgemein zuspricht, den Beschwerdeführern aus irgendwelchen Gründen
nicht zustehe. Die Abklärung dieser Frage wird der Kompetenz des
Bundesgerichtes durch Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG nicht entzogen. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist mithin zulässig.

Erwägung 2

    2.- Art. 11 des Abkommens vom 10. August 1964 gewährt den italienischen
Arbeitskräften nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt
von wenigstens fünf Jahren eine Vorzugsbehandlung, die u.a. darin besteht,
dass ihnen ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für
ihre Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz zukommt.

    a) Die Voraussetzungen, dass die Beschwerdeführer in den Genuss dieser
Vergünstigungen gelangen, sind verschiedener Art. Erste Bedingung ist ein
mindestens fünfjähriger ununterbrochener Aufenthalt in der Schweiz. Sodann
muss dieser Aufenthalt ordnungsgemäss sein. Dies setzt im Einzelnen
voraus, dass der mehr als fünfjährige Aufenthalt der Beschwerdeführer in
der Schweiz von den zuständigen Behörden bewilligt worden ist und dass er
auch hinsichtlich des Verhaltens der Beschwerdeführer den Vorschriften
über den Aufenthalt der Ausländer entspricht (Art. 10 des Abkommens,
der diesbezüglich auf das ANAG hinweist). Es dürfen mithin gegen die
Ausländer keine Entzugsgründe der Aufenhaltsbewilligung (Art. 9 Abs. 2
ANAG) vorliegen. Schliesslich darf in wirtschaftspolitischer Hinsicht weder
eine schwere Arbeitslosigkeit herrschen (Art. 11 Ziff. 2 des Abkommens)
noch ein Vorbehalt spezieller Beschränkungsmassnahmen im Sinne des Art. 11
Ziff. 3 des Abkommens wirksam sein.

    Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann dem unselbständig erwerbenden
Italiener, der sich seit mehr als fünfJahren ununterbrochen in der
Schweiz aufhält, die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nicht
verweigert werden.

    b) Wie vorne (Erw. 1/c) bereits erwähnt worden ist, erfüllen die
Beschwerdeführer unbestrittenermassen die Voraussetzung des mehr als
fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthaltes in der Schweiz. In concreto
fallen auch die Spezialtatbestände der Ziffern 2 und 3 des Art. 11 des
Abkommens nicht in Betracht: der Tatbestand der Ziff. 2 insofern nicht, als
im Kanton Zürich keine schwere Arbeitslosigkeit herrscht, der Tatbestand
der Ziff. 3 ebenfalls nicht, weil keine Vorschriften, welche die Zulassung
ausländischer Arbeitskräfte aus zwingenden Gründen des Landesinteresses
einschränken (namentlich solche über die Begrenzung und Herabsetzung der
Zahl der kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte), erheischen,
dass die Beschwerdeführer im Kanton Zürich nicht mehr erwerbstätig sind.

    Es bleibt daher zu prüfen, ob im bisherigen Aufenthalt der
Beschwerdeführer in der Schweiz Gründe liegen, welche die Verlängerung
der Aufenthaltsbewilligung (auf die sie nach Massgabe des Abkommens
grundsätzlich einen Anspruch haben) ausschliessen.

Erwägung 3

    3.- a) Ein Grund, den Beschwerdeführern die Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung und damit auch die Vorzugsbehandlung nach Art. 1l
in Verbindung mit Art. 10 des Abkommens zu verweigern, liegt vor, wenn
ihr Verhalten "Anlass zu schweren Klagen gibt" (Art. 9 Abs. 2 lit. b
ANAG). Der Begriff der "schweren Klagen" ist, wie das Bundesgericht in
früheren Urteilen schon festgestellt hat (BGE 93 I 6; 94 I 197; Urteil
vom 14. Mai 1971 i.S. S., Erw. 2 a), ein unbestimmter Rechtsbegriff, der
seinen Inhalt aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift sowie der Stellung im
Gesetz und im Rechtssystem gewinnt. Der Behörde, die einen solchen Begriff
auf den Einzelfall anzuwenden hat, ist ein gewisser Beurteilungsspielraum
eingeräumt, weshalb das Bundesgericht grundsätzlich die Begriffsauslegung
nur mit Zurückhaltung überprüft (BGE 96 I 369, mit Hinweisen).

