Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 417



97 I 417

56. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. März 1971 i.S. Näf gegen
Aufsichtsbehörde über das Handelsregister des Kantons St. Gallen. Regeste

    Handelsregister, Eintragungspflicht.

    Der Inhaber einer Gemüsegärtnerei ist zur Eintragung nicht
verpflichtet, wenn sein Betrieb der Landwirtschaft, also nicht einem
andern, nach kaufmännischer Art geführten Gewerbe im Sinne von Art. 53
lit. C HRegV zuzurechnen ist.

Sachverhalt

    A.- Karl Näf betreibt in Goldach SG eine Gemüsegärtnerei und erzielt
damit einen Jahresumsatz von rund Fr. 250'000.--. Der Betriebsgewinn
auf 30. September 1968 belief sich auf Fr. 77'000.--, die Personalkosten
machten Fr. 66'500.-- aus. Nach Angaben Näfs betrug die bewirtschaftete
Fläche im Jahre 1969 rund 4 ha (wovon rund 2,8 ha Eigenbesitz). Der Betrieb
umfasst zwei Wohnhäuser, eine Scheune mit Anbau und Kesselhaus, einen
offenen Schopf und Lagerraum, zwölf Gewächshäuser und ein Kühlhaus. Nach
Angaben des Betreibungsamtes Goldach beschäftigte Näf im Jahre 1968 16
Angestellte (ob alle gleichzeitig, ist unklar); Näf selber behauptet, im
Sommer 1969 seien es neun, im Winter 1969/70 sechs gewesen. Er führt kein
Verkaufsgeschäft, keinen Laden, sondern liefert seine Erzeugnisse in der
Regel mit einem Motorfahrzeug an rund 25 Grossabnehmer, d.h. Inhaber von
Marktständen in St. Gallen und Ladengeschäfte. Einer seiner Hauptabnehmer
ist die Migros. Im Geschäftsjahr 1967/68 stellte Näf seinen Kunden
monatliche Rechnungen für bis zu 30 Lieferungen zu. Die entsprechenden
Rechnungskopien umfassen 245 Blätter. Die Buchhaltung Näfs wird von
der Ostschweizerischen Bürgschafts- und Treuhand-Genossenschaft (OBTG)
geführt, der Näf monatlich seine Aufzeichnungen über Einnahmen, Ausgaben
und dergleichen zustellt.

    B.- Näf weigerte sich im Jahre 1969, sich entsprechend der Aufforderung
des Handelsregisteramtes des Kantons St. Gallen ins Handelsregister
eintragen zu lassen. Die Aufsichtsbehörde des Kantons St. Gallen über
das Handelsregister ordnete hierauf gestützt auf Art. 58 Abs. 1 HRegV
mit Entscheid vom 18. November 1970 die Eintragung an.

    C.- Näf beantragt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde diesen Entscheid
aufzuheben, die Eintragungspflicht zu verneinen, und die Kosten des
kantonalen und des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Kanton St.
Gallen zu überbinden und ihm, dem Beschwerdeführer, eine angemessene
Parteientschädigung zuzusprechen.

    D.- Die Aufsichtsbehörde hat auf Vernehmlassung verzichtet. Das
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 934 OR und 52 HRegV ist zur Eintragung im Handelsregister
verpflichtet, "wer ein Handels-, ein Fabrikations- oder ein anderes nach
kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt". Diese Begriffe werden
in Art. 53 HRegV näher umschrieben. Daraus ergibt sich, dass der Betrieb
des Beschwerdeführers weder ein Handels- noch ein Fabrikationsgewerbe ist,
sondern allenfalls zu den anderen, nach kaufmännischer Art geführten
Gewerben im Sinne des Art. 53 lit. C HRegV gehört. Die jährliche
Roheinnahme von mindestens Fr. 50'000.-- ist als weitere Voraussetzung
der Eintragungspflicht nach Art. 54 HRegV erfüllt.

