Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 IV 27



97 IV 27

7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. März 1971
i.S. Messerli gegen Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Art. 201 StGB. Zuhälterei. Begriff der Ausbeutung.

Sachverhalt

                      Aus dem Sachverhalt:

    A.- Von Anfang 1970 bis Ende März 1970 unterhielt Messerli mit
verschiedenen Dirnen intime Verhältnisse, so insbesondere vom 16. Februar
bis 16. März mit Margaretha. Diese, die vom 17. Februar 1970 an zusammen
mit ihrer Freundin Katharina jeweils Hotelzimmer mietete, übernachtete
zehn- bis zwölfmal mit Messerli in solchen Zimmern und bezahlte für beide
die Rechnung. Häufig nahm Messerli mit seiner Freundin, von der er wusste,
dass sie sich als Dirne betätigte, gemeinsam die Mahlzeiten ein, wobei
regelmässig sie bezahlte (Fr. 10.- bis Fr. 15.- pro Mahlzeit). Auch gab
sie ihrem Freund täglich Bargeld in Beträgen von Fr. 5.- bis Fr. 10.-,
bezahlte ihm öfters Getränke, Zigaretten und Kinobesuche und schenkte ihm
überdies ein Feuerzeug im Wert von Fr. 25.-. Margaretha will im Verlaufe
eines Monates für Messerli ungefähr Fr. 1000.-- ausgegeben haben.

    Nach Auflösung des Verhältnisses mit Margaretha setzte Messerli dieser
eine vom 25. Februar 1970 datierte Quittung zur Unterschrift vor, mit
welcher bescheinigt werden sollte, dass er seiner Freundin Fr. 80.- für
Hotelrechnungen bezahlt hatte, was nicht der Wahrheit entsprach. Messerli
wollte mit dem unwahren Beleg, der von Margaretha auf seine Veranlassung
hin unterschrieben wurde, eine Verfolgung wegen Zuhälterei von sich
abwenden.

    B.- Am 24. September 1970 sprach das Strafamtsgericht Bern Messerli
der Zuhälterei, begangen gegenüber der Dirne Margaretha im Deliktsbetrag
von ungefähr Fr. 1000.--, sowie der Anstiftung zu Urkundenfälschung und
der versuchten Anstiftung zu Begünstigung schuldig und verurteilte ihn
zu zehn Monaten Gefängnis und zwei Jahren Einstellung in der bürgerlichen
Ehrenfähigkeit.

    Auf Appellation hin sprach das Obergericht des Kantons Bern Messerli
von der Anklage der versuchten Anstiftung zu Begünstigung frei, bestätigte
jedoch im übrigen den Schuldspruch der ersten Instanz, bemass die Strafe
auf neun Monate Gefängnis, abzüglich 62 Tage Untersuchungshaft, und
ordnete seinerseits die Einstellung des Verurteilten in der bürgerlichen
Ehrenfähigkeit für die Dauer von zwei Jahren an.

    C.- Messerli führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei das
Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem sei dem Beschwerdeführer eine
angemessene Entschädigung zu "bewilligen".

    Der Generalprokurator des Kantons Bern hat sich erst nach Ablauf der
ihm gesetzten Frist zur Sache vernehmen lassen.

    Der Kassationshof weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- In rechtlicher Beziehung wendet der Beschwerdeführer ein, das
Tatbestandsmerkmal der Ausbeutung sei in seinem Falle nicht erfüllt, weil
er nicht um sich zu bereichern, sondern aus Entgegenkommen gegenüber seiner
Freundin mit ihr gegessen und im Hotel übernachtet habe. Er habe denn auch
keinen übertriebenen Lebenswandel gehabt, wie das sonst bei Zuhältern
üblich sei. Zudem lasse sich nicht ganz oder teilweise unterhalten, wer
sich von der Dirne einmal oder gelegentlich zum Essen einladen lasse oder
ein Geschenk annehme. Er habe Fr. 1200.-- im Monat verdient und zu Hause
Kost und Logis gehabt.

