Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 II 309



97 II 309

43. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. November 1971
i.S. Reinmann gegen Reinmann und Allemann. Regeste

    Gewinnanteilsrecht der Miterben (Art. 619 ZGB).

    1.  Die seit dem 1. Juli 1965 in Kraft stehende Fassung von
Art. 619 ZGB will die bisher geltende Ordnung lediglich verdeutlichen
und vervollkommnen. Sowohl nach der alten wie nach der neuen Fassung
von Art. 619 ZGB ist ein Gewinnanteilsrecht der Miterben gegeben,
wenn die Zweckentfremdung eines landwirtschaftlichen Grundstücks
veräusserungsähnlichen Charakter aufweist. Dies ist der Fall, wenn die
Zweckentfremdung dauernd ist und der nun zu erzielende Gewinn in einem
krassen Missverhältnis zum landwirtschaftlichen Ertrag des Grundstücks
steht. Die Ausbeutung von Kiesvorkommen auf einem landwirtschaftlichen
Grundstück während längerer Zeit lässt ein Gewinnanteilsrecht entstehen.

    2.  Eine rechtskräftige Schätzung des Verkehrs- und Ertragswerts
landwirtschaftlicher Grundstücke durch die gemäss Art. 7 LEG bezeichnete
kantonale Schätzungsbehörde darf abgeändert werden, wenn seit dem
Schätzungsbefund für diesen erhebliche Tatsachen bekannt geworden sind.

Sachverhalt

    A.- Der am 20. September 1958 verstorbene Robert Reinmann hinterliess
als gesetzliche Erben seine vier Kinder Marie Allemann-Reinmann sowie Karl,
Hedwig und Walter Reinmann. Zum Nachlass gehörte ein landwirtschaftliches
Heimwesen mit insgesamt 21 Parzellen. Die Gültschatzungskommission schätzte
am 20. Oktober 1958 den Ertragswert dieses Heimwesens auf Fr. 108 200.--
und den Verkehrswert auf Fr. 140 700.--.

    Am 29. November 1958 verkauften die Erben das Heimwesen dem
Walter Reinmann zum Ertragswert von Fr. 108 200.--. In Ziff. 5 der
Vertragsbestimmungen wurde das folgende Gewinnbeteiligungsrecht statuiert:

    "Der Käufer räumt seinen Mitverkäufern, Frau Marie Allemann geb.
Reinmann, Fräulein Hedwig Reinmann und Herrn

    Karl Reinmann-Leuenberger, alle vorgenannt, auf die Dauer von
12 Jahren, d.h. vom 20. September 1958 bis 20. September 1970 an den
vorbeschriebenen Liegenschaften ein Gewinnbeteiligungsrecht gemäss Art. 619
ZGB ein.

    Dieses Gewinnbeteiligungsrecht ist im Grundbuch vorzumerken, wozu
der Käufer seine Einwilligung erteilt."

    Der Eigentumsübergang und das Gewinnbeteiligungsrecht wurden am 8.
Dezember 1958 im Grundbuch eingetragen.>

    B.- Am 15. Januar 1963 schloss Walter Reinmann mit der Firma Marti
AG einen Dienstbarkeits- und einen Baurechtsvertrag ab, worin er dieser
Firma das Recht einräumte, auf seinen beiden Parzellen Nr. 115 und 118
Kies und Sand auszubeuten sowie die für die Ausbeutung nötigen technischen
Einrichtungen und die für den Betrieb erforderlichen Verwaltungsgebäude
zu errichten. Es wurde vereinbart, dass das Vertragsverhältnis mit
der Eintragung der Dienstbarkeiten im Grundbuch, d.h. am 17. Januar
1963, beginne und bis zur völligen Ausbeutung der beiden Parzellen,
längstens aber 30 Jahre dauere. Sollten im Verlauf der Ausbeutung 20%
oder mehr nicht verwertbares Material zum Vorschein kommen, so hätte
die Dienstbarkeitsberechtigte das Recht, die Verträge auf sechs Monate zu
kündigen. Die Firma Marti verpflichtete sich, Walter Reinmann für die Kies-
und Sandausbeutung pro Kubikmeter verwertbaren Materials einen Franken zu
zahlen und die Parzellen nach der Ausbeutung einigermassen auszuebnen und
zu humusieren, so dass sie wieder landwirtschaftlich genutzt werden können.

