Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 450



97 I 450

60. Urteil vom 9. Juli 1971 i.S. X. AG gegen Eidg. Steuerverwaltung.
Regeste

    Emissionsabgabe, Couponabgabe und Verrechnungssteuer.

    Bei mittelfristigen Darlehen sind - unabhängig davon, ob es sich um
Amortisationsdarlehen oder um getrennte Darlehen mit unterschiedlichen
Laufzeiten handelt - nur jene Kapitalbeträge der Abgabe zu unterwerfen,
deren Laufzeit die gesetzliche Mindestdauer von zwei Jahren übersteigt
(Art. 11 Abs. 1 lit. c StG).

Sachverhalt

    A.- Am 3. Juli 1966 offerierte eine Investment-Gesellschaft aus
Kuwait der Beschwerdeführerin aufgrund eines Kreditgesuches in der
Höhe von US $2'000,000 auf den 8. Juli 1966 500'000 Dollar für jede der
folgenden Perioden von 12, 18, 24 und 30 Monaten zu einem Zins von 7,5%,
7'625%, 7,75% und 7'875% p.a. netto gegen unbedingte Garantieerklärung
der Muttergesellschaft der X. AG in Deutschland. Die Beschwerdeführerin
nahm die Offerte an; die Garantieerklärung wurde abgegeben.

    In der Folge unterwarf die Eidg. Steuerverwaltung US $2'000,000 als
langfristiges Darlehen im Sinne von Art. 11 Abs. 1 lit. c StG und die
Zinsen gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. d CG und Art. 4 Abs. 1 lit. a VStB der
Besteuerung. Die Beschwerdeführerin bestritt die Abgabepflicht vorerst
mit dem Einwand, es handle sich bei den US $2'000,000 um ein jederzeit
rückforderbares Darlehen; im Einspracheverfahren liess sie diese Einrede
fallen, brachte dagegen vor, es lägen vier verschiedene Darlehen von je
US $500'000 vor, wovon lediglich eines eine Laufzeit von mehr als zwei
Jahren aufweise und demnach der Besteuerung unterworfen werden dürfe.

    B.- Die Eidg. Steuerverwaltung wies die Einsprache am 30. Dezember 1970
ab. Sie hielt in der Begründung daran fest, dass der dem Darlehensvertrag
zugrunde liegende und daher allein massgebliche Parteiwille auf ein
Darlehen (ein sogenanntes Amortisationsdarlehen) gerichtet gewesen sei. Die
Emissionsabgabe sei daher, unabhängig von der Laufzeit der einzelnen
Amortisationsbeträge, auf dem vollen Darlehensbetrag zu entrichten;
analog unterlägen sämtliche bis Ende 1966 verfallenen Darlehenszinse der
Couponabgabe und der Verrechnungssteuer. Dagegen sei die Emissionsabgabe
gemäss Art. 14 Abs. 2 und 3 StV im einzelnen nach der Anlagedauer der
Kapitalbeträge zu berechnen.

    C.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Beschwerdeführerin verlangt die
Feststellung, dass lediglich dasjenige Darlehen von US $500'000 der
Besteuerung unterworfen werden könne, dessen Rückzahlung auf den 7. Januar
1969 vereinbart worden sei.

    Die Eidg. Steuerverwaltung beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist
unbestritten. Die Zuständigkeit des Bundesgerichtes ergibt sich aus Art. 8
Abs. 5 StG in Verbindung mit Art. 98 lit. c OG; die Legitimation der
Beschwerdeführerin ist nach Art. 103 lit. a OG gegeben; die Beschwerde
ist rechtzeitig (Art. 106 OG) und den formellen Anforderungen des
Gesetzes entsprechend (Art. 108 OG) eingereicht worden. Es ist somit
darauf einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 11 Abs. 1 lit. c StG (in der hier massgeblichen
Fassung vom 22. Dezember 1927) sind den Obligationen gleichgestellt -
und unterliegen bei der Ausgabe der für Obligationen vorgesehenen Abgabe
- Urkunden zum Nachweis oder zur Gutschrift von Darlehensguthaben im
Betrage von mehr als Fr. 30'000.-- (seit dem Inkrafttreten des VStG
Fr. 50'000.--),

    "sofern die vertraglichen Bestimmungen dem Darlehen eine Mindestdauer
von mehr als zwei Jahren gewährleisten und sofern mindestens eine der
Parteien im Handelsregister eingetragen ist oder, ohne im Handelsregister
eingetragen zu sein, ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe
betreibt; mehrere einem Gläubiger gegen denselben Schuldner zustehende,
auf länger als zwei Jahre gewährte Darlehen sind zusammenzuzählen".

