Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 IV 160



97 IV 160

31. Urteil des Kassationshofes vom 2. November 1971 i.S. Leuzinger gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 69, 110 Ziff. 7 StGB. Auslieferungshaft ist Untersuchungshaft.

Sachverhalt

    Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte Heinrich Leuzinger
am 1. Juli 1971 wegen wiederholten Diebstahls und weiterer Straftaten
zu 3 Jahren Gefängnis. Auf die Strafe rechnete es die in der Schweiz
erstandene Untersuchungshaft an, nicht aber die Auslieferungshaft in
Genua vom 11. März bis 6. August 1970.

    Leuzinger führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Anrechnung
der Auslieferungshaft. Die Staatsanwaltschaft beantragt Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Als Untersuchungshaft, die nach Art. 69 StGB auf die
Freiheitsstrafe angerechnet werden kann, gilt gemäss Art. 110 Ziff. 7
StGB jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, gleichgültig, ob sie
die Durchführung der Strafuntersuchung gewährleisten soll oder ob sie
bloss die Sicherstellung der Person des Beschuldigten bezweckt. In
beiden Fällen dient der Freiheitsentzug unmittelbar den Interessen
der Strafverfolgung (BGE 85 IV 123). Diese Voraussetzungen treffen
auch auf die Auslieferungshaft zu, der sich ein Verfolgter während der
Dauer des Auslieferungsverfahrens im Auslande zu unterziehen hat. Der
Auslieferung ist begriffswesentlich, dass der Verfolgte durch die
Behörden des Staates, auf dessen Gebiet er sich aufhält, den Behörden
des verfolgenden Staates zur Durchführung einer gegen ihn gerichteten
Strafverfolgung überantwortet wird. Die Haft, die der ersuchte Staat auf
Begehren des verfolgenden anordnet und bis zum Vollzuge der Auslieferung
aufrechterhält, um der ersuchenden Strafbehörde den Zugriff auf den
Verfolgten zu verschaffen, liegt daher im Interesse der Strafverfolgung,
weshalb die Auslieferungshaft als eine in einem Strafverfahren verhängte
Haft im Sinne von Art. 110 Ziff. 7 StGB zu gelten hat (vgl. SCHULTZ,
Das schweizerische Auslieferungsrecht, S. 15 und 190 Anm. 153; nicht
veröffentlichter Entscheid vom 11. Dezember 1970 i.S. von Däniken S. 105
und vom 7. Januar 1969 i.S. Müller mit Hinweisen auf frühere Urteile).

Erwägung 2

    2.- Die Anordnung der Auslieferungshaft ist einzig darauf
zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer nach Begehung der strafbaren
Handlungen die Schweiz verlassen hat. Eine Anrechnung auf die Strafe käme
somit nur insofern in Frage, als die Dauer der Haft durch ungewöhnliche
Umstände, die mit dem Verhalten nach der Tat in keinem Kausalzusammenhang
stünden, verlängert worden wäre. Der Beschwerdeführer macht nichts
derartiges geltend.