Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 II 339



97 II 339

47. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Dezember 1971
i.S. Burren gegen Schärer und Flückiger. Regeste

    Art. 8 ZGB. Die im kantonalen Prozessrecht vorgesehene Behauptungslast
trifft von Bundesrechts wegen nur die beweispflichtige Partei, nicht
ihren Prozessgegner (Erw. 1b).

    Unechte Solidarität (Art. 51 OR). Voraussetzungen, unter denen
die Haftung des belangten Solidarschuldners durch das Verhalten
eines Mitverantwortlichen ausgeschlossen oder beschränkt wird. Die
Beschränkung des Ersatzanspruches auf einen Teil des Schadens ändert an
der Anspruchskonkurrenz nichts (Erw. 3).

    Art. 43, 44 und 55 OR. Umfang der Ersatzpflicht des Geschäftsherrn,
wenn er neben der Kausalhaftung ein Verschulden und wenn der
Geschädigte ein Selbstverschulden zu vertreten hat. Berücksichtigung des
unterschiedlichen Selbstverschuldens des Geschädigten im Verhältnis zu
den verschiedenen Verantwortlichen (Erw. 4-6).

    Art. 47 OR. Bemessung der Genugtuung bei Hirnschädigung (Erw. 7).

    Art. 59 OG. Auf das Anschlussberufungsbegehren einer Partei, ihr den
Rückgriff gegen einen Mitverpflichteten einzuräumen, ist nicht einzutreten,
wenn dieser die Berufung nicht erklärt hat (Erw. 9).

Sachverhalt

    A.- Fritz Schärer, Architekt, baute als Generalunternehmer in Huttwil
das Einfamilienhaus des Alfred Vetter, wobei er seinen Sohn René Schärer
als Bauleiter einsetzte. An diesem Hause arbeitete unter anderem Fritz
Flückiger, der in Huttwil eine Bauschreinerei betreibt. Er beauftragte
Otto Burren, der als Kundenmüller und Handelsmann tätig war und daneben
mit einem Lastwagen gewerbsmässige Transporte ausführte, am Vormittag des
2. April 1964 Abschlusswände, Türen, Wandschränke und dergleichen zum Hause
Vetters zu führen. Flückiger schickte auf die Fahrt zwei seiner Arbeiter
mit, den Schreiner Fritz Pauli und den Handlanger Ernst Flückiger, und
wies sie an, das Material am Bestimmungsort abzuladen und in das Haus zu
tragen, wo es angeschlagen werden sollte. Beim Hause Vetters blieb Pauli
auf Ersuchen Burrens auf dem Lastwagen und reichte die Gegenstände hinab,
während Ernst Flückiger und Burren sie in das Haus trugen. Nach mehreren
Gängen, die dem Versorgen der kleineren Stücke dienten, woll ten Ernst
Flückiger und Burren einen 1.94 m hohen, etwa 60 cm breiten und rund 40
kg schweren Schrank in ein Zimmer tragen. Unterwegs stellten sie fest,
dass er sich, so wie sie ihn hielten, nicht genügend abdrehen liess, um
hinein zu gelangen. Sie gingen daher zurück, um die Beförderung anders
zu ver suchen. Dabei trat Burren, im Windfang rückwärts gehend, zu stark
nach links und stürzte die Kellertreppe hinunter, wobei er sich am Schädel
schwer verletzte.

    Fritz und Hansjörg Fiechter, die bis im Januar 1964 am Hause
Maurerarbeiten ausführten, hatten den Windfang gegen die Kellertreppe hin
durch zwei Pfosten und eine Längslatte gesichert. Andere Handwerker hatten
indessen die Abschrankung, die ihnen bei ihren Verrichtungen hinderlich
war, wieder weggenommen. Am 2. April 1964 fehlte sie, ohne dass feststände,
an welchem Tage und durch wen sie entfernt und nicht wieder angebracht
worden war.

    B.- Burren klagte beim Appellationshof des Kantons Bern gegen
Vetter, Fritz und Hansjörg Fiechter, Fritz Flückiger und Fritz Schärer
mit den Begehren, sie zu verurteilen, ihm solidarisch als Schadenersatz
und Genugtuung Fr. 200'000.-- nebst Zins zu zahlen und die Kosten der
Zahlungsbefehle zu ersetzen.