    b) Die Bestimmungen über das Verhalten der Ausländer während
ihres Aufenthaltes in der Schweiz sind ihrem Wesen nach polizeilicher
Natur. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit,
die Aufgabe der Polizei ist, obliegt der Behörde von Amtes wegen. Wenn
daher die genannte Bestimmung von einem Verhalten spricht, das "Anlass zu
schweren Klagen gibt", bedeutet dies, dass nicht primär subjektiv, sondern
objektiv, d.h. im Lichte der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Anlass
zu schweren Klagen besteht (BGE 93 I 7; 94 I 197; Urteil vom 14. Mai
1971 i.S. S., Erw. 2 b). Der Kreis der wegen ihrer Bedeutung für die
öffentliche Ordnung und Sicherheit durch diese Vorschrift geschützten
Rechtsgüter ist enger, wenn die Vorschrift gegenüber einem durch das
Abkommen privilegierten Ausländer angewandt wird. Sie dient dann nicht
- wie generell - der Abwehr der Überfremdung und der Vermeidung einer
Störung des Arbeitsmarktes, sondern vor allem dem Schutz der im Gaststaat
geltenden Ordnung. Diese umfasst mit und neben dem Recht auch die ihr zu
Grunde liegenden sittlichen Werte und gesellschaftlichen Strukturen. Die
zuständigen Behörden haben diesbezüglich streng zu achten, ausschliesslich
das polizeiliche Interesse wahrzunehmen.

    c) Die die Rechtsstellung des aus dem Abkommen privilegierten
Ausländers äusserst stark beeinträchtigende Massnahme der Verweigerung
einer Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung aus Gründen, welche im
Verhalten des Ausländers liegen, ist nur dann anzuordnen, wenn dieses
Verhalten "zu schweren Klagen Anlass gibt". Die das Massnahmerecht
handhabende Behörde hat bei der Frage, ob ein Fall schwer wiege, die
Bedeutung der verletzten Rechtsgüter innerhalb der staatlichen und
gesellschaftlichen Ordnung des Gastlandes einerseits, die Umstände des
inkriminierten Verhaltens sowie die persönlichen Verhältnisse des zu
Klagen Anlass gebenden Ausländers anderseits in Betracht zu ziehen.

    Sie wird jedoch bei der Abwägung dem Grundgedanken des Abkommens
gebührend Rechnung tragen, namentlich dort, wo sie Ermessensfragen zu
beurteilen hat, die dem betroffenen Ausländer günstigste Behandlung
zukommen lassen.

Erwägung 4

    4.- a) Das Verhalten der Beschwerdeführer, das zu "schweren Klagen"
Anlass geben und mithin einer Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung
ausschliessen soll, wird von der Vorinstanz aufgrund folgender Tatsachen
qualifiziert:

    Frau Crocifissa Piu-Azzaro hält sich seit dem 30. Januar 1960 in
der Schweiz auf. Am 24. Mai 1963 wurde sie mit Fr. 15.- gebüsst, weil
sie ein Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung verspätet
eingereicht hatte. In den Jahren 1964/65 wurde sie zweimal betrieben,
davon einmal für Steuern. Am 12. Dezember 1965 wurde sie erwischt,
als sie in einem Selbstbedienungsladen Waren im Werte von Fr. 13.10
entwendete. Sie leistete ein Bussendepositum von Fr. 43.-; damit hatte
es sein Bewenden. Seither hatten sich die Behörden nicht mehr mit ihr zu
befassen. Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung liegt jedoch
nach Ansicht der Vorinstanz einzig darin begründet, dass Crocifissa Piu
in die Wegweisungsverfügung ihres Ehemannes einbezogen werden muss.

    Giuseppe Piu hat Schulden gemacht, und er ist wiederholt für Steuern
und andere Schulden betrieben worden. 1964 stand er wegen Unterdrückung
einer Urkunde (eines Schuldscheins, den er für ein Darlehen ausgestellt
hatte) in Strafuntersuchung. Das Verfahren wurde am 9. März 1964
eingestellt, doch wurden dem Beschuldigten die Kosten auferlegt. Vor
allem aber wurde er wegen Verletzung von Strassenverkehrsvorschriften
sechs Mal mit Bussen von Fr. 10.- bis 50.- bestraft. Zwei Mal wurde ihm
der Führerausweis entzogen.

    Alles zusammen führte zur ersten Verwarnung der kantonalen
Fremdenpolizei vom 20. Januar 1966.

    Am 6. Mai 1967 wurde Giuseppe Piu wegen. Geschwindigkeitsüberschreitung
innerorts neuerdings mit Fr. 90.- gebüsst. Das gab Anlass zu einer zweiten
Verwarnung vom 21. Juni 1967. Damals schrieb die kantonale Fremdenpolizei
dem Beschwerdeführer u.a.:

    "Mit Rücksicht darauf, dass Sie sich seit sechs Jahren in der Schweiz
aufhalten, verzichten wir, Ihnen den Aufenthalt zu entziehen. Hingegen
bringen wir Ihnen die ergangene Verwarnung in Erinnerung und machen
Sie darauf aufmerksam, dass ohne weitere Rücksichtnahme auf die Dauer
Ihres Aufenthaltes in der Schweiz oder Ihre persönlichen Verhältnisse
Ihre sofortige Wegweisung verfügt wird, falls Ihr Verhalten erneut zu
Beanstandungen Anlass geben sollte."