    In der Folge begann die Firma Marti mit der Ausbeutung der
beiden Parzellen. Walter Reinmann erhielt die vertraglich zugesicherte
Entschädigung, die im November 1966 bereits den Betrag von Fr. 110 000.--
erreichte. Wegen des Auftretens einer starken Lehmschicht wurde die
weitere Ausbeutung im Laufe des Jahres 1969 eingestellt.

    C.- Am 10. November 1966 erhoben Marie Allemann-Reinmann sowie Karl
und Hedwig Reinmann gegen Walter Reinmann Klage auf Feststellung, dass
der Beklagte den durch die Einräumung eines Ausbeutungsrechtes erzielten
Gewinn mit den Klägern zu teilen habe. Am 3. Mai 1967 änderten sie die
Feststellungsklage in eine Leistungsklage ab, mit der sie verlangten,
dass der Beklagte zu verpflichten sei, den Klägern einen gerichtlich zu
bestimmenden, Fr. 15 000.-- übersteigenden Betrag zu zahlen. Zur Begründung
machten sie geltend, dass die vom Beklagten auf Grund des eingeräumten
Ausbeutungsrechtes erzielten Gewinne unter das Gewinnbeteiligungsrecht
fallen. Der Beklagte widersetzte sich der Klage.

    Am 3. Dezember 1969 zog Hedwig Reinmann die Klage zurück. Mit Urteil
vom 16./22. Dezember 1970 nahm der Appellatiunshof des Kantons Bern
vom Rückzug der Klage der Hedwig Reinmann Kenntnis und verpflichtete
den Beklagten, den Klägern Karl Reinmann und Marie Allemann-Reinmann je
einen Betrag von Fr. 75 384.50 sowie seine eigenen Gerichtskosten und die
Prozesskosten der beiden Kläger, die später bestimmt werden, zu bezahlen.

    D.- Gegen dieses Urteil erhebt der Beklagte Berufung an das
Bundesgericht mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Klage abzuweisen, eventuell die Sache zur Aktenergänzung, Durchführung
eines Beweisverfahrens und Ausfällung eines neuen Entscheides an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Marie Allemann-Reinmann und Karl Reinmann
beantragen die Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- 2. - ... (Prozessuale Fragen).

Erwägung 3

    3.- a) Der seit dem 1. Juli 1965 in Kraft stehende Art.  619 ZGB
schreibt in seinen zwei ersten Absätzen vor:

    "Hat ein Erbe ein landwirtschaftliches Grundstück zugeteilt
erhalten, für das nicht der Verkehrswert, sondern ein niedrigerer
Übernahmepreis festgesetzt worden ist, so sind die Miterben berechtigt,
bei der Veräusserung oder Enteignung des Grundstückes oder eines Teiles
desselben binnen der folgenden fünfundzwanzig Jahre ihren Anteil am
Gewinne zu beanspruchen.

    Der Veräusserung sind Rechtsgeschäfte gleichgestellt, mit welchen
der Erbe den Wert des Grundstückes ganz oder teilweise umsetzt, wie
insbesondere die Begründung eines Baurechts oder eines Rechts zur
Ausbeutung von Bodenbestandteilen."

    In der früheren Fassung lauteten die zwei ersten Absätze dieses
Artikels wie folgt:

    "Hat ein Erbe ein Grundstück unter dem Verkehrswert erhalten, so sind
die Miterben berechtigt, beim Verkauf des Grundstückes oder eines Teils
desselben binnen der folgenden fünfzehn Jahre einen verhältnismässigen
Anteil am Gewinn zu beanspruchen, sofern dieser Anspruch bei der Teilung im
Grundbuch vorgemerkt worden ist. Dieser Anteil soll nicht mehr betragen,
als der Miterbe erhalten hätte, wenn das Grundstück bei der Teilung zum
Verkehrswert angerechnet worden wäre."