    Der Appellationshof wies am 18. Dezember 1968 die Klage gegen die
vier Erstgenannten ab, stellte dagegen fest, dass Fritz Schärer dem Kläger
für den durch den Unfall verursachten Schaden grundsätzlich hafte.

    Die gegen diesen Zwischenentscheid gerichtete Berufung Schärers
wurde vom Bundesgericht am 20. Mai 1969 abgewiesen. Dagegen hiess das
Bundesgericht die vom Kläger gegen Fritz Flückiger gerichtete Berufung
gut und stellte fest, dass auch dieser Beklagte für den durch den Unfall
verursachten Schaden grundsätzlich hafte.

    C.- Am 25. Februar 1971 fällte der Appellationshof den Endentscheid. Er
verurteilte Fritz Schärer, dem Kläger Fr. 50'000.-- nebst Zins zu 5% für
Fr. 20'834.-- vom 2. April 1964 bis 31. März 1971 und für Fr. 29'266.--
vom 1. April 1971 hinweg zu zahlen. Ferner verurteilte er Fritz Flückiger,
dem Kläger Fr. 21'000.-- nebst Zins zu 5% für Fr. 8'750.-- vom 2.
April 1964 bis zum 31. März 1971 und für Fr. 12'250.-- vom 1. April 1971
hinweg zu zahlen.

    Der Appellationshof bezifferte den Schaden auf Fr. 125'448.--, warf
dem Kläger jedoch vor, er habe den Unfall zu 1/ 3 selber verschuldet,
und bemass daher den Ersatzanspruch nur auf Fr. 84'000.--. Diesen Betrag
im Verhältnis von 3 zu 1 auf die beiden Beklagten aufteilend, bestimmte
er die Forderung gegenüber Schärer auf Fr. 63'000.-- und jene gegenüber
Flückiger auf Fr. 21'000.--. Zulasten Schärers sprach er jedoch dem
Kläger nur Fr. 50'000.-- zu, weil die Mehrforderung verjährt sei, da der
Kläger am 1. April 1965 die Betreibung gegen die Beklagten nur für je Fr.
50'000.-- anbegehrt habe. Aus dem gleichen Grunde wies der Appellationshof
das Genugtuungsbegehren gegenüber Schärer ab. Jenes gegenüber Flückiger
erachtete er als materiell unbegründet.

    D.- Der Kläger hat gegen dieses Urteil die Berufung erklärt, und die
Beklagten Schärer und Flückiger haben sich ihr angeschlossen.

    Der Kläger beantragt, Schärer zur Zahlung von Fr. 50'358.40
Schadenersatz und Fr. 20'000.-- Genugtuung, zusammen Fr. 70'358.40 nebst
5% Zins seit 2. April 1964 und Flückiger zur Zahlung von Fr. 50'000.--
Schadenersatz nebst Zins zu 5% seit dem gleichen Tage zu verpflichten
und für den Fall, dass Flückiger zu weniger als Fr. 50'000.-- verurteilt
werden sollte, den Differenzbetrag dem Beklagten Schärer aufzuerlegen.

    Schärer beantragt, den von ihm zu zahlenden Schadenersatz auf
Fr. 24'000.-- herabzusetzen und den Zins zu 5% für Fr. 10'000.-- vom
1. Oktober 1967 bis 31. März 1971 und von Fr. 14'000.-- vom 1. April
1971 hinweg zuzusprechen.

    Flückiger beantragt, die Klage abzuweisen, soweit der Kläger von
ihm mehr als Fr. 3'600.-- nebst 5% Zins von Fr. 1'500.-- vom 1. Oktober
1967 bis 31. März 1971 und von Fr. 2'100.-- vom 1. April 1971 hinweg
verlangt. Ferner stellt er den Antrag, das Gericht habe ihm für
seine Leistungen an den Kläger den vollen Rückgriff auf Fritz Schärer
zuzubilligen.

Auszug aus den Erwägungen:

                        Das Bundesgericht
zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- b) Der Appellationshof führt aus, es müsse "angenommen werden,
dass die unfallbedingten Schäden und deren Ausmass spätestens im Herbst
1964 bereits alle bekannt waren"; der Kläger habe nichts Gegenteiliges
behauptet. Die Verjährungsfrist gemäss Art. 60 OR habe spätestens Ende
1964 zu laufen begonnen. Der Kläger habe die Einrede der Beklagten nicht
widerlegt; er habe sich damit begnügt, in einem Satze die Behauptung
aufzustellen, es sei klar, dass er die Verjährung für die gesamte
Schadenersatzforderung unterbrochen habe; er habe auch nicht geltend
gemacht, im Zeitpunkt der Betreibung oder der Klageeinreichung seien die
Folgen der erlittenen Verletzungen noch nicht mit hinreichender Sicherheit
feststellbar gewesen, analog Art. 46 Abs. 2 OR. Er habe diese Behauptung,
die nicht den Tatsachen entsprochen hätte, zu Recht unterlassen.

