Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 359



97 I 359

52. Urteil vom 17. Februar 1971 i.S. Bundesrepublik Deutschland gegen
Kanton Schaffhausen. Regeste

    Staatsvertrag vom 30. Dezember 1858 über die Weiterführung
der Grossherzoglich Badischen Eisenbahn über das Gebiet des Kantons
Schaffhausen; Steuerbefreiung der Deutschen Bundesbahnen; Art. 84 Abs. 1
lit. c OG.

    1.  Auslegung von Staatsverträgen; Vorrang des sog. klaren Wortlauts
(Erw. 3).

    2.  Tragweite von Art. 4 des Staatsvertrags; Umfang der Befreiung
von kantonalen und kommunalen Abgaben (Erw. 4-9).

Sachverhalt

    A.- Art. 3 des am 27. Juli 1852 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und dem Grossherzogtum Baden abgeschlossenen Vertrags
über die Weiterführung der badischen Eisenbahnen über schweizerisches
Gebiet (BS 13, 257 ff.) lautet wie folgt:

    "Über die Zugsrichtung, die Lage der Bahnhöfe, über die gesamte Anlage
und Beschaffenheit der Bahn, soweit dabei schweizerisches Gebiet berührt
wird, sowie über die etwaigen Leistungen der Kantone Basel-Stadt und
Schaffhausen wird sich die Grossherzoglich Badische Regierung mit den
dabei beteiligten Kantonsregierungen von Basel-Stadt und Schaffhausen,
vorbehältlich der Genehmigung des Bundesrats, verständigen.

    Bei dieser Verständigung sollen übrigens Baugrundsätze, welche die
Grossherzogliche Regierung in Baden durchführt, in der Schweiz nicht
ausgeschlossen werden."

    In Art. 11 dieses Vertrages ist zudem folgendes vereinbart worden:

    "Die grossherzoglich badische Bahnverwaltung hat weder von der
Erwerbung der Liegenschaften für die Bahn und ihre Zugehörden noch von
deren Eigentum, noch von dem Bahnbetriebe, und ebensowenig haben die
Bahnangestellten irgendeine Abgabe an die Schweizerische Bundesregierung
zu entrichten."

    Die am 19. Februar 1853 zwischen dem Grossherzogtum Baden und
dem Kanton Basel-Stadt abgeschlossene "Übereinkunft betreffend die
Weiterführung der Grossh. Bad. Rheintal-Eisenbahn durch das Gebiet des
Kantons Basel-Stadt" (Gesamtausgabe der Basler Gesetzessammlung bis 1959,
Bd. 3, S. 2596 ff.), welche vom Schweizerischen Bundesrat am 2. April
1853 genehmigt worden ist, sieht unter anderem folgendes vor:

    "Art. IV. Die grossherzogliche Bahnverwaltung hat weder von dem
Erwerb der Liegenschaften für die Bahn und ihre Zugehörden, noch von
deren Eigentum, noch von dem Bahnbetriebe, noch überhaupt irgend
eine Steuer, Abgabe oder Leistung an den Kanton oder die Stadt zu
entrichten. Insbesondere sollen die Bahngebäude mit keiner Einquartierung,
falls dieselbe einstens auf Häuser repartiert werden wollte, belastet
werden.

    Etwaige Versicherung der Bahngebäude in der kantonalen
Brandversicherungsanstalt ist sowohl für die Bahnverwaltung als auch für
die Kantonalbehörde fakultativ und bleibt besonderer Verständigung
vorbehalten. Ebenso bleiben etwaige Beleuchtungsbeiträge
einer Verständigung zwischen der Bahnverwaltung und der
Gasbeleuchtungsadministration vorbehalten."

    Über die Weiterführung der Grossherzoglich Badischen Eisenbahn
durch den Kanton Schaffhausen wurde am 30. Dezember 1858 nach längeren
Verhandlungen und "in teilweiser Abänderung" des erwähnten Vertrags vom 27.
Juli 1852 eine Vereinbarung abgeschlossen zwischen dem Grossherzogtum
Baden einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem
Kanton Schaffhausen anderseits (BS 13, S. 270 ff.). Dieser Vertrag,
welcher von der Bundesversammlung am 28. Januar 1859 genehmigt wurde
(vgl. die entsprechende bundesrätliche Botschaft vom 15. Januar 1859;
BBl 1859 I S. 88 ff.), enthält unter anderem folgende Bestimmung:

    "Art. 4. Die Grossherzoglich Badische Regierung hat weder von dem
Erwerb der Liegenschaften für die Bahn und ihrer Zugehörden noch von dem
Bahnbetrieb, noch überhaupt irgendeine Steuer, Abgabe oder Leistung an
den Kanton oder an Gemeinden zu entrichten.