Erwägung 2

    2.- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes sind Betriebe der
Urproduktion, insbesondere solche der Landwirtschaft, eintragungspflichtig,
wenn sie mit einem Grosshandel der gewonnenen Erzeugnisse verbunden
sind oder sonstwie nach kaufmännischer Art geführt werden und
daher unter Art. 53 lit. C HRegV fallen (BGE 78 I 68). Unter diesem
Gesichtspunkt hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in
seiner Rechtsprechung zur alten Handelsregisterverordnung vom 6. Mai
1890 Baumschulen und Handelsgärtnereien zur Eintragung verpflichtet
(SALIS/BURCKHARDT, Bundesrecht III Nr. 1505; Verwaltungsentscheide
der Bundesbehörden 1928 Nr. 34), davon aber landwirtschaftliche
Betriebe ausgenommen, was der erwähnte Entscheid in Salis/Burckhardt
als selbstverständlich unterstellt, wenn er auch unter Landwirtschaft
"die eigentliche nichteintragungspflichtige Bauernschaft" versteht,
die "vorwiegend auf Selbstversorgung gerichtet ist". Später hat
das Bundesgericht - im Hinblick auf die Unterstellung unter die
Kriegsgewinnsteuer - Baumschulen und Handelsgärtnereien zusammen mit
der Landwirtschaft zur Urproduktion gezählt, jene Betriebe jedoch wegen
der im Vordergrund stehenden kaufmännischen Tätigkeit wirtschaftlich dem
eintragungspflichtigen Gewerbe gleichgestellt (vgl. nicht veröffentlichten
Entscheid der verwaltungsrechtlichen Kammer des Bundesgerichts vom 24.
Oktober 1947 i.S. Hauenstein und Söhne). Die gleiche Frage (Unterstellung
unter die Kriegsgewinnsteuer) hatte das Bundesgericht ferner in einem
nicht veröffentlichten Entscheid vom 22. Oktober 1948 i.S. Schweizerische
Genossenschaft für Gemüsebau zu beurteilen. Es handelte sich um einen
ausgesprochenen Grossbetrieb, der damals nicht nur Gemüse, sondern auch
grosse Mengen von Getreide, Zuckerrüben und Kartoffeln in elf Betrieben von
insgesamt 130 ha erzeugte und verkaufte. Daneben besass die Genossenschaft
etwa 40 Pferde, 350 Rinder, 100 Schweine und 300 Hühner. Dass ein solcher
Betrieb nach kaufmännischen Grundsätzen geführt und buchhalterisch erfasst
werden muss, steht ausser Frage. Trotzdem rechnete ihn das Bundesgericht -
mit Ausnahme einzelner besonderer Zweige: Blumenzucht, Verkaufsfilialen -
zur Landwirtschaft und stellte ihn den Betrieben des Handels und Gewerbes
gegenüber. Dieses Urteil erwähnte das Bundesgericht im Entscheid 78 I
69/70 in zustimmendem Sinne und hielt damit an der Auffassung fest, dass
landwirtschaftliche Betriebe von der Eintragungspflicht ausgenommen seien.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es an anderer Stelle (aaO S.
68) solche Betriebe als eintragungspflichtig erklärte, die mit einem
Grosshandel der gewonnenen Erzeugnisse verbunden sind oder sonstwie nach
kaufmännischer Art geführt werden; denn dieser Satz bezieht sich nach
seiner Stellung im Text nicht auf landwirtschaftliche Betriebe, sondern
auf Baumschulen und Handelsgärtnereien. Das Bundesgericht führte damals
auch aus, dass landwirtschaftliche Betriebe - obwohl die Definition
des Gewerbes auch auf sie zutreffen würde - im Gegensatz zu den in
Art. 934 OR (und gleichlautend in Art. 52 Abs. 1 HRegV) angeführten
Gewerbearten stehen und dass die Anwendbarkeit des Handelsrechts
für sie keinen Sinn habe (aaO S. 68). Diese Rechtsprechung wurde in
BGE 81 I 80 und in einem neuen, nicht veröffentlichten Entscheid der
verwaltungsrechtlichen Kammer des Bundesgerichtes vom 12. September 1967
i.S. Erben Karl Hug gegen Kantonale Steuerrekurskommission Basel-Land
ausdrücklich bestätigt. Entgegen der vom Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartement in der Vernehmlassung geäusserten Ansicht ist somit
die Eintragungsbedürftigkeit eines landwirtschaftlichen Grossbetriebs
zu verneinen, gleichgültig, ob sein Inhaber sich in erster Linie mit der
technischen und kaufmännischen Leitung befasst und daher seine persönliche
Arbeitsleistung auf dem Felde in den Hintergrund tritt.