    Diese Erwägungen verletzen schon insofern Bundesrecht, als sie
dem Kläger eine Behauptungspflicht zuschreiben, die ihn nicht treffen
konnte. In BGE 89 II 121 hat die I. Zivilabteilung allerdings unter
Hinweis auf BGE 78 II 97 und 87 II 140 f. erklärt, das kantonale Recht,
nicht Art. 8 ZGB, verteile die Behauptungslast (répartit le fardeau de
l'allégation). Dieser Satz gibt jedoch den Sinn der zitierten früheren
Präjudizien unrichtig wieder. In BGE 78 II 97 und 87 II 140 f. wurde
nur entschieden, nicht Art. 8 ZGB, sondern das kantonale Prozessrecht
bestimme, ob eine anspruchsbegründende Tatsache zu behaupten sei oder von
Amtes wegen berücksichtigt werden dürfe. Wenn und soweit das kantonale
Prozessrecht eine Behauptungspflicht kennt, kann sie von Bundesrechts wegen
nur die beweispflichtige Partei, nicht ihren Prozessgegner treffen. Denn
wenn mangels genügender Behauptungen ein bestimmter Sachverhalt nicht
berücksichtigt werden darf oder ungewiss bleibt, muss der Richter
zu Ungunsten der beweisbelasteten Partei entscheiden. Niemand ist
verpflichtet, Tatsachen zu behaupten, die von Bundesrechts wegen nicht er,
sondern der Prozessgegner beweisen muss. Beweispflichtig aber ist nach
Art. 8 ZGB in der Regel, wer aus der in Frage stehenden Tatsache Rechte
ableitet. Im vorliegenden Falle hatte daher der Beklagte zu behaupten und
zu beweisen, dass der Kläger schon vor dem 10. November 1965 im Sinne
des Art. 60 Abs. 1 OR vom Schaden Kenntnis erhalten habe und folglich
die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Einreichung der Klage abgelaufen
war. Den Kläger traf die Behauptungs- und Beweispflicht nur hinsichtlich
der Unterbrechungsgründe. Dieser Pflicht ist er nachgekommen, denn
es steht ausser Frage, dass die Verjährung am 10. November 1966 durch
die Einreichung der Klage für die volle geltend gemachte Forderung
unterbrochen wurde.

Erwägung 3

    3.- Die Beklagten machen geltend, die Schadenersatzpflicht sei wegen
Selbstverschuldens des Klägers statt um 1/3 um 3/5 zu kürzen und der von
ihnen zu tragende Rest sei statt im Verhältnis von 3:1 im Verhältnis
von 2:1 (Auffassung Schärer) bzw. 9:1 (Auffassung Flückiger) auf die
Beklagten aufzuteilen.

    Die beiden Beklagten haben den Schaden nicht im Sinne des Art. 50
OR gemeinsam verschuldet, sondern haften dem Kläger aus verschiedenen
Rechtsgründen (Art. 51 OR). Dennoch kann an sich der Kläger von jedem
Beklagten Ersatz des ganzen Schadens verlangen, bis dieser vollständig
gedeckt ist (BGE 59 II 369). Das Verhalten des einen Verantwortlichen
entlastet den anderen dem Geschädigten gegenüber nur, wenn es den
ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des anderen und
dem Schaden als inadäquat erscheinen lässt oder wenn und soweit es
das Verschulden des anderen mildert (BGE 41 II 228, 55 II 88, 56 II 401
Erw. 5, 59 II 43/44, 368 f., 60 II 155, 64 II 307, 66 II 118 f., 89 II 123,
93 II 322). Es liegt Anspruchskonkurrenz (unechte Solidarität) vor.