    Insbesondere sollen die Bahngebäude niemals mit einer Einquartierung
belastet werden."

    B.- Bereits im Jahre 1907 war die Badische Bahn (d.h.  das
Grossherzogtum Baden) Eigentümerin eines Grundstücks in Schaffhausen,
auf welchem sie in der Folge ein 12-Familienhaus erbauen liess, um
darin Eisenbahnerfamilien unterzubringen. Nachdem die Grossherzoglich
Badischen Staatseisenbahnen im Jahre 1920 an das Reich übergegangen waren,
wurde als Eigentümerin das "Deutsche Reich, Reichseisenbahnvermögen"
im Grundbuch eingetragen. Im Jahre 1932 wurde die Parzelle aufgeteilt in
die Grundstücke Nr. 3439 (mit dem erwähnten Wohnbau) und Nr. 3151, auf
welchem lediglich ein Schuppen stand. Beide Parzellen wurden im Jahre
1936 zur eidg. Krisenabgabe herangezogen (unveröffentlichtes Urteil
des Bundesgerichts vom 30. September 1937 i.S. Deutsche Reichsbahn
c. Obergericht des Kantons Schaffhausen).

    Die Deutsche Bundesbahn teilte die nunmehr zum
"Bundeseisenbahnvermögen" gehörende Parzelle Nr. 3151 im Jahre 1964 aufin
die beiden Grundstücke Nr. 3151 (neu) im Halte von 1'931 m2 und Nr. 5317
im Halte von 5'985 m2. Die erstgenannte Parzelle verkaufte sie hierauf
am 10. Juli 1964 an Karl Steiner, Zürich (Kaufpreis: Fr. 212'410.--
oder Fr. 110.--/m2), während sie das Grundstück Nr. 5317 am 31. August
1964 an die Eidgenossenschaft (Schweizerische Bundesbahnen) veräusserte
(Kaufpreis: Fr. 658'350.-- oder ebenfalls Fr. 110.--/m2). Die zuständige
Veranlagungsbehörde des Kantons Schaffhausen unterwarf diese beiden
Handänderungen der Kapitalgewinnbesteuerung, bestimmte den steuerbaren
Kapitalgewinn auf Fr. 821'760.-- und veranlagte die Bundesrepublik
Deutschland ("Bundesbahnvermögen") mit Verfügung vom 8. Juni 1967 für eine
Steuer von insgesamt Fr. 180'787.20. Eine von der Deutschen Bundesbahn
unter Berufung auf Art. 4 des erwähnten Vertrags aus dem Jahre 1858
erhobene Einsprache wies die kantonale Steuerkommission am 10. Januar
1968 ab.

    C.- Gegen diesen Einspracheentscheid beschwerte sich die Deutsche
Bundesbahn beim Obergericht des Kantons Schaffhausen. Dieses wies indessen
den Rekurs am 14. Februar 1969 ab, und zwar im wesentlichen mit folgender
Begründung: Wohl könnte aus dem Wortlaut von Art. 4 des Vertrags vom
30. Dezember 1858 geschlossen werden, der Deutschen Bundesrepublik stehe
als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs bzw. des Grossherzogtums Baden
eine umfassende Steuerbefreiung zu. Eine solche Auslegung werde jedoch
dem wahren Sinn dieser Bestimmung nicht gerecht. Im Hinblick auf den mit
der Eidgenossenschaft im Jahre 1852 abgeschlossenen Vertrag (Art.11) habe
es den damaligen Vertragsparteien bestimmt fern gelegen, der Badischen
Bahn auch für nicht betrieblichen Zwecken dienende Anlagen Steuerfreiheit
einzuräumen und sie dabei über das bei ähnlichen Übereinkünften übliche
Mass hinaus steuerlich zu privilegieren; dies umso mehr, als zur Zeit
des Vertragsschlusses niemand daran gedacht habe, dass dem Bahnvermögen
auch Grundstücke angehören könnten, denen bloss der Charakter einer
Kapitalanlage zukomme, wie dies bei den fraglichen Grundstücken
der Fall sei. Die äusseren Umstände des Vertragsschlusses liessen
jedenfalls nicht darauf schliessen, dass der Badischen Bahn ein derart
weitreichendes Privileg eingeräumt werden sollte, wie es von der Deutschen
Bundesbahn heute geltend gemacht werde. Dem wahren Sinn der massgeblichen
Vertragsbestimmung entsprechend, bestehe eine Steuerbefreiung somit bloss
für solche Grundstücke, die betrieblichen Zwecken dienten. Dies treffe
für die beiden fraglichen Parzellen nicht zu, weshalb die Voraussetzungen
für die angefochtene Kapitalgewinnbesteuerung gegeben seien.

