Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 434



97 I 434

58. Auszug aus dem Urteil vom 11. Juni 1971 i.S. X. gegen
Steuer-Rekurskommission des Kantons Aargau. Regeste

    Wehrsteuer auf dem Kapitalgewinn, Art. 21 Abs. 1 lit. d und Art. 43
WStB.

    Hat die Veranlagungsbehörde den Kapitalgewinn und das übrige Einkommen
zu Unrecht gesondert eingeschätzt, der Steuerpflichtige aber nur die
Besteuerung des Kapitalgewinns angefochten, so darf die kantonale
Rekurskommission die beiden Veranlagungen auch dann in eine einzige
zusammenziehen, wenn die Veranlagungsbehörde die Verfügung über die
Festsetzung der Jahressteuer auf dem Kapitalgewinn dem Steuerpflichtigen
erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für die Verfügung über die
Festsetzung der ordentlichen Wehrsteuer eröffnet hat.

Sachverhalt

                   Auszug aus dem Sachverhalt:

    A.- Die Ehefrau von X. verkaufte im März 1962 ein Restaurant, das sie
bis anhin zusammen mit X. betrieben hatte. Am 17. März 1964 deklarierte
sie aus diesem Verkauf einen "steuerpflichtigen Liquidationsgewinn"
von Fr. 91'120.--. X. wurde am 30. Dezember 1964 für die Staats-
und Gemeindesteuern mit einem steuerbaren Liquidationsgewinn von Fr.
108'840.-- veranlagt. Auf seine Einsprache setzte die zuständige
Gemeindesteuerkommission den für die kantonalen Steuern massgebenden Betrag
auf Fr. 96'270.-- herab. Ausserdem stellte sie fest, der für die Wehrsteuer
massgebende Liquidationsgewinn belaufe sich auf Fr. 109'000.--. Die
entsprechende Veranlagung für die Wehrsteuer (Jahressteuer gemäss Art. 43
WStB) wurde X. erst am 10. November 1967 formell eröffnet. Seine Einsprache
dagegen wies die Gemeindesteuerkommission ab.

    Auf Rekurs des X. erklärte die kantonale Steuerrekurskommission,
X. hätte für den fraglichen Liquidationsgewinn nicht der Jahressteuer
nach Art. 43 WStB, sondern der ordentlichen Wehrsteuer nach Art. 21 Abs. 1
lit. d WStB unterworfen werden sollen. Unter Aufhebung des angefochtenen
Einspracheentscheides bezog sie den nach Abzug des Privatanteils an der
veräusserten Liegenschaft auf Fr. 85'270.-- berechneten Liquidationsgewinn
nachträglich in die Wehrsteuerveranlagung 1963/64 ein und setzte das
steuerbare Einkommen des X. für jene Periode auf Fr. 58'200.-- fest.

    Eine Veranlagung zur Wehrsteuer 1963/64, die den im Jahre 1962
erzielten Kapitalgewinn nicht umfasste, war X. am 30. September 1964
eröffnet worden. Er hatte dagegen kein Rechtsmittel ergriffen und die
Steuer im Dezember 1964 bezahlt.

    B.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt
X., die nachträgliche Änderung der Wehrsteuerveranlagung für die Jahre
1963/64 aufzuheben. Zur Begründung führt er aus, die Veranlagung für die
Wehrsteuer 1963/64 sei am 30. Oktober 1964 in Rechtskraft erwachsen; eine
nachträgliche Änderung durch Einbezug des zuerst irrtümlich mit einer
Jahressteuer gemäss Art. 43 WStB belegten Liquidationsgewinnes in die
ordentliche Einkommensbesteuerung sei nach BGE 85 I 252 höchstens dann
möglich, wenn die beiden ursprünglichen Veranlagungen zur gleichen Zeit
erfolgten und erkennbar auf einer einheitlichen Entscheidung beruhten;
dies treffe im vorliegenden Falle nicht zu.

    C.- Das kantonale Steueramt, die kantonale Steuer-Rekurskommission
und die Eidg. Steuerverwaltung beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Besteuerung des bei einer Liquidation erzielten Kapitalgewinnes
stellt nach der Ordnung des Wehrsteuerbeschlusses einen integrierenden
Bestandteil der Besteuerung des Gesamteinkommens dar. Dies trifft
zu, ob nun der Kapitalgewinn mit der besonderen Jahressteuer nach
Art. 43 WStB erfasst wird oder zusammen mit den übrigen Einkünften
der ordentlichen Einkommenssteuer unterliegt. (BGE 79 I 366/ASA 22
344, 85 I 252/ASA 28 510). Ficht der Steuerpflichtige die gesonderte
Erfassung eines Kapitalgewinnes mit einer Jahressteuer an, so muss er
demnach grundsätzlich damit rechnen, dass die Rekursinstanz den Gewinn
der ordentlichen Einkommenssteuer der entsprechenden Veranlagungsperiode
unterwirft, auch wenn die übrigen Steuerfaktoren für diese Periode bereits
festgelegt worden sind und ihre Festsetzung nicht angefochten ist (BGE
97 I 282 E. 3).