    Die Auffassung des Appellationshofes, der Kläger habe auf die
Anspruchskonkurrenz verzichtet, indem er jeden Beklagten für Fr. 50'000.--
einzeln betrieben habe, hält nicht stand. Die Betreibungsbegehren
waren nicht rechtsgeschäftliche Willenserklärungen (Angebote) auf -
vergleichsweise oder bedingungslose - Herabsetzung der Forderungen
gegenüber den Beklagten, sondern sie bezweckten nur die Einleitung von
Vollstreckungsverfahren. Aus den vier Zahlungsbefehlen vom 6. April
1965 ergibt sich übrigens mit keinem Worte, dass der Kläger damals
jeden Betriebenen als für insgesamt Fr. 200'000.-- haftbar erachtet
habe, aber gegenüber jedem auf 3/4 seiner Forderung habe verzichten
wollen. Als Grund der Forderungen wurde in den Zahlungsbefehlen angegeben
"Schadenersatzforderung aus Unfall vom 2. April 1964, wofür der Schuldner
haftpflichtig ist". Diese Angabe verträgt sich durchaus mit der Auffassung,
der Kläger habe seinen Schaden damals auf nur Fr. 50'000.-- geschätzt
und jeden Betriebenen als unecht solidarisch Haftenden auf Ersatz des
ganzen Schadens belangen wollen. Übrigens wäre ein vertraglicher Verzicht
auf die Anspruchskonkurrenz auch schon deshalb nicht zustande gekommen,
weil die Beklagten Rechtsvorschlag erhoben, das vermeintliche Angebot
des Klägers also ablehnten.

    Der Appellationshof ist somit unrichtig vorgegangen, indem er Schärer
nur für 3/4 und Flückiger nur für 1/4 des vom Kläger nicht selbst zu
tragenden Teils des Schadens ersatzpflichtig erachtet hat. Dass nicht so
vorgegangen werden darf, wurde bereits in BGE 59 II 369 ausgeführt.

    Der Kläger hält nun aber an seinem Begehren, jeden Beklagten zum
Ersatz des ganzen Schadens zu verurteilen, im Berufungsverfahren nicht
fest. Er verlangt von beiden nur noch Ersatz je eines Teils des nicht von
ihm selbst zu tragenden Schadens, nämlich von Schärer Fr. 50'358.40 und
von Flückiger Fr. 50'000.--, eventuell von ersterem einen entsprechend
höheren Betrag, wenn ihm zulasten des letzteren weniger als Fr. 50'000.--
zugesprochen werden sollten. An diese Beschränkung der Begehren ist das
Bundesgericht gebunden.

    Sie ändert aber an der Anspruchskonkurrenz nichts. Bis zu welchem
Betrage jeder Beklagte gegenüber dem Kläger haftet, beurteilt sich
unabhängig von der Mithaftung des andern und unabhängig von dem unter
den Beklagten allenfalls bestehenden Rückgriffsrecht. Die Beschränkung
der Klagebegehren hat nur zur Folge, dass Schärer, falls Flückiger dem
Kläger Fr. 50'000.-- schuldet, zu höchstens Fr. 50'358.40 Schadenersatz
verurteilt werden darf, und dass, falls die Haftung Flückigers unter
Fr. 50'000.--bleibt, der Minderbetrag dem Beklagten Schärer zusätzlich
aufzuerlegen ist, wenn und soweit das Mass seiner Haftung gegenüber dem
Kläger das erlaubt.

    Daher ist die Frage, inwieweit jeder Beklagte dem Kläger Ersatz
schulde, für jeden von ihnen getrennt zu prüfen.

    Das ist übrigens auch deshalb nötig, weil das Selbstverschulden
des Klägers nicht notwendigerweise gegenüber jedem Beklagten gleich zu
begründen ist und die Ersatzpflicht prozentual gleich stark ermässigt.

Erwägung 4

    4.- Der Beklagte Schärer haftet aus Art. 55 OR, also kausal. Das
Bundesgericht hat indessen schon im Urteil vom 20. Mai 1969 (BGE 95 II
93 f.) darauf hingewiesen, dass ein allfälliges Selbstverschulden des
Klägers bei der Anwendung des Art. 44 Abs. 1 OR nicht dasselbe Gewicht hat,
wenn den Beklagten ein Verschulden trifft (BGE 41 II 500, 88 II 135). Ein
solches liegt vor. Wie schon im Vorentscheid ausgeführt wurde, hätte
Schärer seinen Bauleiter darüber unterrichten sollen, dass offene Stellen
an Schächten, Treppen und dergleichen in Neubauten abzuschranken seien und
der Bauleiter ständig und streng auf die unverzügliche Wiederherstellung
weggenommener Abschrankungen dringen müsse. Auch dem Bauleiter, für
dessen Verhalten der Beklagte gemäss Art. 55 OR einzustehen hat, ist ein
Vorwurf zu machen. Er hätte die Abschrankung zwischen dem Windfang und der
Kellertreppe wieder anbringen lassen sollen, nachdem sie von unbekannter
Hand entfernt worden war.