Erwägung 3

    3.- Die Eintragungspflicht des Beschwerdeführers hängt also davon ab,
ob sein Gemüsebaubetrieb (Gemüsegärtnerei) der Landwirtschaft oder wie
Baumschulen und Handelsgärtnereien - im Sinne des Art. 53 lit. C HRegV -
einem andern, nach kaufmännischer Art geführten Gewerbe zuzurechnen sei.

    a) Gegen die letztgenannte Annahme spricht in erster Linie der Umstand,
dass es sich um ein Gewerbe der Bodenkultur, der landwirtschaftlichen
Urproduktion handelt. Es unterscheidet sich in dieser Beziehung vom
Ackerbau und andern landwirtschaftlichen Kulturarten nur insofern, als es
zu den flächenmässig eher kleinen Betrieben mit hohen Roherträgen gehört
(vgl. HOWALD/LAUR, Landwirtschaftliche Betriebslehre, 17. Auflage 1967,
S. 267). Freilich werden im Betriebe des Beschwerdeführers besondere
technische Einrichtungen verwendet, so z.B. die zwölf Gewächshäuser, das
Kesselhaus und das Kühlhaus. Deswegen liegt aber noch kein Gewerbe vor (in
diesem Sinne unveröffentlichter Entscheid der verwaltungsrechtlichen Kammer
von 23. Oktober 1948 i.S. Schweiz. Genossenschaft für Gemüsebau gegen
Eidg. Steuerverwaltung); denn auch gewöhnliche Landwirtschaftsbetriebe
setzen zunehmend technische Anlagen ein, deren Art und Grösse vom Betrieb
abhängt, z.B. Futtersilos, Heugebläse, Motor-Jauchepumpen, Aufzüge,
Melkmaschinen. Auch kann nicht massgebend sein, dass es sich bei den
Kulturen in den Gewächshäusern zum Teil nicht um Freilandpflanzen, mithin
nicht um Bestandteile des Bodens handelt. Bei einer bewirtschafteten Fläche
von rund 4 ha (wovon rund 2,8 ha Eigenbesitz) bleibt genügend Freiland zur
herkömmlichen Bepflanzung mit Gemüsen. Nach der eidg. Betriebszählung 1965
(Bd. 3, Gartenbau-, Fischerei- und private Forstbetriebe, statistische
Quellenwerke der Schweiz, Heft 417, Reihe De 3, Bern 1968, S. 61, abgekürzt
BZ 1965) nehmen die Gewächshäuser und Treibbeetkästen in Gemüsegärtnereien
durchschnittlich 0,14 ha in Anspruch, so dass das Schwergewicht bei einem
Betrieb mit einer Gesamtfläche von 4 ha oder 2,8 ha auf die Freilandkultur
entfällt. Das gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass die genannte
Durchschnittszahl für alle 640 erfassten Gemüsegärtnereien errechnet
wurde, von denen nur rund ein Drittel eine Kulturfläche von mehr als
2 ha bewirtschafteten (BZ 1965 S. 41), und wenn demzufolge anzunehmen
ist, grössere Betriebe brauchten etwas mehr Boden für Gewächshäuser und
Treibbeetkästen.

    Auch in der Literatur und in der täglichen Praxis werden reine
Gemüsegärtnereien eher zur Landwirtschaft als zum Gewerbe gezählt. So
erklären HOWALD/LAUR (aaO S. 34), von der Gärtnerei gehöre grundsätzlich
der produktive Gartenbau zur Landwirtschaft. Gleicher Meinung ist J.
BRÜHLMANN (Der schweizerische Erwerbsgartenbau, Freiburger Diss. 1951, S.
12), der zwischen produzierenden (u.a. Gemüsebaubetrieben) und nicht
produzierenden (z.B. Blumenbindereien usw.) unterscheidet. Die BZ
1965 (S. 34 ff.) teilt die Gartenbaubetriebe ein in solche ohne Anbau
für Verkauf, in Baumschulen, Gemüsegärtnereien, Blumengärtnereien,
Spezialbetriebe, gemischte und Dienstleistungsbetriebe. Zu den
Gemüsegärtnereien zählt sie Unternehmen, in denen die Art der
Bodenbenützung und der gartenbaulichen Einrichtungen auf das Überwiegen
der Gemüseproduktion hinweisen. Nach diesem Merkmal wurden 1965 noch
604 reine Gemüsegärtnereien registriert, die etwa einen Siebentel aller
Gartenbaubetriebe in der Schweiz ausmachen.

