Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 IV 8



97 IV 8

3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1971
i.S. Schmidheiny gegen Generalprokurator des Kantons Bern und Ayer.
Regeste

    Art. 122 Ziff. 1, 123 Ziff. 2, 125 Abs. 2 StGB.

    Begriff der schweren Schädigung bei Körperverletzung.

Sachverhalt

    A.- Am 4. August 1969 um 17.45 Uhr lenkte P. Ayer den Anhängerzug
seines Arbeitgebers von der Schlossstrasse her kommend durch die
Schwarztorstrasse in Bern. Er beabsichtigte, nach rechts in die
Zieglerstrasse einzubiegen, und brachte sein Fahrzeug beim Stopsignal vor
dieser Seitenstrasse zum Stillstand. Als der Verkehr in der Zieglerstrasse
es ihm gestattete, fuhr er an, bemerkte jedoch einen Augenblick darauf,
dass das rechte Vorderrad des Zugwagens über ein Hindernis fuhr. Er hielt
sofort an. Die Motorfahrradfahrerin Monika Schmidheiny lag unter dem
Lastwagen. Sie war derart verletzt, dass sie mehrere Monate im Spital
verbringen musste.

    B.- Der fahrlässigen Körperverletzung angeklagt, ist Ayer vom
Gerichtspräsidenten VIII von Bern und, auf Appellation des Opfers hin,
am 12. November 1970 vom Obergericht freigesprochen worden.

    C.- Gegen das obergerichtliche Urteil führt Monika Schmidheiny
Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragt Rückweisung der Sache zur Bestrafung
Ayers wegen Körperverletzung.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführerin hält die von ihr erlittenen
Körperverletzungen für schwer. Weder das erstinstanzliche noch
das angefochtene Urteil beschreiben diese. Nach einem Bericht
des Tiefenauspitals vom 2. Dezember 1969 bestehen sie in einer
suprakondylären Trümmerfraktur des linken Oberschenkelknochens, die nicht
lebensgefährlicher Natur war, aber einen Spitalaufenthalt von mehreren
Monaten erforderte (die Spitalentlassung war für Ende 1969 vorgesehen);
eine vollständige Heilung erschien wahrscheinlich, wenn auch eine zweite
Operation im Laufe des Jahres 1970 nicht ausgeschlossen wurde; vor Ende
1970 könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob ein dauernder Nachteil
zurückbleiben werde. An der erstinstanzlichen Verhandlung vom 7. Juli
1970 erklärte Monika Schmidheiny, sie müsse an Stöcken gehen und die
Metallschienen in ihrem Bein müssten noch entfernt werden. In ihrer
Beschwerde erklärt sie, das gebrochene Bein werde 2 bis 3 cm kürzer
bleiben.

    Da sie ein Verschulden des Angeklagten verneinen, haben die
Vorinstanzen keine Ausführungen über die Körperverletzung gemacht. Deren
Feststellung ist eine Frage tatsächlicher Natur. An sich wäre deshalb
die Sache zur Vervollständigung des Entscheids in diesem Punkte an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Das liefe indessen im vorliegenden Fall auf
einen überspitzten Formalismus hinaus. Die oben wiedergegebenen Angaben
sind nicht bestritten, und es ist kein Grund ersichtlich, dass die
Vorinstanz davon abweichen könnte.

    Eine Trümmerfraktur, die zu fünfmonatiger Bettlägrigkeit führt, zwei
Operationen nach sich zieht, nach elf Monaten nicht ausgeheilt ist und
wahrscheinlich eine bleibende Invalidität (Hinken) zurücklässt, ist von
erheblich mehr als mittlerer Schwere. Tatsächlich entspricht sie einigen
der in Art. 122 StGB beispielsweise aufgezählten Verletzungen. Sie muss
deshalb als schwer im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB bezeichnet werden
(BGE 93 IV 12).