    Anderseits trifft auch den Kläger ein gewisses Verschulden, dass
er auf die Kellertreppe stürzte. Er hatte bei den Gängen, die der
Beförderung des Schrankes vorausgegangen waren, sehen können, dass die
Abschrankung fehlte. Diesem Umstand hätte er Rechnung tragen sollen,
als er mit dem Schrank rückwärts ging. Ein weiterer Vorwurf kann ihm
bei der Bestimmung des Masses der Schadenersatzpflicht Schärers dagegen
nicht gemacht werden. Schärer wird nicht zusätzlich dadurch entlastet,
dass der Kläger überhaupt den Neubau betreten hat. Indem der Kläger das
Schreinermaterial in diesen hineintragen half, ging er zwar über den
Auftrag hinaus, den ihm Fritz Flückiger erteilt hatte. Dadurch verhielt
er sich aber gegenüber Schärer nicht rechtswidrig. Dieser hatte nicht
Anspruch darauf, dass statt des Klägers der fachkundigere Pauli dem
Handlanger Ernst Flückiger den Schrank tragen helfe. Deshalb hat das
Bundesgericht am 20. Mai 1969 auch entschieden, das Betreten des Hauses
durch den Kläger habe den rechtserheblichen Kausalzusammenhang zwischen
dem Fehlen der Abschrankung und dem Unfall nicht unterbrochen.

    Das Verhalten des Beklagten Fritz Flückiger sodann beeinflusst den
Umfang der Ersatzpflicht des Beklagten Schärer in keiner Weise. Es mildert
das Verschulden Schärers und seines Bauleiters nicht und ist auch ohne
jeden Einfluss auf den Grad des Selbstverschuldens des Klägers.

    Das von Schärer und seinem Bauleiter verschuldete Fehlen der
Abschrankung ist die Hauptursache des Unfalles. Dass der Kläger nicht
genügend aufmerksam war, ist als Mitursache von untergeordneter
Bedeutung. Der Kläger war durch die Schwierigkeiten, die sich der
Beförderung des Schrankes in den Weg stellten, abgelenkt, zumal er ihnen
als Nichtfachmann nur schlecht gewachsen war. An seine Vorsichtspflicht
durften nicht strenge Anforderungen gestellt werden. Gerade weil von den
in Neubauten beschäftigten Personen, die durch ihre Arbeit in Anspruch
genommen sind, nicht immer höchste Vorsicht erwartet werden darf,
sind Abschrankungen vorgeschrieben. Das Verschulden des Klägers wiegt
gering. Eine Herabsetzung der Ersatzpflicht um 60%, wie Schärer sie
beantragt, kommt nicht in Frage. Sogar die vom Appellationshof verfügte
Kürzung um 33% geht zu weit. Angemessen ist die Herabsetzung um 25%.

    Schärer hätte daher vom Schaden von Fr. 125'448.-- an sich 75%,
d.h. Fr. 94'086.-- zu ersetzen. Er ist jedoch mit einem geringeren Betrag
zu belasten, da der Kläger wegen der Mithaftung Flückigers von Schärer
weniger fordert, als wenn diese Mithaftung nicht bestände.