    D.- Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die
Bundesbahndirektion, führt staatsrechtliche Beschwerde (Art.84 Abs. 1
lit. c OG). Sie beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids
vom 14. Februar 1969 mit der Begründung, eine Besteuerung des erzielten
Kapitalgewinns sei nach dem klaren Wortlaut von Art. 4 des erwähnten
Staatsvertrags vom 30. Dezember 1858 ausgeschlossen.

    E.- Der Regierungsrat und das Obergericht des Kantons Schaffhausen
beantragen die Abweisung der Beschwerde. Die Begründung dieses Antrags
ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der fragliche Staatsvertrag vom 30. Dezember 1858 steht immer
noch in Kraft; die in Art. 4 vereinbarte Steuerbefreiung begünstigt heute
die Deutsche Bundesbahn als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn
bzw. der Grossherzoglich Badischen Staatseisenbahn. Die Bundesrepublik
Deutschland, vertreten durch die Bundesbahndirektion, ist daher ohne
weiteres zur Beschwerde legitimiert.

Erwägung 2

    2.- Art. 8 des Staatsvertrags vom 30. Dezember 1858 enthält eine
Schiedsgerichtsklausel. Was den hängigen Steuerstreit anbelangt, so hat
die Beschwerdeführerin jedoch bereits vor Obergericht auf die Durchführung
eines Schiedsgerichtsverfahrens verzichtet. Der materiellen Beurteilung der
vorliegenden Beschwerde steht somit nichts im Wege (vgl. Urteil vom 30.
September 1937 i.S. Deutsche Reichsbahn c. Obergericht des Kantons
Schaffhausen betr. eidg. Krisenabgabe, Erw. 2).

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, Art. 4 des Staatsvertrags
vom 30. Dezember 1858 schliesse eine Besteuerung der beiden
Veräusserungsgeschäfte vom 10. Juli und 31. August 1964 aus. Ob dies
zutrifft, ist durch Auslegung der erwähnten Vertragsklausel zu ermitteln.
Dabei steht dem Bundesgericht die freie Prüfung zu (BGE 96 I 390 Erw. 1;
93 I 54 Erw. 2, 167 Erw. 2, 281 Erw. 3).

    Die Auslegung eines Staatsvertrags hat in erster Linie vom Vertragstext
auszugehen (BGE 96 I 648, 748 Erw. 6 b, 94 I 673 Erw. 4, 90 I 47). Dieser
Grundsatz beruht auf der Annahme, der von den beteiligten Staaten
anerkannte Wortlaut bilde den nächstliegenden und zugleich wichtigsten
Anhaltspunkt zur Ermittlung des gemeinsamen wahren Verpflichtungswillens
(vgl. MAX HUBER, Ansichtsäusserung zur Auslegung von Staatsverträgen,
Annuaire de l'Institut de droit international, 44/1952, Tome I, p. 199;
CH. DE VISSCHER, Problèmes d'interprétation judiciaire en droit
international public, 1963, p. 52 ss.; R. BERNHARDT, Die Auslegung
völkerrechtlicher Verträge, 1963, S. 58 ff., 186; V. D. DEGAN,
L'interprétation des accords en droit international, 1963, p. 154;
L. WILDHABER, ZSR 88/1969 S. 537 ff., insbesondere 547 ff.). Die gleiche
Betrachtungsweise liegt auch der Resolution über die Auslegung von
Staatsverträgen zugrunde, wie sie am 19. April 1956 vom Institut de Droit
international in Granada verabschiedet worden ist (Annuaire, 46/1956,
S. 317 ff. und insbesondere S. 349); sie entspricht im übrigen auch den
Auslegungsregeln (Art. 31 und 32) der Wiener Vertragsrechtskonvention
vom 23. Mai 1969 (abgedruckt in der Revue générale de Droit international
public, 73/1969, S. 929), welche allerdings noch nicht in Kraft getreten
ist.