    Die Steuerbarkeit eines Darlehens hängt mithin u.a. von seiner
vertraglichen Mindestlaufzeit ab. Massgebend für die Bestimmung der
Laufzeit ist der der Darlehensvereinbarung zugrunde liegende Parteiwille.

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Fall wird darüber gestritten, ob die zwischen
den Vertragsparteien bei Abschluss des Darlehensgeschäftes getroffene
Vereinbarung auf die Gewährung eines einheitlichen Darlehens von US
$2'000,000 oder von vier getrennten Darlehen von je US $500'000 mit
unterschiedlicher Laufzeit gerichtet war. Vorinstanz und Beschwerdeführer
sind bestrebt, dies durch Ergründung des Parteiwillens abzuklären.

    Es bestehen Anzeichen sowohl für das Vorliegen eines einzigen wie
von vier getrennten Darlehen. Die Akten erhellen indes deutlich - und
die Beschwerdeführerin gibt dies schliesslich in ihrer Beschwerdeschrift
auch zu - dass die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
der Frage, ob formell ein einziges Darlehen von US $2'000,000 oder
vier Einzeldarlehen von je US $500'000 vereinbart werden sollten, keine
Bedeutung zugemessen haben. Unter diesen Umständen erscheint es verfehlt,
der ursprünglichen Parteivereinbarung nachträglich einen Parteiwillen
unterlegen zu wollen, der offenbar bei Vertragsabschluss gar nicht
bestand. Der Frage nachzugehen, ob man ein einziges oder mehrere Darlehen
vereinbart habe, erübrigt sich zudem, da ihr - wie die nachfolgenden
Erwägungen ergeben - für die Entscheidung des vorliegenden Streites keine
wesentliche Bedeutung zukommt.

Erwägung 4

    4.- a) Dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 lit. c StG gemäss ist für die
Abgabepflicht nicht die tatsächliche Laufzeit, sondern die vertragliche
Dauer des einzelnen Darlehensschuldverhältnisses entscheidend.
Übersteigt diese zwei Jahre und sind die übrigen Voraussetzungen der
Abgabepflicht erfüllt, ist das Darlehen zur Besteuerung heranzuziehen. Die
Vorinstanz nimmt an, ein die Mindestdauer von 2 Jahren übersteigendes
Darlehensschuldverhältnis liege vor, wenn vor Ablauf von zwei Jahren die
gänzliche Rückzahlung nicht gefordert werden kann.

    Rückzahlungsraten eines auf länger als zwei Jahre gewährten
Amortisationsdarlehens, die in den ersten zwei Jahren fällig werden,
sind ihrer Ansicht nach von der Abgabepflicht nicht ausgenommen.

    Eine derartige Auslegung liesse sich allenfalls bei isolierter
Betrachtung der Bestimmung über die Mindestdauer bezüglich eines
langfristigen, anleihensähnlichen Darlehens rechtfertigen,
dessen Rückzahlungsraten während der ersten zwei Jahre des
Darlehensschuldverhältnisses gemessen am Gesamtbetrag des Darlehens
quantitativ nicht ins Gewicht fallen. Stellt man jedoch die auszulegende
Regel über die Mindestdauer in den gesamten Zusammenhang des Art. 11
Abs. 1 lit. c, drängt sich bezüglich der mittelfristigen Darlehen, die
nicht anleihensähnliche Geschäfte darstellen, sondern der Überbrückung
eines vorübergehenden Kreditbedürfnisses dienen, ein anderes Ergebnis auf.

    b) Nach dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 lit. c StG sind mehrere einem
Gläubiger gegen denselben Schuldner zustehende, auf länger als zwei
Jahre gewährte Darlehen zusammenzuzählen. Nicht notwendig ist dabei,
dass die verschiedenen Darlehen gleichzeitig abgeschlossen wurden und
dass sie auf den nämlichen Zeitpunkt rückzahlbar sind; zusammenzuzählen
sind alle Beträge der im Zeitpunkt des Abgabeverfalls zwischen denselben
Parteien bestehenden Darlehen, vorausgesetzt, dass die Mindestdauer der
Laufzeit durchweg zwei Jahre übersteigt (AMSTUTZ/WYSS, Kommentar zum StG,
N. 10 zu Art. 1 l'S. 44).