Erwägung 2

    2.- Auf Rekurs des Beschwerdeführers hin hat im vorliegenden
Falle die kantonale Rekurskommission den Kapitalgewinn aus dem Verkauf
des Restaurants, statt ihn wie die erste Instanz einer Jahressteuer
nach Art. 43 WStB zu unterwerfen, den übrigen Einkünften der Jahre
1961/62 zugerechnet und so das gesamte steuerbare Einkommen für die
12. Wehrsteuerperiode festgelegt. Die ursprüngliche Veranlagung für
die ordentliche Einkommenssteuer der 12. Wehrsteuerperiode, die den
Kapitalgewinn nicht erfasste, erfuhr eine entsprechende Änderung. Damit
musste nach dem bereits Gesagten der Beschwerdeführer grundsätzlich
rechnen, obschon er die ursprüngliche Veranlagung nicht angefochten hatte.

    Der Beschwerdeführer weist nun allerdings daraufhin, dass ihm die
Veranlagung für eine besondere Jahressteuer nach Art. 43 WStB erst am 10.
November 1967 eröffnet worden ist, mehr als drei Jahre also nach der
Eröffnung der Veranlagung für die ordentliche Steuer vom Einkommen
für die 12. Wehrsteuerperiode. Aus BGE 85 I 252 glaubt er entnehmen
zu können, dass die Verfügung über die Festsetzung der ordentlichen
Wehrsteuer und die Verfügung über die Festsetzung der Jahressteuer auf
dem Kapitalgewinn nur dann als Bestandteile einer die Besteuerung des
gesamten Einkommens ordnenden einheitlichen Entscheidung gelten, wenn
sie gleichzeitig erlassen werden. Mangels Gleichzeitigkeit der beiden
Verfügungen im vorliegenden Falle kann nach seiner Ansicht deshalb der
Kapitalgewinn nicht mehr in die ordentliche Steuerveranlagung für die 12.
Wehrsteuerperiode einbezogen werden.

    Diese Argumentation geht jedoch fehl. In BGE 85 I 252 wird
lediglich festgestellt, im konkreten Falle seien die beiden Verfügungen
zur gleichen Zeit ergangen. Dieser Umstand wird jedoch nicht zur
Voraussetzung der Abänderbarkeit der unangefochten gebliebenen,
ordentlichen Wehrsteuerveranlagung erhoben. Ob zwischen der Eröffnung
der ordentlichen Veranlagung für eine Periode und jener der Veranlagung
zu einer Jahressteuer auf dem in der Berechnungsperiode dazu erzielten
Kapitalgewinn eine gewisse Zeit verstreicht, ist unter Vorbehalt der
vom Beschwerdeführer zu Recht nicht mehr angerufenen Bestimmungen über
die Verwirkung des Rechts zur Veranlagung (Art. 98 WStB) und über die
Verjährung der Wehrsteuerforderung (Art. 128 WStB) bedeutungslos. Ist
die Veranlagung zur Jahressteuer, wie im vorliegenden Falle, fristgerecht
eingeleitet worden, so sind die Veranlagungsbehörden für die Durchführung
der Veranlagung an keine gesetzlichen Fristen mehr gebunden (KÄNZIG,
Wehrsteuer, N. 3 zu Art. 98 WStB). Die Einheitlichkeit der Entscheidung
über die Besteuerung des gesamten Einkommens ist auch gewahrt, wenn die
Verfügung über die Festsetzung der ordentlichen Wehrsteuer vor jener über
die Festsetzung der Jahressteuer auf dem Kapitalgewinn erlassen wird. Auch
in diesem Falle bildet natürlich die Besteuerung des Kapitalgewinnes
einen integrierenden Bestandteil der Besteuerung des Gesamteinkommens der
betreffenden Periode. Bei Anfechtung der Veranlagung zu einer Jahressteuer
muss der Steuerpflichtige auch hier damit rechnen, dass die Rekursinstanz
den Kapitalgewinn mit dem übrigen Einkommen zusammenrechnet und ihn
der ordentlichen Steuer unterwirft. Die Einrede der Rechtskraft der
ursprünglichen Veranlagung der ordentlichen Wehrsteuer ist somit auch in
diesem Falle unbegründet.