    Inwieweit von einem unbedingten Vorrang des sog. "klaren" Wortlauts
gesprochen werden darf, der den Beizug weiterer Auslegungshilfen
ausschliesst, ist jedoch umstritten (vgl. dazu R. BERNHARDT, aaO,
S. 58 ff. und die demnächst als Bd. 56 der Beiträge zum ausländischen
öffentlichen Recht und Völkerrecht des Max-Planck-Instituts erscheinende
Berner Habilitationsschrift von JÖRG P. MÜLLER, Vertrauensschutz im
Völkerrecht, S. 136 ff.). Der von E. DE VATTEL (Le droit des gens
ou principes de la loi naturelle, 1758 (1916), § 263) aufgestellte und
seither im Völkerrecht immer wieder angerufene Grundsatz, "qu'il n'est pas
permis d'interpréter ce qui n'a pas besoin d'interprétation" hat auch die
Rechtsprechung des Bundesgerichts beeinflusst (vgl. BGE 44 I 78, 77 I 48,
90 I 47, 94 I 673 Erw. 4). So wird beispielsweise im zuletzt genannten
Fall BGE 94 I 673 Erw. 4 ausgeführt, ein Staatsvertrag sei nur dann
auslegungsbedürftig, wenn der Wortlaut nicht eindeutig sei oder die durch
den klaren Wortlaut vermittelte Bedeutung als sinnwidrig erscheine. In
der Literatur wird indessen mit Recht darauf hingewiesen, dass das
Erkennen eines "eindeutigen" Vertragstextes notwendigerweise bereits eine
Auslegung der fraglichen Klausel voraussetzt (R. BERNHARDT, aaO, S. 17;
L. WILDHABER, aaO, S. 548 mit Hinweis auf weitere Veröffentlichungen;
vgl. auch J. P. MÜLLER, aaO, S. 138 ff. mit Anmerkungen zur Kritik der
Vattel'schen Maxime durch die angloamerikanische Völkerrechtslehre)
und dass dabei in erster Linie Gegenstand und Zweck des Vertrags zu
berücksichtigen sind (D. ANZILOTTI, Stellungnahme (opinion dissidente)
zur Auslegung der Konvention aus dem Jahre 1919 über die Nachtarbeit von
Frauen, Cour permanente de justice internationale (CPJI), Série A/B Nr. 50
S. 382).

    Die Vattel'sche Maxime ist mithin nicht absolut zu verstehen. Zu
Beginn der Auslegung ist die normale (gewöhnliche, natürliche)
Wortbedeutung der verwendeten Ausdrücke zu ermitteln, sofern nicht
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Parteien von einem besonderen
Sprachgebrauch ausgegangen sind; dabei sind Gegenstand und Zweck der
Vereinbarung zu berücksichtigen. Erscheint der Vertragstext klar und ist
seine Bedeutung, wie sie sich aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sowie
aus Gegenstand und Zweck des Übereinkommens ergibt, nicht offensichtlich
sinnwidrig, so kommt eine über den Wortlaut hinausgehende, ausdehnende
bzw. einschränkende Auslegung nur in Frage, wenn aus dem Zusammenhang oder
der Entstehungsgeschichte mit Sicherheit auf eine vom Wortlaut abweichende
Willenseinigung der Vertragsstaaten zu schliessen ist (vgl. BGE 96 I 648
mit Hinweisen auf Literatur und Praxis). Insoweit findet der Grundsatz
vom Vorrang des Vertragstextes auch heute seine Rechtfertigung; ja er
wird von der neuesten Lehre ausdrücklich anerkannt (vgl. J. P. MÜLLER,
aaO, S. 149/50), denn er dient dazu, Vertrauen in eine zu verantwortende
Äusserung zu bewirken und fördert die Rechtssicherheit, ohne dabei die
schutzwürdigen, konkreten Vertrauensinteressen der vertragsschliessenden
Staaten unberücksichtigt zu lassen.