    b) Zuzugeben ist, dass sich Verkaufsorganisation und Absatz bei
Gemüsegärtnereien etwas anders gestalten als in landwirtschaftlichen
Betrieben im engern Sinn, welche die Mehrzahl der Erzeugnisse nach der
Ernte gesamthaft an wenige Grossabnehmer verkaufen (z.B. Obst, Getreide,
Kartoffeln), soweit sie nicht der Selbstversorgung dienen. Wegen
dieses Unterschiedes darf indessen den reinen Gemüsegärtnereien der
Charakter eines Landwirtschaftsbetriebes nicht abgesprochen werden. Das
rechtfertigt sich umso weniger, als das Bundesgericht, wie erwähnt,
sogar einen Grossbetrieb wie die Schweiz. Genossenschaft für Gemüsebau
zur Landwirtschaft rechnete. Dabei führte es insbesondere aus, dass
die Selbstversorgung für die Landwirtschaft nicht die Bedeutung habe,
die ihr früher beigemessen wurde; dass die Selbstversorgung der vom
Schweiz. Bauernsekretariat in den Jahren 1939-1943 kontrollierten Klein-,
Mittel- und Grossbetrieben nur 16,8% des Gesamtrohertrages ausmachte;
dass jeder Landwirt, der für den Markt produziere, seine Erzeugnisse auch
verkaufen müsse; dass der Vertrieb das letzte Stadium seiner Tätigkeit
sei und deren Charakter nicht ändere. Auch komme nichts darauf an, dass
die Genossenschaft weitgehend Gemüse und Saatgut erzeuge; denn in der
schweizerischen Landwirtschaft seien vom Betrieb mit ausschliesslicher
Milchwirtschaft bis zum Betrieb mit ausschliesslichem oder überwiegendem
Acker- und Gemüse- oder Rebbau alle Zwischenstufen vertreten. An dieser
Betrachtungsweise ist festzuhalten. Im vorliegenden Fall spricht der
Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Erzeugnisse nicht im Detailhandel,
sondern Grossabnehmern verkauft, für die Gleichstellung seiner Gärtnerei
mit einem Landwirtschaftsbetrieb, obwohl es sich um durchschnittlich 25
Abnehmer handelt, die in kurzen Abständen beliefert werden. Anderseits
lässt sich die Zahl der Angestellten, die im Verhältnis zur Betriebsgrösse
und im Vergleich mit anderen Landwirtschaftsbetrieben sehr hoch scheint,
mit der intensiven Bewirtschaftung des Bodens - eines der Kennzeichen des
Gemüsebaues - erklären. Endlich steht auch die kaufmännische Führung des
Betriebes nicht im Vordergrund. Die Geschäftsvorfälle können auf Grund der
Lieferscheine, der Rechnungen, des Zahlungsverkehrs usw. mühelos erfasst
und in einer einfachen Buchhaltung dargestellt werden. Der Beschwerdeführer
hat in seiner Eingabe vom 12. Dezember 1969 an das Handelsregisteramt
des Kantons St. Gallen dargetan, er lasse sein Büro durch einen Rentner
besorgen, und zwar jede Woche einen halben Tag. Dieser schreibe die
Einnahmen und Ausgaben ein, mache die Zahlungen, ordne die Belege usw.
Den Durchschlag dieser Eintragungen schicke er monatlich an die OBTG, die
seine Buchhaltung führt. Er bekomme sie nur einmal jährlich zu Gesicht,
wenn der Abschluss erstellt ist. Sie diene zur Abgabe der Steuererklärung,
jedoch nicht für die Geschäftsführung als solche.

    c) Wie unter lit. a erwähnt wurde, bestanden nach der BZ 1965
in der Schweiz 640 reine Gemüsegärtnereien. Im Branchenregister des
Schweiz. Regionenbuches, Ausgabe 1970, sind unter "Gemüsekulturen"
rund zwanzig Einzelfirmen aus zehn Kantonen eingetragen. Zieht man in
Betracht, dass aus diesen Einträgen nicht hervorgeht, ob es sich zum
Teil um eintragspflichtige Betriebe, z.B. Handelsgärtnereien, handelt
oder ob die Firmainhaber sich freiwillig eintragen liessen, weil sie
dazu bestimmte Gründe hatten, dann spricht die an sich geringe Zahl von
Eintragungen entschieden gegen die Annahme, von der Praxis würden die
reinen Gemüsegärtnereien als eintragspflichtig angesehen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid der
Aufsichtsbehörde über das Handelsregister des Kantons St. Gallen vom 18.
November 1970 aufgehoben.