    Die beiden Fassungen weichen somit, abgesehen von der zeitlichen
Begrenzung, insbesondere hinsichtlich des Entstehungsgrundes des
Gewinnbeteiligungsrechtes voneinander ab. Nach der Rechtsprechung
beurteilen sich Bestand und Inhalt des Gewinnbeteiligungsrechtes nach dem
Recht, das zur Zeit des Erwerbes des Grundstückes durch einen Erben galt
(BGE 94 II 240 ff.). Im vorliegenden Fall erwarb der Beklagte das Heimwesen
am 29. November 1958 von seinen Miterben und begründete gleichzeitig zu
deren Gunsten ein Gewinnbeteiligungsrecht. Wie die Vorinstanz zutreffend
ausführte, gelangt demnach im vorliegenden Fall die frühere Fassung des
Art. 619 ZGB zur Anwendung. Die Parteien haben das vorinstanzliche Urteil
in diesem Punkte denn auch mit Recht nicht angefochten.

    b) Im folgenden ist zu prüfen, ob die neue Fassung von Art. 619
ZGB eine Gesetzesänderung darstelle oder ob sie nur verdeutliche und
näher umschreibe, was nach Lehre und Rechtsprechung schon früher gegolten
hatte, nämlich dass die Begründung eines Baurechtes oder eines Rechtes zur
Ausbeutung von Bodenbestandteilen bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen
ein Gewinnbeteiligungsrecht entstehen lasse.

    Massgebend für die Auslegung einer Bestimmung ist in erster Linie
deren Zweck. Nach übereinstimmender Lehre wollte die frühere und will auch
die heutige Fassung von Art. 619 ZGB in erster Linie der Spekulation mit
landwirtschaftlichen Grundstücken begegnen. Daneben bezweckt die fragliche
Bestimmung auch den Schutz der weichenden Erben und die Stabilisierung
des bäuerlichen Grundbesitzes in den Händen einer starken Bauernfamilie
(Sten.Bull. 1906 S. 498; ESCHER, N. 1, und TUOR/PICENONI, N. 13 zu
Art. 619 ZGB; SJZ 1954 S. 239/40; GUGGENHEIM, Das bäuerliche Erbrecht
des schweizerischen Zivilgesetzbuches, 1909 S. 88; BOREL, Das bäuerliche
Erbrecht, 3. Aufl. 1939 S. 129). Die Opfer, welche die Miterben bei der
Erbteilung nach bäuerlichem Erbrecht zu bringen haben, sollen nach altem
und nach neuem Recht dem Übernehmer ermöglichen, das ererbte Grundstück
rationell und schuldenfrei zu bewirtschaften. Dieser Zweck fällt nicht
nur dann dahin, wenn der Übernehmer das Grundstück veräussert und sein
auf Kosten der Miterben vergrössertes Erbe dadurch aktiviert, sondern
auch dann, wenn er auf andere Weise aus dem Grundstück einen erheblichen,
nichtlandwirtschaftlichen Gewinn erzielt. Das Gewinnbeteiligungsrecht
der Miterben bezweckt daher, dass möglichst alle Gewinne, die aufandere
Weise als durch landwirtschaftliche Nutzung aus dem Grundstück erzielt
werden, verteilt werden sollen (BECK, Das gesetzliche Gewinnanteilsrecht
der Miterben, Diss. Zürich 1967, S. 82 und 94). Im Hinblick auf diesen
Zweck der Bestimmung ist denn auch entgegen der Behauptung des Beklagten
die frühere Fassung von Art. 619 ZGB von der Rechtsprechung und der
Lehre extensiv ausgelegt wor den (SJZ 1954 S. 14; BECK, aaO, S. 63 mit
Verweisungen; VON GUNTEN, Die Rechte der abzufindenden Erben im bäuerlichen
Erbrecht des schweizerischen Zivilgesetzbuches, Diss. Bern 1947, S. 90). So
war in der Lehre unbestritten, dass den Miterben entgegen dem klaren
Gesetzeswortlaut nicht nur beim Verkauf, sondern auch in andern Fällen
ein Gewinnbeteiligungsrecht zustehen solle, so namentlich beim Tausch,
beim verschleierten Verkauf, bei der Einbringung eines Grundstücks in
eine Gesellschaft, bei der Zwangsvollstreckung und unter Umständen auch
bei der Enteignung (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom
29. Mai 1970 i.S. Rohrer, Erw. 2b; TUOR, N. 14 zu Art. 619 ZGB; SJZ 1954
S. 14; VON GUNTEN, aaO, S. 90; BOREL-NEUKOMM, Das bäuerliche Erbrecht,
1954 S. 127; BOREL, aaO, S. 132; abweichend mit Bezug auf die Enteignung:
ESCHER, N. 7 zu Art. 619 ZGB; BJM 1970 S. 279; SJZ 1954 S. 240).