Erwägung 4

    4.- Nach dem Wortlaut bezieht sich die in Art. 4 des Staatsvertrags vom
30. Dezember 1858 verankerte Abgabebefreiung zunächst auf den Erwerb von
"Liegenschaften für die Bahn und ihrer (recte: ihre) Zugehörden". Damit
soll offensichtlich die Besteuerung von Handänderungen ausgeschlossen
werden, welche dem Bahnbetrieb dienende Grundstücke und Anlagen zum
Gegenstand haben. Ausgeschlossen wird sodann die fiskalische Belastung
des Bahnbetriebs selbst. Auf diese Aufzählung folgt eine Generalklausel,
wonach die Grossherzoglich Badische Regierung (d.h. die Beschwerdeführerin
als deren Rechtsnachfolgerin) überhaupt keine ("... noch überhaupt
irgendeine") Steuer, Abgabe oder Leistung an den Kanton oder an Gemeinden
zu entrichten hat. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach dem
Aufbau der Bestimmung kann kein Zweifel darüber bestehen, dass damit eine
umfassende Abgabebefreiung der Beschwerdeführerin begründet wird. Die
allgemeine Bedeutung der Klausel wird im übrigen noch unterstrichen
durch den zweiten Absatz der umstrittenen Vertragsbestimmung, wonach
"insbesondere" die Bahngebäude niemals mit einer Einquartierung belastet
werden sollen.

    Aus Gegenstand und Zweck des Staatsvertrags ergibt sich nichts
anderes. In Art. 3 des am 27. Juli 1852 zwischen der Eidgenossenschaft und
dem Grossherzogtum Baden abgeschlossenen Vertrag über die Weiterführung
der badischen Eisenbahnen über schweizerisches Gebiet wird nicht nur
hinsichtlich der Linienführung, sondern auch in bezug auf die "etwaigen
Leistungen der Kantone Basel-Stadt und Schaffhausen" eine Verständigung
des Grossherzogtums mit den genannten Kantonen vorbehalten. Der Vertrag mit
dem Kanton Schaffhausen, der rund fünfeinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten
der erwähnten Vereinbarung aus dem Jahre 1852 abgeschlossen worden ist,
ergänzt mithin das Vertragswerk mit der Eidgenossenschaft und ändert es
teilweise ab; dies wird in der Präambel des Vertrags vom 30. Dezember
1858 denn auch ausdrücklich festgehalten. Unter diesen Umständen
bestehen keinerlei Gründe zur Annahme, die umstrittene Abgabebefreiung
müsse sich mit derjenigen gemäss Art. 11 des Vertrags vom 27. Juli 1852
notwendigerweise decken, umso weniger als sich diese ihrem Wortlaut nach
wesentlich von jener unterscheidet.

Erwägung 5

    5.- Auch die kantonalen Behörden räumen ein, dass der Wortlaut von
Art. 4 des anwendbaren Staatsvertrags auf eine umfassende Abgabebefreiung
der Beschwerdeführerin schliessen lässt. Der Regierungsrat - und
sinngemäss auch das Obergericht - machen jedoch geltend, eine solche
sei offensichtlich sachwidrig, denn eine derartige Ordnung würde es den
Deutschen Bundesbahnen ermöglichen, mit allen ihren Grundstücken ohne
jegliche fiskalische Belastung Handel zu treiben; eine Steuerbefreiung im
Sinne von Art. 4 könne vernünftigerweise nur für jene Geschäfte gewährt
werden, deren Gegenstand unmittelbar dem Bahnbetrieb gedient habe. Dies
treffe für die fraglichen Parzellen nicht zu, weshalb einer Besteuerung
des erzielten Grundstückgewinns nichts im Wege stehe.

    Staatsverträge sind ihrer Natur nach "bonae fidei negotia"
(BGE 94 I 673 mit Hinweisen). Das umstrittene Steuerprivileg fiele
deshalb dahin, wenn im Vorgehen der Beschwerdeführerin ein offenbarer
Rechtsmissbrauch erblickt werden müsste. In diesem Sinne wären zweifellos
jene Handänderungen zu würdigen, welche von der Beschwerdeführerin
ausschliesslich zur konjunkturbedingten Gewinnerzielung getätigt und
deren Objekte in keiner sachlichen Beziehung zum Bahnbetrieb stehen
würden. Im vorliegenden Fall bestehen jedoch keinerlei Anhaltspunkte für
eine unredliche Rechtsausübung seitens der Beschwerdeführerin. Auch die
kantonalen Behörden behaupten nicht, die fraglichen Grundstücke seien
zu Spekulationszwecken erworben worden. Es ist vielmehr unbestritten,
dass ein Teil derselben zum Bau eines Mehrfamilienhauses verwendet wurde,
in welchem Eisenbahnerfamilien untergebracht wurden. Mindestens teilweise
dienten sie somit - freilich nur mittelbar - dem Eisenbahnbetrieb. Unter
diesen Umständen kann nicht ernstlich behauptet werden, die sich aus dem
klaren Wortlaut von Art. 4 des Staatsvertrags ergebende Steuerbefreiung
verstosse offensichtlich gegen Sinn und Zweck des Vertragswerks aus dem
Jahre 1858.