    Am 21. August 1968 rammte Giuseppe Piu mit seinem Auto bei einem
unvorsichtigen Überholmanöver innerorts einen korrekt fahrenden Radfahrer;
dieser wurde zu Boden geworfen und verletzt. Da die Schädigung nicht
schwer war, wurde Piu nicht von Amtes wegen verfolgt. Der Geschädigte
stellte keinen Strafantrag (Art. 125 StGB). Giuseppe Piu wurde nur wegen
SVG-Übertretung mit Fr. 90.- gebüsst. Zudem wurde ihm der Führerausweis
neuerdings für zwei Monate entzogen.

    Am 16. Mai 1969 wurde Giuseppe Piu von der Franz AG fristlos entlassen,
weil seine Arbeitsdisziplin während längerer Zeit nicht befriedigt und
weil er eine junge Frau während der Arbeitszeit belästigt hatte.

    b) Prüft man das Verhalten des Giuseppe Piu nach Massgabe der in
Erwägung 3 dargelegten Kriterien, so erscheint die Verweigerung der
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung unzulässig. Auch wenn man davon
ausgeht, es bestehe angesichts der gegenwärtigen Überfremdung ein grosses
Interesse daran, dass charakterlich und beruflich minderwertige Elemente
durch einwandfreie und tüchtige Leute ersetzt werden, so lässt sich
schlechthin nicht sagen, das Verhalten des Giuseppe Piu gebe derart zu
schweren Klagen Anlass, dass ihm und seiner Familie die Vorzugsbehandlung
des Abkommens nicht mehr zuteil werden dürfte.

    Es ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer seine Schulden
bezahlt hat. Sämtliche Geldstrafen, die gegen ihn ausgefällt wurden, sind
Bagatellbussen. Keine hat den Betrag von Fr. 100.-- erreicht, weshalb
sie auch nicht ins schweizerische Zentralstrafregister aufzunehmen waren
(Art. 9 Ziffer 2 der Verordnung über das Strafregister vom 14. November
1941, in der Fassung gemäss BRB vom 22. November 1960, RS 3 Nr. 331). Der
Beschwerdeführer figuriert darin nicht. Nun können allerdings die
fremdenpolizeilichen Aspekte von denen des Strafrechts sehr wohl
verschieden sein (BGE 93 I 8). Allein der Regierungsrat erklärt in der
Vernehmlassung selber, das Verhalten des Beschwerdeführers könnte nicht
dazu führen, dass ihm der Führerausweis dauernd entzogen würde. Unter
diesen Umständen kann aber erst recht nicht angenommen werden, die
Klagen über sein Verhalten im Strassenverkehr seien derart schwer, dass
sein weiteres Verbleiben in Zürich mit Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG sich
nicht mehr vereinbaren liesse. Auch sein übriges Verhalten, das seit
seiner Verehelichung nicht mehr beanstandet wurde, lässt einen solchen
Schluss nicht zu. Der Arbeitgeber ist mit ihm zufrieden. Die Annahme,
dass er aus den Bussen, den Führerausweisentzügen und nicht zuletzt aus
dem vorliegenden Verfahren einiges gelernt hat, ist jedenfalls nicht zum
vorneherein ausgeschlossen.

    c) Wenn die kantonale Fremdenpolizei und in Bestätigung ihrer Verfügung
die Vorinstanz das inkriminierte Verhalten des Giuseppe Piu mit einer
Verweigerung der ihm und seiner Familie nach Art. 11 Ziff. 1 des Abkommens
zustehenden Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sanktioniert haben,
so entspricht dies nicht nur nicht dem Grundgedanken des Abkommens
vom 10. August 1964, sondern steht dies auch im offensichtlichen
Widerspruch zum verfassungsmässigen Grundsatz der Verhältnismässigkeit
von Verwaltungsmassnahmen (BGE 93 I 94; 91 I 464; 90 I 343; IMBODEN,
Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl. Bd. 1, Nr. 342 II,
S. 220 f., Nr. 367, S. 303 ff.). Eine derartige Sanktion schiesst über
das hinaus, was zur Erreichung des gesetzlichen Zweckes notwendig ist
und dem Verhalten der Betroffenen angemessen erscheint.

    Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen und der Beschluss des
Regierungsrates des Kantons Zürich vom 4. September 1970 aufzuheben.