    Ob allgemein ein durch zweckfremde Verwendung landwirtschaftlicher
Grundstücke erzielter erheblicher Gewinn das Gewinnbeteiligungsrecht
der Miterben auslösen könne, ist von den Gerichten bisher noch nicht
entschieden worden. Bei den Beratungen des Art. 619 ZGB (alte Fassung)
wurde diese Frage überhaupt nicht, bei den Beratungen der neuen Fassung
nur am Rande erörtert. Im Ständerat wurde nämlich beantragt, den neuen
Art. 619 ZGB so zu fassen, dass der Veräusserung nicht nur die Begründung
eines Baurechtes oder eines Rechtes zur Ausbeutung von Bodenbestandteilen
gleichgestellt werde, sondern auch "alle andern Massnahmen, die eine
Zweckentfremdung des landwirtschaftlich genutzten Bodens darstellen"
(Sten. Bull. StR 1964 S. 336). Dieser Antrag wurde jedoch vom Rat
verworfen, wobei aus dem stenographischen Bulletin nicht ersichtlich ist,
aus welchen Gründen er verworfen wurde, und insbesondere nicht, ob der Rat
eine ausdrückliche Erwähnung der Zweckentfremdung für überflüssig hielt
(dazu BECK, aaO, S. 94).

    In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass die blosse
Zweckentfremdung eines landwirtschaftlichen Grundstückes noch kein
Gewinnbeteiligungsrecht der Miterben begründe, auch wenn mit ihr ein
gewisser Wertumsatz des Grundstückes erzielt werden sollte (BECK, aaO,
S. 95 und ESCHER, N. 9 zu Art. 619 ZGB). Der Anspruch auf Gewinnbeteiligung
ist nach diesen Autoren erst dann gegeben, wenn die Zweckentfremdung
praktisch eine Veräusserung darstellt oder zumindest veräusserungsähnlichen
Charakter aufweist. Das letztere ist der Fall, wenn die Zweckentfremdung
dauernd ist und der erzielte Gewinn in einem krassen Missverhältnis
zum landwirtschaftlichen Ertrag des Grundstückes steht. Als dauernd ist
die Zweckentfremdung zu betrachten, wenn sie auf längere (zum Beispiel
jahrzehntelange) Dauer angelegt ist oder ohne grossen Schaden nicht mehr
rückgängig gemacht werden kann (BECK, aaO, S. 97).