Erwägung 6

    6.- Bei diesem Ergebnis könnte dem angefochtenen Entscheid nur
dann beigepflichtet werden, wenn aus dem Zusammenhang oder aus der
Entstehungsgeschichte der umstrittenen Bestimmung mit Sicherheit auf eine
vom Wortlaut abweichende Willenseinigung der Vertragspartner geschlossen
werden müsste (vgl. oben Erw. 3). Dies trifft jedoch, wie im folgenden
näher auszuführen ist, nicht zu.

    a) Das gemeinsame Ziel der beteiligten Staatswesen bestand darin,
im Vertrag vom 30. Dezember 1858 die rechtlichen Voraussetzungen für
die Weiterführung der Badischen Staatseisenbahnen über das Gebiet des
Kantons Schaffhausen zu schaffen. Zu diesem Zweck war eine Einigung über
die von den Vertragspartnern zu erbringenden gegenseitigen Leistungen
notwendig. Es entspricht dem Wesen einer derartigen zwischenstaatlichen
Vereinbarung, dass sich die Parteien bemühen, eine ihren Interessen
bestmöglich entsprechende Ordnung auszuhandeln und hinsichtlich der
zu erbringenden Gegenleistungen nur insoweit Zugeständnisse zu machen,
als es zum erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen erforderlich ist.

    Die umstrittene Steuerbefreiungsvorschrift in Art. 4 des Vertrags aus
dem Jahre 1858 stimmt, was die Generalklausel anbelangt, wörtlich mit
Art. 1V des Vertrags vom 19. Februar 1953 zwischen dem Grossherzogtum
Baden und dem Kanton Basel-Stadt überein. Sie unterscheidet sich
jedoch wesentlich von Art. 11 des Vertrags vom 27. Juli 1852 mit der
Eidgenossenschaft, wonach eine Steuerbefreiung nur für den Bahnbetrieb
und die ihm dienenden Liegenschaften und Anlagen besteht. In ähnlicher
Weise unterscheidet sie sich auch von Art. 5 des am 10. Dezember
1870 zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum Baden abgeschlossenen
Vertrags "betreffend die Verbindung der thurgauischen Seetalbahn mit
der grossherzoglich-badischen Staatsbahn" (BS 13 S. 295) und von Art. 4
Ziff. 2 und 3 des Staatsvertrags vom 24. Mai 1873 zwischen der Schweiz
und dem Grossherzogtum Baden "betreffend die Verbindung der beidseitigen
Eisenbahnen bei Singen und bei Konstanz" (BS 13, S. 290). Das Ergebnis
dieses Vergleichs mit andern Eisenbahnabkommen spricht jedenfalls eher
für die dem Wortlaut entsprechende Auslegung von Art. 4 des Vertrags vom
30. Dezember 1858, denn es ist nicht einzusehen, weshalb die Parteien
vom Text des Vertrags vom 27. Juli 1852 hätten abweichen sollen, wenn
sie tatsächlich eine inhaltlich gleiche Ordnung vereinbaren wollten.

    Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von der Beschwerdeführerin
vertretenen Auslegung ergeben sich ferner auch aus andern Bestimmungen
des Vertrags vom 30. Dezember 1858. Es fällt namentlich auf, dass
der Kanton Schaffhausen dem Grossherzogtum Baden in verschiedener
Hinsicht ausserordentlich weit entgegengekommen ist. Vor allem die in
Art. 5 verankerte Verpflichtung, die von der grossherzoglich badischen
Regierung beim Bahnbau "verwendeten nichtschweizerischen Gewerbsinhaber,
Unternehmer und Arbeiter" von der Besteuerung auszunehmen, findet sich in
keinem andern Eisenbahnabkommen mit dem Grossherzogtum Baden. Weiter ist
in diesem Zusammenhang auf die Bestimmungen in Art. 3 hinzuweisen, wonach
sich die Regierung des Kantons Schaffhausen unter anderem verpflichtet hat,
ihrem Vertragspartner "das für die Bahn nebst Zugehörden benötigte Terrain,
welches Kantons- oder Gemeindeeigentum ist, unentgeltlich abzutreten"
(Ziff. 2), die Bahnverwaltung kostenlos mit Brauch- und Trinkwasser zu
versorgen (Ziff. 4) und "die Herstellung, Unterhaltung und Beleuchtung
bequemer Zufahrtsstrassen zu dem Bahnhof in Schaffhausen und den übrigen
auf Schaffhauser Gebiet befindlichen Haltpunkten auf ihre Kosten zu
besorgen" (Ziff. 5).

    b) Auch die Materialien enthalten keine Anhaltspunkte für eine vom
gewöhnlichen Wortsinn abweichende Willenseinigung der Vertragsstaaten. Wie
sich aus der Botschaft des Bundesrats an die Bundesversammlung vom
15. Januar 1859 betreffend die Ratifikation des Staatsvertrags vom
30. Dezember 1858 ergibt (BBl 1859 I S. 88 ff.), war die Weiterführung
der badischen Bahn durch den Kanton Schaffhausen für diesen von grosser
verkehrs- und wirtschaftspolitischer Bedeutung. Sie erschloss den
süddeutschen Wirtschaftsraum und brachte der Bevölkerung des Klettgaus und
des Gebiets von Thayngen eine Bahnverbindung mit der Kantonshauptstadt. Was
die Linienführung anbelangt, so trat die badische Regierung zunächst
nachdrücklich für die billigere Variante durch das Wangental ein,
während sich der Kanton Schaffhausen und die Eidgenossenschaft für
"die Zugsrichtung durch den Klettgau" einsetzten. Erst "nach langem
Widerstreben" ging die badische Regierung auf die schweizerischen Begehren
ein und stimmte der Linienführung durch den Klettgau zu (BBl 1859 I S. 89
unten). Aus den beigezogenen Akten des Bundesarchivs, welche zur Hauptsache
aus Aufzeichnungen über die Verhandlungen zwischen dem Bundesrat und dem
Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, aus technischen Berichten über die
Linienführung sowie aus der Korrespondenz mit dem badischen Vertragspartner
bestehen, geht hervor, dass zwei Konferenzen stattfanden. Über die erste,
welche am 5. März 1857 in Schaffhausen durchgeführt wurde, besteht ein
Protokoll, das jedoch keine Ausführungen zum umstrittenen Steuerprivileg
enthält. Grundlage für die zweite Tagung vom 26. bis 30. Dezember
1858, welche mit der Unterzeichnung des Abkommens endete, bildete
ein von der badischen Seite ausgearbeiteter Vertragsentwurf, der von
Bundesrat Stämpfli mit handschriftlichen Bemerkungen versehen worden ist.
Art. 5 dieses Entwurfs stimmt - von einem Absatz über die Regelung der
Brandversicherung abgesehen - wörtlich mit der endgültigen Fassung von
Art. 4 überein und enthält im Gegensatz zum publizierten Text keinerlei
grammatikalische Fehler ("ihre" Zugehörden statt "ihrer" Zugehörden; vgl.
oben Erw. 4). Als Randbemerkung Bundesrat Stämpflis findet sich lediglich
das Wort "Steuerbefreiung". Nichts lässt darauf schliessen, dass die
Bestimmung Anlass zu irgendwelchen Diskussionen gegeben hätte; der Kanton
Schaffhausen erhob jedenfalls gegen die Umschreibung des Steuerprivilegs
keine Einwendungen (vgl. die erwähnte bundesrätliche Botschaft, BBl 1859
I S. 91 oben).

    Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass die in Art. 4
verankerte umfassende Steuerbefreiung der badischen Eisenbahnen (bzw. der
Beschwerdeführerin) eine der vom Kanton Schaffhausen zu erbringenden
Gegenleistungen für die seinen Wünschen entsprechende günstige
Linienführung darstellt. Eine mit dem klaren Wortlaut im Widerspruch
stehende einschränkende Auslegung der umstrittenen Bestimmung fällt unter
diesen Umständen auch aufgrund der Materialien ausser Betracht.

