Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 II 94



97 II 94

15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. April 1971 i.S. Naafexco AG
gegen HELVETIA-UNFALL, Versicherungsgesellschaft. Regeste

    Art. 29 Abs. 2 OG: Parteivertretung vor Bundesgericht.

    Auch wenn der Rechtsstreit aus einem Kanton stammt, in dem nur
die berufsmässige Führung von Prozessen für Dritte den Rechtsanwälten
vorbehalten ist, können sich die Parteien vor Bundesgericht nicht durch
Laien vertreten lassen, es sei denn, diesen komme Organstellung zu.

Sachverhalt

    Mit Urteil vom 10. Dezember 1970 wies das Obergericht des Kantons
Nidwalden in Bestätigung eines Entscheides des Kantonsgerichts
eine Klage der Naafexco AG, Hergiswil, gegen die Schweizerische
Versicherungsgesellschaft HELVETIA-Unfall, Zürich, im Betrage von
Fr. 8'300.-- nebst Zins wegen Verjährung ab. Vor den kantonalen Gerichten
war die Klägerin durch einen Rechtsanwalt vertreten.

    Gegen das obergerichtliche Urteil hat die Naafexco AG mit
direkter Eingabe ans Bundesgericht am 8. März 1971 rechtzeitig Berufung
erhoben. Diese ist unterzeichnet von Dr. Albert Heider, Steinenvorstadt,
Basel, der jedoch nicht als Rechtsanwalt auftritt. Der Berufung liegt eine
Vollmacht der "Naafexco Corporation" bei, unterzeichnet mit "John L. Suter,
Executive Vice President", durch welche Dr. Albert Heider ermächtigt wird,
"in seiner Eigenschaft als Mitglied unseres Personals" die Interessen
der Klägerin vor Bundesgericht zu wahren.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Die Naafexco AG als juristische Person kann nur durch ihre zur
Vertretung befugten Organe handeln (Art. 54/55 ZGB), die entweder selbst
namens der Gesellschaft vor Gericht aufzutreten haben oder sich durch
einen Rechtsbeistand vertreten lassen müssen. Als solcher wird vor
Bundesgericht in Zivil- und Strafsachen nur ein patentierter Anwalt
oder ein Rechtslehrer an einer schweizerischen Hochschule anerkannt,
es sei denn, im betreffenden Kanton, aus dem der Rechtsstreit stammt,
dürfe der Anwaltsberuf ohne behördliche Bewilligung ausgeübt werden
(Art. 29 Abs. 2 OG).

    Albert Heider, der die Berufungsschrift unterzeichnet hat, behauptet
nicht, in der Firma Naafexco AG Organstellung einzunehmen (vgl. dazu BGE
81 II 226/27, 87 II 187/88). Es geht auch weder aus seiner Eingabe noch
aus dem Ragionenbuch der Schweiz, Jahrgang 1970, Hergiswil/Nidwalden,
hervor, dass er z.B. Prokurist wäre, der gemäss Art. 459 OR die Befugnis
hätte, namens und auf Rechnung der Klägerin Prozesse zu führen (vgl. dazu
OSER/SCHÖNENBERGER, Kommentar, N 3 zu Art. 459 OR). Demnach könnte er
nur als gültiger Vertreter der Naafexco AG anerkannt werden, wenn er
die Voraussetzungen von Art. 29 Abs. 2 OG erfüllte. Dies trifft jedoch
nicht zu.

    Heider behauptet nicht, ein Anwaltspatent zu besitzen. Nidwalden
gehört aber zu den Kantonen, die die Ausübung des Anwaltsberufs
von einem entsprechenden Fähigkeitsausweis abhängig machen: vgl. das
Gesetz betreffend den Rechtsanwaltsberuf vom 26. April 1903, § 1. Zwar
scheint aus diesem Gesetz wie auch aus der kantonalen ZPO, Art. 24
Abs. 3, hervorzugehen, dass nur die berufsmässige Führung von Zivil-
und Strafprozessen den Rechtsanwälten vorbehalten ist. Wie jedoch das
Bundesgericht schon früher entschieden hat (BGE 79 II 106), schliesst
Art. 29 OG auch in solchen Fällen eine Laienvertretung vor dieser Instanz
aus, selbst wenn der Beauftragte nicht berufsmässig Prozesse führt.

    Ist daher die Berufung von einem Bevollmächtigten eingelegt worden,
der die in Art. 29 OG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, kann auf
sie nicht eingetreten werden (BGE 87 II 130, 94 IV 95).