    Eine Zweckentfremdung mit veräusserungsähnlichem Charakter ist aber
nach dem Ausgeführten auch gegeben, wenn auf einem landwirtschaftlichen
Grundstück grössere Kiesvorkommen ausgebeutet werden; denn dadurch
werden Substanz und Wert des Grundstückes für dauernd vermindert,
da der Verlust nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Dabei kann
es nicht darauf ankommen, ob der Übernehmer des Grundstückes die
vorhandenen Kiesvorkommen selber ausbeutet oder das Ausbeutungsrecht
gegen Entschädigung einem Dritten überträgt, obschon die heutige Fassung
von Art. 619 ZGB nur die Begründung eines Rechtes zur Ausbeutung von
Bodenbestandteilen der Veräusserung ausdrücklich gleichstellt. Es wäre
indessen nicht einzusehen, weshalb diese beiden Fälle, von denen jeder dem
Übernehmer einen erheblichen nichtlandwirtschaftlichen Gewinn vermittelt,
mit Bezug auf das Gewinnbeteiligungsrecht verschieden beurteilt werden
sollten. Dies würde auch der ratio legis widersprechen. Die gleiche
Überlegung besitzt aber auch für die Herrschaft des alten Rechtes ihre
Gültigkeit. Die Kiesausbeutung durfte demnach als veräusserungsähnlicher
Tatbestand bei extensiver Auslegung der früheren Fassung von Art. 619 ZGB
- ähnlich wie der Tausch, der verschleierte Verkauf oder die Einbringung
eines Grundstückes in eine Gesellschaft - unter den Begriff "Verkauf des
Grundstückes oder eines Teils desselben" subsumiert werden (siehe dazu
auch das bei den Akten liegende Gutachten von Prof. LIVER, S. 3).

    In der Lehre wurde die Meinung vertreten, die neue Fassung von Art. 619
ZGB zähle lediglich Umgehungstatbestände auf, die gemäss der Auffassung
des Gesetzgebers schon nach der alten Ordnung das Gewinnbeteiligungsrecht
der Miterben hätten entstehen lassen müssen (ZBGR 48 S. 199; dazu auch
BECK, aaO, S. 83 und Gutachten LIVER, aaO, S. 3/4). Dieser Auffassung
kann nach dem oben Ausgeführten beigepflichtet werden. Es ist also
mit der Vorinstanz und entgegen den Darlegungen in der Berufungsschrift
davon auszugehen, dass das neue Recht mit Bezug auf die Entstehung des
Gewinnbeteiligungsrechtes keine neue Ordnung aufstellen, sondern die
bisher geltende lediglich verdeutlichen und vervollkommnen wollte.

    Im vorliegenden Falle war das der Firma Marti AG eingeräumte
Ausbeutungsrecht auf die Dauer, nämlich auf 30 Jahre, angelegt. Auch
wenn die Ausbeutung wegen Auftretens einer starken Lehmschicht
bereits im Jahre 1969 eingestellt worden ist, so hat der Beklagte doch
einen erheblichen Gewinn erzielt, der in krassem Missverhältnis zum
landwirtschaftlichen Ertrag der beiden Parzellen steht. Die Ausbeutung
war auch mit einem erheblichen Substanzverlust verbunden. Bei dieser
Sachlage verstiess der Appellationshof nicht gegen Bundesrecht, wenn er
das Gewinnbeteiligungsrecht der Kläger nach altem Recht bejahte. Seine
Auslegung bewegte sich im Rahmen der Zweckbestimmung sowohl des heute
geltenden wie des früheren Art. 619 ZGB.

    Der Beklagte macht allerdings geltend, die Parteien hätten seinerzeit
nur für den Fall eines Verkaufes ein Gewinnbeteiligungsrecht vorbehalten
wollen. Wie der zwischen den Parteien am 29. November 1958 abgeschlossene
Vertrag auszulegen sei, ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht
überprüft werden kann. Der Einwand des Beklagten kann indessen nicht
gehört werden; denn die Parteien haben im fraglichen Vertrag nicht ein
Gewinnbeteiligungsrecht "für den Fall eines Verkaufes", sondern ein solches
"gemäss Art. 619 ZGB" vorgesehen. Dieses erstreckte sich aber nach dem
oben Dargelegten auch auf veräusserungsähnliche Tatbestände. Die Berufung
des Beklagten ist somit in diesem Punkte unbegründet.

Erwägung 4

    4.- a) Nach der alten Fassung von Art. 619 ZGB soll der Gewinnanteil
der Miterben nicht mehr betragen, als sie erhalten hätten, wenn das
Grundstück bei der Teilung dem Übernehmer zum Verkehrswert angerechnet
worden wäre. Der teilbare Gewinn darf also die Differenz zwischen dem
Ertragswert, zu dem das landwirtschaftliche Heimwesen übernommen wurde,
und dem bei der Teilung geltenden Verkehrswert nicht übersteigen (Urteil
des Bundesgerichtes vom 29. Mai 1970 i.S. Rohrer, Erw. 4; TUOR-PICENONI,
N. 21 zu Art. 619 ZGB).