Erwägung 7

    7.- Der Regierungsrat beruft sich zur Stützung des angefochtenen
Entscheids auf die französische Übersetzung des Staatsvertrags vom 30.
Dezember 1858, welche wie folgt lautet (RS 13, S. 269):

    "Art. 4. Le gouvernement du Grand-Duché de Bade n'aura à acquitter
au canton ou à des communes aucun impôt ou contribution quelconque, ni
à fournir aucune prestation, soit pour l'acquisition d'immeubles pour la
ligne et ses accessoires, soit pour l'exploitation.

    Les bâtiments appartenant au chemin de fer ne seront jamais mis à
réquisition pour logements militaires."

    Wie der Regierungsrat selbst einräumt, kommt dieser Übersetzung jedoch
bloss innerschweizerische Bedeutung zu. Sie entspricht zudem der allein
massgeblichen deutschen Originalfassung offensichtlich nicht, weshalb
daraus keine Schlüsse auf den Umfang der umstrittenen Steuerbefreiung
gezogen werden dürfen. In diesem Zusammenhang ist ferner auf die
italienische Übersetzung hinzuweisen, welche den genauen Wortsinn der
deutschen Originalfassung wiedergibt und wie folgt lautet (CS 13 S. 269):

    "Art. 4. Il Governo del Granducato di Baden non avrà a pagare al
Cantone o ai Comuni nè a causa dell'acquisto degli stabili per la ferrovia
e sue dipendenze, nè per l'esercizio della ferrovia, nè in generale taglia
o imposta o prestazione alcuna.

    In ispecie, non dovranno mai essere requisiti per alloggi militari
gli edifizi della ferrovia."

Erwägung 8

    8.- Ebenso unbehelflich ist der im angefochtenen Urteil enthaltene
Hinweis auf den erwähnten Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahre 1937,
welcher die Anwendung des Staatsvertrags vom 27. Juli 1852 betrifft und die
fiskalische Belastung der beiden Grundstücke Nr. 3439 und Nr. 3151 mit der
eidg. Krisenabgabe für zulässig erklärt, denn die in diesem Übereinkommen
verankerte Steuerbefreiung geht nach dem Gesagten weniger weit als jene
gemäss Art. 4 des Vertrags vom 30. Dezember 1858 (vgl. oben Erw. 4 und 6).

    Schliesslich vermag auch die von der Beschwerdeführerin seit Jahren
hingenommene Belastung des Bundeseisenbahnvermögens mit der Staats-
und Gemeindesteuer für sich allein keine Auslegung gegen den klaren
Wortlaut zu rechtfertigen. Die entsprechenden Steuerbeträge waren
verhältnismässig gering (z.B. 1963: Fr. 1'023.80; 1964: Fr. 1'003.50;
1965: Fr. 981.20; 1966: Fr. 981.20; 1967: Fr. 2'953.20; 1968:
Fr. 3'017.40) und nichts deutet darauf hin, dass die Beschwerdeführerin
damit den Rechtsstandpunkt der kantonalen Steuerbehörden anerkannt hätte;
die entsprechenden Zahlungen scheinen vielmehr in erster Linie um der
guten freundnachbarlichen Beziehungen willen erbracht worden zu sein. Die
Besteuerung der Beschwerdeführerin erfolgte im übrigen nicht allgemein
und lückenlos. So ergibt sich beispielsweise aus einer Aktennotiz vom
13. Dezember 1968, welche sich in den Rekursakten des Obergerichts befindet
und auf einer Auskunft des zuständigen Steuerkommissärs beruht, dass von
einer Kapitalgewinnbesteuerung abgesehen wurde, als der Kanton Schaffhausen
von der Beschwerdeführerin in den Jahren 1963 und 1965 zwei Grundstücke
zum Preis von Fr. 150'000.-- bzw. Fr. 158'480.-- erworben hatte.

Erwägung 9

    9.- Da der klare Wortlaut von Art. 4 des Staatsvertrags vom
30. Dezember 1858 eine Besteuerung des von der Beschwerdeführerin erzielten
Grundstückgewinns ausschliesst und da für eine einschränkende Auslegung
der erwähnten Bestimmung nach dem Gesagten kein Raum bleibt, ist die
Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, und der angefochtene Entscheid des
Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 14. Februar 1969 wird aufgehoben.