Erwägung 5

    5.- Der Beklagte Flückiger war, wie das Bundesgericht im Urteil vom 20.
Mai 1969 ausgeführt hat, nicht verpflichtet, zum Schutze des Klägers
im Hause irgendwelche Massnahmen zu treffen, da der gefährliche Zustand
nicht durch die Schreinerarbeiten, sondern durch das von Schärer und seinem
Bauleiter zu verantwortende Fehlen der Abschrankung geschaffen wurde. Fritz
Flückiger haftet nur gemäss Art. 55 OR, weil seine Untergebenen Pauli und
Ernst Flückiger in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtungen duldeten,
dass der Kläger den Schrank in das Haus tragen half und sich dadurch
der Gefahr einer Körperverletzung aussetzte, und weil der Beklagte
ihnen weder gesagt hatte, sie dürften keinen anderen, besonders den
Kläger, an ihrer Stelle arbeiten lassen, noch sie unterrichtet hatte,
dass sie einen mitwirkenden Dritten jedenfalls gegen Unfälle schützen
müssten. Die Unterlassung dieser Instruktionen gereicht Fritz Flückiger
zum Vorwurf, da keinerlei Entschuldigungsgründe namhaft gemacht sind. Das
Verschulden des Beklagten ist jedoch sehr geringfügig. Es hätte für sich
allein angesichts der übrigen Schadensursachen eine Haftung nicht zu
rechtfertigen vermocht. Fritz Flückiger wurde nur schadenersatzpflichtig
erklärt, weil Art. 55 OR ihn kausal haften lässt.

    Ob Pauli ein Verschulden treffe, hat das Bundesgericht im
Vorentscheid offen gelassen. Diese Frage muss heute bejaht werden. Pauli
war als Dienstpflichtiger des Beklagten dafür verantwortlich, dass das
Material fachgerecht in das Haus getragen werde. Als gelernter Schreiner
musste er wissen, dass sich der Beförderung des unhandlichen Schrankes
Schwierigkeiten in den Weg stellen konnten, die der Kläger möglicherweise
weniger geschickt zu überwinden vermöchte als er selber. Pauli hätte den
Schrank zusammen mit Ernst Flückiger selber hineintragen sollen. Sein
Verschulden ist aber leicht. Pauli wusste nicht, dass die Abschrankung
zwischen dem Windfang und der Kellertreppe fehlte. Der von Schärer und
seinem Bauleiter begangene Fehler rückt das Verhalten Paulis in ein
milderes Licht und rechtfertigt damit die Herabsetzung der Haftung des
Beklagten Flückiger, der für seinen Arbeiter einzustehen hat.

    Ernst Flückiger trifft kein Verschulden. Im Gegensatz zu Pauli
konnte er zwar sehen, dass die Abschrankung fehlte. Er war aber nicht
verpflichtet, den Kläger bei der Beförderung des Schrankes zu warnen,
denn Leiter des Manövers war der Kläger, nicht der Handlanger Ernst
Flückiger. Dieser ist auch nicht dafür verantwortlich, dass der Kläger
die Arbeit besorgte, die Pauli hätte verrichten sollen. Die Haftung
des Beklagten Flückiger wird gemildert durch das Selbstverschulden des
Klägers. Im Gegensatz zu Schärer kann Fritz Flückiger dem Kläger schon
einen Vorwurf daraus machen, dass er sich der Aufgabe Paulis bemächtigte
und den Schrank in das Haus tragen half. Der Initiant der ungeschickten
Rollenverteilung war nicht Pauli, sondern der Kläger. Der Appellationshof
stellt fest, der Kläger habe sich aufgedrängt. Der Kläger ging damit
über den Auftrag hinaus, den er von Fritz Flückiger erhalten hatte, und
gab zugleich den Anstoss zur Pflichtverletzung Paulis. Es ist ihm ferner
das ungeschickte Verhalten beim Tragen des Schrankes anzurechnen. Das
Selbstverschulden des Klägers hat aus allen diesen Gründen bei der
Beurteilung der Ersatzpflicht des Beklagten Flückiger mehr Gewicht als
im Verhältnis zu Schärer.

    Die Schadenersatzpflicht Flückigers ist in Anwendung der Art. 43 und
44 OR um 90% herabzusetzen. Sie ermässigt sich also von Fr. 125'448.--
auf Fr. 12'544.80.

Erwägung 6

    6.- Da dem Kläger zulasten des Beklagten Flückiger statt der begehrten
Fr. 50'000.-- nur Fr. 12'544.80 zuzusprechen sind, muss der Unterschied
von Fr. 37'455.20 gemäss dem Berufungsbegehren 3 dem Beklagten Schärer
auferlegt werden. Der Kläger hat daher von Schärer ausser den primär
begehrten Fr. 50'358.40 weitere Fr. 37'455.20 als Schadenersatz zu
fordern, d.h. zusammen Fr. 87'813.60.

    Dem Kläger sind somit als Schadenersatz zuzusprechen:

    gegenüber Schärer

    Fr.  87'813.60

    gegenüber Flückiger

    "   12'544.80

    zusammen

    Fr. 100'358.40,

    was dem Betrag entspricht, den der Kläger insgesamt verlangt (80%
des Schadens).