    Unbestritten ist, dass der Beklagte das Heimwesen zum Ertragswert
von Fr. 108 200.-- übernommen hat. Der Beklagte verlangt nun, dass im
vorliegenden Verfahren von dem von der Gültschatzungskommission am 20.
Oktober 1958 auf Fr. 140 700.-- festgelegten Verkehrswert auszugehen sei.
Diese Schätzung wurde von den Parteien seinerzeit anerkannt und ist
damit rechtskräftig geworden. Trotz der Verbindlichkeit rechtskräftiger
Schatzungsentscheide für die Gerichte (BGE 87 II 74 und 58 II 406
ff.; TUOR-PICENONI, N. 21a zu Art. 619 ZGB) ordnete die Vorinstanz
am 26. Juni 1967 mit Recht eine neue Schätzung des Verkehrswertes
für die Parzellen Nr. 115 und 118 an. Der Verkehrswert dieser beiden
Parzellen, welcher im vorliegenden Streitfall einzig von Bedeutung ist,
war nämlich aus der Schätzung vom 20. Oktober 1958, welche sich auf
das ganze Heimwesen bezog, nicht ersichtlich. Der Beklagte glaubt zwar,
ihn aus der früheren Schätzung in der Weise ableiten zu können, dass er
zunächst das Verhältnis zwischen der Fläche der ganzen Liegenschaft und
derjenigen der beiden in Frage stehenden Parzellen ermittelt und hernach
auf Grund desselben Verhältnisses aus dem Verkehrswert der Liegenschaft
auf denjenigen der beiden Parzellen schliesst. Diese Rechnung ist schon
deshalb unzulässig, weil nicht alle Parzellen einer Liegenschaft denselben
proportionalen Wert aufweisen. Der Verkehrswert der Parzellen Nr. 115 und
118 war bisher noch nicht errechnet worden. Bei dieser Sachlage war eine
Ermittlung ihres Wertes unvermeidlich. Die Vorinstanz verstiess demnach
nicht gegen Bundesrecht, wenn sie eine solche Schätzung anordnete.

    Die Gültschatzungskommission setzte in ihrem Gutachten vom 8. April
1968 den Verkehrswert der Parzelle Nr. 118 auf Fr. 105 000.-- fest und
erachtete eine zuverlässige Schätzung des Verkehrswertes der Parzelle
Nr. 115 als unmöglich, weil die Verhältnisse noch nicht überblickbar
seien. Beide Parteien rekurrierten dagegen an die Direktion der
Landwirtschaft des Kantons Bern. Diese hielt in ihrem Entscheid vom
29. Mai 1969 fest, dass die dem Prozess- und dem Verwaltungsrecht bekannte
Institution der Revision analog auch auf das Schatzungsverfahren anzuwenden
sei. Ein rechtskräftiger Schatzungsentscheid dürfe demnach abgeändert
werden, wenn seit der Beurteilung der Sache neue für die Entscheidung
erhebliche Tatsachen bekannt geworden seien. Die bei der Schätzung
vom 20. Oktober 1958 bereits vorhandenen, aber noch nicht bekannten
Kiesvorkommen seien in diesem Sinne neue erhebliche Tatsachen, die sich
in bedeutendem Masse wertsteigernd auswirken.>

    Die Direktion der Landwirtschaft des Kantons Bern setzte demgemäss
die für 1959 geltenden Ertrags- und Verkehrswerte für die beiden Parzellen
wie folgt fest:

    Verkehrswert:  Parzelle Nr. 115: Fr. 245 500.--
      Parzelle Nr. 118: Fr.  81 200.: Fr. 326 700.--