    a) Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, dass nicht jedes Annehmen
einer unentgeltlichen Zuwendung aus dem unsittlichen Erwerb einer Dirne
eine Ausbeutung im Sinne des Art. 201 StGB ist. Der Begriff der Ausbeutung
beinhaltet eine negative ethische Wertung und besagt, dass bloss der mit
dem Makel des Verwerflichen behaftete Unterhaltsbezug aus dem Dirnenlohn
unter das Gesetz fallen soll (BGE 88 IV 67). In diesem Sinne verwerflich
ist es aber, wenn der Täter von der Dirne geldwerte Leistungen aus deren
unsittlichem Verdienst, auf die er keinen Anspruch hat (BGE 75 IV 121,
89 IV 129 Nr. 25; nicht veröffentlichte Urteile des Kassationshofes vom
3. Juli 1959 i.S. Helbling und in BJM 1958, S. 94), in solchem Umfang und
gegebenenfalls mit solcher Häufigkeit entgegennimmt, dass sie ausreichen,
um seinen Unterhalt während einer gewissen Dauer (s. BGE 88 IV 68 und
WAIBLINGER in ZBJV 1952 S. 238) ganz oder teilweise zu decken; denn wer
solches tut, benützt die Unzucht der Dirne als Einkommensquelle. Dabei
gehört zum Unterhalt nicht bloss der Notbedarf, wie man versucht sein
könnte, aus BGE 85 IV 187/8 zu folgern ("zum Leben benötigt"), sondern
alles, was zur tatsächlichen Lebenshaltung des Täters gehört. Zwar setzt
Art. 201 StGB nicht voraus, dass dessen Bedürfnisse den Rahmen des Üblichen
überschreiten (LOGOZ, Kommentar, N. 3 zu Art. 201, S. 342 oben), der Täter
einen übertriebenen Lebenswandel führe, wie Messerli meint; Zuhälter ist
nicht bloss, wer auf Kosten der Dirne ausschweifend lebt (s. ebenso das
nicht veröffentlichte Urteil i.S. Helbling). Wo jedoch der Lebensaufwand
des Täters den notwendigen Unterhalt übersteigt und die Zuwendungen der
Dirne gerade dazu dienen, jenen zu decken, tritt die Verwerflichkeit des
Unterhaltsbezuges besonders deutlich hervor. Deshalb vermag auch der
Umstand, dass der eigene Verdienst des Täters genügt hätte, um dessen
Lebensunterhalt zu bestreiten, gegen den Vorwurf der Zuhälterei nicht
zu schützen. Auch wer durch redliche Arbeit die Mittel zum notwendigen
Lebensunterhalt aufbringt, den unsittlichen Erwerb der Dirne indessen zur
Grundlage einer jenen Bedarf übersteigenden höheren Lebenshaltung macht,
handelt als Ausbeuter (BGE 88 IV 69 oben und nicht veröffentlichtes Urteil
des Kassationshofes vom 20. März 1964 i.S. Hofer). Schliesslich steht der
Annahme einer Ausbeutung auch nicht entgegen, dass der Täter die Frau nicht
durch Druckmittel zu den Leistungen veranlasst hat (BGE 75 IV 120, 88 IV
69 oben; zustimmend auch SCHULTZ in ZBJV 1964, S. 80). Die zuhälterische
Ausbeutung kann sehr wohl sanftere, deswegen aber nicht minder wirksame
Formen annehmen, indem der Täter namentlich dort, wo er zugleich der
Geliebte der Dirne ist, sich diese durch besonderes Entgegenkommen, durch
Liebeserweise gefügig und zur Gewährung von Zuwendungen geneigt macht,
so dass es dazu von seiner Seite eines ausdrücklichen Anstosses nicht
mehr bedarf (vgl. auch das Urteil des Kassationshofes i.S. Helbling,
wo die freiwillige Verwendung des Ertrags aus der Unzucht zum Nutzen des
Täters als genügend erachtet wurde).

    b) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer sich nach den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz während eines Monats von der
Dirne Margaretha aus deren Unzuchterlös zehn- bis zwölfmal das Übernachten
in Hotels, regelmässig das Mittagessen, öfters das Nachtessen sowie
wiederholt Konsumationen, Zigaretten und Kinobesuche bezahlen, täglich
Fr. 5.- bis Fr. 10.- in bar geben und zudem ein Feuerzeug schenken
lassen. Insgesamt hatte damit die genannte Frau ungefähr Fr. 1000.--
für ihn aufgewendet, was ihm eine Lebenshaltung ermöglichte, die ihm
nach dem angefochtenen Urteil ohne die Beziehung zur Dirne verwehrt
gewesen wäre. Tatsächlich hätte sein Verdienst von Fr. 1200.-- auch
nach den eigenen Aussagen des Beschwerdeführers den genannten Aufwand
nicht erlaubt. Messerli hat sich somit teilweise von der Dirne im Sinne
des Art. 201 Abs. 1 StGB aushalten lassen; deren Zuwendungen waren nicht
bloss einmalige oder gelegentliche, sondern sie häuften sich zum Teil mit
einer auffallenden Regelmässigkeit. Wenn sie im einzelnen auch nicht in
hohe Beträge gingen, so stellten sie doch gesamthaft betrachtet einen
nicht unerheblichen Beitrag der Dirne an den Unterhalt Messerlis dar,
zumal wenn man berücksichtigt, dass sie beinahe an dessen eigenen
Verdienst heranreichten. Dass er aber auf die genannten Leistungen
keinen Anspruch hatte, bestreitet der Beschwerdeführer mit Fug nicht.
Vielmehr hat er sich, wie die Vorinstanz feststellt, aus Bequemlichkeit
und materialistischen, sicher aber auch aus sexuellen Gründen teilweise
den Unterhalt bezahlen lassen. Dass er die Dirne dazu nicht besonders
auffordern oder gar durch Druckmittel veranlassen musste, sondern
sein persönliches Entgegenkommen gegenüber der Geliebten genügte, um
sie zur genannten Freigebigkeit zu bewegen, erklärt sich ohne weiteres
aus seiner Stellung als "umworbenes Objekt" dreier Dirnen, die sich ihn
abwechslungsweise gegenseitig "ausspannten" und deren Rivalität er nach dem
angefochtenen Urteil zu seinen Gunsten auszunutzen verstand. Bezeichnend
ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass sich Messerli, während
der kurzen Dauer seines Verhältnisses mit der Dirne S., von dieser
ebenfalls die Hotelrechnungen hat bezahlen lassen. Im übrigen wendet der
Beschwerdeführer bloss bezüglich der Übernachtungen und der gemeinsamen
Mahlzeiten ein, er habe sich diese aus Entgegenkommen gegenüber Margaretha
bezahlen lassen, während er dasselbe hinsichtlich der übrigen Zuwendungen
selber nicht zu behaupten wagt. All die Leistungen der Dirne gestatteten
ihm einen Lebensstil, der ihn selber praktisch nichts oder nur wenig
kostete, und sie ermöglichten es ihm sogar, von seinem Verdienst auf
die Seite zu legen oder ihn anderweitig zu verwenden. Messerli hat somit
den unsittlichen Erwerb seiner Geliebten zur Einkommensquelle gemacht,
ihn somit ausgebeutet.