Erwägung 7

    7.- Der Kläger verlangt vom Beklagten Schärer Fr. 20'000.-- als
Genugtuung.

    Wer für eine Körperverletzung haftet, kann gemäss Art. 47 OR unter
Würdigung der besonderen Umstände verpflichtet werden, dem Verletzten
eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zu zahlen. Diese Bestimmung
setzt nach der Rechtsprechung nicht voraus, dass der Haftbare die
Körperverletzung verschuldet habe (BGE 74 II 212, 81 II 518, 88 II 528, 96
II 234 Erw. 8). Eine Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Auffassung
OFTINGERS (Haftpflichtrecht I., 2. Auflage, S. 262) erübrigt sich, da
den Beklagten ein Verschulden trifft.

    Der Kläger hat zufolge einer Hirnschädigung und der dadurch
verursachten psychischen Beeinträchtigung 70% seiner Arbeitsfähigkeit
eingebüsst. Sein Wesen ist erheblich verändert. Nach dem Gutachten von
Prof. Walther ist seine frühere Persönlichkeit verzerrt. Seine Geselligkeit
und Freude an kleinen Handelsgeschäften ist zur planlosen Hypersozialität
und zu einer abnormen Neigung zum Herumfahren, Wirtshaushocken und
Schwatzen geworden. Der Kläger vertut die meiste Zeit nutzlos. Dazu
ist er grosssprecherisch geworden, überschätzt seine Geisteskräfte und
Möglichkeiten. Er lebt in einer hypomanischexpansiven Grundstimmung,
die ihn immer zu improvisierten und planlosen Handlungen oder Reisen
antreibt. Er ist ausgesprochen reizbar geworden. Sein affektives Verhalten
und sein sprachlicher Ausdruck haben gröbere Formen angenommen. Er lebt
in den Tag hinein und im Augenblick; er leidet an Poltersucht. Seine
soziale Stellung ist erheblich verschlechtert.

    Man kann sich fragen, ob bei dieser seelischen Verfassung ein
Geldbetrag dem Kläger überhaupt Genugtuung verschaffen kann, d.h. seine
durch die Körperverletzung weitgehend verminderte Lebensfreude zu heben und
das durch die Einbusse an Arbeitskraft hervorgerufene psychische Unbehagen
auszugleichen vermag. Ganz ausgeschlossen ist das indessen nicht. Es ist
denkbar, dass der Kläger auch in seinem heutigen psychischen Zustand das
Geld noch in gleicher Weise schätzt wie der Durchschnittsbürger. Eine
Genugtuungssumme ist ihm daher zuzusprechen.

    Was ihre Höhe betrifft, ist zu berücksichtigen, dass die
Körperverletzung schwer ist und der Beklagte Schärer sowie dessen
Bauleiter den Unfall verschuldet haben. Ihre Fahrlässigkeit war jedoch
nicht grob. Anderseits trifft den Kläger ein Selbstverschulden, das die
Genugtuungspflicht mindert (BGE 91 II 225). Angemessen ist ein Betrag
von Fr. 5'000.--.

Erwägung 9

    9.- Auf das Anschlussberufungsbegehren Flückigers, es sei ihm der
Rückgriff auf den Beklagten Schärer zuzubilligen, ist schon deshalb nicht
einzutreten, weil Schärer die Berufung nicht erklärt hat und deshalb ein
solches Begehren ihm gegenüber nicht zulässig ist.

Entscheid:

                Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1.- Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten
Fritz Flückiger, soweit auf diese eingetreten werden kann, werden teilweise
gutgeheissen. Die Anschlussberufung des Beklagten Fritz Schärer wird
abgewiesen.

    2.- Das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern vom 25. Februar
1971 wird aufgehoben.

    3.- Fritz Schärer hat dem Kläger zu zahlen:

    a) Fr. 50'000.-- nebst 5% Zins seit 8. April 1965;

    b) Fr. 37'813.60 nebst 5% Zins seit 23. November 1966;

    c) Fr. 5'000.-- nebst 5% Zins seit 2. April 1964.

    4.- Fritz Flückiger hat dem Kläger Fr. 12'544.80 nebst 5% Zins seit 8.
April 1965 zu zahlen.

    5.- Soweit die Klage gegen Fritz Schärer und Fritz Flückiger weiter
geht, wird sie abgewiesen.