    Ertragswert:  Parzelle Nr. 115: Fr.  18 850.--
      Parzelle Nr. 118: Fr.   2 693.--: Fr.  21 543.-- Differenzbetrag:
      Fr. 305 157.--

    Da dieser Entscheid nicht an das Bundesgericht weitergezogen wurde,
erwuchs er in Rechtskraft und trat bezüglich der Parzellen Nr. 115 und
118 an die Stelle des früheren Schatzungsentscheides vom 20. Oktober
1958. Gemäss der angeführten Rechtsprechung und Lehre ist er für die
Gerichte, die das Gewinnbeteiligungsrecht zu beurteilen haben, verbindlich.

    b) Der Beklagte behauptet, dass sich der von der Vorinstanz errechnete
Gewinn um verschiedene Positionen verringere. Seine Einwendungen
sind jedoch unbegründet. Wohl ist auch er selbst gewinnberechtigt. Die
Vorinstanz hat dem aber dadurch Rechnung getragen, dass sie den teilbaren
Gewinn entsprechend der Anzahl der vorhandenen Erben durch vier teilte
und den Beklagten nur verpflichtete, seinen im Prozess verbleibenden zwei
Geschwistern je einen Viertel des Gewinnes auszuzahlen. Den Anteil der
Hedwig Reinmann liess die Vorinstanz faktisch dem Beklagten zukommen. Für
die Ausbesserung der Gebäulichkeiten darf der Beklagte keinen Abzug
machen, da nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz auf
den Parzellen Nr. 115 und 118 keine Gebäulichkeiten stehen. Entgegen
der Meinung des Beklagten hat die Vorinstanz für den Ausfall der
landwirtschaftlichen Nutzung an den beiden Parzellen den Betrag von Fr. 49
717.-- abgezogen. Dass dieser Betrag unangemessen niedrig oder unter
Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften errechnet worden sei,
macht der Beklagte nicht geltend.

    In der Berufungsschrift wird schliesslich ausgeführt, durch die
von der Vorinstanz herangezogene Berechnungsart werde der Beklagte im
Ergebnis schlechter gestellt, als wenn das neue Recht angewendet worden
wäre; denn nach Art. 619bis Abs. 2 ZGB hätte er für jedes Jahr, während
dessen die Grundstücke in seinem Eigentum standen, zwei Hundertstel
des Gewinnes abziehen dürfen. Dies ist an sich richtig. Anderseits
wäre er aber nach neuem Recht nicht nur während 15, sondern während
25 Jahren mit dem Gewinnbeteiligungsrecht der Geschwister belastet
gewesen, und die Maximalsumme des teilbaren Gewinnes würde nicht in
der Differenz zwischen dem seinerzeitigen Ertragswert und dem bei der
Teilung geltenden Verkehrswert, sondern in jenem Betrag bestehen, um
den der Veräusserungspreis den Übernahmepreis übersteigt (Art. 619bis
Abs. 1 ZGB). Gesamthaft betrachtet ist der Beklagte demnach durch die
Anwendung des alten Rechtes nicht schlechter gestellt als durch diejenige
des neuen Rechtes.

    c) Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der
Beklagte vom 15. Januar 1963 bis zum 15. Juni 1970 insgesamt Fr. 351 255.--
eingenommen. Der Appellationshof hat davon den Ertragsausfall in der Höhe
von Fr. 49 717.-- abgezogen und auf diese Weise einen teilbaren Gewinn
von Fr. 301 538.-- ermittelt. Dieser Betrag ist etwas geringer als die
errechnete Differenz zwischen dem Ertrags- und dem Verkehrswert von Fr. 305
157.--. Den teilbaren Gewinn hat die Vorinstanz entsprechend der Anzahl
der Erben durch vier geteilt und den Beklagten verpflichtet, seinen zwei
noch im Streite stehenden Geschwistern je Fr. 75 384.50 zu zahlen. Diese
Berechnung ist vom Beklagten an sich nicht angefochten worden.

    Die Berufung erweist sich somit in allen Teilen als unbegründet,
so dass sie abzuweisen ist.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes
des Kantons Bern vom 16./22. Dezember 1970 bestätigt.