    Damit hat der Gesetzgeber für die Bestimmung der Abgabepflicht
bei einer Mehrheit von Darlehen eines Gläubigers gegen denselben
Schuldner ausdrücklich die Berücksichtigung der Laufzeit der einzelnen
Darlehen verlangt. Es ist nun nicht einzusehen, weshalb dies dann
unzulässig sein sollte, wenn die einzelnen Darlehensbeträge Teile
eines Amortisationsdarlehens bilden. Die Regelung des Art. 11 Abs. 1
lit. c bezweckt keine Bevorzugung jener Personen, die in Kenntnis
der abgaberechtlichen Auswirkungen eines Darlehensgeschäftes statt
eines Amortisationsdarlehens mit Rückzahlungsraten in den ersten
zwei Jahren des Darlehensschuldverhältnisses mehrere Einzeldarlehen
mit zum Teil unter, zum Teil über zwei Jahren liegenden Laufzeiten
vereinbaren. Die Einführung dieser Bestimmung in das StG im Jahre
1927 verfolgte den Zweck, durch Besteuerung der langfristigen Darlehen
der bei der damaligen Rechtslage möglichen Umgehung der Stempelabgabe
einen Riegel zu schieben (Botschaft des Bundesrates vom 28. Mai 1926
über die Abänderung des StG und des CG, BBl 1926 I 742; Sten Bull 1927,
NR S. 826 f., StR S. 219). Die Umgehungsmöglichkeit bestand darin, dass
normalerweise in Obligationen angelegte und daher der Emissionsabgabe
unterworfene Beträge auf lange Frist gegen gewöhnliche Schuldscheine
"angeliehen" wurden. Nicht beabsichtigt war dagegen, mit der Erfassung
der langfristigen Darlehen auch den normalen Handelsverkehr durch die
Abgabe zu treffen. Jene Darlehensformen, die nicht Anleihen ersetzen,
sollten auch nicht zur Steuerentrichtung herangezogen werden (Sten Bull
1927, NR S. 826, StR S. 219).

    c) Daraus erhellt, dass nach Art. 11 Abs. 1 lit. c StG
bei mittelfristigen Darlehen - unabhängig davon, ob es sich um
Amortisationsdarlehen oder um getrennte Darlehen mit unterschiedlichen
Laufzeiten handelt - nur jene Kapitalbeträge der Abgabe zu unterwerfen
sind, deren Laufzeit die gesetzliche Mindestdauer von zwei Jahren
übersteigt. Einzig diese Auslegung wird dem mit der Bestimmung des
Art. 11 Abs. 1 lit. c StG angestrebten Zweck - Berücksichtigung der
wirtschaftlichen Gegebenheiten - gerecht.

Erwägung 5

    5.- Der Darlehensvertrag ist nach der Regelung im Obligationenrecht
(Art. 312-318) von Gesetzes wegen an keine besondere Form gebunden; eine
solche wurde im vorliegenden Fall von den Parteien nicht vorbehalten;
der Vertrag kam durch Annahme der Offerte des Kreditgebers seitens
der Beschwerdeführerin zustande. Die Offerte enthielt die nach Art. 11
Abs. 1 lit. c StG massgeblichen vertraglichen Bestimmungen über die Dauer
der einzelnen Darlehensbeträge. Von diesen Beträgen überstieg nur jener,
dessen Rückzahlung auf den 7. Januar 1969 vereinbart worden war, mit seiner
Laufzeit von 30 Monaten die für die Abgabepflicht erhebliche Mindestdauer
von zwei Jahren. Nur er ist daher - und weil für ihn unbestrittenermassen
auch die übrigen Voraussetzungen der Abgabepflicht erfüllt sind - zur
Besteuerung heranzuziehen.

    Dass er vor Ablauf des in der ursprünglichen Vereinbarung
festgesetzten Rückzahlungstermins zurückerstattet wurde, vermag an
der Abgabepflicht nichts zu ändern, da - wie vorne dargelegt wurde -
die ursprünglich vereinbarte Dauer des Darlehensschuldverhältnisses und
nicht die tatsächliche bzw. nachträglich vereinbarte die Abgabepflicht
bestimmt. Die vorzeitige Rückzahlung lässt jedoch darauf schliessen,
dass der Parteiwille nicht auf den Abschluss eines langfristigen,
anleihensähnlichen Darlehensgeschäftes gerichtet war, sondern auf die
Vereinbarung eines kurz- bis mittelfristigen Überbrückungskredites.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass die
Emissionsabgabe, die Couponabgabe und die Verrechnungssteuer nur soweit
zu bezahlen sind, als sie sich auf den Darlehensbetrag von 500'000 Dollar
beziehen, dessen Rückzahlung auf den 7. Januar 1969 vereinbart wurde.